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Kulturelle Dimensionen fachsprachlicher Kommunikation

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Wie wir eingangs am Beispiel der Busfahrt gesehen haben, sind kulturell unterschiedliche Konzepte immer in Sprache mittransportiert – Sprache ist also nie neutraler Übermittler von Sachverhalten. Außerdem entwickeln sich Sprachen kontinuierlich weiter, und zwar ebenfalls abhängig vom Umfeld, in dem sie gesprochen werden. Demnach besteht trotz der hohen Zahl an Englisch sprechenden Personen auf der Erde keine Übereinstimmung in diesem Englisch. Zudem verändert sich eine Sprache, wenn sie in einem bestimmten Bereich lange verwendet wird. Wird eine Sprache in eine Kultur mit einer bestehenden Sprache eingebracht, verändern sich aber auch Bedeutung und Verwendung von Begriffen im Laufe der Zeit. Englisch ist als Erbe der britischen Kolonialzeit neben Swahili eine der beiden offiziellen Amtssprachen Kenias. Doch durch die unterschiedliche Lautgestalt der Erstsprachen (Kenia kennt mehr als zehn Erstsprachen neben Swahili und nahezu alle Menschen dort sind mehrsprachig) verändern sich die Aussprache des Englischen und nach und nach auch die Wortform. Auch die Bedeutung der Begriffe verändert sich, da in einem anderen Umfeld andere Konzepte damit verknüpft werden. Fachkommunikation basiert aber auf möglichst klarer begrifflicher Trennung und Eindeutigkeit. Reibungslose Verständigung zwischen Fachleuten, wie sie durch die weltweite Verbreitung des Englischen als Arbeitssprache gefordert wird, scheint eine Illusion zu sein, selbst wenn eine Lingua Franca seit der frühen Kindheit miterworben wird.

Doch auch Übersetzungen in eine Sprache, die möglichst viele Menschen beherrschen, sind nicht das Mittel der Wahl, denn häufig werden Begriffe nicht korrekt übersetzt und sind dann nicht mehr so trennscharf und genau wie das Original. Die im deutschen Journalismus beliebten Formen City Management oder Obama-Administration sind aber nicht dasselbe wie Stadtverwaltung beziehungsweise die Regierung von Barack Obama (vergleiche Roche 2003: 148). Das Übersetzen ist ein schwieriger Prozess, der gerade aufgrund von der unauflösbaren Verbundenheit von Sprache und Inhalt besonderer Kenntnis und Übung bedarf.

Sprache, Erkenntnis und Wissen hängen untrennbar zusammen. Fachsprache scheint, obwohl sie eindeutige Kommunikation gewährleisten soll, dies nicht leisten zu können, wenn sie vereinheitlicht und auf eine Sprache beschränkt wird. Diese Problematik ist darauf zurückzuführen, dass Sprache keine Eins-zu-Eins-Entsprechung der Sachverhalte ist. Der sprachliche Bezug zu Sachverhalten ist ohne denjenigen, der diesen Bezug herstellt, haltlos. Es kann keine Sprache ohne Sprechende geben, die Sprechenden, ihr Umfeld und ihre Kultur prägen die Sprache (vergleiche Roelcke 2010: 27). Auch Übersetzungen sind problematisch, wenn sie nicht von Expertinnen und Experten sorgfältig durchgeführt und erprobt werden. Doch auch dann sind Übersetzungen niemals vollkommene Entsprechungen des Originals. Die Lingua-Franca-Debatte verkennt die Interdependenzen von Sprache, Identität und Denken und die Bedeutung der Sprache als konstitutives Instrument im Prozess der Wahrnehmung und des Erkenntnisgewinns (vergleiche Roche 2012: 20). Aus den genannten Gründen lässt sich festhalten, dass dynamische Wissenschaftskulturen sich durch Mehrsprachigkeit auszeichnen, da monolinguale Strukturen Kreativität unterbinden (vergleiche Roche 2003: 148). Menschen denken und sprechen, philosophieren und entwickeln in der Erstsprache selbstsicherer, gewandter, schneller und treffender als in einer Fremdsprache. Wissenschaft und Fachlichkeit, die in einer Fremdsprache stattfinden (wie im Mittelalter auf Latein, Griechisch oder Arabisch) sind notwendigerweise einer kleinen Elite vorbehalten, die in diesen Sprachen über muttersprachliche Kompetenzen verfügen. In dem Sinne ist Sprachenvielfalt gleichzusetzen mit Wissenschaftsvielfalt (vergleiche Roche 2003: 149).

