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ОглавлениеAbbau, eine Bezeichnung für das gezielte Abspalten/Ablösen von Abschlägen, Klingen und Lamellen von einem Kern. Der Teil des Kerns, von dessen Oberfläche die Spaltprodukte abgetrennt werden, heißt Abbaufläche. Der durch vorherige Formung (Präparation) des Kerns geschaffene Winkel zwischen Abbaufläche und Schlagfläche wird Abbauwinkel genannt. Dieser wird im Verlauf des Kernabbaues, d.h. beim serienhaften Gewinnen von Spaltprodukten, stumpfer.
Abbevillien, ein früher Inventartyp des Acheuléen in Nordfrankreich, in anderen französischen Landschaften (wie dem breiten pleistozänen Garonne-Tal) nicht vom Altacheuléen gesondert. Das Abbevillien ist trotz überwiegend grober Faustkeile (Abb. Abbevillien A) kein ältestes Acheuléen, sondern im weltweiten Kontext eigentlich ein mittleres Acheuléen mit einem Alter von maximal 900.000 Jahren. Diese Datierung ergibt sich aus der Fauna der Kiesgrube Carpentier in Abbeville: Zwar erscheint noch der Elephas meridionalis (Südelefant), aber daneben schon ein archaischer Elephas trogontherii (Steppenelefant), ferner ein archaischer Altelefant, das etruskische Nashorn und das Mercksche Nashorn. Dies ist eine Fauna des Biharium, die nicht (oder kaum) älter als der Jaramillo-Event und damit jünger als 0,95 Mio. Jahre und zugleich älter als 0,7 Mio. Jahre ist. Aus dieser Zeit liegen von afrikanischen Fundstellen Acheuléen-Inventare vor, die neben gröberen Faustkeilen regelmäßig schon solche führen, die formal denen des entwickelteren Acheuléen entsprechen. Die Fundplätze Pakefield, Happisburgh oder Boxgrove in Südengland (800.000 bis 600.000 Jahre) zeigen, dass es im Europa jener Zeit auch schon sorgfältig gearbeitete Faustkeile im Stil des jüngeren Acheuléen gegeben hat. Das Abbevillien ist demzufolge kein Abschnitt des Acheuléen, sondern eine stilistische, formaltechnologisch primitive Variante des europäischen älteren Acheuléen. Faustkeile der Art des Abbevillien wären daher mit dem Begriff „im Abbeville-Stil“ (bifaces abbevilliens) zu beschreiben (Abb. Abbevillien B).
Abbevillien A: Grob zugeschlagener Faustkeil ohne feinere Nacharbeit aus Abbeville (Moravske Muzeum Brno). Zeichnung Fiedler.
Abbevillien B: Faustkeil im Stil des „Abbevillien“ aus Münzenberg. Zeichnung Fiedler.
Abrasion, Abrieb.
Abri, ein Schutzdach. In der archäologischen Bedeutung ist ein Abri (frz.) eine durch einen Felsüberhang oder eine Felshöhlung geschaffene natürliche Unterschlupfmöglichkeit von geringer Tiefe mit offener Außenfront.
Abri-Audi-Messer, ein rückenretuschiertes Messer in Form eines an einer Kante steil retuschierten Abschlags (Abb. Abri-Audi-Messer). Die Rückenretusche hat gewöhnlich einen bogenförmigen oder abknickenden Verlauf. Dieser Typ erscheint seit dem Jungacheuléen und ist typisch für das Moustérien in der Tradition des Acheuléen (MTA). Gebrauchsspuren weisen darauf hin, dass die meisten dieser Messer in der bloßen Hand geführt wurden, aber es gibt auch solche, die eindeutige Schäftungsmerkmale tragen. Neben typischen Abri-Audi-Messern kommen solche vor, die an ihren Schneiden zusätzlich flach retuschiert und so vermutlich nachgeschärft worden sind. Zwischen schlanken Varianten der Abri-Audi-Messer und kräftigen Châtelperron-Messern gibt es keine scharfe formenkundliche Grenze. Letztere sind wahrscheinlich eine jüngere Entwicklung, allerdings mit verändertem Nutzungsziel (in Schäftungen und vielleicht als Waffenspitzen).
Abri-Audi-Messer: Abri-Audi-Messer des Mittelpaläolithikums in verschiedenen formalen Varianten. 1 u. 2 Laussel – en surface –, 3 La Rochette. Zeichnung Fiedler.
Abschlag, ein zielgerichtet erzeugtes Spaltstück von einem Kernstein. Abschläge können mit einem ‚harten‘ Schlagstein (Klopfstein) oder mit einem elastischen, ‚weichen‘ Schlagobjekt aus Knochen, Geweih, Stoßzahn oder Kalkstein abgeschlagen, u.U. auch abgedrückt werden. Die Schlageinwirkung kann direkt oder indirekt durch die Verwendung eines Meißels aus Geweih erfolgen. Die Gestalt des Abschlags wird u.a. durch die Wahl des Schlagobjekts bestimmt: ‚Weich‘ geschlagene Abschläge fallen in der Regel flacher aus und haben einen geringer hervortretenden Schlagbuckel (siehe unten) als ‚hart‘ geschlagene. Beim Abschlagvorgang breitet sich die durch Schlag oder Druck erzeugte kinetische Energie konzentrisch als Schlagkegel im Kernstein aus. Bei entsprechend hoher Energieeinwirkung bildet sich entlang der Kegeloberfläche eine Bruchfront, in deren Verlauf die Struktur des Gesteins kollabiert. Im Randbereich des Kernsteins führt dies und der durch den Schlagwinkel gesteuerte Biegebruch zur Abspaltung eines Abschlags.
Voraussetzung für einen kontrollierten Abbau von Abschlägen sind Gesteinsmaterialien mit feiner Innenstruktur, in denen die gleichmäßige Ausbreitung der Energieeinwirkung möglich ist. Dieses Verhalten zeigen vor allem kryptokristalline Gesteine (also solche, bei denen die Kristallbildung nicht augenfällig oder undeutlich ist), wie beispielsweise Feuerstein, Hornstein und Quarzit sowie amorpher, nichtkristalliner Obsidian. Abschläge haben stets ähnliche technologische Merkmale (Abb. Abschlag), die folgende Bezeichnungen tragen: Schlagflächenrest, Schlagbuckel (Bulbus), Schlagwellen (Wallnerlinien), Lanzettsprünge, Schlagpunkt, Schlagnarbe (Bulbusaussplitterung) sowie Ventralfläche (Abspaltfläche) und Dorsalfläche (abgespaltene Oberfläche des Kerns). Der Bulbus ist der herausgesprengte Teil des Schlagkegels. Die Schlagwellen ordnen sich konzentrisch um den Schlagpunkt und ermöglichen so dessen Lokalisierung. Die Lanzettsprünge sind dazu radial ausgerichtet. Weitere Bezeichnungen werden in Abhängigkeit von einer Orientierung des Abschlags mit der Ventralfläche nach unten und dem Schlagflächenrest zum Betrachter hin gewählt: basal oder proximal als zum Betrachter hin; terminal oder distal als „oben“ oder von seinem Körper weg; linkslateral als linke und rechtslateral als rechte Kante. Der zumeist massivere Teil eines Abschlags mit Schlagflächenrest und Bulbus wird manchmal auch als Talon bezeichnet.
