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Berlin: Die Schneidemühler Deportation zieht Kreise

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Was als Bruno Müllers Versuch begonnen hatte, zumindest die örtlichen Parteiführer versöhnlich zu stimmen, hatte mit dazu beigetragen, eine Reaktion des RSHA zu provozieren, die so unscharf formuliert war, dass sie wiederum eine Stapostelle an ganz anderer Stelle des Altreiches dazu veranlasst hatte, eine Deportation in das Generalgouvernement in die Wege zu leiten, die aufgrund anders lautender Vereinbarungen innerhalb des NS-Führungszirkels gar nicht mehr durchführbar war.43 Als sich das RSHA Ende Februar 1940 mit der Konzentration von nahezu 550 Juden in Schneidemühl konfrontiert sah, griff es gleichwohl auf eben jenen Plan zurück, den der Mann, der den unklaren Schnellbrief des Gestapo-Amtes an ungeduldige Dienststellen überhaupt erst mit ausgelöst hatte, entwickelt hatte.

Die Glowna-Deportation zog eine Reihe an Präzisierungen und Ermahnungen nach sich. Am 15. März erklärte Jaguschs Referat IVA 5b in einem Schnellbrief an alle Stapo(leit)stellen, der Rundbrief vom 12. Februar sei mitnichten als Ankündigung der Deportation der deutschen Juden in das „Operationsgebiet“ zu verstehen; von „Umsiedlungsmaßnahmen der Juden“ sei daher bis zum Erlass weiterer Anordnungen des RSHA abzusehen.44 Am 24. März gab wiederum Göring einen Erlass heraus, in dem es unmissverständlich hieß: „Der Herr Generalgouverneur […] hat sich darüber beschwert, dass immer noch Deportationen von Juden aus dem Reich in das Generalgouvernement durchgeführt werden […] Entschuldigungen, dass solche ,Abwanderungen‘ durch untergeordnete Stellen vorgenommen worden sind, lasse ich nicht gelten.“45 Hatte die anonyme Meldung über die Deportation von Schneidemühler Juden, die schon das Auswärtige Amt alarmiert hatte, womöglich auch den Generalgouverneur erreicht? Am 28. März sah sich Heydrich jedenfalls genötigt, in einem Schreiben an die Stapo(leit)stellen seinen Erlass vom 21. Dezember 1939 erneut zu bekräftigen: „Aus gegebener Veranlassung weise ich auf meinen vorbezeichneten Erlass hin und ersuche nochmals um genaueste Beachtung dieses vom Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei gegebenen Befehles, demzufolge Abschiebungen von Juden aus dem Altreich einschließlich der Ostmark und dem Protektorat Böhmen und Mähren in das Generalgouvernement verboten sind.“46

Wie der Zufall es wollte, waren in derselben Woche, in der Bruno Müller seine Mitteilung an das RSHA schickte und damit die beschriebenen Ereignisse mit auslöste, Beamte in anderen Abteilungen des Gestapo-Amtes damit beschäftigt, den Imageschaden im Ausland zu begrenzen, den Bruno Müller bei der Verhaftung der Krakauer Professoren verursacht hatte. Zwar hatte er damals nur Befehle ausgeführt, dies aber auf denkbar ungeschickte Weise getan: Er hatte alle Professoren auf einmal abholen lassen, ohne Ansehen des Alters und des Gesundheitszustandes, mitten am Tag und in aller Öffentlichkeit.47 Ende November formierte sich eine internationale Kampagne zu deren Freilassung.48 Am 8. Februar 1940 wurden hundert der Professoren, die älter als vierzig waren, aus Sachsenhausen entlassen, um den Protesten aus dem Ausland die Brisanz zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt waren im Lager bereits zwölf Professoren durch Misshandlung und Vernachlässigung umgekommen. Weitere sechs sollten binnen weniger Tage nach ihrer Freilassung sterben.49

Dass Müllers Mitteilung über sein Vorgehen gegen die Juden im Stapobezirk Wilhelmshaven just zu dem Moment im RSHA eintraf, als man dort die Probleme zu entschärfen suchte, zu denen der Professoren-Zwischenfall in Krakau geführt hatte, mag Müllers Karriere nicht zum Vorteil gereicht haben. Dass der Versuch, Bruno Müller in die Schranken zu weisen und die Stapostellen im Reich davon abzuhalten, seinem Beispiel zu folgen, dann eben jenes Ergebnis zeitigte, das Heydrich, Heinrich Müller, Eichmann und Jagusch ebenso wie die RVJD zu vermeiden trachteten, hat seine Situation wohl nicht verbessert. Zwar konnte man diese Verkettung der Ereignisse nicht Bruno Müller direkt anlasten, aber ohne die Notwendigkeit, auf sein Vorgehen zu reagieren, wäre es vielleicht nicht so weit gekommen.

