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2.2.3 Konstruktion und Relationalität des Fremden
ОглавлениеDie für die Einnahme einer anderen Perspektive nötige Veränderung der Einstellung gegenüber dem Fremden verlangt Bochner (1982) zufolge eine Umstrukturierung der kognitiven Kategorien der Individuen, wodurch sie tatsächlich „andere Menschen“ würden. Essentiell ist dabei laut Brière, dass interkulturelles Versteheninterkulturelles Verstehen als die Fähigkeit verstanden wird, das Fremde tatsächlich als kulturelles Subjekt und nicht als kulturelles Objekt zu betrachten (Brière 1986: 204). Wendt (1996) spricht hier von „mentalen Interpretaten“. Mit dieser Definition zeigt sich, dass Innen- und Außenperspektiven nicht fixierte („wahre“) Perspektiven sind, sondern auf Konstruktions- und Produktionsprozessen basieren, die vom gleichen kognitiven System des Lerners bewältigt werden.
Interkulturelles Lernen beruht […] auf der Einsicht, dass die eigene Wirklichkeit und die des anderen Konstruktionen sind und keiner die ‚wahre‘ Wirklichkeit besitzt. (Wendt 2000: 28)
Hieraus ergibt sich ein Modell der interpretativen Gemeinschaften, das selbständiges Handeln für Interpretation und Kompetenzmanagement erfordert. Es braucht die notwendige Strategienkompetenz (das savoir comprendre, Byram 1997) beziehungsweise eine „kritische Kompetenz“ (Roche & Roussy-Parent 2006; Roche & Webber 1995), die zum Beispiel die Auswahl, Bewertung und Kontextualisierung des Wahrgenommenen regelt (vergleiche Lösch 2003).
Krusche stellt in diesem Konstruktions- und Managementprozess die eigentlich relationale Qualität der diffusen Kategorie ‚Fremdheit‘ in den Fokus, die auf „Differenzen, Distanzen, Verschiedenheiten, Unterschiede“ (Krusche 1985a: 13) gerichtet sei. Nicht das Fremde an sich stehe im Mittelpunkt, sondern der Bezug zum Eigenen (Alterität). Zwangsläufig entstehen aus diesem relationalen Konzept Be- und Verfremdungen, die es gelte, im Sprach- und Literaturunterricht konstruktiv zu nutzen. Wie dieses relationale Konzept mittels verschiedenster Textgattungen, von der konkreten Poesie bis zu Romanen, umgesetzt werden kann, illustriert Krusche an einer umfangreichen Sammlung von Materialien für den Unterricht (Esselborn 2010, Krusche & Krechel 1984).