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Mundo

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Im Jahre 529 n. Chr.1 konnte der oströmische Kaiser Justinian (reg. 527–565)2 einen wichtigen diplomatischen Erfolg für sich verbuchen, als er den gepidischen Prinzen und Warlord Mundo in seine Dienste nahm. Dieser hatte seine Basis an einem nicht näher präzisierten Ort »an der Donau« an der oströmischen Grenze in Illyrien – im heutigen Grenzgebiet zwischen Ungarn und Serbien.3 Der Kaiser ließ diesen Erfolg durch amtliche Mitteilungen im gesamten Oströmischen Reich verlautbaren, und eines dieser Schreiben wurde vom Beamten der kaiserlichen Verwaltung im syrischen Antiochia (heute Antakya in der Türkei), Johannes Malalas,4 als Quelle für einen Eintrag in seiner Weltchronik verwendet.5 Justinian empfing Mundo und dessen Sohn an seinem Hof in Konstantinopel, wo beide geehrt und beschenkt wurden, außerdem wurde Mundo zum Magister Militum per Illyricum (Heermeister für Illyrien) ernannt, zum Kommandeur des Feldheeres im Gebiet Illyriens,6 was vom Umfang ungefähr dem ehemaligen Jugoslawien mit Albanien und Teilen Griechenlands entspricht. Dies war eines der höchsten militärischen Ämter im Oströmischen Reich, in dem es zwischen fünf und sechs Heermeister gab. Diese waren: Die zwei präsentalen Heermeister (praesentales), deren Truppen um die Hauptstadt Konstantinopel stationiert waren, ein Heermeister für den Osten (per Orientem), der für Truppen zwischen dem Kaukasus und Palästina verantwortlich war, ein Heermeister für Thrakien (per Thracias), im Gebiet des heutigen Bulgariens, ein Heermeister für Illyrien, und zeitweise gab es auch einen Heermeister für Armenien (per Armeniam), der für den römischen Teil des Kaukasus zuständig war.7 Und dieses hohe Amt wurde nun einem Mann von außerhalb des Reiches verliehen. Seine Karriere und der historische Kontext erlauben Einblicke in den Umgang mit Diversität – im Sinne heterogener Abstammung und kultureller Identität – und der Bedeutung von Meritokratie im römischen Heer der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts. Dazu empfiehlt es sich, die Karriere Mundos näher zu betrachten.

Mundo wurde um 480 als Sohn eines Königs der Gepiden geboren.8 Die Gepiden waren ein germanischer Volksverband, der zur Konföderation unter Führung des Hunnenkönigs Attila gehörte. Nach dessen Tod im Jahr 453 lösten sie sich von der hunnischen Vorherrschaft und führten eine eigene Koalition gegen die Söhne Attilas, die sie 454 entscheidend schlagen konnten und sich daraufhin im früheren Kerngebiet des Hunnenreiches im heutigen Ungarn ansiedelten.9 Mundos Vater starb, als dieser noch jung war, und so geriet er unter die Vormundschaft seines Onkels Trapstila (griechische Quellen nennen ihn Thraustila), der die Königsherrschaft übernahm. Auch nach dessen Tod im Kampf gegen das nach Italien ziehende Heer der Ostgoten unter Theoderich Amalus (auch als »der Große« bekannt) scheint Mundo noch zu jung für die Herrschaft gewesen zu sein, denn Trapstilas Sohn, Trasarich, übernahm seine Nachfolge als König. Um 500 floh Mundo aus dem Herrschaftsbereich der Gepiden und setzte sich an der Spitze einer eigenen Heerschar in der Nähe der römischen Grenze an der Donau fest; von dort aus fiel er durch Überfälle auf römisches Territorium seinem mächtigen Nachbarn unangenehm auf. Die Ursachen der Flucht Mundos werden in den Quellen nicht genannt, es sind aber zwei Szenarien denkbar. Nach einem davon floh er vor seinem Cousin Trasarich, der in ihm eine Gefahr für die eigene Herrschaft sah und ihn eliminieren wollte. Die zweite Möglichkeit ist, dass Mundo selbst einen erfolglosen Versuch unternommen hatte, nach der Macht bei den Gepiden zu greifen und infolge des Scheiterns das Reich der Gepiden verlassen musste.

