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ОглавлениеBachokirien, ein Technokomplex im Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum in Osteuropa.
Das Bachokirien ist nach Bacho Kiro in Bulgarien benannt und datiert zwischen 50.000 und 45.000 BC. Die lithischen Artefakte werden durch das vermehrte Auftreten echter Klingentechnik gekennzeichnet sowie durch vereinzelte Blattspitzen und unifaciell retuschierte Spitzen aus Levallois-Abschlägen, die formenkundlich etwa zwischen Moustérien-Spitzen und Jerzmanovice-Spitzen stehen.
Badegoulien, ein Inventartyp, der in Frankreich früher auch als Magdalénien 0 und I bezeichnet wurde und zeitlich in die abklingende zweite große Kälteperiode der letzten Kaltzeit gehört (zu Beginn und im Lascaux-Interstadial, mit C14-Daten zwischen etwa 19.000 und 17.000 BP und einem Mittelwert um 18.000 BP). Das Badegoulien ist offensichtlich in einem Anpassungsprozess an die gravierenden Klimaveränderungen entwickelt worden. Das erste Aufkommen echter Nähnadeln (↗ Abb. Nadel B) könnte mit dem Bedarf nach perfekt geschneiderter Kleidung in jener kaltzeitlichen Periode zu tun haben. Die Steingeräte bestehen überwiegend aus Abschlägen; schlanke Klingen sind sehr selten (Abb. Badegoulien A). Vorherrschende Typen sind Raclettes, Bohrer (oft mehrere Spitzen/Dorne an einem Abschlag), gedrungene Kratzer und grobe Stichel. Retuschierte Lamellen treten anscheinend erst im jüngeren Badegoulien auf. Die Geweih- und Knochenspitzen mit abgeschrägter Basis (↗ Abb. Badegoulien B) dieser Zeit sind teilweise mit Rillen versehen, die auf Schäftungen von Lamellen und Absplissen hinweisen. Zur Zeit des Badegoulien ist Mitteleuropa wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen nicht oder höchstens sporadisch begangen worden.
Baguette demi-ronde, ein aus Rengeweih gefertigtes schlankes, beidendig spitzes Objekt (des mittleren Magdalénien) mit halbkreisförmigem Querschnitt und oftmals aufwendig verziert (zumeist gewundene, labyrinthische Kerbschnitte). Geweihartefakte dieser Art wurden paarweise mit den flachen Seiten aufeinandergeklebt und dienten als Geschoss-Spitzen. Die Art der Kombination und Montage sollte offenbar ein Verziehen des elastischen Materials verhindern. Die vielfältigen Zeichen und Muster auf diesen Objekten könnten auf einen besonderen rituellen Gebrauch deuten.
Badegoulien A: Badegoulien und frühes Magdalénien von Laugerie-Haute: 1–3 Raclettes, 4 Klingenkratzer, 5 doppelter Mittelstichel, 6–7 Querstichel, 8–9 gezähnte Rückenmesserchen, 10–12 u. 15 Bohrer, 13–14 Messerchen mit geknickter Rückenretusche (verändert nach Piel-Desruisseaux 2004).
Badegoulien B: Verzierte Geweihspitzen aus Le Placard (nach Airvaux 1999).
Bandkeramik, die ‚Linienbandkeramische Kultur‘, die erste Stufe der vollen Jungsteinzeit (Neolithikum) in Mitteleuropa, 5600–4900 BC. Ackerbau, Viehzucht, große Holzhäuser und Gräberfelder mit beigabenreichen Hockerbestattungen sowie Keramik mit bandförmigen Verzierungen prägen das archäologische Bild. Der Ursprung der Bandkeramik liegt überwiegend im frühen Neolithikum des donauländisch-balkanischen Raumes (Abb. Bandkeramik). Es erscheinen aber auch einige südwesteuropäische Elemente in der frühen Bandkeramik des westlichen Mitteleuropa (La-Hoguette-Kultur), die ihrerseits über Cardial- und Impressa-Keramik wiederum Beziehungen bis tief nach Nordafrika hinein erkennen lassen. Einige aus Silex hergestellten Artefakte der Bandkeramik (Pfeilspitzen, Kratzer und Bohrer) haben ihren Ursprung in Formen der Mittelsteinzeit. Ob der mit der Bandkeramik verbundene Neolithisierungsprozess überwiegend mit Einwanderungen oder vorwiegend mit Kulturtransfer zu tun hat, ist bisher nicht endgültig geklärt.