Abschläge: 1. altpaläolithischer Kortexabschlag mit glattem Schlagflächenrest von einem Kern aus Quarzitgeröll. Der Schlagpunkt (Auftreffstelle des Schlagsteins) tritt deutlich hervor. Radiale Lanzettbrüche sind auf der Ventralfläche (Abtrennfläche vom Kern) verschwommen sichtbar. 2. und 4. zwei mittelpaläolithische Abschläge aus Kieselschiefer. Der obere hat auf dem Bulbus nahe dem Schlagpunkt und dem anschließenden Schlagkonus eine Schlagnarbe (ein Abspliss, der durch den Abspaltvorgang entsteht). Der untere Abschlag besitzt eine zweiflächige Schlagfläche und trägt rechtslateral eine Bedarfsretusche, ist also zu einem Schaber transformiert worden. Beide Kieselschieferartefakte haben gut erkennbare konzentrische Schlagwellen (Wallnerlinien). 3. mesolithischer Quarzitabschlag. Seine Dorsalfläche ist durch zuvor von dem Kern abgespaltene Klingen in 4 bis 5 parallele Facetten gegliedert. Der Schlagflächenrest weist wiederum einen etwas hervorspringenden Schlagpunkt auf. Bulbus und Lanzettbrüche sind gut entwickelt, die in der Zeichnung betonten Schlagwellen sind im Original schwer zu erkennen. Fundorte: 1 Münzenberg, 2 und 4 Bürgeln bei Marburg, 3 Raunheim im Main-Mündungsgebiet.
Abschläge gehören seit 2,5 Mio. Jahren zu den ersten Werkzeugen des Menschen. Sie wurden entweder so zum Schneiden benutzt, wie sie von einem Kern abgeschlagen worden sind, oder wurden durch weiteres Beschlagen zweckgerichtet modifiziert (retuschiert). Dabei wurde entweder die zur Arbeit bestimmte Kante in eine geeignete Form gebracht oder ein Teil der umlaufend scharfen Kante zur besseren Handhabung gestumpft. Seit dem späten Altpaläolithikum wurden Abschläge auch in Griffe aus organischen Materialien geschäftet (siehe: Schäftung).
Abschlaggerät, ein Steinartefakt, das aus einem Abschlag (und nicht aus einem sonstigen Gesteinsstück) durch weitere Bearbeitung (Retusche oder Modifikation) hergestellt worden ist.
Abspliss, ein kleiner Abschlag von weniger als 2 cm größter Länge und Breite, oft Abfall der Werkzeugbearbeitung.
Abstraktion, starke Vereinfachung und Reduktion einer komplexen Sache (Wesen, Objekt, Angelegenheit, Vorgang) auf eine kennzeichnende Struktur oder ein Schema, wesentliches Merkmal, Zeichen oder Symbol. Die Fähigkeit früher Menschen – wie Homo erectus s. l. oder Neandertaler – zur Abstraktion wird kontrovers diskutiert. Einige Wissenschaftler sind der Überzeugung, dass erst der jungpaläolithische Mensch ein wirkliches Abstraktionsvermögen besaß. Aber Wahrnehmungs- und Reflektionsprozesse sind per se abstrakt, da sie über Sinnesorgane, Nervenbahnen und neuronale Funktionen des Gehirns verlaufen (Abb. Abstraktion).
Die Produkte der Wahrnehmungen sind auf den Ebenen des Bewusstseins erscheinende formalisierte Eindrücke und Muster, die als Wirklichkeit erfahren werden. Sie sind aber nicht die Realität, sondern deren verstehbare und kommunizierbare Abbilder. In Gedanken und im aktiven Bewusstsein lassen sich die konkreten Sachen der Welt selbst nicht bewegen, ordnen, klassifizieren und in Zusammenhänge bringen, sondern nur ihre Schemata, Merkmale oder Zeichen.
Die Sprache ist, wie schon J. G. Herder im 18. Jahrhundert feststellte, der eindeutige Ausdruck einer zeichenhaften Weltverfügbarkeit. Doch das Sprachvermögen beruht auf sehr viel älteren Abstraktionsgrundlagen, nämlich denen, sich von ähnelnden Wahrnehmungsereignissen „ein Bild machen“ zu können – mit dem Sinn, zukünftig zu angemessenen Reaktionen darauf fähig zu sein. Erfahrungs- und Lernprozesse sind ohne Abstraktionsvermögen unmöglich.
Die Fähigkeit zentraler Nervensysteme, aus Informationen der Umwelt abstrahierte Muster zu bilden und sie als Eindrücke der Wirklichkeit erscheinen zu lassen, führt wiederum dazu, dass sehr viele Tierarten (wenn nicht alle), bei denen die Fähigkeit komplexer Reizverarbeitung vorhanden ist, in sehr unterschiedlicher Weise einigen dieser Eindrücke in bestimmten einfachen Signalen emotionalen Ausdruck geben können (Gebärden, Laute, Inszenierungen, Duftmarken und Ähnliches). Auf diese Weise werden Eindrücke und Emotionen gesellschaftlich kommunizierbar. Die wissenschaftliche Tierbeobachtung und Verhaltensforschung stellt außer Frage, dass viele Tierarten sowohl die wahrnehmbare äußere Welt als auch ihre eigenen inneren Antriebe in solchen Zeichen und Mustern – in bestimmtem Umfang auch in klarer Absicht – darstellen und sozial verfügbar machen können. Bildliche Darstellungen von Sachen der Welt im Jungpaläolithikum sind also nicht der früheste Beleg von Abstraktionsvermögen und der grundlegenden Fähigkeit zur Symbolbildung und Darstellung.
Die umfassende willentliche Kennzeichnung und Reduzierung des Wahrnehmbaren und Erfassbaren auf Zeichen, Begriffe, Embleme und Ähnliches verhilft dem Menschen zur kulturellen Existenz. Denken, Kommunikation und Realisation auf symbolischer Grundlage ist bereits lange vor dem Auftreten des Homo sapiens sapiens durch kategorisierte Werkzeuge aus Stein, Holz und Knochen sowie Feuerstellen und strukturierte Lagerplätze belegt, da die Voraussetzung dafür die abstrakte Speicherung des traditionellen, maßgeblichen Formenkanons sowie der damit verbundenen Funktionszusammenhänge war.
Abstraktion: Wahrnehmung, Verständnis und begriffliche Kommunikation sind grundsätzlich abstrakt. Reize haben Wellenstruktur, Nerven geben die Reize als umgewandelte elektrische Signale dem Gehirn weiter, wo sie neuronal verarbeitet, verglichen und eingeordnet werden. Der Mensch ist außerdem in der Lage, wahrgenommene Objekte in ein angelerntes kulturelles Symbolsystem zu bringen, das auf Grund seiner abstrakten Allgemeingültigkeit kommunizierbar ist. Zeichnung Fiedler.
