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Vorwort des Herausgebers

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In neuen historischen Untersuchungen und öffentlich präsentierten Dokumenten zentraler Ausstellungen wie den beiden großen „Wehrmachtausstellungen“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung tritt die Mitverantwortung der Wehrmacht und deren Führung für den Massenmord an der jüdischen und slawischen Bevölkerung in Osteuropa und bei anderen Kriegsverbrechen immer deutlicher zutage. Sicher gab es Wehrmachtseinheiten und Wehrmachtsangehörige, die mit Recht sagen konnten, von alledem nichts gewusst zu haben. Auf der anderen Seite gab es aber auch Einheiten, Verbände, Kommandeure und Befehlshaber, deren Beteiligung oder Mitwisserschaft an Kriegsverbrechen sich aus den erhaltenen Akten zweifelsfrei belegen lässt. Bei diesem Befund stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Wehrmacht- und Truppenführung zum NS-Regime.

Historiographie und Geschichtswissenschaft nähern sich diesem Thema in breiter historischer Perspektive. Sie reicht zeitlich weit hinter das Jahr von Hitlers Machtantritt 1933 zurück und wendet sich zunehmend den verantwortlichen Personen zu, die als „Heerführer“ die „einfachen“ Soldaten ab Kriegsbeginn im September 1939 in völkerrechtswidrige Situationen brachten oder ihnen sogar völkerrechtswidriges Verhalten abverlangten.

Vor allem im Rahmen der Erforschung des militaristischen Denkens und Verhaltens in der Kaiserzeit und Weimarer Republik untersuchte die Geschichtswissenschaft die Kontinuität lange tradierter Werthaltungen und politischer Ziele des preußisch-deutschen Militärs in ihren Auswirkungen auf die Innen- und Außenpolitik nach 1918. Dabei trat auch die Frage nach der gewandelten Qualität des Krieges und dem damit verbundenen Funktionswandel von Strategie und Politik sowie von Militär und Gesellschaft ins Blickfeld. Schon vor Hitlers Regierungsantritt war die Vorstellung, dass der moderne Krieg von der technisch-industriellen Entwicklung bestimmt werde und als „totaler Krieg“ der gesamten Gesellschaft verstanden und geführt werden müsse, in der militärischen Funktionselite weitgehend akzeptiert. Der kommende Krieg schien nur dann erfolg- und siegreich geführt werden zu können, wenn es gelang, die gesamte Volkskraft zum Zwecke der Kriegführung zu mobilisieren und dafür unmittelbar einzusetzen. In diesem Sinne begrüßten die führenden Militärs die Forderung der nationalsozialistischen Bewegung nach einem „Volk in Waffen“, und sie unterstützten deren Maßnahmen zum Aufbau einer festgefügten „Volksgemeinschaft“.

Im Kaiserreich zeichnete sich das Offizierkorps durch konservative Wertmaßstäbe und Homogenität aus. Es besaß ein starkes Standes- und Elitebewusstsein sowie ein hohes Selbstwertgefühl mit tradierten Ehrbegriffen, die es auch in der Weimarer Republik zu verteidigen wusste. Das Scheitern des operativen Denkens dieser Elite im Ersten Weltkrieg führte zur Abkapselung und zum Rückzug aus dem politischen Bereich in der Zeit nach 1918. Man suchte, die militärische Macht mit den tradierten Wertvorstellungen als unpolitischen Bereich in der Weimarer Republik und in der NS-Zeit fortzuführen.

