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Smbat Bagratuni und armenische Adelige unter Kaiser Maurikios
ОглавлениеDie Rekrutierung armenischer Adeliger in den römischen Militärdienst unter Kaiser Maurikios (reg. 582–602),34 wofür die Karriere von Smbat Bagratuni als Beispiel genommen wird, fand in einem ganz anderen Kontext statt als der Dienst Mundos unter Kaiser Justinian. Dieser Kaiser suchte fähige Kommandeure für seine Armeen, und die Rekrutierung von Warlords fremder Herkunft konnte ihm diese verschaffen und darüber hinaus auch die Risiken für die Grenzen seines Reiches vermindern, indem potenziell gefährliche Gruppen in den eigenen Dienst genommen wurden. Entwicklungen außerhalb des Reiches haben die Ausgangslage, die das Vorgehen Justinians möglich und notwendig machte, stark verändert. Das Reich der Gepiden wurde 567 von einer Koalition aus Langobarden35 und Awaren36 zerschlagen, und die Langobarden verließen bald darauf die gefährliche Nachbarschaft zu den neu angekommenen Nomaden und ihren bisherigen Verbündeten, den Awaren, um sich nach Italien zu begeben, um die Besitzungen des Römischen Reiches anzugreifen und sich dort niederzulassen. Daraus resultierte ein nahezu endloser Krieg auf der Halbinsel, der einige der Ressourcen des Reiches band. Die neuen Verhältnisse auf dem Balkan führten ebenfalls zu einem nahezu ständigen Krieg an dieser Grenze, da sich die Awaren zu Gegnern des Reiches wandelten. Es ging ihnen dabei um Beute und die Erpressung von Tributen.37 Direkte Angriffe der Awaren kamen bis ins 7. Jahrhundert nicht oft vor, aber das größere Problem stellten die den awarischen Herrschern zumindest nominell unterstellten slawischen Gruppen dar, die sich in den teilweise verlassenen Gebieten an der römischen Grenze niederließen und das Territorium des Reiches durch häufige Einfälle verwüsteten.38 Schließlich wurde unter Kaiser Justin II. (reg. 565–578)39 der 562 von Justinian beendete Krieg gegen Persien wieder aufgenommen, wobei Rom zahlreiche Rückschläge erlitt.
In dieser Situation griff Kaiser Maurikios auf die personellen Ressourcen der armenischen Aristokratie zurück. Um 589 wurden dabei die Armenier Sahak Mamikonian und Smbat Bagratuni mit einem Gefolge von jeweils 1.000 Mann rekrutiert und für den Krieg auf dem Balkan vorgesehen. Die Quelle dafür, die Geschichte des Kaisers Herakleios eines unbekannten Autors,40 sagt allerdings nicht aus, wie die insgesamt 2.000 Kavalleristen rekrutiert wurden, sondern nur, dass die beiden Aristokraten an die Spitze der zwei Kontingente gestellt wurden.41 Die Vermutung liegt nahe, dass die Soldaten in den Gebieten ausgehoben wurden, wo Sahak und Smbat ihre Ländereien hatten. Vielleicht waren es auch bereits ausgebildete Gefolgsleute der beiden, die in den Dienst des Kaisers genommen wurden. Während Sahak die kaiserlichen Befehle befolgte, weigerte sich Smbat, auf dem Balkan eingesetzt zu werden, und wurde von Maurikios wieder nach Hause geschickt – allerdings ohne die von ihm kommandierte Truppe, die mit den Leuten von Sahak vereint wurde. Zu Hause angekommen beteiligte sich Smbat an einer Revolte gegen die römische Herrschaft, die jedoch durch Verrat rivalisierender Aristokraten schnell unterdrückt wurde; die Anführer – darunter auch Smbat Bagratuni – sollten in Folge in Konstantinopel durch wilde Tiere hingerichtet werden. Im letzten Moment zeigte Kaiser Maurikios aber Gnade und stoppte die Hinrichtung.42 Der begnadigte Smbat wurde daraufhin als Offizier nach Nordafrika geschickt. Was in den nächsten Jahren mit ihm geschah, ist aus den Quellen nicht ersichtlich, aber sein Name taucht wieder um das Jahr 595 im Dienst des persischen Königs Khusro II. (reg. 590–628) auf, wo er eine glänzende Karriere absolvierte und um 616/617 hochgeehrt starb.43 Er zeigte sich als erfolgreicher Kommandant, der am Sieg seines neuen Dienstherren gegen die Rebellion von Vistāhm beteiligt war, die in der Zeit von 594 bis ca. 599/600 den Thron von Khusro II. bedrohte.44 In den Jahren 614–615 kommandierte er persische Truppen im Nordosten des Sasanidenreiches in deren Operationen gegen einfallende Türken und Hephthaliten.45 Der erste dieser Feldzüge gegen die Türken und Hephthaliten endete mit einer Niederlage, aber Smbat wurde nach einer offiziellen Untersuchung von der Schuld freigesprochen und konnte sich im zweiten Feldzug – diesmal nur gegen die Hephthaliten – durch einen Sieg wieder rehabilitieren.46
Das Römische Reich rückte nach der Revolte Smbats nicht von der Praxis der Rekrutierung armenischer Truppen ab. Sie nahm sogar an Intensität noch zu, nachdem der persische König Khusro II. vom rebellierenden General Bahram-i Čubin 590 gestürzt wurde und ins Römische Reich geflohen war.47 Kaiser Maurikios nutzte die sich ihm bietende Gelegenheit und nahm den Flüchtigen auf. Er intervenierte dann militärisch in Persien – wobei auch armenische Truppen beteiligt waren – und verhalf dem jungen König wieder auf den Thron. Die Belohnung war ein für Rom sehr günstiger Frieden, der nicht nur Ruhe an der Ostgrenze brachte, sondern diese Grenze auch weit in den bisher von Persien dominierten Teil Armeniens verschob.48 Zum einen erweiterte es die Rekrutierungsbasis für die römische Armee und verbesserte allgemein die strategische Situation des Reiches im Kaukasus, aber zum anderen entstanden neue Probleme für die römische Führung, da sich die neuen Untertanen als unruhig und zu Aufständen bereit erwiesen.