Acheuléen, die „Faustkeilkultur“, eine Kultur des frühen Paläolithikums mit Faustkeilen als kennzeichnende Steingeräte (Abb. Acheuléen). Längste Periode der Menschheitsgeschichte von etwa 1,7 Mio. Jahren bis vor etwa 200.000 Jahren. Menschenform des Altacheuléen war Homo erectus s. l. Das jüngere/jüngste Acheuléen Europas wird seit etwa 300.000 Jahren von weiterentwickelten Menschenformen, den frühen Neandertalern vom Typ Steinheim-Swanscombe getragen. Neben differenzierten Steingeräten sind aus der Zeit des Acheuléen Holzspeere, Lanzen und Grabwerkzeuge sowie Feuerstellen und Hütten nachgewiesen. Das System funktional und formal klassifizierter Werkzeuggruppen lässt symbolische Kommunikation (Sprache) plausibel erscheinen. Das Acheuléen zeigt eine allgemeine Entwicklung, die zwischen Südafrika, Indien und Nordwesteuropa in sehr ähnlicher Weise verlaufen ist, was auf langfristigen und weit reichenden Informationsaustausch hindeutet. In der stratigraphischen Folge der Olduvai-Schlucht lassen sich das Altacheuléen (Lower Acheulian) und ein Jungacheuléen (Late Acheulian) durch den formaltechnologisch entwickelten Stil der Faustkeile zwischen Bed IV und dem darüber liegenden Masek-Bed, um etwa 400.000 BP, trennen. Das mittlere Acheuléen ist dort gegenüber dem älteren nicht klar zu unterscheiden, verfügt aber zunehmend über besser hergestellte und sorgfältiger bearbeitete Abschlaggeräte. In Europa kann man von Acheuléen-Inventaren, die vor 400.000 Jahren datieren (und damit auch das sogenannte Abbevillien einschließen), vom europäischen Altacheuléen sprechen, im globalen Kontext ist es jedoch ein beginnendes Mittelacheuléen (siehe auch: Faustkeilkultur).
Acheuléen: Das kennzeichnende Gerät des Acheuléen ist der beidseitig bearbeitete Faustkeil. Fundstelle A-02–12 Südlibyen. Zeichnung Fiedler.
Ackerbau, eine Grundlage der Nahrungsmittel produzierenden Wirtschaftsweise. Der Anbau von Feldfrüchten beginnt mit dem Ende der letzten Kaltzeit in verschiedenen Gebieten Asiens und vielleicht auch in Nordafrika in einer ökologischen Krisensituation. Es wurden vor allem großkörnige Grasarten (Getreide), aber auch Hülsenfrüchte und Wurzelgemüse kultiviert. Ob auch die beabsichtigte Vermehrung von Haselnusssträuchern in Mitteleuropa als Vorläufer des agrarischen Anbaus betrachtet werden kann, sei dahingestellt. Die agrarische Lebensweise ist eng mit der Anlage fester Siedlungen und der Tierhaltung verbunden. In der Levante beginnt dieser Prozess um 10.000 B. C. (Natufien), in Südosteuropa um 6000 und in Amerika mit dem Maisanbau vor möglicherweise 9000 Jahren, sicher aber vor 6500 Jahren in Mexiko).
Adaption oder Adaptation, biologisch die Anpassung von Lebewesen an veränderte Umweltbedingungen oder kulturell die Anpassung und Aneignung von Verhaltensweisen oder Sachen aus fremden Kulturbereichen. Im Prozess der Adaption finden stets Veränderungen statt, die die eigene Kultur, das angeeignete Verhaltensmuster und die Umwelt betreffen.
Ahmerien, Ahmerian, eine spätmittelpaläolithische/frühjungpaläolithische Gruppe des Vorderen Orients und der östlichen Mittelmeerküste Nordafrikas, deren Steingeräte formenkundlich einige Ähnlichkeiten mit dem Aurignacien zeigen. Leitform ist die El-Oued-Spitze, die etwa der Font-Yves-Spitze entspricht. Das Ahmerien wird als Wurzel des Aurignacien vermutet.
Ahrensburger Kultur, eine der Erscheinungen der Stielspitzengruppen des Endpaläolithikums/Frühmesolithikums im nordwesteuropäischen Flachland um etwa 10.500 BC (Jüngere Dryas-Zeit). Vorherrschend war die Rentierjagd. Nachweisbar sind Zeltstrukturen sowie Pfeil und Bogen. Kennzeichnende Steingeräte (Abb. Ahrensburger Kultur) sind gestielte, nur kantenretuschierte Pfeilspitzen, einfache Mikrolithen mit schrägen Endretuschen, Stichel, schlanke Klingenkratzer und aus Geweih geschnitzte, vorherrschend zweireihige Harpunen mit wappenschildförmigem Fuß.
Ahrensburger Kultur: 1–4 Stielspitzen, 5–6 Zohnhoven-Spitzen, 7 massive Klinge mit partieller Rückenretusche, 8 Klinge, 9–10 Kratzer (Hamburg-Rissen, Grabung 14a, umgezeichnet nach H. Schwabedissen 1954).
Ahrensburger Stielspitze, Ahrensburger Spitze, eine spätpaläolithische/mesolithische Pfeilspitze. Die überwiegend aus Klingen hergestellten Stielspitzen der Ahrensburger Kultur haben beidkantig kantenretuschierte Stiele (Abb. Ahrensburger Kultur, 1–4; ↗ Stielspitze). Der terminale Bereich dieser Artefakte ist meistens unilateral kantenretuschiert, aber es gibt auch bilaterale Retusche oder ein unmodifiziertes spitzes Klingenende. Die Schäftung als Pfeilspitze ist am Fundort „Stellmoor“ in Ahrensburg nachgewiesen. Da diese Spitzen oft aus Grundformen produziert wurden, die in der Fläche leicht durchgebogen sind, ist aus ballistischen Gründen anzunehmen, dass die entsprechenden Pfeile nicht auf größeren Distanzen, sondern bis maximal 6m Verwendung fanden.
Ak-Kaya-Industrie, ein mittelpaläolithischer Komplex auf der Krim. Die Datierung der Ak-Kaya-Industrie liegt etwa zwischen 100.000 und 40.000 BP. Als kennzeichnende Steingeräte treten blattspitzenartige Messer und Klingen jungpaläolithischer Art auf. Die Inventare zeigen eine gewisse Nähe zum mitteleuropäischen Keilmesserkomplex und zum progressiven Mittelpaläolithikum des Vorderen Orients.
Akkulturation, die Beeinflussung einer Kultur/Tradition durch einen starken Impuls fremder Kultur. Akkulturationsprozesse laufen seit dem Paläolithikum ständig auf der Welt ab, da keine ethnische Einheit auf lange Dauer ihre Kultur konservieren und völlig unbeeinflusst in einem eigendynamischen Prozess fortentwickeln kann. Akkulturationen haben auch stets mehr oder weniger starke Rückwirkungen auf die Einflussgeber. Sie wirken sich auf die gesamte kulturelle, soziale und natürliche Umwelt aus und sind ein fortwährender Prozess der gesamten Menschheit. Akkulturationsbereitschaft bezeugt nicht eine Schwäche der eigenen Kultur, sondern ist immer mit der Fähigkeit von Lernen und Einsicht verbunden. Bezüglich des heftigen Kulturwandels vom Mittel- zum Jungpaläolithikum ist von einem weit gespannten Netz kulturellen Informationsflusses auszugehen. Alleröd, ein Interstadial am Ende des Pleistozäns mit gemäßigt kalten Temperaturen und einer Birken-Kiefern-Vegetation, von etwa 13.350 bis 12.680 Jahren vor heute. Das Alleröd ist im nördlichen Mitteleuropa die Zeit der Federmesserkultur.
Alteration, Veränderung.