Das höhere Offizierkorps entwickelte keine positive Beziehung und Bindung zur deutschen Republik von 1918 bis 1933. Es besaß in weitem Maße eine konservativ-nationale Grundüberzeugung, die keineswegs den Prinzipien einer demokratisch-parlamentarischen Staatsordnung entsprach. Zudem wurde die militärische Niederlage von 1918 weitgehend aus dem Bewusstsein verdrängt. Den nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg abgeschlossenen Versailler Vertrag wollte man – wenn nötig gewaltsam – revidieren. Hitlers Generale und Admirale stammten aus jener militärischen Führungsschicht, die aufgrund ihrer politischen und militärischen Ziele bereit war, die nationalsozialistische Politik und deren Ziele mitzutragen und auch zu unterstützen. Als Hitler die Regierung antrat, konnte er auf dieser Basis den Weg vom Revisionskurs der Weimarer Regierungen zur Gewalt- und Kriegspolitik gegen das ihm verhasste „System von Versailles“ einschlagen, ohne befürchten zu müssen, dass ihm wegen innenpolitischer Verfehlungen seiner Anhänger und Parteigenossen gegen Juden und Andersdenkende von Seiten der höheren Offiziere die Gefolgschaft verweigert werde. Diese waren vielmehr bemüht, ihren Anspruch, die einzige professionelle Elite für die Durchführung des Krieges zu sein, auch im neuen NS-Regime durch ein Mit- und Aufeinanderzugehen im NS-Staat zur Geltung zu bringen.

Die von Hitler propagierte Zwei-Säulen-Theorie von Partei und Wehrmacht als den beiden gleichberechtigten innenpolitischen Machtfaktoren seiner Herrschaft bot den Generalen und Admiralen die Möglichkeit, sich als wichtige Partner der NS-Bewegung zu verstehen. Sie empfanden dadurch zugleich eine besondere Verantwortung für die Konsolidierung und den Bestand der NS-Herrschaft, deren Ideologie sie weitgehend akzeptierten. Entscheidendes Einfluss- und Machtterrain ging der Wehrmachts- und Heeresführung jedoch durch die Blomberg-Fritsch-Krise in Februar 1938 verloren, als sie sich den Machenschaften der NS-Führer nicht energisch entgegenstellten. Danach spielte die militärische Führungsschicht in der Diktatur Hitlers nur noch die Rolle einer nachgeordneten, im Einfluss begrenzten Funktionselite, zumal der Diktator dann selbst den Oberbefehl über die Wehrmacht und damit die Position des entlassenen Reichskriegsministers Werner v. Blomberg übernahm.

Als General der Artillerie Ludwig Beck als Generalstabschef des deutschen Heeres am 16. Juli 1938 mit Hilfe einer Denkschrift den damaligen Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Walther v. Brauchitsch, sowie die übrigen Befehlshaber und Kommandierenden Generale des Heeres eindringlich vor den Gefahren einer unkontrollierbaren Gewaltpolitik und Kriegstreiberei durch den „Reichskanzler und Führer“ Adolf Hitler zu warnen suchte und sie für ein gemeinsames Handeln gegen den Diktator durch kollektive Verweigerung gewinnen wollte, formulierte er einen sehr hohen Anspruch für ihr Verhalten gegenüber Krieg und Politik in der NS-Zeit: Es sei ein „Mangel an Größe und an Erkenntnis der Aufgabe, wenn ein Soldat in höchster Stellung in solchen Zeiten seine Pflichten und Aufgaben nur in dem begrenzten Rahmen seiner militärischen Aufträge sieht, ohne sich der höchsten Verantwortung vor dem gesamten Volke bewußt zu werden“. „Außergewöhnliche Zeiten“ verlangten nach Becks Ansicht auch „außergewöhnliche Handlungen“. Der soldatische Gehorsam der Generale habe dort „eine Grenze, wo ihr Wissen, ihr Gewissen und ihre Verantwortung die Ausführung eines Befehls“ verbiete.1

Mit dieser Feststellung konnte Beck die Mehrzahl seiner Generalskameraden jedoch nicht überzeugen. Er blieb allein und nahm danach seinen Abschied. In steigendem Maße haben führende Militärs die Augen verschlossen vor dem innenpolitischen Terror der Nationalsozialisten gegen einzelne Bevölkerungsgruppen, die der NS-Führung nicht genehm waren oder ihrem Regime Widerstand entgegenbrachten. Unter Führung der Generale und Admirale war die Wehrmacht schließlich im September 1939 ein verlässliches Instrument beim Kampf gegen Polen und dessen Verbündete Großbritannien und Frankreich. Viele Generale und Admirale hofften mit Beginn des Krieges auf Ruhm, Anerkennung, Beförderung und Belohnung für erwartete Siege.