Der im 6. Jahrhundert in Konstantinopel wirkende Autor gotischer Herkunft Jordanes beschreibt Mundo in dieser Zeit, als sei dieser nicht mehr als ein Vagabund gewesen, der einer Gruppe von Räubern und Dieben vorstand, was er aus römischer Perspektive sicherlich auch war.10 Diese Stilisierung Mundos als eines Vagabunden wurde vielfach von der modernen Forschung übernommen.11 Dennoch ging seine Bedeutung weit über die eines Räuberhauptmanns hinaus, denn er konnte sich mit dem ostgotischen Königreich von Italien verbünden und an der Spitze seiner Leute und gotischer Verstärkungen ein gegen ihn ausgesandtes römisches Heer von circa 10 000 Mann besiegen.12 Sein Sieg und sein Eintritt in den Dienst des Ostgotenkönigs Theoderich – desselben Herrschers, der für die Niederlage und den Tod seines Onkels Trapstila verantwortlich war – verschoben außerdem die strategische Balance im westlichen Balkan zu Gunsten der Goten und bremsten eine Konsolidierung der oströmischen Herrschaft in diesem Gebiet.13 Über seine Karriere in den Diensten Theoderichs verraten die Quellen zwar keine Details, aber er scheint seine Identität als gepidischer Prinz nicht aufgegeben zu haben. Allgemein scheint die ethnische Identität in dieser Zeit oftmals unscharf definiert und bis zu einem gewissen Grad veränderlich gewesen zu sein.14 Da der Volksverband, der als die Ostgoten bekannt wurde, mindestens zwei distinkte Gruppen mit gotischer Identität umfasste, die erst nach 481 zu einem Volk zu verschmelzen begannen, wäre es durchaus denkbar gewesen, dass Mundo ein »Gote« hätte werden können.15 Nach dem Tod seines Dienstherren Theoderich siedelte er sich wieder im römischen Grenzgebiet an der Donau an; von dort aus wurde er wiederum im Jahr 529 von Justinian in den oströmischen Militärdienst berufen.16

Schon bald nach der Rückkehr vom zeremoniellen Empfang beim Kaiser konnte er seine Fähigkeiten als Kommandeur unter Beweis stellen, indem es ihm gelang, einen Einfall von »Hunnen mit einer großen Menge verschiedener Barbaren« erfolgreich abzuwehren.17 Im darauffolgenden Jahr (530) konnte Mundo gleich zwei Siege verbuchen: In Thrakien nahm seine Feldarmee, die eigentlich für das westlich davon liegende Illyrien zuständig war, an der erfolgreichen Abwehr eines Einfalls von Bulgaren teil, und er besiegte in seinem eigenen Amtsbereich eine Armee von Gepiden18 – dies lässt annehmen, dass in dieser Zeit die ethnische Identität nicht mit politischer Loyalität gleichzusetzen ist. Für sein Ansehen beim Kaiser und der politischen und militärischen Elite des Reiches war jedoch der Sieg über die Bulgaren sicherlich von größerer Bedeutung, denn er wurde mit einem feierlichen Triumph in der Hauptstadt gefeiert, bei dem die gefangenen Feinde dem Volk vorgeführt wurden.19 Sie wurden danach in die römische Armee eingegliedert und an die Front im Kaukasus geschickt, wo ein Krieg gegen das persische Reich der Sasaniden tobte.20 Da die Lage auf dem Balkan nach den Siegen von 529 und 530 fürs Erste beruhigt war, wurde Mundo zum Kommandeur der Feldarmee des Ostens ernannt, die gegen die Perser operierte. Der bisherige Befehlshaber, Belisar, war nach seiner Niederlage bei Kallinikon und der darauffolgenden amtlichen Untersuchung seines Postens enthoben worden.21 Der gepidische General hatte sich hingegen als Heerführer bewiesen und wir können annehmen, dass ihn der Kaiser nun als bewährt genug ansah, um ihm einen weiteren wichtigen Posten anvertrauen zu können und das Potenzial für den – auch innenpolitisch wichtigen – Krieg im Osten zu nutzen.22