Altacheuléen, Lower Acheulian, Acheuléen ancien, die frühe Stufe der Faustkeilkultur zwischen etwa 1,7 und 0,8 Mio. Jahren BP. Die Faustkeile tendieren zu gestreckten massiven Formen (Abb. Altacheuléen A–C), obwohl es eine große morphologische Variationsbreite und keine definitive Festlegung auf einen oder mehrere Typen gibt. Wo das Ausgangsmaterial der Steingeräteherstellung gute Eigenschaften aufweist, sind auch im Altacheuléen manchmal relativ dünne und symmetrisch gestaltete Faustkeile vorhanden. Cleaver werden im Verlauf des Altacheuléen immer deutlicher als eigene Gruppe herausgebildet und zuletzt aus speziell präparierten Abschlägen angefertigt (Abb. Altacheuléen D). Polyeder, Chopper und Kleingeräte aus Abschlägen sind zahlreich vertreten, während Schaber noch keine große Bedeutung haben (Abb. Altacheuléen A, 1 u. Altacheuléen B). Der stilistische Unterschied zwischen Alt- und Mittelacheuléen ist in den meisten Inventaren Afrikas sehr undeutlich. Erst um 400.000 BP finden sich gewöhnlich in den Inventaren die echte Levallois-Technik, Klingen und überwiegend formal perfekte Faustkeile, so dass seitdem das Jungacheuléen eindeutig zu identifizieren ist. Deshalb wird das Mittelacheuléen zusammen mit dem Altacheuléen oft einfach Acheuléen genannt und nur das Jungacheuléen mit einer speziellen Bezeichnung bedacht.
Altacheuléen A: 1 Chopping-tool, 2 grober Faustkeil mit dreikantigem Querschnitt (Trieder), beide Artefakte aus Amguid-West, zentrale Sahara. Zeichnung Fiedler.
Altacheuléen B: Kleingeräte. 1 faustkeilähnlich bearbeiteter Abschlag, 2 Miniaturfaustkeil, 3 kratzerartiges Gerät mit reduzierter Ecke, 4 Diskoid; Amguid-W, Südalgerien. Zeichnung Fiedler.
Altacheuléen C: Faustkeil aus Quarzit. Djebl Bani, Antiatlas, Marokko. Zeichnung Fiedler.
Altacheuléen D: Cleaver aus Vulkanit. Amguid-W, Südalgerien. Zeichnung Fiedler.
Ältere Dryas, auch Dryas II oder Mittlere Tundrenzeit genannt. Eine Kältephase (Stadial) am Ende der letzten Kaltzeit von 13.540 bis 13.350 Jahren vor heute.
Älteres Paläolithikum, ein zusammenfassender Begriff, der für die Zeit und Kultur des Homo erectus s. l. und des Neandertalers steht, die vor dem Jungpaläolithikum als der Zeit des Homo sapiens sapiens liegt.
Älteste Dryas, auch Dryas I oder ältere Tundrenzeit genannt. Eine Kältephase (Stadial) am Ende der letzten Kaltzeit von 13.800 bis 13.670 Jahren vor heute.
Altmühlgruppe, ein Technokomplex oder Inventartyp des spätesten Mittelpaläolithikums in Süddeutschland, der durch makellos gearbeitete Blattspitzen und schwankende Anteile jungpaläolithischer Artefaktformen gekennzeichnet ist. Wenn die Altmühlgruppe überhaupt eine abgrenzbare kulturelle Erscheinung ist, ist sie doch anderen blattspitzenführenden Inventaren außerhalb Süddeutschlands so ähnlich, dass sie zusammen mit dem Szeletien, Jankovichien oder Jerzmanovicien in eine allgemeine ‚spätmittelpaläolithische und frühjungpaläolithische Gruppe blattspitzenführender Inventare‘ einbezogen werden kann.
Altpaläolithikum, die Zeit der beginnenden und frühen kulturellen Entwicklung zwischen etwa 2,5 Mio. und 0,3 Mio. Jahren B. P. Das Altpaläolithikum beginnt mit frühen Homo-Arten (Homo habilis/Homo rudolfensis bzw. Homo erectus/Homo ergaster). Es endet nicht abrupt, sondern läuft allmählich in der Zeit sehr früher Neandertaler und anatomisch ähnlich weit entwickelter Menschen aus, die dann als Mittelpaläolithikum bezeichnet wird. Die Oldowan-Kultur nimmt den ersten Teil des Altpaläolithikums von etwa 2,5 bis 1,8 Mio. Jahren B. P ein (Abb. ↗ Oldowan A–C u. Altsteinzeit). Darauf folgt das Acheuléen. Im östlichen Europa und in Asien war das Acheuléen oftmals etwas anders ausgebildet, indem die sonst markanten Faustkeile nicht so häufig sind. Choppers und Abschlaggeräte wurden dort aber in üblicher Weise produziert und genutzt (Abb. ↗ Präparierter Kern). Eine in der Forschung früher vermutete kulturelle Grenze zwischen einem westlichen „Faustkeilkreis“ und einem östlichen „Chopper-Kreis“ (H. Movius) lässt sich dennoch nicht eindeutig postulieren, weil sich Faustkeile zwischen der atlantischen und der pazifischen Küste in zahlreichen Regionen fanden.
Die Kultur des Altpaläolithikums ist nur aus den archäologisch fassbaren Relikten erschließbar, die wegen der zeitlichen Ferne und den damit verbundenen beschränkten Erhaltungsbedingungen einer größeren natürlichen Selektion unterlagen als die jüngerer Epochen. In erster Linie haben sich Steingeräte erhalten, die bestimmte technologische Konzepte und Traditionen sowie auf jeweilige Umwelten bezogene ökonomische Nutzungen erkennen lassen. Die erhaltenen Nahrungsmittelreste, das sind neben Nussschalen, Wildobstkernen und Eierschalen vor allem Tierknochen (und daran entschlüsselbare Schnitt- und Zerlegungsspuren), erlauben Rückschlüsse auf die Subsistenz, vor allem die Jagd und Verwendung von Fleisch, Sehnen, Häuten und Skelettmaterial. Die Nutzung des Feuers – wissenschaftlich lange kritisch hinterfragt – ist von zahlreichen Ausgrabungsstellen mittlerweile mindestens seit dem Acheuléen (beispielsweise Fundstellen von Clacton-on-Sea, L’Escalé, Lazaret, Pakefield, Pjezletice, Terra Amata oder Vertesszöllös, also seit etwa 0,8 Mio. Jahren) nachweisbar.
Altpaläolithikum: Rekonstruktionsversuch eines Lagerplatzes in Anlehnung an die Befunde von Bilzingsleben. Zeichnung Fiedler.
Die Errichtung von Behausungen lässt sich anhand bogenförmig angelegter Pfostenspuren (z.B. Terra Amata, Stuttgart-Bad Cannstatt) und auch durch ringförmige Steinsetzungen oder Knochenanhäufungen (z.B. Olduvai, Pjezletice, Bilzingsleben) erkennen (Abb. Altpaläolithikum). Für die nachweisbaren Aufenthalte früher Menschen auch in solchen Gegenden, wo selbst in globalen Warmzeiten jahreszeitliche Perioden sehr kalter Winternächte mit Temperaturen von –10° C die Regel waren, ist von einfach geschnittener Fellkleidung (Ponchos, Beinlinge u. Ä.) auszugehen, ohne die ein langfristiges Überleben jener Menschengruppen nicht stattgefunden hätte. Zerlegungsspuren an den Fußknochen größerer Tiere sowie Schnittspuren, die auf das Ablösen von Sehnen zurückgehen, sind Hinweise auf dafür benötigte Materialien. Unter den Steingeräten sind feine „Bohrer“ bekannt, die zum Durchlochen von Häuten geeignet waren und damit ein einfaches Vernähen ermöglichten.