Der vor 1939 propagierten Zwei-Säulen-Theorie von Partei und Wehrmacht als den beiden maßgeblichen Machtfaktoren des NS-Staates entsprach nach Kriegsbeginn die Funktionsteilung im Kampf der „NS-Volksgemeinschaft“ sowohl gegen außenpolitische Feinde als auch gegen innenpolitische Gegner. Nach Kriegsbeginn verstanden führende Militärs sowohl den Terror gegen fremde Bevölkerungen und Bevölkerungsteile in den besetzten Gebieten als auch das Vorgehen gegen die Juden Europas als berechtigte Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der deutschen Herrschaft und Machtposition in den eroberten europäischen Ländern. Insofern war der am 1. September 1939 entfesselte Kampf nicht nur „Hitlers Krieg“. Viele Generale und Admirale waren bereit, aus „Kriegsnotwendigkeit“ wegzusehen, wenn sie mit NS-Verbrechen in ihrem Kommandobereich konfrontiert wurden. Sie waren ebenso bereit, vorhandene eigene moralische Bedenken gegen den Terror dem totalen Siegeswillen nach- oder unterzuordnen, indem sie sich einem selbst auferlegten Anpassungsdruck unterwarfen.

Für viele Heerführer und Oberbefehlshaber war es schwierig, im Einzelfall nicht in NS-Verbrechen hineingezogen zu werden. Manche beteiligten sich auch aktiv daran oder stellten sich dafür als Funktionsträger zur Verfügung, wenn sie Befehle weitergaben und auch selbst erteilten, um Juden und Slawen für die Liquidierungen abzutransportieren, oder wenn sie in eigenen Befehlen die Mordaktionen an Juden als „harte, aber gerechte Sühnemaßnahme“ bezeichneten oder als „unausweichlichen Volkstumskampf“ gegenüber anderen Völkern akzeptierten. Mehrere höhere Befehlshaber suchten sogar in besonderen, von Hitler ausdrücklich gelobten „Musterbefehlen“ die ihnen anvertrauten Soldaten „als Träger einer völkischen Idee und Rächer“ auf rücksichtslose Kampfführung und Ausrottung der Juden zu verpflichten. Zudem verschoben sich in der Kriegszeit die Wertmaßstäbe immer mehr. „Kriegsnotwendigkeiten“ bestimmten einzelne Aktionen und wurden bereitwillig als pauschale Erklärungsmodelle für rücksichtsloses und verbrecherisches Vorgehen gegen äußere und innere Gegner an erkannt.

Nur wenige Generale und Admirale lehnten sich gegen die NS-Verbrechen auf oder verweigerten sich dem von der NS-Führung propagierten Vernichtungskampf gegen „Plutokraten, Juden und Bolschewisten“. Keiner der Oberbefehlshaber, Flotten- oder Armeeführer hat offenen Widerspruch dagegen eingelegt. Bewusst zog man sich auf strategische und operative Aufgaben zurück und wollte den Kampf an der Front siegreich meistern. Manche vollbrachten dabei herausragende Leistungen und genossen dann die ihnen sogar vom Ausland zuteil werdende Anerkennung etwa als „Wüstenfuchs“ in Afrika (Feldmarschall Rommel) oder als „strategischer Kopf“ an der Ostfront (Feldmarschall v. Manstein). Auch in aktiven Widerstandskreisen gegen Hitlers Regime hielt man es lange Zeit für vorrangig, erst den Krieg unter der NS-Führung siegreich zu beenden, bevor man sich gegen die eigene Regierung stellen oder sie gar wegen verbrecherischer Taten gegenüber anderen Völkern und Juden zur Rechenschaft ziehen wollte.

