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3.2 Texttyp

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Den Typus des Werkes versucht Ruh mit dem Terminus ‚Bekenntnisbuch‘ zu fassen; er würde „am liebsten […] im Anschluß an Goethes Wilhelm Meister, sagen: Es sind ‚Bekenntnisse einer minnenden Seele‘.“ Auch Alois Haas denke in erster Linie an die Tradition der ‚Soliloquia‘ und ‚Confessiones‘, namentlich Augustins Gespräch mit dem göttlichen Partner, an Gotteslob und Gebet. Mit ‚Bekenntnissen‘ sei im Übrigen auch der Meditationscharakter von Mechthilds Buch mitbestimmt. „‚Meditationen‘, heute ein Universalbegriff mit einer schillernden Vielfalt von Bedeutungen“, bezeichne seit der Väterzeit die intensive Versenkung in die Schrift, im Mittelalter mit Anselm von Canterbury zusätzlich aber auch einen literarischen Typus, der „Reflexionen christlicher Wahrheiten und persönlicher Erfahrungen“ festhalte. Endlich umschließe die Bezeichnung ‚Bekenntnisse‘ auch den Tagebuch-Begriff.1 Damit ließe sich der Typus des Werkes – weit gefasst und schillernd genug – in etwa bestimmen. Der Titel vom Fließenden Licht der Gottheit bleibt merkwürdig und erklärungsbedürftig. Hans Neumann, Herausgeber des Werks2 und verantwortlich auch für den Artikel im Verfasserlexikon, fasst ihn so:

Gewiß steht hinter der Metaphorik des Fließens, sich Ergießens, des Wassers, des Brunnens neben den biblischen ‚Vor-Bildern‘ auch der Emanatismus des Pseudo-Dionysius Areopagita sowie die neuplatonische Lichtmetaphysik neben den jüdisch-christlichen Vorstellungen vom göttlichen Brunnen, Licht und Feuer.3

Alois Haas hat, wegweisend, Mechthilds Titel so interpretiert:

Die Einsicht, daß Gott Licht ist, ist so traditionell neuplatonisch wie christlich. Für die mittelalterliche Ästhetik ist die Lichtmetaphysik schlechterdings grundlegend, […] Gott ist in einem unmetaphorischen Sinne Licht; er ist Licht, er erscheint nicht nur so. Theophanien ereignen sich daher stereotyp in Form von Lichtphänomenen. Auch bei Mechthild. Aber – und hierin wendet sie sich gegen die gesamte Tradition – sie setzt den Akzent nicht auf das zum Licht triebhaft emporhastende Geschöpf, sondern das Licht wird in seiner Qualität des Verströmens gefaßt; es ist ein vliessende lieht miner gotheit, in allú die herzen die da lebent ane valscheit (Einleitung). Die Figur des Aufstiegs wird in die des göttlichen Abstiegs verkehrt: […] die Selbstvernichtigung Gottes in der Menschwerdung wird zur Erscheinung herabfließenden Lichts.4

Auf die Metapher des Fließens wird noch einzugehen sein. Hier stellt sich zunächst die Frage, woher Mechthild über diese Metaphorik – auch wenn sie nach Haas gar keine ist – verfügte. Für Neumann, Ruh und andere war klar, dass Mechthild aus verschiedenen Quellen, wahrscheinlich unterwiesen durch Ordenspriester wie ihren Beichtiger Heinrich von Halle, auf diese Terminologie und diese Topoi gestoßen war und dass sie auf diese Weise Dinge und Texte kennengelernt hatte, die sie in ihren Visionen und Betrachtungen, Dialogen und gedanklichen Erörterungen frei verwerten konnte. Anders als bei Hadewijch aber sei für Mechthild, so Neumann, wegen ihrer mangelnden Lateinkenntnisse und ihrer mangelnden theologischen Bildung eine Vermittlung durch Bücher in der lateinischen Kirchensprache ausgeschlossen. Es sei dagegen nicht unwahrscheinlich, dass Mechthild Anregungen aus Schriften der älteren mittelniederländischen Frauenmystik erhalten habe.5 So gesehen passt ihre Béguinage und ihre spätere Tätigkeit im Kloster Helfta in dieses Bild, denn schon im Beginenhaus kann sie mit Texten in Berührung gekommen sein, die diese mittelniederländische Frauenmystik rezipiert und vermittelt haben könnten.

Große Werke der Literatur XIV

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