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Rahmenbedingungen

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Folgende Merkmale kennzeichneten das deutsche Programm. Erstens stellten die Propagandasendungen eine ebenso enge wie bleibende Verbindung zwischen weltlichen und religiösen Themen her: so konnte in ein- und demselben Textbeitrag gegen amerikanischen, britischen und „jüdischen“ Imperialismus zu Felde gezogen und gleichzeitig an tradierte judenfeindliche Elemente des Islam appelliert werden. Das Dritte Reich gab sich damit als Verbündeter des arabischen Antiimperialismus wie auch als Gesinnungsverwandter der islamischen Religion aus. Zweitens nahm die in Arabisch an den Mann gebrachte NS-Propaganda vom ersten Tag an bis zum Ende des Krieges den Zionismus ins Visier; wie kein anderes Thema schweißte der ständige vehemente Angriff auf zionistische Ideen und Ziele die säkularen und religiösen Dimensionen der deutschen Medienkampagne zusammen. Drittens bildeten die Propagandasendungen ein Gemeinschaftsprojekt, das weder die Nazis noch ihre arabischen und muslimischen Verbündeten hätten allein umsetzen können. Es handelte sich somit um ein echtes Produkt transkultureller Fusion und gegenseitiger Befruchtung verschiedener Spielarten von Judenfeindschaft in Verbindung mit der Ablehnung liberal-demokratischer Vorstellungen, wie sie in Europa verwurzelt und im Islamismus im Entstehen waren. Was den Deutschen an Kenntnissen der arabischen Sprache und der politischen Verhältnisse im Nahen Osten fehlte, lieferten arabische Exilanten. Von den Nazis lernten diese Araber neben den Verästelungen antisemitischer Verschwörungstheorien, wie sich diese passend auf die Verhältnisse vor Ort zuschneiden ließen. Beide Partner trugen aktiv zu der Fusion bei; in ihr prallten nicht Kulturen aufeinander, sondern es kamen Gleichgesinnte zusammen.

Der Koran in seiner NS-spezifischen und radikal-islamistischen Auslegung wurde zum Schlüsseltext und Bindemittel im Bemühen um kulturelle Verschränkung. Arabische Übersetzungen von Mein Kampf und den Protokollen der Weisen von Zion kursierten im Nahen Osten schon vor 1939. Wenngleich die Protokolle in der Region während und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg weite Verbreitung fanden, spielten weder sie noch die großen Reden von Hitler oder Goebbels eine signifikante Rolle in der NS-Radio- und Pressepropaganda der Kriegszeit. Es war die Einbettung von NS-Ideologemen in die selektive Rezeption bereits vorhandener judenfeindlicher Koranstellen und islamischer Kommentare sowie in antizionistische Strömungen des arabischen Nationalismus, die der NS-Propaganda ihre Wirkung und langfristige Relevanz im Kontext radikal-islamischer Tradition verschaffte und die Popularisierung antisemitischer Einstellungen beförderte. Führende Vertreter des AA wie etwa Erwin Ettel sowie im RSHA tätige NS-Orientalisten kamen auf der Basis ihres selektiven Islam-Verständnisses zu dem Schluss, dass Koran und islamische Tradition die kulturelle und politische Gefühls- und Gedankenwelt der Araber besser erschließen helfen könne als Hitlers Mein Kampf. Das NS-Regime radikalisierte nicht nur den bereits existenten europäischen und deutschen Antisemitismus; auch innerhalb des arabischen Nationalismus und islamischen Radikalismus trug es dazu bei, die Wirkung judenfeindlicher und antizionistischer Einstellungen zu verbreitern, wobei unklar bleibt, wie weit die Akzeptanz NS-spezifischer Anschauungen in der arabischen und muslimischen Bevölkerung letztlich ging.

Deutsche Schriftpropaganda fand ihre enge Grenze in der Tatsache, dass zur Zeit des Zweiten Weltkriegs höchstens 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Nordafrika und im Nahen Osten lesen konnten. Die Analphabetismusrate des muslimischen Teils lag sogar noch höher. Einschränkend kam hinzu, dass die Niederlage von Rommels Armee im Frühjahr 1943 deutscher Militär- und Geheimdienstpräsenz in Nordafrika ein Ende setzte. Während des Krieges beschränkte sich der direkte Einfluss der Achse Berlin-Rom in der Region auf die Operationen deutscher und italienischer Truppen in Nordafrika und die Unterstützung des kurzlebigen Bagdader Putsches vom Frühjahr 1941. Entsprechend waren es die deutschen Kurzwellen-Radiosendungen, mit denen sich die arabische Öffentlichkeit – insbesondere in Ägypten, Palästina, Syrien, im Libanon und Irak (im Iran über persischsprachige Programme) – am wirksamsten erreichen ließ.

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