Bandkeramik: 1 bandkeramische Gesichtsdarstellung auf einer Zipfelschale von Münzenberg-Gambach, 2 Gefäß der frühen Bandkeramik aus Dissen-Deute (Hessen). Zeichnung Fiedler/Kaletsch.
Bär, im Quartär waren in Europa verschiedene Bärenarten verbreitet. Im Unterpleistozän waren dies z.B. Ursus doliniensis und Ursus etruscus und im Mittelpleistozän Ursus denigeri. Letztere ist der gemeinsame Vorfahre von Ursus arctos (Braunbär) und Ursus spelaeus (Höhlenbär), den zwei typischen oberpleistozänen Arten. Zum Ende der letzten Kaltzeit starb der Höhlenbär aus.
Barrenförmiger Kern, ein Kernstein der diskoiden Kerntechnik mit gestrecktem Umriss und meistens einer winkeligen oder prismatischen Unterseite. Wegen der gestreckten Form wurden die Abschläge nicht zentripetal, sondern gegenläufig, zunächst von einer Kante, dann von der gegenüberliegenden – und so fortfahrend – abgebaut. Barrenförmige Kerne sind in Inventaren des Acheuléen häufig, kommen aber bis ins Mesolithikum vor, wenn winklige Gesteinstrümmer als Rohstoffe der Geräteherstellung in Frage kamen.
basal, ein Begriff, der bei Artefakten das untere, meistens dickere Ende beschreibt. Bei Abschlaggeräten wird dafür gleichbedeutend das Wort proximal verwendet.
Basislager, ein längerfristig von einer Menschengruppe benutzter Lager- oder Wohnplatz. In einem weiteren Umkreis zwischen etwa 5 bis 30 km um ein Basislager herum sind periphere, kurzfristige Rast- und Lagerplätze zu finden, die im Zuge von Jagd- und Sammelereignissen von einigen Mitgliedern der gesamten Gemeinschaft genutzt worden sind. Die dort hinterlassenen Artefakte können sowohl im Spektrum als auch in der Art der Typen von denen des Basislagers stark abweichen.
Bassaler-Stichel, ein anderer Name des Raysse-Stichels.
Bayacien, eine Stufe des Périgordien (frühes Gravettien) mit schlanken beidkantig retuschierten Spitzen (fléchettes, ↗ Abb. Fléchette). Das Bayacien liegt stratigraphisch unter dem Périgordien IV (= Gravettien). Es ist nur von der Fundstelle La Gravette und vom Abri Pataud in Les Eyzies bekannt.
BC, Abkürzung für „Before Christ“. Das Kürzel wird bei der Nennung von Radiokarbon-Altersdaten verwendet. Das nach dem Zahlenwert mit BC genannte Alter bedeutet nicht nur, dass es sich um ein Alter „vor Christus“ handelt, sondern auch, dass der Alterswert kalibriert ist. Siehe auch unter: Kalibration und Dendrochronologie.
Bec, ein Steingerät mit bearbeiteter Spitze, die einem Vogelschnabel (frz.: bec) ähnlich sieht. Die Spitzen oder „Schnäbel“ von Becs sind bis auf wenige Ausnahmen generell einseitig kantenretuschiert und haben eine flache Unterseite. Becs sind Werkzeuge, die in der gesamten Steinzeit vorkommen. In der Mehrzahl waren es Geräte zum Durchlochen, Durchstechen, Bohren oder zum Eintiefen von Kerben. Schon die sehr einfachen, an vorspringenden Ecken von Abschlägen oft nur partiell kantenretuschierten Becs des älteren Paläolithikums zeichnen sich in ihrem frontalen Bereich durch schmale Absplissnegative aus, so dass sich der Eindruck einstellt, es handele sich dabei um vertikal geschlagene Stichelabsplisse. Einige Becs, besonders die speziellen Zinken des späten Jungpaläolithikums (Abb. Bec B), dienten zum Eingravieren von Rillen. Becs des frühen Jungpaläolithikums könnten auch wenig abgearbeitete Grundformen von Nasenkratzern und Kielkratzern sein, die der Produktion lamellarer Absplisse dienten. Zwischen Becs, Spitzkratzern und Nasenkratzern bestehen deshalb zahlreiche, nicht näher definierbare formale und funktionale Übergänge (Abb. Bec A). H. Delporte beschreibt derartige Geräte aus dem Aurignacien von La Ferrassie auswechselbar als grattoirs carénés, museaux (plats ou épais), grattoirs sur éclat und pics.