Letztlich waren nur ganz wenige bereit, die von General Beck 1938 verlangte Verantwortung zu akzeptieren und ihr Handeln bis zum Ende des Dritten Reiches im Mai 1945 auch danach auszurichten. Noch weniger waren bereit, durch aktiven Widerstand und Putsch gegen die eigene verbrecherische Staatsführung zu handeln und sich zur Schuld für deren Verbrechen zu bekennen. Die gelegentliche Distanz zum Regime zeigt jedoch die Bereitschaft einiger höherer Offiziere zur Übernahme von Verantwortung nach dem Kriegsvölkerrecht gegenüber der NS-Politik, ohne dass in jedem Fall der direkte Weg zum militärischen Widerstand gegen das NS-Regime eingeschlagen wurde, wie es beispielsweise sogar das Verhalten höherer SS-Führer der Waffen-SS belegt, die in einzelnen Fällen unsinnige „Führerbefehle“ boykottierten.

Innerhalb dieses Handlungsrahmens zeigt sich nicht nur die enge Bindung der höheren Wehrmachtoffiziere an die NS-Ideologie, sondern zugleich auch das Phänomen, dass der NS-Führung die wiederholt verlangte Rezeption des Nationalsozialismus durch die militärische Elite nicht weit und umfassend genug ging. So bestand bei Hitler ein deutliches Misstrauen gegenüber Generalen und Generalstabsoffizieren. Überliefert ist seine Kritik von 1938: „Was sind das für Generale, die ich als Staatsoberhaupt womöglich zum Krieg treiben muß! Wäre es richtig, so dürfte ich mich doch vor dem Drängen der Generale nach Krieg nicht retten können! […] Ich verlange nicht, daß meine Generale meine Befehle verstehen, sondern daß sie sie befolgen.“2 Hitler wollte sich deshalb nach dem Kriege „der Frage der Offiziere“ annehmen – ähnlich wie Stalin, der die Generale der Roten Armee rechtzeitig habe erschießen lassen3.

Diese Meinung des Diktators konnte auch durch einzelne militärische Führer, die seiner Vorstellung von NS-begeisterten Offizieren – wie etwa den Generalen Dietl oder Schörner – entsprachen, nicht beseitigt werden. Obwohl die höhere militärische Führungsschicht mehrheitlich auf dem Boden der NS-Weltanschauung stand, monierte insbesondere Goebbels vielfach den fehlenden politischen Eifer der Generale für den Nationalsozialismus.

Nur schwer ist zu verstehen, wieso so viele führende Militärs Hitlers Herrschaft bis zuletzt unterstützten, ihm weiterhin Gefolgschaft leisteten und angesichts der großen personellen und materiellen Verluste nicht wie im Ersten Weltkrieg auf einen Waffenstillstand drängten. Sie leisteten Hitler auch dann noch Gefolgschaft, „als dessen Skrupellosigkeit und verbrecherische Natur erkennbar wurde“, so dass die Grenzen des Gehorsams längst aufgehoben waren.

Ein Teil der Adressaten von Becks moralischer Forderung saß nach Kriegsende auf der Anklagebank bei den Nürnberger Prozessen und wurde zur Rechenschaft gezogen. General Beck hielt dagegen an seiner kritischen Haltung und Überzeugung fest und fand beim Staatsstreichversuch Stauffenbergs am 20. Juli 1944 den Tod. Beide Handlungsstränge symbolisieren die Zerrissenheit des Offizierkorps in seiner Einstellung gegenüber dem NS-Regime vor und während des Krieges sowie das Spannungsverhältnis zwischen preußisch-deutscher Machtpolitik und Hitlers ideologisch geprägter Kriegs- und Vernichtungspolitik. Dass es so weit kommen konnte und viele höhere Offiziere sich vor Gericht verantworten mussten, betrachteten diese symptomatischerweise nicht als Resultat ihres eigenen Handelns oder Versagens, sondern als Willkürakt der Siegermächte, denen sie zudem Unkenntnis über ihre Handlungsmöglichkeiten in militärischen Spitzenstellungen während des Dritten Reiches vorwarfen.