Bevor Mundos Fähigkeiten gegen die Perser auf die Probe gestellt werden konnten, wurden allerdings Friedensverhandlungen aufgenommen, sodass er gar nicht erst zu seiner neuen Armee gelangte und den Winter 531/532 in der Hauptstadt verbrachte. Hier nahm er an der blutigen Unterdrückung eines Aufstands gegen die Herrschaft Justinians teil – des sogenannten Nika-Aufstands.23 Dieser Aufstand stellte eine so große Gefahr für den Kaiser dar, dass Justinian sogar die Flucht erwogen haben soll. Ein politischer Konkurrent, Hypatios,24 der Neffe des 518 verstorbenen Kaisers Anastasios, wurde zum Gegenkaiser ausgerufen und nur der kombinierte Einsatz von massiver militärischer Gewalt – es sollen über 30 000 Menschen ums Leben gekommen sein – und Bestechung eines Teils der rebellierenden Bevölkerung konnte Justinian das Leben und den Thron retten. Dabei hatte Mundo einen Teil der Truppen geführt, die am Massaker im Hippodrom, der Wagenrennbahn, teilgenommen hatten.25

Es wäre an dieser Stelle falsch anzunehmen, dass Mundo für diese blutige Aufgabe ausgewählt wurde, weil er von jenseits der Reichsgrenzen stammte und damit als Fremder besonders skrupellos gegen die Bevölkerung der Hauptstadt vorgehen würde. Die anderen Kommandeure der an der Unterdrückung der Rebellion beteiligten Truppen waren allesamt von Geburt Römer, also Männer, die auf dem Gebiet des Reiches geboren wurden.26 Mundo war einfach vor Ort, als fähige und loyale Offiziere gebraucht wurden. Die Loyalität dem Kaiser gegenüber sollte an dieser Stelle betont werden, da einige der in Konstantinopel stationierten Gardeeinheiten sich der ganzen Situation gegenüber abwartend verhielten und Justinian auf Generäle der Feldtruppen und deren bewaffnete Gefolgschaften vertrauen musste.27 Diese war aber weniger von ethnischer oder kultureller Identität geprägt als von der persönlichen Einstellung zum Herrscher. Es ging hierbei nicht um reine Loyalität um ihrer selbst willen, sondern auch um die eigenen Zukunftsperspektiven. Im Falle eines Herrschaftswechsels mussten die Beteiligten befürchten, ihre Posten, ihren Reichtum und ihren Zugang zur Macht zu verlieren, wenn nicht sogar noch mehr – ihr Leben eingeschlossen. Deshalb war es auch in ihrem Interesse, die kaiserlichen Befehle auszuführen.

Danach wurde Mundo wieder zum Magister Militum per Illyricum bestellt – also auf seinen Posten zurückgeholt.28 Der Krieg mit Persien ging im Jahre 532 mit dem Abschluss eines »Ewigen Friedens« zu Ende, somit wurde dieser bewährte und fähige Kommandeur nicht mehr im Osten gebraucht, während die Grenze auf dem Balkan aufgrund der instabilen Verhältnisse jenseits des Reiches ständig bedroht war. Die Bedeutung des Illyricums sollte im Laufe der 530er-Jahre steigen, als Justinian zur Eroberung des gotischen Reiches in Italien schritt. Dieser Krieg begann im westlichen Balkan, als Mundo den Auftrag erhielt, das von den Goten beherrschte Dalmatien zu besetzen, was ihm auch schnell gelang. Der gotische König Theodahat entsandte daraufhin das Gros seiner Feldstreitkräfte gegen Mundo. Das zeigt, dass der strategische Schwerpunkt in der Anfangsphase des Krieges in Illyrien lag, da die zweite römische Heeresgruppe unter dem 533 wieder rehabilitierten Belisar, die von Sizilien aus in Italien vorrückte, nur auf den Widerstand befestigter Städte traf. Sie war auch zahlenmäßig kleiner als die Truppen Mundos – circa 11 500 gegenüber circa 15 000 Mann.29 Der gotischen Feldarmee gelang es, die römische Vorhut unter Führung von Mauricius, dem Sohn von Mundo, zu zerschlagen und Mauricius zu töten. In der darauffolgenden Schlacht konnte die römische Armee unter Mundo die Goten zwar schlagen, aber er selbst fiel bei der Verfolgung der fliehenden Feinde, was zum Rückzug der Römer führte.30 Eine römische Gegenoffensive konnte die Goten 536 aus Dalmatien vertreiben und die Provinzhauptstadt, Salona (heute Solin in Kroatien) einnehmen.31

