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2.1 Gedenkgottesdienst für Pastor Dietrich Bonhoeffer am 27. Juli 1945 in London2 Ansprache des Bischofs von Chichester, Dr. Bell3
ОглавлениеIn dieser Kirche, die im Krieg durch viele Erinnerungen christlicher Gemeinschaft geheiligt ist, versammeln wir uns jetzt im Gedenken an Dietrich Bonhoeffer, unseren lieben Bruder und Märtyrer der Kirche.
Er wurde am 4. Februar 1906 in Breslau geboren. Er war der Sohn eines berühmten Arztes und gehört zu einer Familie, die in vergangenen Generationen nicht wenige hervorragende Geistliche, Richter und Künstler zu den ihren zählt. Dietrich selbst hat schon als junger Mann auf seinem eigenen Gebiet, der Theologie, hohe Bedeutung erlangt. Nachdem er nicht nur in Deutschland, sondern auch in Barcelona, Rom und New York seinen Studien nachgegangen war, wurde er 1930 Privatdozent der Systematischen Theologie an der Universität Berlin und 1931 ordiniert. Vor dem Krieg hat er etwa fünf Bücher veröffentlicht, und in diesen letzten Jahren beschäftigte ihn eine Arbeit über die christliche Ethik. Es gab, menschlich geredet, keinen Zweifel, daß er im Reich der theologischen Wissenschaft und als Lehrer mit Recht einen ersten Platz eingenommen hätte, wenn Gott seine Gaben so hätte gebrauchen wollen. Er liebte das Leben und genoß menschliche Bindungen und menschliche Freuden, Heim und Freundschaft, Literatur, Musik und Kunst. Er war ein Mann, dessen Scharm und Humor, dessen Charakter und Gaben seine Gesellschaft zu einem Vergnügen machten.
Am 30. Januar 1933 war er noch nicht ganz 27 Jahre alt, als der Mann Reichskanzler wurde, den die Geschichte sicher als Quelle der größten Schande und des Ruins Deutschlands bezeichnen wird. Und dieses Ereignis war es, das den Lauf von Dietrichs restlichem Leben bestimmte. So jung er war, erfaßte er doch unmittelbar und instinktiv die Bedeutung der nationalsozialistischen Revolution, mit ihrer Vernichtung aller menschlichen Rechte und ihrer Verwerfung Gottes. Wie wenig andere sah er richtig, daß der Angriff auf die Juden ein Angriff auf Christus wie ein Angriff auf Menschen war. Vom ersten Augenblick an bemühte er sich um beides, wie er Gott und der Kirche am besten im Kampf gegen Hitler dienen und wie er Deutschlands Seele vor den Dämonen retten könne, die es von allen Seiten angriffen. Zwei Jahre lang amtierte er in London als deutscher Pfarrer. Während er zweifellos seinen zwei Gemeinden hingebend diente, sah er viele britische Freunde und half ihnen zur ersten Einsicht in das Wesen des deutschen Kirchenkampfes. 1935 ging er nach Deutschland zurück und leitete ein illegales Seminar der Bekennenden Kirche in Pommern. Unterbrochen durch Besuche in Amerika und England gab er Pastoren innerhalb der Bekennenden Kirche bis zum Ausbruch des Krieges Hilfe und Anleitung. Außerdem nahm er den aktiven und streitbaren Anteil an der Opposition gegen Hitler und am Widerstand gegen die barbarischen Taten seiner Regierung. Er haßte den Krieg. Meine vorletzte Erinnerung an Dietrich ist ein langes Gespräch im Sommer 1939 in Chichester, als er den Krieg für unvermeidlich hielt. Es ging darum, was seine Pflicht wäre, wenn er einberufen würde.
Tatsächlich wurde ihm die Prüfung, in der Armee zu dienen, erspart. Seine ganze Kraft widmete er der Arbeit für die Bekennende Kirche und half der unterirdischen politischen Opposition, die den Sturz des Führers plante. Sein illegales Seminar wurde 1940 zum zweiten Male aufgelöst. Dann reiste er durch das Land und visitierte für die Bekennende Kirche die Gemeinden. Ende 1940 erhielt er Rede- und Predigtverbot von der Gestapo. 1941 und 1942 befaßte er sich mit seinem Buch über christliche Ethik und arbeitete Memoranden für die Bruderräte aus, währen er seine Abende der politischen Tätigkeit widmete.