Bec A: Mittelpaläolithische Becs: 1 Buhlen-4, 2 St.-Just (Dordogne). Zeichnung Fiedler.
Bec B: Zinken: 1 Wetzlar-Naunheim, 2 Külte, 3 u. 4 Glaner Heide, 5 Pennmoor (1–2 Zeichnung Fiedler, 3–5 nach H. Schwabedissen 1954).
Bedarfsretusche: 1 Krems-Spitze, 2 Kratzer, 3 Spitzklinge, 4–5 Dufour-Lamellen, 6 Nasenkratzer, 7 Stichel, 8 Stichel/Kratzer in Kombination, 9 Klinge mit Aurignacien-Retusche. 1–2, 4–7, 8–9 La Rochette – en surface –; 3 St.-Aulaye „Barreyrie“, 6 bei Laussel; alles Aurignacien. Zeichnung Fiedler.
Befund, die bei einer Ausgrabung zutage gekommene und dokumentierte räumliche Verteilung aller archäologisch relevanten Strukturen, Artefakte und natürlichen Objekte.
Bedarfsretusche, eine nicht formgebende intentionale Kantenbearbeitung. Wenn Abschläge oder Klingen nicht formverändernd bearbeitet worden sind, sondern nur marginale Kantenretuschen tragen, die nicht durch die Benutzung entstanden sind, also intentional angelegt wurden, dann kann man sie durch die Bezeichnung Bedarfsretusche von der sogenannten Gebrauchsretusche trennen (Abb. Bedarfsretusche). Bedarfsretusche diente der Formgebung, dem Nachschärfen oder der Kanten-Stabilisierung.
Behausung, ein durch Menschen hergestellter umgrenzter Raum, der vor Wind und Wetter, Sonnenhitze oder Raubtierübergriffen schützt. Die frühe Besiedlung Eurasiens durch den Homo erectus s. l. ist ohne einfache Bekleidung und der Fähigkeit, Behausungen zu errichten, nicht denkbar. In höhlenfreien offenen Landschaften – bevorzugte Habitate – waren aus Ästen und Zweigen zusammengewundene Unterschlüpfe nicht nur ein notwendiger Schutz vor der (nächtlichen) Kälte, sondern unerlässliche erste Sicherungen gegen Raubkatzen, Bären, Hyänen und Wölfe. Archäologisch dokumentierte Strukturen solcher Hütten sind ebenso selten wie erhaltene Holzgeräte. Als bisher ältester Behausungsbefund liegt eine kreisförmige Hüttenbasis aus der untersten Schicht der Olduvai-Schlucht vor. In Pjezletice bei Prag wurde der Befund einer elliptischen, flach wallartigen Anlage von etwa 2m Länge aufgedeckt, die von einer Steinsetzung und größeren Knochen begleitet wird. Vor dem Eingang an der nordwestlichen Schmalseite liegt „rechts“ eine Feuerstelle. Dieser Befund datiert nach faunistischen und paleomagnetischen Untersuchungen auf ein Alter zwischen etwa 600.000 und 900.000 Jahren. Spuren eingegrabener Pföstchen fanden sich aus der Zeit des Homo erectus s. l. in Nizza (Terra Amata), Stuttgart-Bad Cannstatt und Schöningen. In Bilzingsleben wurden bisher die Standspuren von drei gleich großen und gleich orientierten Hütten aufgedeckt Rekonstruktionsversuch Abb. ↗ Altpaläolithikum). Aus der Zeit des Neandertalers liegen Behausungsnachweise des Freilandes u.a. aus Rheindahlen, Edertal-Buhlen (Abb. Behausung B), Ochtendung bei Koblenz, La Folie (Vienne) und Molodova I (Ukraine vor. Aus dem Jungpaläolithikum sind formal vielfältige Behausungsreste in sehr viel größerer Anzahl bekannt geworden (beispielsweise Abb. Behausung A u. ↗ Sungir-Kultur B) Sie erlauben es, sowohl verschiedene Zelttypen als auch kuppelförmige Hütten aus festen Baumaterialien zu rekonstruieren (beispielsweise aus Mammutknochen und Stoßzähnen wie in Mezin und Mezhirich in der Ukraine). Aus dem Mesolithikum sind sowohl gestreckte oder rechteckige wie auch mit Steinen umsetzte rundliche Grundformen von Behausungen bekannt (↗ Abb. Mesolithikum A; Natufien A).
