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2.2 Historische Umbesetzungen des Begriffs

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Man kann von dort die historischen Bahnungen des Medienbegriffs als einer heterodoxen ‚dritten Kategorie‘, die ebenso notwendig erscheint wie sie das überlieferte philosophische Unterscheidungssystem sprengt, über die Physik der frühen Neuzeit bis zur Romantik weiterverfolgen: Immer geht es zunächst um ein Stoffliches, das wahrnehmbar macht oder Zugänge öffnet, dessen Materialität freilich prekär bleibt, um später entschieden in seine Immaterialität überzugehen. Das gilt für die Optik des 13. Jhs. genauso wie für die Lehren Francis Bacons oder Gottfried Wilhelm Leibniz’; doch nimmt darin schon der im ausgehenden 17. Jh. postulierte Ätherbegriff eine Mittelstellung ein, die sich mit der Entdeckung anderer, nichtstofflicher Milieus wie dem Magnetismus, der Elektrizität und der Gravitation in der zweiten Hälfte des 18. Jhs. zugunsten reiner Energien auflöst, die selbst nichts Stoffliches an sich haben, sondern Stoffe bewegen. Es sind diese terminologischen Verschiebungen, der Übergang von einer Substanz zu einer Kraft, die den Medienbegriff zur Metaphernbildung anregt, wie sie sich mit Johann Gottfried Herders (1892: 287) Sprachphilosophie ausbreitet, denn die Sprache sei „für die Vernunft ein solches Medium von Absonderungen, Bildern, Karaktern, Geprägen, als das Licht dem Auge war“. Daraus folgt im weiteren Verlauf jenes Medienverständnis, wie es für die Ästhetik Georg Wilhelm Friedrich Hegels leitend wurde, der das Mediale überhaupt mit einer „Vermittlung“ gleichsetzte und dabei durchgängig auf die Grundlagen des Darstellungsbegriffs rekurrierte (Mersch 2006: 34ff.). Gleichzeitig wechselt das Medium sein Terrain: Es wird zu einem tendenziell Imaginären, Geistigen.

Allerdings bliebe diese knappe Rekonstruktion von Umbesetzungen unvollständig, wenn nicht noch eine weitere Linie verfolgt würde, die ebenfalls im 19. Jh. einsetzt und auf Industrialisierung und Technisierung als Vorboten einer neuen Kultur reagiert. Sie nimmt vor allem den Faden der Entkörperlichung medialer Prozesse auf, wie er einerseits mit dem Paradigma des Energetischen verbunden ist, andererseits mit den visuellen Reproduktions- und Illusionstechniken, an deren Spitze zunächst die Fotografie, später der Film stehen. Buchstäblich gestatten sie Mediation, okkulte Züge anzunehmen (Adamowsky 2008), wobei das Medium einer ebenso verlustlosen wie mysteriösen Übertragung dient, der eine geradezu magische Qualität angedichtet wurde. Mindestens bis in die 1930er, 40er-Jahre hielt sich noch diese Bedeutungsschicht eines ‚Geistvermittlers‘, wenn vom Medium die Rede war: Die keineswegs marginale Konnotation bezeugt ihre medienhistorische Relevanz vor allem dadurch, dass im deutschsprachigen Raum frühe Ausdrücke wie „Fernsehen“ und „Fernhören“, wie sie schon im späten 19. Jh. aufkamen, ausschließlich zur Beschreibung telepathischer Fähigkeiten verwendet wurden und erst später ins Vokabular technischer Geräte einwanderten (Kümmel u. Löffler 2002: 38ff.).

Die Informationstheorie Claude Shannons und Warren Weavers technisierte ab 1940 den Medienbegriff radikal und vollzog damit noch einmal eine grundlegende Konvertierung seiner Bedeutung: Von den optischen Metaphern diaphaner Vermittlung zwischen Transparenz und Opazität zur technischen Übertragung, der Transmission von Informationen über einen Kanal, der die Mediation restlos an die ökonomischen Kategorien des Transports und der Zirkulation anverwandelte (Mersch 2013).

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