Der bisherige Überblick der Karriere Mundos zeigt, dass ein fähiger und loyaler Kommandant in der Zeit Justinians – unabhängig von seiner Herkunft – im römischen Militär die höchsten Ämter erreichen konnte. Ein Blick in die Beamtenlisten (Fasten) des dritten Bandes der Prosopography of the Later Roman Empire verdeutlicht,32 dass Mundo keine Ausnahme war, denn es gibt dort zahlreiche Personen, die von außerhalb des Reiches kamen, um römische Armeen zu führen – oftmals auch gegen ihre Stammesgenossen. Es gibt sicherlich mehrere Ursachen für diese Entwicklung, aber keine Hinweise für ein dahinterstehendes Gesamtkonzept seitens des Kaisers. Im Falle Mundos und seines Vorgängers im Amt des Magister Militum per Illyricum, des Hunnen Askum, scheinen kurz- und mittelfristige politische Erwägungen Justinian zu ihrer Rekrutierung bewogen zu haben. Mit der Rekrutierung Mundos neutralisierte der Kaiser einen potenziellen Unruheherd an einer ohnehin unsicheren Grenze. Darüber hinaus konnte er diesen diplomatischen Erfolg innenpolitisch nutzen, um sich als einen effizienten Herrscher zu präsentieren und Konsens zu generieren. Das war besonders in der frühen Phase seiner Regierung wichtig, denn er hatte mit einer starken Opposition seitens der etablierten Eliten zu rechnen.33 Und dabei hat er einen fähigen und erfahrenen Kommandeur für seine Armee gewonnen. Hinsichtlich der Fähigkeiten Mundos, eine römische Armee zu kommandieren, waren diese zum Zeitpunkt der Rekrutierung noch unbewiesen, aber Mundo hatte viel Erfahrung im militärischen Dienst unter Theoderich sammeln können, was Justinian (oder seinen Beratern) nicht entgangen sein dürfte.

Aus der Perspektive Mundos scheint der Dienst im römischen Heer attraktiv gewesen zu sein. Als gepidischer Thronprätendent und unabhängiger Akteur war seine Situation um 529 sicherlich prekär. Der amtierende König der Gepiden wird ihn als eine konstante Gefahr für die eigene Herrschaft angesehen haben, was das Risiko eines Anschlags oder militärischen Angriffs seitens der Gepiden für Mundo erhöhte. Sein Gefolge wird ihm ein Minimum an Sicherheit gegeben haben, aber dieses konnte nur durch Geschenke und eine regelmäßige Versorgung zusammengehalten werden. Die Quellen geben keine Kenntnis über Mundos Leben in der Zeit zwischen dem Ende seines Dienstes bei den Goten und seiner Erhebung zum Heermeister durch Justinian, aber es ist zu vermuten, dass er in einer ähnlichen Situation wie um 505 gewesen sein dürfte, als er durch Raub Reichtum und Prestige sammeln musste, ohne die die Loyalität seiner Gefolgschaft nicht aufrechtzuhalten gewesen wäre. Der Posten eines römischen Generals brachte eben genau diesen Reichtum als auch das Prestige mit sich, das Mundo auf lange Sicht für sein Überleben brauchte.

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