Gibt uns die lithische Technik diskoider Kerne und damit systematisch erzeugter Serienabschläge sowie die standardisierten Methoden der Herstellung von Schabern, Cleavern und Faustkeilen einen Einblick in gedankliche Konzepte und traditionelle Logik, so werden die geistigen Fähigkeiten der frühen Menschen durch die wenigen erhaltenen Artefakte aus Holz besonders erschlossen. Aus harten Holzarten gefertigte Wurfspeere, zumeist über 2m lang, sind vor allem aus Schöningen in Niedersachsen bekannt geworden, wo sie innerhalb einer Wildpferd-Jägerstation ausgegraben werden konnten. Sie sind mit Feuersteinwerkzeugen geschnitzt worden und besitzen alle einen Schwerpunkt im vorderen Drittel der Waffen. Damit haben sie Flugeigenschaften, die denen heutiger Wettkampfspeere gleichen. Obwohl die Schöninger Speere aus einer sehr späten Phase des Altpaläolithikums stammen, belegt ihre standardisierte Herstellungsweise und präzise Formgebung eine lange Tradition sowie ein gedanklich gesteuertes, zielgerichtetes Verhalten mit einer Planungstiefe, die sich von den komplexen Waffenherstellungstechniken über die Wildbeobachtung und Jagdstrategie zu der Zerlegung der Jagdbeute, Nahrungszubereitung und -aufnahme sowie weiterer Nutzung erstreckt. Die Holzfunde von Schöningen (Wurfspeere, Klemmschäfte, Bratspieß, doppelspitziges Wurfholz usw.) (↗ Abb. Speer u. Wurfholz B) geben erstmals eindeutige Auskünfte über die bisher nur theoretisch vermutete umfangreiche Ausrüstung des Homo erectus s.l. Das geistige Verhalten dieser Menschen wird darüber hinaus durch spärliche „ungegenständliche“ Darstellungen (z.B. in einer indischen Abriwand – Bhimbetka-Rockshalter – eingepickte Näpfchen aus dem Acheuléen oder die rhythmischen Schnittmarken auf einem Knochen von Bilzingsleben) etwas beleuchtet. Am bedeutsamsten sind in dieser Weise aber die weit verbreiteten Schädeldeponierungen Verstorbener und vor allem die traditionellen Beisetzungen der teilweise entfleischten Skelette von Verstorbenen in einer Höhle im Atapuerca-Karst (Sima de los Huesos). Wenngleich damit kein Jenseitsglaube zu belegen ist, zeugen diese Formen des Totenkultes doch von Respekt und Sorge.
Die hier nur sehr summarisch aufgeführten Kulturelemente waren alle in der gedanklichen Vorstellung der Menschen gespeichert und verfügbar. Sie konnten oder mussten in bestimmten Lebenssituationen realisiert werden. Ihre fortwährende Reproduktion bildet ein eigenes, in der Natur nicht vorhandenes Existenzmuster, dessen abstrakt stets gegenwärtige Anleitungen zum Handeln den Menschen eine eigene persönliche und gesellschaftliche Identität gaben.
Altpleistozän, der früheste Abschnitt des quartären Eiszeitalters (Pleistozän). Beginnt vor 2,6 Mio. Jahren und endet mit der Abgrenzung zum Mittelpleistozän vor knapp 0,8 Mio. Jahren. Die Zeitgrenze wird mit dem paläomagnetischen Wechsel von der reversen (,Matuyama‘) zur normalen (,Brunhes‘) Polung festgelegt.
Altsteinzeit, die deutsche Bezeichnung für das Paläolithikum, die wiederum in frühe (untere) Altsteinzeit (Altpaläolithikum), mittlere Altsteinzeit (Mittelpaläolithikum) und jüngere (obere) Altsteinzeit (Jungpaläolithikum) gegliedert wird. Sie beginnt lange nach dem Auftreten der frühesten Hominiden (vor 4 bis 6 Mio. Jahren) mit dem Vorhandensein systematisch hergestellter lithischer Werkzeuge (Abb. Altsteinzeit) erst vor etwa 2,5 Mio. Jahren und endet vor ungefähr 12.000 Jahren (siehe: Paläolithikum).
Altsteinzeit: 1–7 Quarzartefakte, 8 Abschlag aus Basalt, aus einer Ausgrabung bei Makuyuni (Tansania), Oldowan. Zeichnung Fiedler.
Ambosstechnik, eine Technik zur Herstellung sehr großer oder massiver Abschläge durch das Aufschlagen eines Kernsteins auf einen schweren, festliegenden Stein. Entsprechende Ambosssteine sind durch ausgeprägte Schlagnarbenfelder identifizierbar. Sie kommen vom Altpaläolithikum bis zum Neolithikum vor. Die Ambosstechnik wurde vor allem für Zielabschläge benutzt (Cleaver-flakes, Kombewa-Abschläge, Clacton-Abschläge), die hauptsächlich als Zwischenprodukte (Grundformen) für die weitere Werkzeugherstellung dienten.
Amboss: Ein als Widerlager bei der Steinbearbeitung benutztes Epannelé mit Narbenfeld auf der Kortexfläche, Acheuléen; Münzenberg. Zeichnung Fiedler.
Eine weitere Bedeutung hat der Begriff Ambosstechnik bezüglich einer im Altpaläolithikum gelegentlich ausgeführten Methode zur Zerlegung harter Gerölle bekommen, die man als bipolare Ambosstechnik bezeichnen könnte. Dabei wurde das zu bearbeitende Werkstück auf einen massiven Stein, den „Amboss“, gestellt und mit einem Schlagstein – wegen des Gegendrucks der Auflage in gleichsam bipolarer Weise – behauen. In Deutschland sind besonders einige Geröllgeräte des Münzenberger Acheuléen in dieser Weise hergestellt worden (Abb. Amboss). Die damit gewonnenen Abschläge haben gegenüberliegende Schlagpunkte. Je nachdem, ob der Kernstein senkrecht oder schräg auf den Amboss positioniert wurde, weisen die so gewonnenen Abschläge zwei ähnlich oder unterschiedlich stark ausgeprägte Bulben auf. Die pitted anvils (also Steine mit einer durch zahlreiche Aufschläge entstandenen Delle) des Oldowan gehen möglicherweise auf derartige Zerlegungspraktiken zurück.
Amersfoort-Interstadial, die Bezeichnung einer Warmphase der letzten Kaltzeit zu Beginn der Isotopenstufe 5c, von 100.000 bis vor etwas mehr als 10.000 Jahren. Sie wird heute nicht mehr als eigenständiges Interstadial, sondern als früher Teil des Brörup-Interstadials verstanden.
Amudien, Amoudien, eine mittelpaläolithische Klingenindustrie im Vorderen Orient, die zwischen den mittelpaläolithischen Komplexen des Jabrudien und Levallois-Moustérien liegt, aber im Steingeräteinventar jungpaläolithisch wirkt (Abb. Amudien). Darin stehen schlanke, beidkantig partiell flächig retuschierte Spitzen im Vordergrund, gefolgt von Sticheln und gelegentlich Rückenspitzen. Das Amudien wurde auch als Präaurignacien oder Hummalien bezeichnet. Geochronologisch gehört es jüngstens in die frühe letzte Kaltzeit, Stadium 5b, um etwa 95.000 Jahre BP oder liegt nach neueren Datierungen sogar zwischen 175.000 und 250.000 BP, was dem Beginn der vorletzten Kaltzeit entspricht. Möglicherweise besteht eine kulturelle Nähe zum frühen Atérien Nordafrikas. Vom eigentlichen Aurignacien ist das Hummalien durch einen Zeitraum von mindestens 50.000, vielleicht sogar 200.000 Jahren getrennt, so dass es mit der unmittelbaren Genese dieser frühjungpaläolithischen Kultur nichts zu tun hat.