Behausung A: Behausungsstruktur des Pavlovien/Gravettien von Kostenki I 1 (Anativka 2) (umgestaltet nach A. N. Rogatchev 1970).
Behausung B: Der Befund von Buhlen, „Unterer Fundplatz“, Schicht 4, in dem Versuch einer Rekonstruktion. Trotz zahlreicher Befunde, die dem Autor aus der Völkerkunde und aus offen liegenden steinzeitlichen Behausungsfundamenten im ariden Nordafrika aus eigener Anschauung bekannt sind, ist das hier gebotene Lebensbild hypothetisch und imaginativ. Wir wissen nichts über Baumaterial und Aussehen der Hütte, die sich über der steinernen Struktur erhob. Und ebenso wenig ist über die konkrete Art der Bekleidung der damaligen Menschen von Buhlen bekannt. Trotzdem gibt es begründbare Annahmen, dass es eine vergleichbare ehemalige Wirklichkeit gegeben hat. Deshalb dienen Modelle wie dieses hier nicht nur dem Bedürfnis nach einer populistischen Darbietung, sondern helfen auch dem Wissenschaftler, über die Aussagemöglichkeit der ausgegrabenen Strukturen und Fundgegenstände nachzudenken und nach möglichen realistischen Interpretationsmöglichkeiten zu suchen. Zeichnung Fiedler.
Beil, ein flaches Hack- und Spaltwerkzeug. Als ungestielte, mit bloßer Hand geführte Beile lassen sich die meisten Cleaver des älteren Paläolithikums interpretieren. Geschäftete beilartige Steingeräte kommen vermutlich schon seit dem Mittelpaläolithikum vor. Vor allem die großen bifaciellen Picks des zentralafrikanischen Sangoan/Lupemban-Komplexes kann man sich nur in Schäftungen als funktionsfähige Geräte vorstellen. Im Jungpaläolithikum mögen manche massive Klingenkratzer beil- oder beitelartig geschäftet gewesen sein, ähnlich wie vergleichbare Kratzer bei den Ureinwohnern Nordwest-Amerikas. Erhaltene Beilschäfte mit eingesetzten, ungeschliffenen Steinbeilen (Kern- und Scheibenbeile) stammen erst aus dem Mesolithikum (Abb. Beil u. ↗ Mittelsteinzeit B). Im Neolithikum wurden Beilklingen gewöhnlich geschliffen. Ihre Schäftung erfolgte entweder unmittelbar, indem sie in keulenförmige, ausgehöhlte Hölzer eingesetzt oder mit Hilfe vielfältiger, ebenfalls ausgehöhlter Zwischenfutter aus Rothirschgeweih montiert waren. Seit dem Jungpaläolithikum (Kostenki I,1) und bis ins Neolithikum sind auch schlanke meißelförmige Knochengeräte bekannt, die ebenfalls als Beile, Dechsel oder Beitel geschäftet gewesen sein dürften. Eine besondere Form des Beils ist das Lyngby-Beil, das in einem Stück aus Rengeweih gefertigt wurde. Dabei wurden alle Sprossen bis auf die untere (Eissprosse) entfernt und diese dann angeschliffen. Bemerkenswert ist, dass in Nordaustralien geschliffene Beile gefunden wurden, die ein sehr viel höheres Alter haben als alle entsprechenden Geräte der Alten Welt.
Beil: Rekonstruktion einer Kernbeilschäftung in einem Zwischenfutter aus Rothirschgeweih mit einem hölzernen Schaft (nach einem Fund von Hohen Viecheln). Zeichnung Fiedler.