Es war im Mai 1942, als ich ihn zum letzten Male in Stockholm sah. Vollkommen unerwartet erschien er unter Lebensgefahr aus Berlin, um mir Informationen von äußerster Wichtigkeit zu geben über die Oppositionsbewegung in Deutschland, die Hitler und seine Hauptmitarbeitern beseitigen (eliminate) und eine neue Regierung einsetzen wollte. Diese sollte die Nürnberger Gesetze aufheben, Hitlers Taten, soweit wie möglich rückgängig machen und Frieden mit den Alliierten suchen. Von diesen letzten ernsten (solemn) Gesprächen mit Dietrich will ich nichts weiter sagen als dieses: So tief er sich dem Plan der Beseitigung verpflichtet fühlte (deeply committed as he was to the plan for elimination), war es ihm doch in keiner Weise leicht, diesen Entschluß als Christ zu fassen. „Es muß eine Strafe von Gott geben“, sagte er, „wir wollen der Sühne (repentance) nicht entfliehen.“ Die Beseitigung selbst – darauf bestand er – muß als ein Akt der Sühne verstanden werden. „Strafe muß über uns kommen! Christen wünschen nicht, der Sühne oder der Strafe zu entgehen, wenn Gott sie über uns bringen will. Wir müssen dieses Gericht als Christen ertragen.“ Sehr bewegt war unsere Unterhaltung, sehr bewegt unser Abschied. Und den letzten Brief, den ich von ihm kurz vor seiner Rückkehr nach Berlin bekam – als er wohl wußte, was ihn dort erwarten könnte –, werde ich als Vermächtnis für mein ganzes Leben aufbewahren.
Wenige Monate nach seiner Rückkehr wurde er verhaftet. Lange Zeit hielt man ihn im Gefängnis und im Konzentrationslager. Im Anfang dieses Jahres fand die Verhandlung gegen ihn vor dem Volksgerichtshof statt wegen seines Anteils an den Ereignissen des 20. Juli 1944. Er wurde zusammen mit seinem Bruder Klaus und seinem Schwager Dr. Rüdiger Schleicher zum Tode verurteilt. Ein anderer Schwager, Dr. v. Dohnanyi, wurde zur selben Zeit verhaftet und erkrankte im Konzentrationslager. Obwohl das Urteil durch den Tod des Richters bei einem Luftangriff nicht vollstreckt werden konnte und wir so sehr hofften, daß er für die Zukunft Deutschlands gerettet werden könnte, wurden Dietrich und Klaus im Konzentrationslager Flossenburg ermordet, nur wenige Tage, bevor die Amerikaner ankamen, um die Gefangengen zu befreien4.
Und nun ist Dietrich von uns gegangen. Er starb mit seinem Bruder als Geisel. Unsere Verpflichtung ihnen und allen anderen gegenüber, die auf ähnliche Weise gemordet wurden, ist übergroß. Sein Tod ist ein Tod für Deutschland – ja in der Tat auch für Europa. Er opferte seine menschlichen Aussichten, Heim, Freunde und berufliche Zukunft, weil er an Gottes Ruf für dieses Land glaubte. Er weigerte sich, jenen falschen Führern zu folgen, die die Diener des Teufels waren. Er wurde begeistert durch seinen Glauben an den lebendigen Gott und die Hingabe an Wahrheit und Ehre. So ist sein Tod, wie sein Leben, von tiefstem Wert im Zeugnis der Bekennenden Kirche. In der edlen Gemeinschaft der Märtyrer verschiedener Traditionen verkörpert er beides: den Widerstand der gläubigen Seele gegen den Angriff des Bösen im Namen Gottes, und ebenso die moralische und politische Erhebung des menschlichen Gewissens gegen Ungerechtigkeit und Grausamkeit. Er und seine Freunde stehen auf dem Grund der Apostel und Propheten. Und es war die Leidenschaft für Gerechtigkeit, die ihn und so viele andere in der Bekennenden Kirche, die mit ihm übereinstimmten, in so enge Gemeinschaft mit anderen Männern des Widerstandes brachte. Obgleich sie außerhalb der Kirche standen, teilten sie dieselben menschlichen und freiheitlichen Ansichten.