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III.
ОглавлениеHitlers Bewunderung des japanischen „Kriegsgeistes“ und der „rassischen Homogenität“ des japanischen Volks war die Basis, auf der eine gleichermaßen rassenideologisch wie machtpolitisch gefestigte Bündniskonstellation errichtet werden konnte. Hitler stand mit seiner Einschätzung Japans nicht allein; und daher konnte sich eine Annäherung des Deutschen Reichs an Japan auf das Fundament einer seit dem späten 19. Jahrhundert währenden Kulturbegegnung mit dem Inselreich im Fernen Osten stützen. Solche politisch mobilisierbaren Imaginationen Japans waren stets vielfältiger Natur und lassen sich keinesfalls auf den Hitlerschen Kriegs- und Treuediskurs verengen. In jedem Fall ging die kulturelle Entdeckung Japans einher mit ausgeprägtem Respekt der deutschen Seite vor der japanischen Kultur und der ihr innewohnenden Kraftquellen, die sich auch und nicht zuletzt auf militärischem Gebiet niederschlugen. Eine systematische Betrachtung der japanisch-deutschen Austauschbeziehungen unter dem Aspekt des Kulturtransfers15 steht noch aus. Bei der Suche nach kulturellen Multiplikatoren auf deutscher Seite wird man nicht zuletzt dem bislang wenig beachteten Arzt und Ethnologen Erwin Baelz Aufmerksamkeit schenken, der bis zum Jahre 1905 fast dreißig Jahre in Japan wirkte und dort zum Leibarzt des japanischen Kaiserhauses aufstieg.16 Das Leben und Wirken von Baelz ist zugleich ein Beleg für interkulturelle Aufgeschlossenheit: Baelz hielt sich nicht nur von allen rassisch begründeten Geringschätzungen der ostasiatischen Kulturvölker fern, sondern drückte seine Wertschätzung für sein Gastland auch darin aus, dass er eine Japanerin zur Frau nahm.
Der Japandiskurs im „Dritten Reich“ setzte andere Akzente, indem er die politisch verwertbaren und ideologisch anschlussfähigen Elemente japanischer Kultur herausstrich und dabei vor allem die Bereitschaft zu heroischer Selbstaufopferung für die Staatsführung betonte.17 Aber auch hier blieb stets eine gewisse Bandbreite der kulturellen Aneignung Japans erhalten, auch und gerade beim politisch einflussreichsten Japankenner im NS-Staat, dem Geopolitiker und geistigen Mentor von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, Karl Haushofer. Haushofer, der sich „als legitimer Nachfolger von Erwin Baelz“18 verstand, redete keiner gewaltsamen Eroberung von „Lebensraum“ im europäischen Osten das Wort, sondern setzte sich für einen machtpolitischen Ausgleich mit der Sowjetunion ein.19
Für die außenpolitische Wirkmächtigkeit eines komplexen, aber insgesamt positiv konnotierten Japandiskurses innerhalb des NS-Regimes war es neben der Legitimierung durch den ausschlaggebenden Entscheidungsträger Hitler konstitutiv, dass auch im außenpolitischen Apparat des NS-Staates die gezielte Hinwendung zu Japan immer stärkeren Rückhalt fand. Vor allem der seit Februar 1938 amtierende Außenminister Ribbentrop sah hier ein Politikfeld, auf dem er sich profilieren konnte. Bereits als außenpolitischer Berater Hitlers hatte Ribbentrop in dessen Auftrag am Auswärtigen Amt vorbei „mit der japanischen Regierung vertrauliche Verhandlungen geführt“20, welche im November 1936 im Antikominternpakt zwischen Japan und Deutschland ihren ersten vertraglichen Niederschlag fanden. Es war nicht zuletzt Ribbentrop persönlich, der die ursprünglich pro-chinesische Linie des Auswärtigen Amtes massiv korrigierte und sich Hitler als Garant des Bündnisses mit Japan empfahl. Als Krönung seiner diesbezüglichen Bemühungen kann der Dreimächtepakt zwischen dem Reich, Japan und Italien vom 27. September 1940 gelten. Für die konsequente Umstellung der deutschen Außenpolitik auf eine japanfreundliche Linie zollte Hitler seinem Außenminister denn auch höchstes Lob: „Er hat die Bedeutung des Paktes mit Japan immer richtig ermessen und diese Linie mit Entschiedenheit vertreten“.21 Hitler autorisierte Ribbentrop daher zu offiziellen Auftritten, um das Dreieck Berlin-Tokio-Rom als stärkstes weltpolitisches Kraftfeld zu preisen.22 Nach Ausbruch des gemeinsamen Krieges gegen die USA wurde die Stellung Ribbentrops weiter aufgewertet: Auch auf japanischen Wunsch hin fungierte der Außenminister als alleiniger Ansprechpartner in Hinsicht auf die von Botschafter Oshima vorgebrachten Vorschläge bezüglich einer gemeinsamen Kriegführung gegen die angloamerikanischen Mächte.23 Die personalpolitischen Umbesetzungen im Auswärtigen Amt, die aus dieser Umorientierung folgten, sind noch nicht wirklich systematisch untersucht, wie auch eine eingehende Beschäftigung mit den neuen Japanexperten des Amts bis heute ein Desiderat darstellt.24