Am 30. Mai 1940 setzte die Stapostelle Wilhelmshaven die Gauleitung in Oldenburg davon in Kenntnis, dass von Ende Januar bis Anfang März 843 Juden ins Reich – nach Hamburg, Hannover und Berlin – umgesiedelt worden waren. Weitere 150 hatte man in einem Altersheim in Emden, elf in einem „Heim für schwachsinnige Juden“ in Varel untergebracht; in einem „geschlossenen Haus“ in Norden warteten acht Juden fortgeschrittenen Alters auf ihre Verlegung in das Emdener Altersheim. Die Existenz von „Mischlingen“ habe man auf der Grundlage eines Erlasses von Reichsmarschall Göring einfach ignoriert. Der Bericht schloss mit den Worten: „Damit kann die Entjudungsaktion für den hiesigen Bezirk als abgeschlossen betrachtet werden.“50 Unterzeichnet hatte ihn einer von Müllers Kollegen. Bruno Müller war zu der Zeit bereits bei seinem nächsten Einsatz: als Kommandoführer in den Niederlanden.51

1 Klaus-Michael Mallmann/Jochen Böhler/Jürgen Matthäus: Einsatzgruppen in Polen. Darstellung und Dokumentation, Darmstadt 2008, S. 24.

2 Siehe zum Beispiel Klaus-Michael Mallmann/Andrej Angrick/Jürgen Matthäus/Martin Cüppers (Hrsg.): Die „Ereignismeldungen UdSSR“ 1941. Dokumente der Einsatzgruppen in der Sowjetunion I, Darmstadt 2011, S. 212; Michael Wildt: Die Generation des Unbedingten, Hamburg 2002, S. 939; detaillierter Jolanta Adamska: Bruno Müller – Wykonawca ‚Sonderaktion Krakau‘ in: Zeszyty Naukowe Uniwersytet Jagiellonskiego, Prace Historyczne, zeszyt 84 (1987), S. 125–153.

3 Zu Müllers Zeit in Polen Adamska, Bruno Müller; zu Müllers Einsatz in der Sowjetunion Andrej Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord: Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941–1943, Hamburg 2003.

4 Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD (CdS) an die Einsatzgruppen und Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei im Osten u.a. v. 20.11.1939, Bundesarchiv Berlin (BAB), R 58/241.

5 Vgl. Huppenkothens Vorschlag zur Ernennung als Oberregierungsrat v. 5.8.1942, BAB, R 601/1814; bis zum 15.11.1939 hatte Huppenkothen nachweislich Müller als KdS abgelöst, siehe Zusammenstellung über Behördenaufbau und Besetzung im Generalgouvernement, BAB, R 58/9148.

6 Herbert Reyer: Die Vertreibung der Juden aus Ostfriesland und Oldenburg im Führjahr 1940, in: Hajo von Lengen (Hrsg.): Collectanea Frisica. Beiträge zur historischen Landeskunde Ostfrieslands. Walter Deeters zum 65. Geburtstag, Aurich 1995, Dok. 1–5, S. 376–380, vgl. auch S. 368ff.

7 Vor allem im Zusammenhang mit dieser Aktion taucht Bruno Müller in der Literatur auf. Zu den nennenswertesten Werken zählen Adamska, Bruno Müller; Józef Buszko (Hrsg.): Podstepne uwiezienie profesorów Uniwersytetu Jagiellonskiego i Akademii Górniczej (6XI1939 r.): dokumenty, Krakau 1995 (mit 33-seitiger Übersetzung der Einführung und Faksimiles der deutschen Dokumente); Jochen August: Sonderaktion Krakau. Die Verhaftung der Krakauer Wissenschaftler am 6. November 1939, Hamburg 1997. Diese Verhaftungsaktion wird mitunter für Müllers Abberufung als KdS Krakau verantwortlich gemacht; am 6.11. dürfte seine Ablösung zwei Tage später jedoch schon beschlossene Sache gewesen sein.

8 Als Zusammenfassung des Forschungsstandes zur Nisko-Operation vgl. Susanne Heim/Ulrich Herbert/Hans-Dieter Kreikamp u.a. (Hrsg.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Bd. 3: Deutschland September 1939–Juli 1941, bearb. von Andrea Löw, München 2012, S. 37f.; dies. u.a. (Hrsg.): Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, Bd. 4: Polen September 1939–Juli 1941, bearb. von Klaus-Peter Friedrich, München 2011, S. 34; vgl. auch Jonny Moser, Nisko: die ersten Judendeportationen, Wien 2012.

