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Eis als Isolationsschicht fürs Leben im Wasser

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Die Tatsache, dass Eis „leichter“ als flüssiges Wasser ist, hat große Bedeutung für die Natur – und das Leben im Wasser. Denn: Deswegen schwimmt Eis oben. Vier Grad kaltes Wasser hingegen sammelt sich am Boden von Gewässern. Das Eis hingegen bleibt oben und isoliert tatsächlich das restliche Wasser vor klirrender Kälte an der Oberfläche. „Deswegen können sehr tiefe Seen nicht durchfrieren“, erklärt Stolte. „Für Fische und andere Lebensformen im Wasser ist das unheimlich wichtig, weil sie so unter dem Eis in kaltem, aber flüssigem Wasser überleben können.“

Doch warum dehnt sich die Wasserverbindung aus, sobald sie in den festen Zustand übergeht? „Die geringere Dichte von Eis hat mit den Wechselwirkung der Moleküle untereinander zu tun“, erläutert Stolte. Die Moleküle werden mit fallender Temperatur träger; im Feststoff stoppt die Bewegung beinahe komplett. Die Moleküle bilden schließlich ein Gitter. Dieses Gitter nimmt bei Wasser mehr Platz ein als bei anderen Stoffen – und beinahe jeder kennt das Muster eines solchen Gitters: Es sind Eiskristalle.

Jedes Eiskristall, jede Schneeflocke ist dabei einzigartig. „Zumindest statistisch gesehen sollte es so sein“, sagt Stolte. Denn jedes Kristall unterscheidet sich in der Anzahl der verbundenen Wassermoleküle und an den Stellen, an denen die Verbindung ausgeprägt wird. Stolte: „Man muss sich das vorstellen wie zehn Milliarden Menschen, die sich an den Händen fassen. Da wird das Ergebnis auch jedes Mal anders aussehen.“

Dass das Gitter aus Eiskristallen mehr Platz wegnimmt, liegt insbesondere an den Wasserstoffbrückenbindungen. Diese sind ein wesentlicher Aspekt für das Wasser, aber auch für andere Moleküle des Lebens. „Damit das Leben funktioniert, braucht es Wasserstoffbrückenbindungen“, sagt Wasserforscher Stolte. „Sie sind unter anderem bei der Informations-speicherung in der DNA sehr wichtig.“

Bei einer Frage kommt dann selbst Wasserchemiker Stefan Stolte ins Stocken. Warum kühlt sich heißes Wasser unter bestimmten Bedingungen schneller ab als kühles Wasser? „Man nennt dies den Mpemba-Effekt“, antwortet er und führt aus: „Das war ein Schüler, der dieses Phänomen bei Experimenten feststellte. Seine Lehrer lachten ihn anfänglich aus.“ Doch auch wenn sich empirisch beweisen lässt, dass heißes Wasser schneller und ausdauernder abkühlt, gibt es für das Verhalten des Wassers an dieser Stelle noch keine griffige Erklärung. „Es gibt zwar ein paar komplexe Ansätze, aber richtig gut verstanden ist das nicht. Eigentlich faszinierend“, sagt Stolte. Und das ist eine gute Nachricht für ihn und seine Forscherkollegen. Denn offensichtlich hat Wasser immer noch nicht alle seine Geheimnisse preisgegeben.

Die Resonanz der Moleküle

Eine neue Methode macht das kuriose Verhalten der Wassermoleküle sichtbar.

Wassermoleküle befinden sich in ständiger, extrem schneller Bewegung, gleich einem Tanz: Sie gehen Wasserstoffbrückenbindungen ein, brechen sie wieder auf – und das in einer Milliardstel Sekunde. Ein Team um Martina Havenith-Newen, Professorin für Physikalische Chemie an der Ruhr-Universität Bochum, hat jetzt eine Methode mit dem komplizierten Namen „Kinetische Terahertz-Absorptionsspektroskopie“, kurz KITA, entwickelt. Sie beruht darauf, ultrakurze Laserpulse auszusenden. Mit KITA kann man das Wasser beim Tanzen beobachten.

Das ist umso spannender, als die Forscher auch das Verhalten des Wassers mit anderen Stoffen unter die Lupe nehmen wollen. Denn alles, was sich im Wasser befindet, verändert dessen Netzstruktur. Das gilt für einen Löffel Zucker oder Salz, den man in ein Wasserglas gibt, wie für große Biomoleküle, etwa Proteine. Der Einfluss der Biomoleküle auf das Wasser beschränkt sich nicht auf ihre unmittelbare Umgebung, sondern reicht weit darüber hinaus.

Den Rekord beim Manipulieren des Wassers hält ein Frostschutz-Protein: Das Blut arktischer Fische müsste bei 0,9 Grad gefrieren. Tatsächlich aber überleben sie tiefere Temperaturen – dank eines Frostschutz-Proteins, das viele Hundertmal wirksamer ist als die Frostschutzmittel, die wir im Auto verwenden. Mit KITA konnten die Forscher zeigen, dass das Protein das Wassernetzwerk über 2,7 Nanometer hinweg beeinflussen kann. Das ist zwar eine winzige Entfernung, aber immer noch zehnmal so viel wie bei anderen Proteinen.

„Unser Ziel ist es, die Interaktion der Moleküle mit den Lösungsmitteln in einer vereinheitlichten Theorie zu verstehen“, so Martina Havenith-Newen, „eine, die uns ermöglicht vorauszusagen, welches Lösungsmittel sich wie auf einen chemischen Prozess auswirkt.“

Eine solche Theorie könnte viele Bereiche voranbringen, in denen die Forschung in den letzten Jahren ins Stocken geraten ist. So ist auf molekularer Ebene noch nicht verstanden, wie der Ladungsfluss in einer Batterie funktioniert oder warum und unter welchen Voraussetzungen sich die für Alzheimer typischen Plaques im Gehirn bilden. Ähnliches gilt für Anwendungen in der Homöopathie: Über hundert Doppelblindstudien haben mittlerweile bewiesen, dass die Naturheilkunde wirkt – aber wie und warum, das ist in vielen Fällen noch ungeklärt. KITA mit seinem Blick auf die Resonanz der Moleküle könnte hier Licht ins Dunkel bringen.


Luftbild eines Flußdeltas im Südwesten Islands

Das fremde Element

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