Außerdem darf nicht übersehen werden, dass sprachliche Aspekte eine wesentliche Rolle in der Selbst- und Fremdkonstitution von Identität spielen. Dies mag im ersten Augenblick klingen, als ginge es dabei nur um persönliche Belange, nicht aber um abstrakt-neutrale Sachverhalte, wie die Wissenschaft und Fachlichkeit sie behandeln. Doch führt man sich vor Augen, dass auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Fachleute sich als solche identifizieren, fällt die Bedeutung der Identitätskonstruktion von SpracheIdentitätskonstruktion von Sprache ins Auge. Eine Ingenieurin oder ein Ingenieur wird sich dagegen verwahren, methodisch-theoretisch mit Geisteswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen verglichen zu werden. Solche Vergleiche geschehen mit und durch Sprache und zwar nicht nur direkt, sondern auch indirekt: Die Text- und Diskursebenen der Texte eines Faches reflektieren individuelle und kulturspezifische Einflüsse (vergleiche Roche 2012: 28). Verschiedene Wissensstrukturen drücken sich in verschiedenen Sprachstrukturen aus, die sich nur bedingt in fremde Sprachen übertragen lassen. Wenn diese Übertragung dennoch erfolgt, kann die Spezifik der Fachkultur verlorengehen, etwa wenn der Übersetzer oder die Übersetzerin nicht über das notwendige sprachliche Inventar in der Fremdsprache verfügt (vergleiche Roche 2012: 39).

Es ist einzusehen, dass spezifische sprachliche Strukturen in einer Fremdsprache vermittelt werden müssen, wenn in einer Fremdsprache fachsprachliche Handlungsfähigkeit erreicht werden soll. Dies stellt Lehrende und Lerner vor Schwierigkeiten, da Fachsprachen an Fachleute gebunden sind. Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer sind in der Regel nicht zugleich Fachleute der zu vermittelnden Fachsprache. Die notwendige fachliche und fachkommunikative Kompetenz, um fachsprachliche Kurse sinnvoll zu unterrichten, ist hingegen bei Ingenieuren und Ingenieurinnen, Juristen und Juristinnen, Medizinern und Medizinerinnen etc. gegeben, je nach fachlicher Ausrichtung. Diese wiederum verfügen jedoch nur in den seltensten Fällen über die nötige sprachdidaktische Kompetenz, um Sprache zu unterrichten (vergleiche Roche 2003: 153). Hier hat die Forschung noch keine einheitliche Argumentation für und wider das eine oder andere Model herausgearbeitet. Aktuell ist davon auszugehen, dass interdisziplinäre Ansätze, Teamteaching und eine enge Zusammenarbeit zwischen Sprache und Fach zentrale Gelingensbedingungen für fachsprachlichen Unterricht sind.

Dennoch stellt sich die Frage, was sprachliche Handlungsfähigkeit in diesem Kontext überhaupt ist. Aus der Antwort lässt sich ableiten, was für die Gestaltung von fachsprachlichem Unterricht bedeutsam ist und welche Gesichtspunkte dieser berücksichtigen sollte.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das sprachliche Handeln von Menschen in der Fachsprache sich nach deren fachlicher Ausrichtung und der Situation, in der Sie sprachlich handeln wollen und müssen, richtet. Daraus ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen für die Konzeption von Sprach- und Kulturvermittlung. Da die Akteure der fachlichen Situation einen maßgeblichen Einfluss auf die sprachliche Realisation der Handlungen haben, lohnt es sich, diese Zielgruppen genauer in den Blick zu nehmen. Unter welchen Bedingungen lernen Menschen Fachsprachen und welche Ziele verbinden Sie damit? Dies ist für Fachsprachenunterricht ein zentraler Faktor.