9 Einige der überlieferten Fernschreiben zur Nisko-Aktion an Adolf Eichmann waren mit „Staatspolizeistelle Krakau“ und dem Zusatz „über den SD-Führer, SS-H’Stuf. Hoth“ adressiert. Franz Hoth gehörte als Leiter des SD wie Müller zur EG 1. Zu den Fernschreiben siehe die Faksimiles in: Henry Friedlander/Sybil Milton (Hrsg.): Archives of the Holocaust. An International Collection of Selected Documents, Bd. 22: Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen, Ludwigsburg, New York – London 1993, Dok. 38, S. 79f., und Dok. 40, S. 82; zu Hoth siehe Mallmann/Böhler/Matthäus, Einsatzgruppen in Polen, S. 21; obwohl letztlich das Einsatzkommando z.b.V. in Kattowitz am 27.10.1939 das Begleitkommando für die Deportation der dortigen Juden nach Nisko stellte, wurde die EG I auch darüber informiert, vgl. ebd., S. 86 und 231, Fn. 569.

10 Heim u.a., Verfolgung, Bd. 3, Dok. 16, S. 109–114; solche Vorstöße waren Anfang Oktober so verbreitet, dass der Geschäftsträger der US-Botschaft schon am 12.10.1939 Washington davon informierte, vgl. John Mendelsohn (Hrsg.): The Holocaust, Bd. 8: Deportation of the Jews to the East: Stettin, 1940, to Hungary, 1944, New York 1982, Dok. 2, S. 5–8, hier S. 7.

11 In Schweden und der Schweiz zirkulierten schon am 7.11.1939 detaillierte Nachrichten über die Nisko-Aktion, siehe National-Zeitung (Basel), Die Judenreservation in Polen v. 7.11.1939, Wiener Library, MF Dok. 54, Rolle 26, file 557: Jews in Poland 1939–40. Die National-Zeitung stützte ihren Artikel auf einen Bericht des Sydsvenska Dagbladet (Malmö); in Deutschland selbst zirkulierten Ende November entsprechende Berichte. Die SD-Außenstelle in Bad Kissingen meldete beispielsweise am 27.11.1939, es werde erzählt, dass Juden aus „Österreich und der Tschechei“ an einen Ort „zwischen San und Bug“ verschickt würden, zit. nach: Beate Meyer: Tödliche Gratwanderung: Die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zwischen Hoffnung, Zwang, Selbstbehauptung und Verstrickung (1939–1945), Göttingen 2011, S. 84.

12 Reyer, Vertreibung, Dok. 1–2, S. 376ff., vgl. S. 368f.

13 Ebd., Dok. 3–5, S. 378f., vgl. S. 369f.

14 Ebd., Dok. 6, S. 381, vgl. S. 370.

15 Ebd., Dok. 7, S. 382, vgl. S. 370f.

16 Heim u.a., Verfolgung, Bd. 3, Dok. 40, S. 148.

17 Reyer, Vertreibung, Dok. 8, S. 382f., und Dok. 15, S. 388ff., hier 388f., vgl. 372ff.

18 Ebd., Dok. 9, S. 383ff., hier 384f., vgl. S. 372.

19 Die Meldung, auf die Müller hier Bezug nimmt, stammt vom 4.11.1939, siehe ebd., Dok. 1, S. 376.

20 Ebd., Dok. 9, S. 383ff., vgl. S. 371f.

21 Andrej Angrick/Peter Klein: Die „Endlösung“ in Riga. Ausbeutung und Vernichtung 1941–1944, Darmstadt 2006, S. 189; der Schnellbrief ist zur Gänze abgedruckt in: Heim u.a., Verfolgung, Bd. 3, Dok. 50, S. 165ff.

22 Der Schnellbrief endet mit einem Hinweis auf einen bis jetzt nicht gefundenen Zusatz für die Stapoleitstelle Düsseldorf. Das lässt vermuten, dass von dort ähnliche Wünsche geäußert wurden.

23 Reyer, Vertreibung, S. 373f.; Wolf Gruner: Von der Kollektivausweisung zur Deportation der Juden aus Deutschland (1938–1945). Neue Perspektiven und Dokumente in: Birthe Kundrus/Beate Meyer (Hrsg.): Die Deportation der Juden aus Deutschland Pläne – Praxis – Reaktionen 1938–1945, Göttingen 2004, S. 39.

