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1.2.1 Horizontale Gliederung
ОглавлениеBei der Einteilung von Fachsprachen lohnt es sich, erneut einen Blick auf den grundlegenden Begriff zu werfen und zu untersuchen, wie sich einzelne Fächer entwickelten. Die Unterteilung in Fächer ist noch nicht sehr alt und erst seit dem 19. Jahrhundert in schriftlichen Quellen belegt, doch der damit gemeinte Sachverhalt – die Verbindung von Wissen und Können in einem bestimmten Bereich – ist weitaus älter. Schon in frühhistorischer Zeit zeichnen sich Kulturen durch Arbeitsteilung aus, durch die sich effektiver wirtschaften lässt. Damit einher geht eine gewisse Professionalisierung, die im Laufe der Zeit zunimmt und bestimmte Gruppen prägt. Aus Personen, die bestimmte Tätigkeitsfelder bestellen, werden Fachleute. Dabei werden schon früh mehr theoretische und mehr praktische Felder unterschieden (vergleiche Möhn & Pelka 1984: 30f). Die so entstehenden Berufe bilden die Basis für fachliche Spezifizierung und Differenzierung, die schließlich zu eigenen sprachlichen Formen führt. Die zunehmende Koordination von Arbeitsteilung umfasst eine fortschreitende Zerlegung von immer komplexer werdenden Arbeitsschritten. Dies gewinnt durch die im 18. Jahrhundert einsetzende Mechanisierung ein neues Bewegungsmoment und gipfelt in der heutigen Vielzahl von Fächern der Wissenschaft und Praxis. Doch nicht nur beruflich und wissenschaftlich sind Fächer auszumachen. Mit der Erfindung der Freizeit wird es möglich, Tätigkeiten als Hobby zu betreiben, die schließlich ein eigenes Professionalitätsniveau erreichen. Diese Prozesse, die immer neue Fachsprachen und Untersprachen hervorbringen, sind längst nicht abgeschlossen, sondern werden durch digitale Technik und Datenverarbeitung auf völlig neue Kontexte ausgedehnt (vergleiche Möhn & Pelka 1984: 32f).
Es scheint sinnvoll, wenn wir uns im Vorfeld des Unterrichts Gedanken dazu machen, was das Fach, dessen Fachsprache gelernt werden soll, charakterisiert. Wir haben uns in der Lerneinheit 1.1 der Frage, was Fachsprachen sind, dadurch genähert, dass wir den zugrundeliegenden Begriff genauer bestimmt haben. So sind wir zu dem Schluss gelangt, dass mit Fächern Fachleute verknüpft sind, die bestimmte fachliche Gegenstände sprachlich und nichtsprachlich behandeln. Damit einher geht die Abgrenzung von Gruppen zu anderen Gruppen durch deren Fachbezogenheit: Bauingenieure und Bauingenieurinnen grenzen sich durch Verwendung von Zeichen und die behandelten Gegenstände von Maschinenbau-Ingenieurinnen und Maschinenbau-Ingenieuren ab; beide wiederum haben Gemeinsamkeiten, die sie von Philosophen und Philosophinnen und Historikerinnen und Historikern abhebt. Gleiches gilt für die Fachsprachen: Die Fachsprache der Ingenieure und Ingenieurinnen weist Gemeinsamkeiten auf, die sie von der Fachsprache der Geisteswissenschaftler und Geisteswissenschaftlerinnen unterscheidet. Beide Fachsprachen stellen aber eine spezifische Auswahl aus dem Inventar der AllgemeinspracheAllgemeinsprache Deutsch dar, weisen also auch Gemeinsamkeiten mit Allgemeinsprache und anderen Fachsprachen auf (vergleiche Abbildung 1.6).
Abbildung 1.6:
Horizontale Gliederung der Fachsprachen
Eine Unterteilung der Fachbereiche und der dazugehörigen Fächer ermöglicht es, die unterschiedlichen Ausprägungen von Fachsprachen zu verdeutlichen. Die sogenannte horizontale Gliederung der Fachsprachen folgt den Fächergliederungen und Fachbereichseinteilungen. Dabei ist zu beachten, dass diese Einteilungen unabhängig von sprachlichen Erscheinungen zustande kommen. Fächer entwickeln sich stetig weiter, indem zum Beispiel neue technische Möglichkeiten entwickelt und neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden. Dies wollen wir uns an einem Beispiel genauer ansehen.
Mit der Entwicklung des Automobils und dessen Verbreitung als Privatfahrzeug ging die Notwendigkeit einher, diese privaten Fahrzeuge zu reparieren. Es entstand der Beruf des KFZ-Mechanikers und der KFZ-Mechanikerin, der oder die, in privaten Werkstätten angestellt, Autos repariert. Diese Gruppe entwickelte eine eigene Fachsprache, um Gegenstände und Handlungen im Berufsfeld zu benennen. Mit der fortschreitenden Digitalisierung verändert sich das Berufsfeld jedoch rasant, was unter anderem in der veränderten Bezeichnung des Berufs zum Ausdruck kommt: KFZ-Mechatroniker und KFZ-Mechatronikerin. In diesem Zuge verändern sich auch die Benennungen und Handlungen im Arbeitsumfeld und damit die Fachsprache. Die sprachliche Entwicklung ist also von den Entwicklungen im Fach abhängig. Nebeneinander existierende oder sich aus anderen Fächern heraus entwickelnde Fächer weisen Gemeinsamkeiten in den Fachsprachen auf, beispielsweise in Überschneidungen der Lexik und ähnlichen syntaktischen Mitteln. Die Entwicklung der Fächer wiederum unterliegt fächergeschichtlichen und fächerpolitischen Bedingungen.
Fachsprachen sind eng an das Fach gebunden, in dem sie verwendet werden, verbinden aber auch benachbarte Fächer miteinander. Sie haben den Vorteil, dass sie für Fachleute relativ klar organisiert und motiviert sind. Nur wenige syntaktische Regeln werden im Rahmen einer Fachsprache intensiv genutzt, weshalb nicht so viele verschiedene wie im allgemeinsprachlichen Unterricht zu lernen sind. Sind bei den Lernern fachbegriffliche Kenntnisse, besonders bezogen auf das Verständnis der dahinterliegenden Konzepte, bereits vorhanden, kann das Hauptaugenmerk auf die terminologische Arbeit gerichtet werden (vergleiche Thielmann 2010: 1057). Deshalb müssen Lerner besonders die Abgrenzung der eigenen Fachsprache zu benachbarten kennen.
Die horizontale Gliederunghorizontale Gliederung sortiert, wie erläutert wurde, Fachsprachen anhand ihrer Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Fächern. Problematisch ist dabei, dass nicht jedes Fach eine eigene Fachsprache hat. Manche Fächer liegen inhaltlich so nah beieinander, dass die Behandlung der Gegenstände sich sehr ähnelt. Da Fachsprache eine sprachliche Form der Behandlung fachlicher Gegenstände ist, ergibt sich daraus, dass sich auch die Fachsprachen einander sehr ähnlicher Fächer kaum unterscheiden. Eine zu feine Einteilung ergibt in solchen Fällen wenig Sinn. Eine horizontale Betrachtung lohnt sich immer dann besonders, wenn es sich um voneinander entfernte Fächer handelt. Die Gegenstände und Arbeit der Philosophie unterscheiden sich von denen des Maschinenbaus, und ebenso unterscheiden sich deren Fachsprachen. Diesen unterschiedlichen Ausprägungen wollen wir uns in den Kapiteln 6, 7 und 8 diesem Band zuwenden.