Amudien: Spitzklingen und eine kantenretuschierte Klinge. Nadaouiyeh, umgezeichnet nach Le Tensorer 1997.
Aneinanderpassung, siehe Zusammenpassung
Angelbruch (hinge fracture, fracture en charnière), eine Bezeichnung für das distale Ende eines Abschlags oder Absplisses, das nicht spitzwinklig und scharfkantig aus dem Material der Grundform (Kern oder Kernwerkzeug) herausplatzt, sondern mit einem stumpfen, im Querschnitt oft S-förmigen Abschluss endet. Bei abgerollten oder verwitterten Steinartefakten sind Angelbrüche verbleibende Merkmale einer intentionalen Bearbeitung (Abb. Angelbruch A u. B).
Animismus, die Vorstellung, dass alle Sachen der Welt (der Natur, des Kosmos und der Kultur) ein inneres Wesen, eine wirksame Kraft oder eine Beseelung besitzen. Diese den Sachen innewohnende Lebendigkeit hat eine gemeinsame Ordnung, in die auch der Mensch eingebunden ist, sie aber durch seine Aktivitäten aus dem Gleichgewicht bringen kann. (Diese Vorstellung findet in der wissenschaftlichen Gaia-Hypothese von James Ephraim Lovelock ein modernes Pendant. Er betrachtet die Erde als ein sich selbst regulierendes, „lebendiges“ und nachhaltiges System.)
Angelbruch A: Schemazeichnung Fiedler.
Angelbruch B: Bergeracois-Kern mit Angelbruch am Ende des Zielabschlages, Acheuléen; Creysse Peycharmant. Zeichnung Fiedler.
Anpassung, siehe Zusammenpassung.
anthropogen, durch den Menschen bewirkt.
Anthropologie, die Wissenschaft vom Menschen. Die Anthropologie ist ein Feld wissenschaftlicher Disziplinen, deren Forschungssache der Mensch in seiner Körperlichkeit (physische Anthropologie, Humanbiologie, Humangenetik, forensische Medizin) und in seinen geistigen, historischen, sozialen, psychischen, kulturellen sowie technischen Fähigkeiten ist.
Das Verständnis dessen, was der Mensch ist, bleibt stets eine Suche und kann auch von den anthropologischen Wissenschaftsbereichen weder zu einer einheitlichen noch zu einer endgültigen Aussage gebracht werden. Die Einflüsse durch jeweils gegenwärtige Weltbilder und ungern hinterfragte Überzeugungen sind in der Kultur- und Sozialanthropologie ebenso wenig zu leugnen, wie die Einschränkung des Beobachtungs- und Erkenntnisvermögens in der naturwissenschaftlichen Anthropologie. Die Versachlichung des Forschungsthemas gelingt dort am besten, wo ein deutlicher Bezug zu Nachbardisziplinen genommen wird: Ethologie, Biologie, Tierpsychologie, allgemeine Genetik, Anatomie, Ernährungswissenschaft usw. Dem gegenüber ist es beispielsweise in Geschichtsforschung, Ethnologie, Archäologie, Psychologie oder Paläoanthropologie schwer, distanzierte und möglichst objektive Zugänge zum subjektiven Thema zu finden.
In der archäologischen Literatur wird unter dem Begriff Anthropologie hauptsächlich die physische Anthropologie, besonders die Paläoanthropologie verstanden, die sich mit Skelettmorphologie und Körperbau der urgeschichtlichen, fossilen Menschenfunde sowie deren Systematik und biologischer Evolution beschäftigt. Ihr Schwerpunkt lag bisher deutlich im Bereich der metrisch gestützten Klassifizierung menschlicher Fossilien und den daraus abgeleiteten Entwicklungstheorien. Die urgeschichtliche Archäologie ist ein besonderer, kulturhistorisch orientierter Zweig der allgemeinen Anthropologie, in der letztlich der Frage nachgegangen wird: Wie kommt es dazu, dass wir so sind, wie wir sind?
anthropomorph, menschengestaltig.
Apollo-11-Höhle, eine Grotte im Süden Namibias, die in einer klingenführenden Schicht des frühen Late Stone Age (28.000 BP) eine Steinplatte mit einer gut 20 cm langen, in Rot ausgeführten Tierdarstellung lieferte. In einer älteren, auf 40.000 Jahre datierten Schicht des Mittelpaläolithikums fand W. E. Wendt Perlen, die aus den Schalen von Straußeneiern hergestellt worden sind.
archaischer Homo sapiens, archaische Sapienten, zusammenfassende ältere Bezeichnung für die Menschenform nach dem Homo erectus s. l. und vor dem Homo sapiens sapiens.
archaischer Mensch, zusammenfassender, ungenauer und veralteter Begriff für Menschenformen vor dem Homo sapiens sapiens.
Archanthropus, die alte Bezeichnung für verschiedene Funde von Homo erectus bzw. Homo heidelbergensis aus Asien und Europa.
Archäometrie, zusammenfassender Begriff für die in der Archäologie bzw. bei archäologischen Fragestellungen angewendeten naturwissenschaftlichen Methoden.
Arcy-Interstadial, eine Wärmeschwankung in der letzten Kaltzeit vor etwa 30.000 Jahren.
Ardipithecus ramidus, eine etwa 4,4 Mio. Jahre alte Hominidenform aus Äthiopien. Ardipithecus unterscheidet sich von den gleich alten und überwiegend jüngeren Australopithecinen u.a. durch ein Skelett, das eindeutiger für den aufrechten Gang gebaut war, und durch wenig ausgeprägte Eckzähne. Es wird vermutet, dass er phylogenetisch eine Vorform der Australopithecinen war, aber seine Verbindung dazu sowie seine Sonderrolle sind, wie viele Probleme der Paläoanthropologie, zur Zeit nicht abschließend zu beurteilen.
Artefakt, ein – in der Vergangenheit – von Menschen hergestellter Gegenstand. Die überwiegende Zahl frühmenschlicher Artefakte besteht aus Steingeräten.
Asturien, eine mesolithische Kulturerscheinung an der Küste NW-Spaniens. Unter den Steingeräten ist ein aus Geröll gefertigter, unifacieller dreikantiger Pic dominant. Neben Choppers erscheinen außerdem gezähnte Abschläge, selten Bohrer und Stichel sowie ausnahmsweise auch mikrolithische Rückenspitzen. Das Asturien war ein Technokomplex, der mit der Spezialisierung auf Muschelsammeln, Fischfang und gelegentlicher Hochwildjagd verbunden war.
Atapuerca, ein Karstgebiet und eine Fundregion in NW-Spanien (Ibeas de Juarros bei Burgos). Verschiedene Höhlen und Dolinen mit menschlichen Skelettresten und Kulturschichten von etwa 1,2 Mio. Jahren (Sima del Elefante) bis zum Moustérien. Zahlreiche menschliche Fossilien vom Homo antecessor (0,8 Mio. Jahre) über Homo heidelbergensis (0,6 Mio. Jahre, Sima de los Huesos) bis zu Neandertalern in den oberen Ablagerungen der Gran
Dolina.
