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1. Die Entwicklung von Patriarchaten
ОглавлениеBei der Vielzahl apostolischer Gründungen im Osten ließ sich ein Vorrang eines Bischofssitzes vor anderen Kirchen nicht leicht ableiten. Schon ab dem 3. Jh. kam daher auch ein politisches Prinzip hinzu, wonach es sinnvoll erschien, den Zusammenschluss mehrerer Bistümer den Verwaltungseinheiten des Römischen Reiches anzugleichen. Ihrer Bedeutung entsprechend wurden die jeweiligen Provinzhauptstädte (Metropolen) zu Sitzen eines Erzbischofs (Metropoliten), dem besondere Funktionen wie etwa die Leitung des Bischofskollegiums seines geographischen Herkunftsgebietes zukamen.
Das Konzil von Nikaia im Jahr 325 lässt bereits die Entfaltung von kirchlichen Großregionen gemäß den Reichsdiözesen erkennen, die jeweils einen Obermetropoliten an ihrer Spitze haben. Kanon 6 bestätigte den diesbezüglichen Vorrang als „altes Gewohnheitsrecht“ der Bischöfe von Rom (im Westen), Alexandreia und Antiocheia (im Osten). Dieser konnte bei Rom und Antiocheia mit Berufung auf Petrus, bei Alexandreia mit Verweis auf den Petrusschüler Markus apostolisch begründet werden. Dass die apostolische Sukzession jeweils auf das Haupt des Apostelkollegiums zurückführbar war, unterstützte die Vorrangstellung. Überdies handelte es sich auch um die Bischofssitze der wichtigsten Städte der jeweiligen Kulturräume, d.h. nach heutigen modernen geographischen Verhältnissen von Europa, Afrika und Asien. Dem Bischof von Jerusalem, das nach den Zerstörungen im 1. und 2. Jh. erst in konstantinischer Zeit wieder an Bedeutung erlangte, wird mit Kanon 7 ein Ehrenrang vor anderen Metropoliten zugestanden, aber nicht in dem gleichen jurisdiktionellen Sinn, wie er den drei anderen Hauptstädten des Osten zugestanden worden war.
Nach der Weihe der Stadt Konstantinopel (330) und der Verlagerung des politischen Schwergewichts des Römischen Reiches in den Osten ließ der Kaiser auch den Erzbischof der neuen Hauptstadt in seinem Rang erheben. Der zuvor unbedeutende Sitz wurde aus dem Metropolitanverband des Erzbischofs von Herakleia in Kleinasien herausgelöst. Auf dem Konzil von Konstantinopel (381) bekam er als „Neues Rom“ den Ehrenprimat nach dem „Alten Rom“ (Kanon 3). Ein Vorgang, der nicht friktionsfrei verlief, da nunmehr Konstantinopel gegenüber Alexandreia und Antiocheia die Vormachtstellung erhielt, ohne diese apostolisch begründen zu können. Dies wurde im Nachhinein mit der Andreaslegende ebenso petrinisch saniert, denn Andreas, sowohl Bruder des Petrus als auch erstberufener Apostel, habe den Ort Byzanz am Bosporus missioniert. Historisch ist dies ebenso plausibel wie der Aufenthalt des Petrus in Rom.
Die Frage der Rangordnung Konstantinopels war noch im 5. Jh. akut. So versuchte das Konzil von Chalkedon (451) die Diskussion zu einem Abschluss zu bringen und verlieh dem Neuen Rom mit Kanon 28 den gleichen Ehrenrang wie dem Alten Rom, was von diesem bis heute bestritten wird. Das Konzil von Chalkedon (451) löste auch Jerusalem aus dem Jurisdiktionsbereich von Antiocheia und erhob es zum „Patriarchat“ – eine Bezeichnung, die allerdings erst ab dem 6. Jh. allgemein geläufig wurde.
Über die Konzile von Nikaia (325), Konstantinopel (381) und Chalkedon (451) bildeten sich also in der östlichen Reichshälfte vier Patriarchate heraus – Konstantinopel, Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem – die gemeinsam mit dem Apostolischen Stuhl in Rom die sogenannte Pentarchie („Fünfherrschaft“) bildeten. Im 6. Jh., zur Zeit Kaiser Justinians, konkretisierte sich dieser Gedanke einer polyzentrischen überregionalen Kirchenstruktur in der theologischen Literatur und Kanonistik und galt noch im 9. Jh. selbst in Rom als passendes Konzept der Kircheneinheit. Ein solches ist die Pentarchie für die Orthodoxie als Kirchenmodell der Einheit in der Vielfalt bis heute.