24 Heydrich gab dies auf einer Besprechung am 30.1.1940 bekannt und begründete die Deportation damit, dass „Wohnungen aus kriegswirtschaftlichen Gründen dringend benötigt“ würden. An dieser Besprechung nahmen auch Adolf Eichmann und Vertreter der politischen Führung des Generalgouvernements teil, Heim u.a., Verfolgung, Bd. 4, Dok. 82, S. 218–221.

25 Angrick/Klein, „Endlösung“, S. 189, vgl. Heim u.a., Verfolgung, Bd. 3, Dok. 50, S. 165, Fn. 3.

26 Die Ankündigung wurde bislang nicht aufgefunden.

27 Meyer, Gratwanderung, S. 89; zu Jaguschs Stellung im RSHA vgl. Geschäftsverteilungsplan RSHA (Stand: 1.1.1940), BAB, R 58/840.

28 Mendelsohn, Holocaust, Bd. 8, Dok. 2, S. 7.

29 Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) an das Reichsministerium des Innern (RdI), RSHA v. 9.4.1940, BAB, R 8150/483, Bl. 213ff., hier Bl. 214; der heutige BAB-Bestand R 8150 (RVJD) lag bis zur deutschen Wiedervereinigung in Potsdam und konnte daher von der westlichen Forschung lange nicht berücksichtigt werden. In der hier relevanten Akte R 8150/483 befinden sich zwei statistische Übersichten über den weiteren Verbleib der 544 Juden; vgl. auch Wolfgang Wilhelmus: Geschichte der Juden in Pommern, Rostock 2004, S. 214; Peter Simonstein Cullman: History of the Jewish Community of Schneidemühl. 1641 to the Holocaust, Bergenfield 2006, S. 159; Siegfried Ransch: Jüdisches Arbeitsheim Radinkendorf (1940 bis 1943). Dokumentarischer Bericht über ein Lager an der märkischen Spree, Berlin 2010, S. 39, 51.

30 Gruner, Kollektivausweisung, S. 39.

31 Als Hachschara wurde die Vorbereitung von Juden auf die Auswanderung nach Palästina bezeichnet.

32 RVJD an RdI, RSHA, v. 9.4.1940, BAB, R 8150/483, Bl. 213ff., hier Bl. 214, vgl. Cullman, Community, S. 161; Ransch, Arbeitsheim, S. 51f.

33 Mendelsohn, Holocaust, Bd. 8, Dok. 3, S. 10.

34 Laut Cullman, Community, S. 159, handelte es sich eigentlich um das Gemeindehaus.

35 RVJD an RdI, RSHA, v. 9.4.1940, BAB, R 8150/483, Bl. 213ff., hier Bl. 214; Rücksprache mit Regierungsassessor Jagusch am 1.4.1940, 11 Uhr, BAB, R 8150/483, Bl. 218ff., hier Bl. 218f.; vgl. Wilhelmus, Geschichte, S. 214; Cullman, Community, S. 164f.; Ransch, Arbeitsheim, S. 39ff. und 52.

36 Zu Glowna siehe Maria Rutowska: Lager Glowna. Niemiecki obóz przesiedlenczy na Glównej w Poznaniu dla ludnosci polskiej (1939–1940), Documenta occupationis 16, Posen 2008.

37 Auch Nachkriegsuntersuchungen geben darüber keinen Aufschluss. Im Findbuch des Bundesarchivs in Ludwigsburg (Stand: 4.1.2012) findet sich nur eine einzige Ermittlung über Deportationen aus Schneidemühl. Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I setzte sie 1967 in Gang. Der Einstellungsverfügung vom 17.12.1971 zufolge beschränkten die Ermittler sich jedoch auf Ereignisse nach 1940, da sie Hinweise auf Deportationen vor diesem Zeitpunkt nicht erhärten konnten, vgl. BAL, B 162/7745; die US- Behörden befragten nach dem Krieg Dr. Anton Fest, der im Winter 1939/40 die Stapostelle in Schneidemühl geleitet hatte. Die Deportationen im Winter 1940 wurden dabei nicht thematisiert, vgl. Interrogation Records Prepared for War Crimes Proceedings at Nürnberg, 1945–1947, NARA, M1270, Rolle 3; online unter: http://www.fold3.com, 6.12.2012.

38 Rücksprache im RSHA am 13.3.1940, Leo Baeck Institute, AR 25.033, Rischowsky Collection, online unter: http://www.archive.org/stream/walterjohannaris01risc#page/ n543/mode/1up, 6.12.2012, zit. nach: Meyer, Gratwanderung, S. 90, Fn. 252.