Für die Stabilität des deutsch-japanischen Bündnisses bürgten schließlich auch außenpolitische Funktionsträger auf japanischer Seite. An dieser Stelle soll nur knapp die Rolle des japanischen Botschafters in Berlin, Oshima, gestreift werden. Der japanische General, bestens mit der deutschen Kultur vertraut und auch der deutschen Sprache vorzüglich mächtig, gehörte nicht nur der germanophilen Militärelite in Japan an; er pflegte darüberhinaus enge persönliche Kontakte zu Reichsaußenminister Ribbentrop.25 Oshima kann zudem als ein Sympathisant des Nationalsozialismus gelten, dessen Vermittlerfunktion sich nicht allein auf japanophile Zirkel im Reich beschränkte. Er unternahm auf Einladung von NSDAP-Einrichtungen vielmehr ausgedehnte „Agitationsreisen“26, um im ganzen Land Ansprachen zur Stärkung der Kriegsmoral zu halten.27 Der Diplomat galt der deutschen Führung als ein innerlich so überzeugter Verfechter des Bündnisses mit Deutschland, dass Goebbels seinem Tagebuch am 23. April 1942 anvertraute: „Man müsste ihm später einmal in Deutschland ein Denkmal setzen“.28
Hitler imponierte an Oshima nicht zuletzt dessen soldatische Natur. Bereits seit 1934 hatte der Heeresgeneral und Sohn eines Kriegsministers zunächst als Militärattaché der japanischen Botschaft in Berlin das Vertrauen Hitlers gewonnen.29 Der glühende Antikommunist Oshima dürfte einer der ganz wenigen ausländischen Gesprächspartner gewesen sein, die Hitler zu einer Zeit, als er nach außen noch die friedlichen Absichten des Reiches beteuerte, frühzeitig über seine Pläne zur Zerschlagung der Sowjetunion in Kenntnis setzte. Im Herbst 1935 hatte sich Hitler privat mit Oshima getroffen und diesen in seine Expansionspläne in Richtung Sowjetunion eingeweiht30 – eine ebenso überraschende Offenbarung seiner grundlegenden Ziele, wie ein bemerkenswerter Vertrauensbeweis für seinen japanischen Gesprächspartner. Dass ein amerikanischer Historiker und Experte für Nachrichtendienste dieses von der Forschung bislang kaum beachtete Zeugnis über Hitlers wahre Absichten in einer monographischen Studie an versteckter Stelle31 anführen konnte, weist auf Umwege hin, die einzuschlagen sind, um den eklatanten Quellenmangel zu den deutsch-japanischen Beziehungen zumindest partiell beheben zu können. Gemeint ist das umfängliche Material, dass die Geheimdienste der Kriegsparteien von der anderen Seite wie von Dritten durch systematische Ausspähung des Funkverkehrs erlangten.
Da den US-Diensten im Jahre 1940 die Entzifferung des japanischen Codes gelang, mit dem die Berichte der japanischen Botschafter an ihre Heimat verschlüsselt wurden, entstand eine Ersatzüberlieferung für die allem Anschein nach verlorenen Originale, die bis heute einer systematischen Auswertung harrt. Allein der schiere Umfang der Übersetzungen der abgefangenen japanischen diplomatischen Berichte beläuft sich auf 115.000 Blatt.32 Umgekehrt hatten die Japaner den diplomatischen Code der Türkei dechiffriert33 und konnten mitlesen, was der türkische Botschafter in Moskau zu berichten wusste – ein Wissen, das sie bereitwillig an ihren deutschen Verbündeten weiterleiteten und wovon auch gelegentlich Hitler im Gespräch mit ausländischen Staatsmännern Gebrauch machte.34 Von solchem Informationsaustausch profitierte vor allem die deutsche Botschaft in der Türkei, weil die japanische Botschaft in diesem Land aus geographischen Gründen ein zentraler Ort der Sammlung unter anderem des vom japanischen Informationssekretär in Lissabon beschafften Materials war; diese per Kurierdienst nach Ankara verbrachten Nachrichten wurden im Regelfall auch dem zuständigen Vertreter der deutschen Botschaft zugänglich gemacht.35 Das dichte japanische Nachrichtennetz in Europa belieferte die deutsche Seite mit Informationen aus Staaten, in denen die deutsche Nachrichtenbeschaffung nur unzureichend Fuß gefasst hatte; hinzu kam noch ein intensiver Austausch mit italienischen Stellen.36 Es wäre einer näheren Prüfung wert, inwieweit die auf diese Art beschafften Informationen für den Entscheidungsbildungsprozess der politischen Führung wertvolle Orientierungshilfen bildeten. Entsprechende verstreute Hinweise tauchen immer wieder auf – etwa bei der im Tagebuch des Generalstabschefs Halder überlieferten Besprechung Hitlers mit der militärischen Führungsspitze am 31. Juli 1940, in der Hitler den Auftrag zur Planung eines Angriffskriegs gegen die Sowjetunion erteilte.37