Atérien, eine spätmittelpaläolithische/frühjungpaläolithische Kulturgruppe Nordafrikas mit nahezu „rezenter“ Menschenform (> 60.000 bis etwa 20.000 BC). Typische Steingeräte sind gestielte Atérien-Spitzen und -Messer sowie Blatt-Spitzen (Abb. Atérien A u. Atérien-Spitze A) und Levallois-Klingen (Abb. Atérien B). Die flächenretuschierten Spitzen (mit und ohne Stiel) sind nach C14-Daten und stratigraphischen Befunden tendenziell jünger als die gestielten Spitzen mit Kantenretusche. Rundliche und bogenförmige Steinsetzungen sind als Fundamente von Hütten und Windschirmen zu interpretieren (Abb. Atérien C). Das Atérien zeigt eine kulturelle Nähe zum Levallois-Moustérien und Präaurignacien (Amudien), weist aber im Steingerätespektrum auch Ähnlichkeiten zu der Blattspitzengruppe Europas auf. Die Herkunft dieses Technokomplexes liegt im Jungacheuléen Nordafrikas, da dort die ersten, noch groben Blattspitzen und Stiele an Geräten auftreten. Die Gewohnheit, gelegentlich gestielte Werkzeuge anzufertigen, durchlief zunehmend das gesamte nordafrikanische Mittelpaläolithikum. Allerdings wurden Atérien-Formen nicht an jedem Ort und zu jedem Anlass gemacht, so dass manche Fundspektren des nordafrikanischen „Moustérien“ auch frei von gestielten Geräten sind. Reibplatten, schalenförmig gepickte Steinobjekte und gravierte Objekte fanden sich im südlibyschen Messak in reinen Atérien-Inventaren, allerdings ohne eine vollständige Sicherheit über ihre Zugehörigkeit (Abb. Atérien D). Ginette Aumassip ist allerdings darüber hinaus der Meinung, die dortigen Felsgravierungen des Bubalus-Stils würden zum Atérien gehören. Diese Vermutung stützt sich auf die – auch schon von anderen Autoren gemachte – Beobachtung, dass an keiner dieser Felsbildstellen neolithische, epipaläolithische bzw. mikrolithische Steingeräte zu finden sind, in vielen Fällen aber solche des Atérien. Die radiometrischen Datierungen von Inventaren mit gestielten Werkzeugen, die ein Alter von weit über 100.000 Jahren haben, deuten darauf hin, dass dieses „Atérien“ wahrscheinlich ähnlich zu verstehen ist wie die sogenannten Keilmessergruppen in Europa, nämlich nicht als eine homogene Kultur, sondern als eine heterogene techno-kulturelle Strömung mit frühen Wurzeln, die gegen Ende des Mittelpaläolithikums ihren kräftigsten Ausdruck bekam. Das späte Atérien des Maghrebs und der nördlichen Sahara mit relativ kleinen, bifaciell flächenretuschierten „geflügelten“ Spitzen, die denen des spanischen Solutréen auffallend ähneln, ist vermutlich nicht nur eine Kultur im Sinne des Technokomplexes, sondern eine Kultur im Sinne der ethnischen Tradition.
Atérien A: Gestielte Spitzen (Atérien-Spitzen), Messak-Gebiet, Südlibyen. Zeichnung Fiedler.
Atérien B: Levallois-Spitzen, Messak-Gebiet, Südlibyen. Zeichnung Fiedler.
Atérien C: Kreisförmiger Behausungsgrundriss des Atérien-Fundplatzes A-99–22 Messak-Gebiet, Südlibyen. Zeichnung Fiedler.
Atérien D: Flacher, ausgesplitterter Klopfstein des Atérien (A-99–22) mit gravierter Darstellung (nach Fiedler, Lutz, Lutz & Quehl 2003).
Atérien-Spitze, eine gestielte Spitze des Atérien, die als Leitform von Inventaren dieses Technokomplexes gilt. Sie wurden aus Levallois-Abschlägen, Levallois-Spitzen und -Klingen hergestellt (Abb. Atérien A). Die Stiele dieser Artefakte sind gewöhnlich im proximalen Bereich ihrer Grundform angelegt worden. Sie sind meistens bifaciell bearbeitet. Der Übergang von Stiel zu Blatt erfolgt selten abrupt, sondern meistens in einer geschwungenen Form (Abb. Atérien-Spitze A). Die distalen Bereiche solcher Spitzen können in vielfältiger Weise bearbeitet sein und reichen von unmodifizierten distalen Levallois-Spitzen über Kantenretuschen bis zu beidflächigen Überarbeitungen. In einer vermutlich späten Entwicklung des Atérien kommen auch vollständig flächenüberarbeitete Formen (pointe marocaine) vor. Atérien-Spitzen mit kaum abgesetzten Stielen weisen formale Übergänge zu Jerzmanovice-Spitzen auf, die selbst ebenfalls im Atérien vorkommen. Die Größen der Atérien-Spitzen liegen zwischen 3 cm und 10 cm; selten kommen noch längere Exemplare vor. Deutlich asymmetrische gestielte „Spitzen“ und gestielte Formen ohne Spitze werden als Atérien-Messer bezeichnet (Abb. Atérien-Spitze B). Sie leiten zu gestielten Kratzern, Bohrern und Sticheln über.
Atérien-Spitze A: Flächenretuschierte Spitzen, Messak-Gebiet, Südlibyen. Zeichnung Fiedler.
Atérien-Messer, ein gestieltes Gerät des nordafrikanischen späten Mittelpaläolithikums mit asymmetrischen Umriss oder terminal nicht spitzem Ende (Abb. Atérien-Spitze B).
Atlantikum, wärmste und niederschlagreichste Zeitphase des Holozäns, von 8850 bis vor 6250 Jahren vor heute.
Atérien-Spitze B: Gestielte Messer, Messak-Gebiet, Südlibyen. Zeichnung Fiedler.
Atlanthropus, eine nordafrikanische Form des Homo erectus, insbesondere durch die Funde aus dem algerischen Ternifine/Tighernit (um 700.000 Jahre vor heute) belegt.
Atlatl, ein aus dem indigenen Mexikanisch stammender Begriff für die Speerschleuder.
Auerochse, Bos primigenius, eine in Asien entstandene Wildrindart, welche seit dem jüngeren Mittelpleistozän auch in Europa beheimatet ist. Auerochsen kamen sowohl in den Interglazialen als auch in gemäßigteren Phasen der Glaziale vor. Die Art starb zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus. Der europäische Auerochse ist nicht der Stammvater der europäischen Hausrindarten. Alle Hausrinder stammen von einer Wildrindform aus dem Nahen Osten ab.
Aufeinanderpassung, siehe Zusammenpassung.