39 Die Deportation wird fortgesetzt, Krakau v. 14.3.1940, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PAAA), R 99.355; in dieser Meldung auf der Grundlage von „Feststellungen“ von einem „polnisch-jüdischem Hilfsausschuss im Generalgouvernement“ gibt es einige Ungenauigkeiten, vor allem wird mit Lublin ein falsches Deportationsziel angegeben. Außerdem ist vom Leiden der Schneidemühler in Ostpolen die Rede; dort kamen sie aber nie an, siehe BAB, R 8150/483, Bl. 214, 218ff.; von der Reichskanzlei wurde der Bericht an Himmler weitergeleitet, siehe BAB, R 43 II/1412, Bl. 300ff.; auch nach dem Krieg zog diese nicht zutreffende Meldung Kreise. Sie ist als Nürnberger Dokument NG-2490 klassifiziert und fand Eingang in die Literatur, siehe Ransch, Arbeitsheim, S. 37, Fn. 78.

40 Vermerk Legationsrat Emil Schumburg v. 21.3.1940, PAAA, R 99.355; vgl. Gruner, Kollektivausweisung, S. 39f.

41 Rücksprache mit Regierungsassessor Jagusch am 1.4.1940, 11 Uhr, BAB, R 8150/483, Bl. 218ff. Die drei Transportlisten sind abgedruckt in: Rutowska, Lager, S. 631ff.; vgl. auch Cullman, Community, S. 165f.

42 RVJD an jüdische Kultusvereinigung in Schneidemühl v. 20.3.1940, BAB, R 8150/483, Bl. 235.

43 Interessanterweise war die Stapostelle Schneidemühl womöglich nicht die einzige, die Heinrich Müllers Schnellbrief als Aufforderung zur Zusammenfassung der Juden zwecks Vorbereitung zur Deportation in den Osten verstand. Dr. Max Plaut, der ehemalige Leiter der Bezirksstelle Nordwestdeutschland der RVJD, behauptete nach dem Krieg, dass Wilhelmshavener Stapobeamte der dortigen jüdischen Bevölkerung befohlen hätten, sich für „den in Kürze erfolgenden Abtransport nach Polen“ bereitzuhalten. Ob die Beamten wirklich von diesem Zielort ausgingen oder ihn nur als Drohung benutzten, damit die Juden in ihrem Zuständigkeitsbereich so schnell wie möglich ihren Umzug innerhalb des Reiches in Angriff nahmen, lässt sich nicht feststellen, vgl. Reyer, Vertreibung, Dok. 14, S. 388.

44 Der Schnellbrief wird vollständig zitiert in: Angrick/Klein, „Endlösung“, S. 189.

45 Dokumente über die Verfolgung der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg durch das nationalsozialistische Regime, bearb. von Paul Sauer, Bd. 2, Stuttgart 1966, Dok. 408, S. 191. In der Literatur wird dieser Erlass als schriftlicher Niederschlag eines Treffens zwischen Göring und Hans Frank sowie verschiedenen Gauleitern gewertet, bei dem Göring dem Generalgouverneur am 12. Februar zugesagt hatte, dass keine außerplanmäßigen Deportationen in seinen Machtbereich mehr vorgenommen würden. Auf welche außer planmäßigen „Abwanderungen“ sich Göring mit dem Erlass vom 24. März bezieht, ist bislang in der Forschung offen. Die Glowna-Deportation scheint in dieses Schema zu passen – auch wenn die Juden nicht von dort, wie fälschlich gemeldet, ins Generalgouvernement weitergeleitet wurden.

46 RSHA, IV D 4, an alle Staatspolizeileit- und Staatspolizeistellen, Betrifft: Abschiebung von Juden aus dem Altreich in die besetzten polnischen Gebiete v. 28.3.1940, Faksimile in: Mecislav Borák (Hrsg.): První deportace evropskch Židu: transporty do Niska nad Sanem (1939–1940), Ostrava 2009, S. 178.

47 So Adamska, Bruno Müller, S. 143; vgl. auch die deutsche Zusammenfassung auf S. 152f.; August, Sonderaktion, S. 56, geht hingegen davon aus, dass Müller aus eigenem Antrieb gehandelt habe.

48 Der Direktor der American University Union in Paris initiierte am 28.11.1939 eine Briefkampagne. Zu dem Zeitpunkt hatte Bruno Müller Krakau bereits verlassen, vgl. Buszko, Uwiezienie, S. 564ff.

49 August, Sonderaktion, S. 7.

50 Reyer, Vertreibung, Dok. 13, S. 385ff.

51 Vorschlag zur Ernennung des Regierungsrats Bruno Müller zum Oberregierungsrat, BAB, R 601/1814.

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