Читать книгу Mach mich stark! - Группа авторов - Страница 21
ОглавлениеZügel- und Schenkelhilfen sind für das Pferd unangenehme Reize. Wären sie dem Pferd egal, hätten sie keine Wirkung: Das Pferd würde nicht weiterlaufen oder abwenden.
• Keine Eigeninitiative. Pferde, die nur das Ausweichen kennen, probieren irgendwann nichts mehr aus. Je nach Anspruch an das Pferd ist dieser Zustand vielleicht sogar gewollt. Die Zusammenarbeit wird dabei jedoch unkreativ. Der Reiter könnte annehmen, sein Pferd sei dumm, weil es nichts mehr anbietet [22], oder desinteressiert, dabei ist diese Passivität antrainiert.
• Erzeugung von Stress oder Meiden des Trainers. In manchen Vergleichsuntersuchungen schien die negative Verstärkung die Pferde kaum zu stören [23], in anderen führte sie dazu, dass die Pferde Angst bekamen und der Trainer gemieden wurde [7]. Ein Vergleich zweier Gruppen von Stuten in einer einfachen Trail-Aufgabe zeigte, dass mit Druck trainierte Pferde eine verspannte, abwartende Haltung gegenüber dem Trainer einnahmen und regelmäßig die Ohren anlegten. Mit Belohnung trainierte Pferde zeigten sich bei den gleichen Aufgaben freundlich motiviert und suchten viel mehr Kontakt zum Trainer [11].
„Longieren“ ohne unangenehme Reize: Pünktchen folgt dem Bällchen am Stick.
Kernstärke – So richtig interessant wird das Training, wenn wir Lektionen formen, die man mit Zwang gar nicht erreichen kann. Pünktchen im isometrischen Squat.
• Mögliches Übersehen von Problemen. Auf Druck basierende Arbeit kann dazu führen, dass der Mensch die körperliche oder mentale Ermüdung des Pferdes übersieht, weil das Pferd sozusagen das kleinere Übel wählt und lieber gehorcht, „… oder sonst …!“. Negative Verstärkung hat das Potenzial, Stress zu überlagern und das Wohlbefinden des Pferdes zu stören [10].
• Exaktheit erforderlich. Der Mensch verpasst gerne mal den Moment, in dem er den Druck nachlassen muss [21]. Jedes Pferd mit kahlen Stellen an den Seiten hat einen Reiter, dem für das Prinzip der negativen Verstärkung das Bewusstsein fehlt. Solch ein Reiter drückt aus Gewohnheit weiter mit dem Bein, obwohl das Pferd bereits läuft. Aus der negativen Verstärkung wird …
• … Strafe. Lässt der Reiter den Druck nicht nach, wird das Pferd über kurz oder lang die gewünschte Sache seltener tun, statt häufiger [24]. Viele Abwehrreaktionen nehmen hier ihren Anfang. Der gefährlichste Effekt dauernder Strafe ist Aggression gegen den Menschen [9]. Suboptimales Timing im Nachgeben von Druck ist der Grund für die meisten Konflikte zwischen Reiter und Pferd [25]. Ständige Strafe hemmt den Lernfortschritt des Pferdes und schädigt die Beziehung zwischen Mensch und Pferd, daher raten Experten dazu, sie zu vermeiden [26].
• Einseitigkeit. Beim Pferdebesitzer führt ausschließliches Training mit negativer Verstärkung zu einer gewissen Starre, sodass er gar nicht in der Lage ist, zu erkennen, ob oder wann ein Tier bei der Zusammenarbeit Freude empfindet [27]. Die Art und Weise, in der Pferde trainiert werden, hat Langzeitauswirkungen [7]: Zwei Gruppen von Ponys lernten das Rückwärtsgehen, eine mit Karottenpellets, die andere durch Wedeln mit der Gerte. Nach bereits drei kleinen Übungseinheiten von wenigen Minuten bekamen die negativ verstärkten Ponys Herzklopfen und zeigten Stress und Abwehrreaktionen. Die Pelletsgruppe zeigte beides nicht. Nur fünf Übungseinheiten führten dazu, dass die Gertengruppe den Trainer mied und sich misstrauisch verhielt. Die Pelletsgruppe suchte während und nach dem Training Kontakt zu den Trainern.
Besonders interessant: Bei einem Wiedersehen nach fünf Monaten waren die Effekte noch da. Auch kurze Trainingsintervalle beeinflussen also die Bindung zum Menschen stark. Was wir Unangenehmes tun, bleibt dem Pferd unangenehm in Erinnerung – na klar!
Meinem Pferd macht Druck bestimmt nichts aus!
Bezüglich unangenehmer Reize wie Schenkeldruck oder Zügelzug hört man häufig Gegenargumente wie dieses: „Das bisschen. Das stört meinen Alfie nicht.“ Hier hilft ein sachlicher Blick auf den Effekt, den der unangenehme Reiz hat: Würde Alfie der Schenkeldruck „nichts ausmachen“, würde er nicht daraufhin sein Verhalten ändern, z. B. schneller laufen oder sich biegen. Ein Pferd, dem ein Reiz egal ist, reagiert auch nicht. So einfach ist das. Wenn wir mit negativer Verstärkung arbeiten, müssen wir deren Effekte verantworten.
Darf ich positive und negative Verstärkung kombinieren?
Trainierst du eine Lektion mittels positiver Verstärkung, solltest du auf negative Verstärkung verzichten. Arbeitet man mit Belohnung und fügt unangenehme Reize hinzu, sinkt die Motivation. In der Wissenschaft spricht man von „vergifteter Hilfengebung“ [34]. Derart trainierte Tiere werden unsicher und zögern mehr [35]. Die freiwillige Mitarbeit wird immer stärker gehemmt, der Lernprozess wird gebremst.
Das Hinzufügen unangenehmer Reize ins Belohnungstraining macht den Lernprozess keinesfalls schneller, im Gegenteil! Die Wissenschaft zeigt: „Zuckerbrot und Peitsche“ ist lernhemmend.
Erst mit der Gerte auf die Pferdebrust zu pitschen, und später das Pferd für das Rückwärtsgehen mit Futter zu belohnen, führt dazu, dass das Pferd das Vertrauen in den Trainer verliert. Damit das Pferd ohne Vorbehalte lernen kann, wählen wir lieber ein weniger unangenehmes Zeichen, z. B. den Finger sanft gegen die Pferdebrust drücken. Wir wollen bewusst darauf achten, so viel wie möglich mit angenehmen oder für das Pferd akzeptablen Reizen auszukommen. Auch versehentliches Strafen, wie z. B. ein Rucken am Halfter, sollte vermieden werden. Das gilt auch, wenn wir unter Stress stehen, uns beobachtet oder geprüft fühlen oder in Eile sind: Unangenehme Einwirkung auf das Pferd wirft uns im Training zurück. Negative Verstärkung durch positive zu ersetzen, ist aber jederzeit möglich. Dies erhöht das Wohlbefinden während der Arbeit [19]. Ein Beispiel: Rosalie frischt ihre Führ-Übungen auf. Früher hat sie hauptsächlich am Strick gezogen, um Alfie anzuhalten. Jetzt clickt sie und belohnt ein gutes Anhalten, wenn Alfie aufgrund ihrer Körpersprache bremst. Sie hat unangenehme durch angenehme Reize ersetzt. Du siehst: Für belohnungsbasiertes Training musst du nicht dein Leben ändern. Aber du kannst es dadurch verbessern.