Eine mögliche Zielgruppe für fachsprachlichen Fachfremdsprachenunterricht sind Studierende an Universitäten im Herkunftsland, die sich auf einen Aufenthalt an einer Universität im Zielsprachenland vorbereiten. Neben den alltäglichen Sprachfertigkeiten benötigen diese Lerner auch spezifische Fachsprachenkenntnisse, um im Studiengang der Zieluniversität anschlussfähig zu sein. Dies kann auch der Fall sein, wenn gar kein Auslandsaufenthalt angestrebt wird. Beispielsweise orientiert sich das Rechtsystem der Republik China auf Taiwan am deutschen, weshalb taiwanischen Jurastudierenden dazu geraten wird, deutsche Gesetzestexte zu lesen. In diesem Fall benötigen die Studierenden besonders Lesekompetenzen und -strategien sowie den juraspezifischen Wortschatz und entsprechende Syntaxkenntnisse. Das Sprechen und Hören ist für sie zweitrangig, ebenso die Kommunikation über alltägliche Sachverhalte.

Förderung der fachsprachlichen Fähigkeiten spielt im Fach- und Sprachintegrierten Unterrichtfach- und sprachintegrierter Unterricht (CLIL – content and language integrated learning), in dem Lerner einen fachlichen Gegenstand in einer Fremdsprache behandeln, eine zentrale Rolle. Fachunterricht unterschiedlicher Fächer wird an deutschen Schulen vermehrt in einer Fremdsprache unterrichtet, zum Beispiel Geschichte auf Französisch, Physik auf Englisch und so weiter. Demnach muss im Unterricht sowohl das fachliche Verständnis als auch der Aufbau diesbezüglicher, fremdsprachlicher Strukturen beachtet werden. Ziel dieses Ansatzes ist es, dass eine Fremdsprache über den Fremdsprachenunterricht hinaus als Arbeitssprache eingesetzt wird. Dies gilt einerseits als förderlich für die Entwicklung in der Erstsprache, da eine vergleichende Perspektive ermöglicht wird, andererseits soll das Nutzen der Fremdsprache zum Ausdruck fachlicher Gegenstände den Erwerb vielfältiger und mehrdimensionaler Fach(fremdsprachen-)kenntnis befördern (vergleiche Haataja 2009: 6).

Doch nicht jeder fachbezogene Fachfremdsprachenunterricht findet in einer Gruppe statt. Eine bedeutende Anzahl von Lernern bereitet sich, zum Beispiel aus beruflichen Gründen, auf einen zeitweiligen Aufenthalt im Ausland vor, der spezielle sprachliche Anforderungen stellt. Diese Personen erhalten in der Regel Einzelunterricht, der auf die spezifische Situation abzielt und fachsprachliche Themen und Inhalte fokussiert (vergleiche Thielmann 2010: 1054).

Aus den genannten Unterschieden kann geschlussfolgert werden, dass die didaktische Planung des Fachsprachenunterrichts nicht ohne Blick auf die Zielgruppe geschehen kann, da sie als Akteure im Feld handlungsfähig sein müssen. Diese Akteure sind aber höchst unterschiedlich, was die für das Lernen bedeutsamen Faktoren Alter, Vorwissen etc. anbelangt. Diese hohe Varianz der Lerngruppen kann als Ursache dafür gesehen werden, dass es wenige Materialien und Lehrbücher für den fachsprachlichen Unterricht gibt. Die kommunikativen Bedürfnisse der Lerner differieren stark und sind von deren Zielen, aber auch vom fachlichen Gegenstand abhängig. Ohne allgemeine Ziele und damit verbundene verbindliche Inhalte lässt sich kaum ein passendes Curriculum oder eine Lernprogression entwickeln.

Auch die Methodenwahl ist von den genannten Faktoren abhängig und dementsprechend an die jeweilige Lerngruppe immer wieder neu anzupassen (vergleiche Thielmann 2010: 1053). Zentrale Themen, die im Fachsprachenunterricht beachtet werden müssen, sind Lesestrategien, die Nutzung eigener Ressourcen und Arbeitsweisen, der jeweilige Grundwortschatz und die Grundgrammatik der Zielfachsprache in Hinblick auf unterschiedliche Komplexionsstufen (mehr dazu in Lerneinheit 1.3).

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