Der moralische Abstieg von hoch dekorierten und zu Spitzendienstgraden beförderten Angehörigen der traditionellen militärischen Funktionselite zum quasi mit kriminellen NS-Rabauken und Kriegsverbrechern gleichgestellten Nachbarn auf der Anklagebank konnte für die Generale und Admirale in der Öffentlichkeit der Nachkriegszeit kaum größer sein. Wie die schlimmsten Nationalsozialisten Julius Streicher und Fritz Sauckel angeklagt zu werden und neben ihnen in gleicher Weise als Angeklagte zu sitzen, war verachtungswürdig. Dies wirft die Frage auf, wie es zu diesem „Niedergang“ der Generale und Admirale als militärische Elite unter Hitlers Herrschaft von 1933 bis 1945 kommen konnte. Wer waren diese Angehörigen der Militärelite des Dritten Reiches? Wie gelangten sie in ihre Führungspositionen? Wie weit stellten sie sich in den Dienst des NS-Staates? Welches Pflichtgefühl und Fürsorgeempfinden für die ihnen anvertrauten Zehn- und sogar Hunderttausende deutscher Soldaten prägte sie?

Die vorliegenden Beiträge versuchen, in engem Rahmen darauf eine Antwort zu geben. Die biographischen Skizzen stammen von einem großen, international zusammengesetzten Historikerkreis. Zum Teil sind die Studien zu einigen Generalen und Admiralen die ersten biographischen Skizzen überhaupt, so dass sie auch aufgrund der begrenzten Quellenlage nur Ansatzpunkte für mögliche Antworten und eine knappe biographische Darstellung bieten können. Die Beiträge folgen keinem festem Schema, da den Autoren Annäherungsweg und Erkenntnisinteresse nicht einheitlich vorgeschrieben worden sind. Allerdings stehen soldatische Laufbahn und Tapferkeit sowie militärische Karriere nicht direkt im Vordergrund dieser Lebensbilder. Ziel der Beiträge ist es vielmehr, die Einbindung in das NS-System und die Verwicklung in dessen Verbrechen und Gewalttaten deutlich werden zu lassen, nachdem in den letzten Jahren umfangreiche und detaillierte historische Forschungsergebnisse Mitschuld und Teilhabe der militärischen Führungsspitze an den NS-Verbrechen offenkundig gemacht haben.

Wenn die Wehrmacht keinen sauberen, „weißen“ Schild im ideologisch geprägten Weltanschauungskrieg von 1939 bis 1945 besitzt, ist es um so wichtiger, ihre Führungskräfte und deren Rolle bei der brutalisierten Kriegführung zu untersuchen und vergleichend darzustellen. Vielleicht können diese Lebensbilder Antwort geben auf die Frage, wie es kam, dass führende Militärs die NS-Ideologie akzeptierten und sie aufgrund der „Teilidentität“ mit deren Zielen den seit 1935 als Wehrpflichtige in großer Zahl in die Wehrmacht strömenden Soldaten als verbindliche Staatsräson vorstellten, so dass schließlich ab Kriegsbeginn verbrecherische Befehle an die Soldaten mit dem grundsätzlichen Anspruch auf Gehorsam weitergegeben werden konnten.

Es werden nicht nur die prominenten Heerführer von Hitlers Armeen und Flotten von Heer, Luftwaffe, Kriegsmarine und Waffen-SS skizziert, sondern auch Angehörige aus den bislang weniger beachteten Führerkorps der Militärjuristen und Militärärzte sowie aus dem Sanitätsdienst der Waffen-SS berücksichtigt. Zu sehr hat man sich bei Studien über die militärische Funktionselite lange Zeit den aufgrund militärischer Leistungen bewunderten Führerpersönlichkeiten zugewandt4 oder listenmäßige Gesamtschauen aller Generale und Admirale als Positionselite publiziert5 und die nicht so sehr im Rampenlicht der NS-Propaganda stehenden Generalärzte oder Generalrichter unbeachtet gelassen. So ist es schon seit vielen Jahren ein besonderes Anliegen einiger anglo-amerikanischer Publikationen6, die Leser – vor allem außerhalb Deutschlands – mit jenen Generalen und Admiralen bekannt zu machen, die aufgrund herausragender taktischer und strategischer Operationsführungen im Zweiten Weltkrieg einen internationalen Bekanntheitsgrad gewannen. Neuerdings finden deren Beteiligung und Verwicklung bei Verbrechen des NS-Regimes ebenfalls besonderes Interesse.7 Auch liegen profunde Forschungen über die Rang- und Herkunftsstruktur sowie zur Sozialgeschichte des höheren Offizierkorps vor.8 Inzwischen konnte anhand umfangreicher neuerer Forschungen dokumentiert werden, dass sich sehr viele Generaloberste und Feldmarschälle von Hitler durch fortlaufende, monatliche Sonderzahlungen und spezielle, sehr umfangreiche Geschenke und Dotationen beeinflussen ließen.9

