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1 Einleitung

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Den folgenden Ausführungen sei ein sehr bekannter Text vorangestellt, allerdings in anderer als der gewohnten Variante. Es handelt sich um Goethes Erlkönig:

 [1] Kurzfassung1

  Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

  Is Papa mit Kind.

  Kommt böser Mann,

  Quatscht Papa an,

  Ob er den Bubi nicht haben kann.

  Papa verneint,

  Bubi weint.

  Am nächsten Morgen große Not:

  Papa lebendig, Bubi tot.

Solche Abwandlungen sind seit jeher übliche Arten des Umgangs mit vor allem literarischen Texten und unter Bezeichnungen wie Parodie, Travestie, Pastiche usw. bekannt. Diese Untertypen unterscheiden sich u. a. danach, ob der Inhalt des Ausgangstextes mehr oder weniger erhalten oder wenigstens wiedererkennbar ist oder aber wesentliche Merkmale der Form und eventuell sogar einzelne wörtliche Bestandteile mit dem Original übereinstimmen, der Inhalt aber gänzlich abweicht. Hierfür stehe das Beispiel [2], das eine Variation zum selben Originaltext darstellt.

 [2] Der Grünkohlverderber

  Wer hat denn so spät noch zur Mitternacht

  Den Kessel mit Grünkohl aufs Feuer gebracht?

  Es ist der Meister der Küchenkunst,

  Er werkelt geschäftig im Grünkohldunst!

 

  Er kocht ein gar köstliches Grünkohlgericht

  Und sieht wohl den Grünkohlverderber noch nicht.

  Der Grünkohlverderber, mit Paprika,

  Mit Curry und Minze, ist nämlich schon da!

 

  „Oh Meister, oh Meister, komm geh mit mir!

  Gar schöne Gewürze, die kauf ich dir.

  […]“ […]

 

  „Jetzt würz ich den Grünkohl, ihm fehlt noch Gehalt

  Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!“

  Dann geht er zum Kessel und fasst ihn an,

  Jetzt hat er dem Grünkohl was angetan!

 

  Dem Meister grauset‘s, er betet zu Gott,

  Und blickt ganz entsetzt auf den Grünkohlpott,

  Er rühret und rühret in seiner Not,

  Der Kohl war mal grün und jetzt ist er – rot!2

Sprachspiele wie die genannten stehen in textlinguistischen Arbeiten nicht gerade im Vordergrund und werden dann unter dem außerordentlich breiten Themenfeld der Intertextualität abgehandelt (vgl. als Übersicht Adamzik 2016: Kap. 8). Zugleich sind sie ein besonders prägnantes Beispiel für funktionale Variation auf der Textebene. Von solchen Phänomenen ist aber auch in der Variationslinguistik selten die Rede. Überhaupt sind die Beziehungen zwischen den auf dieser Tagung zusammengebrachten Forschungsrichtungen wenig entwickelt. Im vorliegenden Beitrag geht es darum auszuloten, wo Berührungspunkte und Divergenzen liegen. Dabei ist das Ziel keineswegs, Kooperation zu forcieren, darin liegt m. E. kein Wert an sich. Es scheint mir aber geraten, Teildisziplinen näher miteinander bekannt zu machen, die sich allzu oft gegenseitig als fremd bzw. abgelegen empfinden. Zugleich kann der Blick von einer anderen Warte auch zur Selbstreflexion beitragen, denn sowohl Variationslinguistik (oder Varietätenlinguistik?) als auch Textlinguistik treten selbst in sehr verschiedenen Spielarten auf.

VARIATIONslinguistik trifft TEXTlinguistik

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