Aurignacien, eine Kulturstufe des frühen Jungpaläolithikums in Europa und Teilen Westasiens, etwa 37.000 bis 30.000 BP. Typisch sind in Mitteleuropa geschnitzte Elfenbeinreliefs oder -figuren (↗ Abb. Religion A), große lanzettförmige Knochenspitzen sowie solche mit gespaltener Basis (↗ Abb. Spitze mit gespaltener Basis), Nasenkratzer (Abb. Aurignacien B, 10; Aurignacien B; Nasenkratzer), Kielkratzer (Abb. Aurignacien C, 1–9) sowie fein retuschierte Lamellen und massive Stichel (Abb. Aurignacien A, Aurignacien C). Erstmals sind Klingen die dominierenden Grundprodukte zur weiteren Werkzeugherstellung (Abb. Aurignacien C, 1–4). Ebenfalls erstmals sind verzierte Knochenobjekte und Schmuckstücke sehr zahlreich belegt (Abb. Aurignacien D). Als Kunstäußerungen liegen aus Frankreich vor allem tief in Kalksteinflächen eingravierte Vulven, gepickte Näpfchen und einfache Tierkonturen vor. Nur aus der Höhle Chauvet sollen zahlreiche sehr vital gemalte Tiere in das Aurignacien gehören. Schnitzereien wie in Mitteleuropa fanden sich im Westen bisher nicht.
Aurignacien A: 1–5 überwiegend wechselseitig retuschierte Dufour-Lamellen, 6 Bogenstichel, 7 doppelter Kielstichel. Fundorte: 1–2, 4–5 Sjuren, Kostenki, 6–7 Bockstein „Törle“ (grafisch verändert nach J. Hahn 1977).
Aurignacien B: Nasenkratzer, Vogelherd V (grafisch verändert nach J. Hahn 1977).
Aurignacien C: 1 Bogenstichel, 2 und 5 Kielstichel, 3 Mittelstichel/Kratzer, 4 Kantenstichel mit schräger Endretusche, 6 Geweihspitze mit annähernd rundlichem Querschnitt, 7 rhombische Knochenspitze mit flachem Querschnitt und massiver Basis („Lautscher Spitze“), 8–9 Kielkratzer (Lamellenkerne), 10 Nasenkratzer. Grotte du Roi (grafisch verändert nach Lévêque, Mouton & Joffrey 1958).
Die Wurzeln des Aurignacien liegen im Mittelpaläolithikum. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn alle charakteristischen Erscheinungen des Aurignacien bereits in früheren Inventaren in der einen oder anderen Ausprägung anzutreffen sind. Entwicklungshergang und geografischer Ursprung des Aurignacien sind seit geraumer Zeit Objekte wissenschaftlicher Diskussion und werden es wahrscheinlich noch lange sein.
Aurignacien D: Anhänger und verzierte Objekte aus Tierknochen: 1 Raubtierzahn-Anhänger, 2–3, 5 kleine Anhänger, 4 verzierter Stab, 6–7 Perlen aus Dentalien-Fragmenten, 8 verzierter Lochstab. Fundorte: 1 Bocksteinhöhle, 2 Istalloskö, 3 und 5 Bockstein „Törle“, 4 und 8 Vogelherd IV, 6–7 Senftenberg (grafisch verändert nach J. Hahn 1977).
Aurignacien-Retusche, eine kantenkorrigierende flache Retusche, die mindestens zwei Arbeitsschritte, eine erste gröbere und danach feinere Retusche, erkennen lässt. Die Aurignacien-Retusche ist deshalb „schuppig gestuft“. Sie kommt manchmal schon im Mittelpaläolithikum vor und findet im gesamten Jungpaläolithikum Anwendung (Abb. Aurignacien-Retusche).
Aurignacien-Spitze, siehe Spitze mit massiver Basis.
Ausgangsformen, die natürlichen Gesteinsformen Geröll, Knolle, Platte, Trümmerstück usw. Ausgangsformen sind alle Gesteins- oder Materialstücke, die für eine weitere Bearbeitung vorgesehen waren. Die Ausgangsformen haben einen Einfluss auf die gewählten Bearbeitungstechniken sowie die resultierenden Artefaktformen.
Aurignacien-Retusche: 1 gekerbte Klinge mit beidendigen Kratzer-Schneiden, 2 beidkantig retuschierte Klinge (grafisch verändert nach Lévêque, Mouton & Joffrey 1958).
Ausgesplittertes Stück, pièce esquillée, ein Abschlag oder Klingenfragment, das an beiden Enden oder gegenüberliegenden Kanten bifacielle Absplissnegative trägt. Ausgesplitterte Geräte sind nicht durch eine intentionale Formgebung entstanden, sondern durch ihre meißelartige Benutzung (Abb. Ausgesplittertes Stück). Das Auftreffen des Klopfsteins auf einem Ende und der Widerstand des zu spaltenden Materials (Elfenbein, Knochen, Holz) erzeugten auf dem gegenüberliegenden Ende die Aussplitterungen. Allerdings sind auch bei der intentionalen Zerlegung sehr spröder Silices (Quarz, Bergkristall u.a.) in der sogenannten bipolaren Kerntechnik Formen entstanden, die den ausgesplitterten Stücken gleichen.
Ausgesplittertes Stück: Malomerice-Borky II (grafisch verändert nach J. Hahn 1977).
Australopithecinen A: Australopithecus africanus, Sts 5, Sterkfontein, Südafrika („Mrs. Ples“). Zeichnung Fiedler.
Australopithecinen B: Australopithecus robustus, OH5, Olduvai-Schlucht Bed I, Tansania („Zinjanthropus“). Zeichnung Fiedler.
Australopithecinen, Vormenschengattung aus dem Zeitraum 4 Mio. bis etwa 2 Mio. Jahre vor heute. Funde stammen vor allem aus Süd- und Ostafrika, aber auch aus dem Tschad. Arten der Australopithecinen sind: Australopithecus afarensis, Australopithecus africanus (Abb. Australopithecinen A) und Australopithecus garhi. Früher wurden auch sogenannte robuste Formen, wie z.B. Australopithecus robustus (Abb. Australopithecinen B) dieser Gattung zugeordnet. Heute werden diese Formen jedoch unter der Gattung Paranthropus zusammengefasst.
Azilien, das ausklingende Jungpaläolithikum oder – je nach Auffassung – das frühe Mesolithikum im südlichen Frankreich, etwa 11.000 bis 12.000 BC. Das Azilien entstand mit fließendem Übergang aus dem späten Magdalénien. Es ist kulturell mit dem mitteleuropäischen Federmesserkomplex verwandt und dazu zeitgleich. Das bedeutet in der Klassifizierung nacheiszeitlicher Kulturen, dass das mittlere Mesolithikum Frankreichs (frühes Sauveterrien) mit der Stielspitzengruppe (Ahrensburger Kultur) und dem folgenden älteren Mesolithikum Mitteleuropas zeitgleich ist. Die Leitformen des Azilien sind breite zweireihige Harpunen mit eingeschnittenem Langloch aus Hirschgeweih (Abb. Azilien), Rückenspitzen mit bogenförmiger Rückenstumpfung (pointes aziliennes) sowie kurze Kratzer. Tierdarstellungen auf Knochen, Geweih oder Steinplättchen lehnen sich an die des späten Magdalénien an, werden aber zunehmend stilisierter und steifer. Auf die Musterung innerhalb der Konturen wird sehr viel Sorgfalt gelegt. Öfters als abbildende Darstellungen erscheinen V-förmige und fächerartige Strichbündel, die möglicherweise verkürzte anthropomorphe Zeichen sind. Ebenfalls sind mit sehr einfachen Mustern bemalte Kiesel und kleine Steinplatten aus dem Azilien belegt.
Azilien: Harpunen aus Le Mas d’Azil u. La Vache (nach E. Piette, S. J. Péquart u. R. Somonnet in Piel-Desruisseaux 2004, leicht verändert).