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1.2.3 Fachliche Textsorten
ОглавлениеAls Textsorte bezeichnet man eine Gruppe von Texten, die bestimmte Eigenschaften gemeinsam haben, die sie von anderen unterscheiden. So sind Briefe zum Beispiel immer mit einer Anrede und Grußformel versehen, Gesetzestexte hingegen nicht. Die Eigenschaften können textexterne und textinterne Kriterien sein. Textexterne Kriterientextexterne Kriterien sind zum Beispiel die Textfunktion, der Kommunikationskanal und die Kommunikationssituation, in der ein Text entsteht. Textinterne Kriterientextinterne Kriterien sind zum Beispiel der Wortschatz und das Satzbaumuster.
Abbildung 1.11:
Beispiel zur Bestimmung von fachlichen Textsorten (Bayer 2015)
Bei diesem Textausschnitt handelt es sich ganz eindeutig um eine Packungsbeilage, die die Einnahme eines Medikaments erläutert und auf eventuelle Risiken hinweist. Typisch für die vorliegende Textsorte ist die Unterteilung in Zweck des Medikaments und zu beachtende Punkte.
Textinterne Kriterien sind die immer wiederkehrende Wiederholung des Markennamens Aspirin, bestimmte Floskeln (vor der Einnahme), Fachwörter (Acetylsalicylsäure) und die Nutzung von zahlreichen Aufzählungen. Die textexternen Kriterien orientieren sich am Kommunikationszusammenhang.
Dazu zählen vor allem die Textfunktionen „Medikamentenbeschreibung“ und „Einnahmehinweise“, das Trägermedium „Beipackzettel aus Papier“ und die Kommunikationssituation, bei der die Akteure der Kommunikation sich nicht in derselben Situation aufhalten. Daher muss der Text so verfasst sein, dass er ohne die Möglichkeit Nachfragen zu stellen verstanden wird.
In Fachsprachen verwendete Textsorten sind an den fachlichen Inhalt gebunden und weisen innerhalb der fachlichen Kommunikation jeweils bestimmte funktionale und formale Gemeinsamkeiten auf (vergleiche Roelcke 2010: 40f). Dabei können Fachtexte unterschiedlich abstrakt sein, sie lassen sich also ihrerseits auf der vertikalen Achse der Fachsprachengliederung einsortieren. Sie unterliegen aber auch bestimmten fachbezogenen Traditionen, sind also auch auf der horizontalen Gliederungsebene verortet.
Es gibt jeweils eher zentrale und eher randständige Vertreter einer Textsorte. Texte, die unter den gegebenen kommunikativen Bedingungen für die fachliche Verständigung besonders geeignet sind, gelten als prototypisch für die Textsorte. Die oben gezeigte Packungsbeilage kann als prototypisch angesehen werden. Prototypen sind gut geeignet, um Fachsprache zu vermitteln, da die immer wieder kehrenden Muster in Textsorten sich als Vorbild für die eigene Produktion von Texten der Lerner eignen. Sie stellen sprachliche Handlungsmuster dar, die Zweck, Zielgruppe und Abstraktionsgrad der Fachkommunikation bündeln und zur Nachahmung bereitstellen.
In Bezug auf die Übertragung fachlichen Wissens von Experten und Expertinnen auf Laien sind besonders die Textsorten der fachexternen Kommunikation und Konsumption interessant. Es lassen sich in Fachtexten unterschiedliche Funktionen ausmachen, die diese für die Laien übernehmen sollen. Didaktisierte Texte haben zum Ziel, Wissen aufzubauen und Kenntnisse zu vermitteln, während Ratgebertexte eher Anleitungscharakter haben. Produktbegleitende Texte und Werbetexte hingegen haben auffordernden Charakter.
Der Lehrbuchtext führt neue Themen (ph-Wert) ein und definiert sie in möglichst einfachen Worten. Dies wird grafisch durch einen Absatz hervorgehoben. Danach wird die Beschreibung ausgeweitet und Anwendungswissen vermittelt, indem auf Dinge Bezug genommen wird, die die Lerner aus dem Alltag kennen (Sprudelwasser, Magensaft). In jüngster Zeit befasst sich die Fachsprachenforschung vermehrt mit der Analyse der Prozesse und Strategien zur Vermittlung fachlichen Wissens und fachlicher Fähigkeiten. Dabei ist zentral, dass diese Vermittlung nicht unilateral erfolgt, also nicht nur von den Expertinnen und Experten hin zu den Laien, sondern dass auf beiden Seiten aktive Prozesse stattfinden. Laien bringen Vorkenntnisse in den Kommunikationsakt mit ein und sind aktiv am Erwerb neuen Wissens und neuer Fähigkeiten beteiligt. Lehrbuchtexte greifen dieses Wissen auf und binden es ein.
Es lässt sich hier bereits absehen, dass die Analyse und Einteilung fachlicher Texte immer abhängig von deren Funktion ist. Dem wollen wir uns in Lerneinheit 1.3 eingehender zuwenden. Zunächst ist es bedeutsam festzuhalten, dass es gerade die prototypischen Strukturen festgelegter Textsorten und ihre Funktionen für den Fachunterricht sind, die dem fachbezogenen Fremdsprachenunterricht zuarbeiten. Wenn Lerner die Struktur einer Textsorte durchschauen, können sie schneller und effektiver Informationen entnehmen oder eigene Texte textsortengerecht verfassen. Dabei sollten sprachliche Mittel und Wissen über spezifische Textsorten nicht als Regeln verinnerlicht werden, sondern als Instrumente der selbstgesteuerten Aneignung neuen fachlichen Wissens (vergleiche Thielmann 2010: 1056).