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Vorwort

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Die Altsteinzeit ist nicht nur die älteste, sondern auch die längste Epoche der Kulturgeschichte des Menschen. Ihr Beginn wurde bis vor Kurzem mit den ältesten bekannten Steinwerkzeugfunden auf 2,6 Millionen Jahre datiert. Neueste Funde von Knochen mit Schnittspuren aus Äthiopien deuten nun bereits einen Anfang bei 3,4 Millionen Jahren an. Vor etwa 11.000 Jahren, mit dem Ende der letzten Kaltzeit, endet die Altsteinzeit. Die Andersartigkeit dieser frühen Kulturen, die Verwendung des für uns ungewöhnlichen Rohmaterials – Stein – für Werkzeuge, die für uns fremde Gesellschaftsform der Jäger und Sammler, das Fehlen jeglicher schriftlicher Überlieferungen, die weitgehende Zerstörung der organischen Materialien, unser Unwissen über die Organisation der Gesellschaft, die Rollenverteilung, den Tagesablauf usw., haben dazu geführt, dass unsere Benennungen und Definitionen für die materiellen Hinterlassenschaften aus dieser Zeit – die Kunst inbegriffen – recht heterogen, zuweilen auch kryptisch ausgefallen sind.

Die unterschiedlichsten Betrachtungen und Interpretationsansätze stehen für die Benennungen der Werkzeuge Pate, wie zum Beispiel ihre vermutliche, aber nicht zwangsläufig belegte Verwendung (Kratzer, Schaber, Bohrer …), ihre Form (Blattspitze, Dreieck, Trapez …), bestimmte Fundstellen (Font-Robert-Spitze, Malaurie-Spitze, Lacan-Stichel, Noailles-Stichel …) oder auch Kulturstufen (Aurignacien-Spitze, Moustier-Spitze, Atérien-Spitze …). Dass mehrere Namen für ein Gerät stehen können (z.B. Bassaler Stichel und Raysse-Stichel), dass die Bedeutung einer Bezeichnung im Laufe der Zeit oder je nach Autor sich ändern kann (Levallois, Micoquien), erhöht noch die Schwierigkeit des Umganges mit der Materie. Die Definitionen der verschiedenen „Kulturstufen“, Inventarausprägungen oder Technokomplexen, ihre Interpretation in Bezug auf Fähigkeiten der damaligen Menschen, Weiterentwicklung, äußeren Einflüssen oder Neuerungen sind ebenfalls einem mehr oder weniger starken Wandel unterworfen.

Doch nicht nur die Gerätschaften und kulturellen Hinterlassenschaften benötigen klare Definitionen und Beschreibungen. Die Altsteinzeit, mit ihren zahlreichen Menschen- und Vormenschenformen, ist der Zeitraum, in dem sich ein Großteil der Stammesgeschichte Mensch abgespielt hat. Wie bei einer lebendigen Forschung unvermeidlich, ändern sich auch hier häufig die Namen, neue kommen hinzu, andere werden aufgegeben, und beim interessierten Laien bleibt nicht selten eine große Verunsicherung zurück. So sind zum Beispiel seit der Manuskriptabgabe dieses Buches im Frühjahr 2010 einige Neuentdeckungen und Veränderungen bezüglich unserer Vorfahrenschaft zu verzeichnen. So tragen knapp zwei Millionen Jahre Neufunde von Skelettresten aus Südafrika nun den Namen Australopithecus sediba, das Genom des Neandertalers wurde entschlüsselt, was diesen weltberühmten Ahnen wieder in unsere direkte Verwandtschaft rückt, und nur über einen genetischen Fingerabdruck über einen einzelnen Knochenfund aus einer Höhle im Altaigebirge fanden Forscher heraus, dass in der dortigen Region zur letzten Kaltzeit eine Menschenform lebte, welche momentan noch als Homo-X bezeichnet wird und bisher völlig unbekannt war. Die wichtigsten Begriffe zur Stratigraphie des quartären Eiszeitalters mit seinen verschiedenen Warm- und Kaltzeiten, den Problemen bei der Diskussion um die Parallelisierung von verschiedenen Namen, das Gliederungssystem der Sauerstoff-Isotopen-Stufen, sowie die wichtigsten Datierungsmethoden und Großsäuger werden in diesem Buch ebenfalls berücksichtigt. Dies ist sehr wichtig, war und ist doch die Erforschung der Altsteinzeit nur über eine enge Zusammenarbeit von Kultur- und Naturwissenschaften möglich.

Die Forschungsstelle Steinzeit der Curt-Engelhorn-Stiftung für Kunst- und Kulturgeschichte an den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim, unter Leitung von Frau Dr. Gaëlle Rosendahl, hat neben der Forschung zu verschiedenen einzelnen Fragestellungen und der regionalen Alt- und Mittelsteinzeit auch die Aufgabe, die Steinzeit einem möglichst breiten Publikum näher zu bringen und den Zugang zu den Inhalten dieser Epoche zu erleichtern. Deswegen entspricht dieses seit langem benötigte deutschsprachige Werk in besonderer Weise den Zielen der Forschungsstelle, weshalb es uns ein besonderes Anliegen war, sein Erscheinen zu fördern. Wir sind besonders glücklich darüber, dass Herr Prof. Dr. Lutz Fiedler, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle, mit seinen langjährigen Vorarbeiten und seinem Wissen einen wichtigen Grundstein für das Zustandekommen dieses Buch gelegt hat.

Mannheim, Dezember 2010 Prof. Dr. Alfried Wieczorek
Altsteinzeit von A bis Z

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