Angesichts der Gesamtzahl von 3191 Generalen und Admiralen (ohne höhere Führer der Waffen-SS) der NS-Zeit können die ausgewählten 68 Offiziere verständlicherweise nur einen besonderen Ausschnitt schärfer beleuchten, der durch deren jeweilige Dienststellung markiert und herausgehoben ist. Der Band setzt dabei gleichsam andere Publikationen des Verlags zur „braunen Elite“ des Dritten Reiches fort und ergänzt deren biographischen Studien für den militärischen Bereich.10 Die Darstellung kann als Anregung dienen, sich auch mit weniger bekannten Spitzenmilitärs wissenschaftlich zu beschäftigen. Auch können in den Kurzporträts nicht alle Aspekte der umfassenden Problematik und Komplexität des vielfältigen Verhaltens zum NS-Regime untersucht werden. Aus der Gesamtschau aller Beiträge ergibt sich allerdings ein Rahmen von Handlungsmustern, die das Ausmaß der Verwicklung führender Militärs in die verbrecherischen Handlungen und Maßnahmen des NS-Regimes und ihrer verhängnisvollen Beteiligung daran verdeutlichen können.

Die Beiträge erschienen erstmals 1998 als zwei Einzelbände sowohl in einer Mitgliederausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft als auch in einer Lizenzausgabe im Primus Verlag Darmstadt. Als ein Resultat der damals vorgelegten Forschungsergebnisse ist die im März 1998 erfolgte Umbenennung des zentralen Koblenzer „Ernst-Rodenwaldt-Instituts“ des Sanitätsdienstes der Bundeswehr anzusehen, so dass endlich fortan auf den Namen des Generalarztes ebenso wie schon bei den Generalen Dietl und Kübler in der Traditionspflege der Bundeswehr verzichtet wurde. Die beiden Publikationen fanden aufgrund ihrer umfangreichen biographischen Sammlung und Information zur Militärelite in der Zeit des Nationalsozialismus, die als richtungweisende Arbeit überaus positiv aufgenommen wurden, über viele Jahre hinweg ein reges Interesse, bis sie 2008 vergriffen waren. Seit dem ersten Erscheinen der beiden Bände wurden inzwischen einige Aspekte der beschriebenen Lebensläufe genauer und detaillierter untersucht; gleichwohl bieten die Grunderkenntnisse der biographischen Studien – auch wenn deren vollständige Überarbeitung nicht möglich war – nach wie vor ein gesichertes Fundament für darüber hinaus reichende Beschäftigungen mit den einzelnen militärischen Führerpersönlichkeiten der NS-Zeit.

Ich danke dem Verlag, dass die Biographien beider Bände, auch aufgrund der nicht nachlassenden Nachfrage, nunmehr in einer knapp aktualisierten Neuausgabe in einem Band wieder vorgelegt werden. Ebenso danke ich allen Autoren sowie Frau Verena Artz und Herrn Daniel Zimmermann von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt für Ihr Engagement beim Zustandekommen des Buches sowie Herrn Karl Nicolai für die Übersetzung der englischsprachigen Texte. Dank gebührt auch den benutzten Archiven für die gewährte Unterstützung und Herrn Hans U. Stenger, Frankfurt am Main, für vielfältige Hilfe.

Freiburg, Dezember 2010 Gerd R. Ueberschär
Hitlers militärische Elite

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