Maurikios (539–602). Kaiser des Oströmischen Reiches
Ein größerer Aufstand brach um 594 aus und scheint mit der verstärkten Rekrutierung im neu erworbenen Teil Armeniens für den Krieg auf dem Balkan verbunden zu sein.49 Das Römische Reich hatte bald nach der Annektierung mit der Aushebung armenischer Truppen begonnen, wobei es jedoch angesichts der sozialen Strukturen vor Ort keine individuellen Rekrutierungen vornahm, sondern die ansässige Aristokratie mit ihren militärischen Gefolgschaften zum Dienst verpflichtete. Diese war auf zahlreiche Familien aufgeteilt, die jeweils ein Gebiet unterschiedlicher Größe beherrschten und eigene Truppen unterhielten, die sie in Konflikten mit ihren Nachbarn einsetzen oder auch gegen den jeweiligen Oberherren wenden konnten. Die armenische Sozialstruktur wird in der Forschung als Naxarar-System bezeichnet und ähnelte in vielen Punkten der späteren europäischen Feudalstruktur. Die mächtigsten Familien herrschten dabei über einen stratifizierten Verband, dessen höhere Schichten zum militärischen Dienst ihrem Herren gegenüber verpflichtet waren, während die unteren Schichten das Land bestellten.50 Diese gesellschaftliche Organisationsform dominierte seit Jahrhunderten im 591 gewonnenen Teil Armeniens, aber es gab auch im Römischen Reich innerhalb der Grenzen von vor 591 Gebiete, die auf diese Weise strukturiert waren. Sie lagen in den Provinzen Armenia I und IV, und Smbat selbst stammte aus Armenia I.51. Der Aufstand von 594 wurde von kombinierten Kräften des Römischen und des Persischen Reiches im Jahre 595 unterdrückt und einige der Anführer wurden hingerichtet, während anderen Dienst bei Khusro II. angeboten wurde. An dieser Stelle sieht man, dass solche Aufstände für beide Reiche gefährlich waren – unabhängig davon, wo sie stattfanden. Aber man sieht auch, dass die Sasaniden aus den Problemen der Römer Nutzen für sich zu ziehen verstanden, als sie einigen der Aufrührer Amnestie und Dienst anboten, der mit Vorteilen verbunden war – sowohl finanzieller Art als auch im Zuwachs von Prestige.
Trotz der beschriebenen Schwierigkeiten konnten dennoch zahlreiche Armenier für den Krieg auf dem Balkan gewonnen werden. Die Geschichte des Kaisers Herakleios hebt dabei einen Kommandanten hervor: Mušeł Mamikonian, der an der Spitze eines größeren Kontingents seiner Landsleute gegen die Awaren und Slawen kämpfte und dabei 598 fiel, als eine römische Armee unter dem Heermeister Komentiolos in einen Hinterhalt der Awaren geriet.52 Seine Geschichte zeigt, dass der Kaiser nicht von der Politik gegenüber den armenischen Eliten abrückte und sie und ihre Gefolgsmänner trotz der Unruhen 594/595 weiterhin auf dem Balkan einsetzte. Die Rekrutierung in Armenien hatte für den Kaiser in Konstantinopel zweierlei Vorteile. Einerseits konnten die Verluste der Truppen ausgeglichen werden, andererseits wurden möglichen Aufständen die militärischen Ressourcen entzogen. Sicherlich konnte einigen Aristokraten der Kriegsdienst auch attraktiv erscheinen, da so Prestige angesammelt werden konnte und auch der Zugang zu regierenden Kreisen des für sie neuen Machtzentrums erleichtert wurde. Im Falle Mušeł Mamikonians kann das gestiegene Prestige an der Verwendung seiner Biografie abgeleitet werden, die der Autor der Geschichte des Kaisers Herakleios als Quelle zugrunde gelegt hat. Er nutzte den Militärdienst seines Protagonisten, um ihn als einen bedeutenden Kommandeur zu stilisieren und den Ruhm des Hauses Mamikonian zu steigern.53 Noch deutlicher wird das im Falle der Biograpfie von Smbat Bagratuni, der in der Geschichte des Kaisers Herakleios als großer, geradezu übermenschlicher Held präsentiert wird. Besonders heroisierend ist hier das Kapitel 20, wo seine übermenschliche körperliche Kraft geschildert wird und er in der Arena von Konstantinopel bei seiner geplanten Hinrichtung (ca. 589) hintereinander drei wilde Tiere (einen Bären, einen Bullen und einen Löwen) mit bloßen Händen tötet, bevor er auf Bitten der Kaiserin von Maurikios begnadigt wird.54