Bekleidung, künstliche flexible Körperbedeckung als Schutz vor äußeren Einflüssen. Überreste von Bekleidung sind erst aus der Zeit des frühen Jungpaläolithikums (beispielsweise Perlenapplikationen in den Gräbern von Sungir) archäologisch nachweisbar. In jungpaläolithischen Darstellungen (Bilder, Statuetten) wird der Mensch überwiegend nackt und nur in wenigen Fällen bekleidet dargestellt (La Marche). Doch durch den Wegfall der Körperbehaarung im Laufe der Evolution darf der Gebrauch von Bekleidung bereits zur Zeit des Homo erectus s. l. als gesichert gelten, da das Überleben bzw. die Ausbreitung des frühen Menschen bis hinauf auf die ostafrikanischen Hochebenen (mit bis –10° C kalten Nächten im Winterhalbjahr) und in die nördlichen gemäßigten Zonen Eurasiens nur mit einem effizienten Wärmeschutz vorstellbar ist. Wahrscheinlich wurden die ersten Formen von Bekleidung aus Materialien wie Gras, Rindenbast und Tierhäuten gefertigt. Tierhäute müssen, um als Umhang oder Poncho tragbar zu sein, speziell behandelt werden, da sie ansonsten schnell trocknen und steif werden sowie hautschädigende, u.U. sogar tödliche Verwesungsstoffe abgeben. Alle Reste des Bindegewebes müssen deshalb auf den Innenseiten abgeschabt und diese Flächen mit Ocker, Urin, Galle oder Fett präpariert werden. Die dazu benötigten Werkzeuge, die Schaber, existieren seit dem Oldowan.
Funde von fein gearbeiteten, bohrerartigen Steingeräten aus dem Altpaläolithikum legen nahe, dass bereits damals Fellstücke perforiert und zu gut sitzender Bekleidung zusammengenäht werden konnten.
,Bergeracois-Technik‘, ein Vorschlag für die Beschreibung einer grundlegenden Variante der Levallois-Technik.
Der Levallois-Technik liegt die Idee zugrunde, von Kernen mit gewölbten Abbauflächen möglichst flache und zugleich in ihrer Größe und Form vorherbestimmbare Zielprodukte abzulösen. Diese Idee ist nicht an einem Tag entstanden, sondern ist aus der Erfahrung mit der diskoiden Kerntechnik entwickelt worden. Sie blieb dann annähernd 300.000 Jahre lang eine der wichtigsten Methoden der kontrollierten Abschlaggewinnung. In dieser langen Zeit wurden Verfeinerungen erprobt, die allmählich zu der charakteristischen Ausprägung führte, die hier als Levallois-Technik s. s. – also derjenigen im strengen Sinn – mit schmalen, sinusförmig aufgewölbten Schlagflächen „en chapeau de gendarme“ führte. Im Acheuléen findet sich neben der zunehmend ausgeübten entwickelten Levallois-Technik meistens noch eine etwas einfachere Variante mit weniger sorgfältig präparierten Schlagflächen, deren Herkunft aus der diskoiden Kerntechnik unzweifelhaft ist. Für sie wird hier nach der fundreichen Gegend um Bergerac, dem Bergeracois, die Bezeichnung Bergeracois-Technik vorgeschlagen. F. Bordes beschrieb sie 1961 als débitage proto-Levallois und kennzeichnete sie so als Grundmodell der Levallois-Technik. Sie entspricht dabei den meisten Beispielen der von Eric Boëda vorgestellten Methoden und Konzepte zur Gewinnung großer Zielabschläge der Levallois-Technik sensu lato.
In der Bergeracois-Technik wurde auf eine sehr feine Präparation der Schlagflächen verzichtet oder diese sogar ganz unterlassen, wenn der Kern schon eine geeignete Kante zum Abtrennen eines Zielabschlags hatte. Deshalb sind die Schlagflächenreste an den Produkten dieser Technik oftmals nur grob facettiert (Abb. Bergeracois-Technik A u. ↗ Proto-Levallois-Technik) oder weisen gelegentlich sogar keine spezielle Präparation auf (Abb. Messer B, 4). Damit besteht ein Zusammenhang zu den Ausmaßen der Schlagflächenreste, die zwischen Ventral- und Dorsalfläche meistens tiefer und damit großflächiger sind als diejenigen der Levallois-Technik s. s. Ebenso fielen die Abbauwinkel der Kerne zwischen Schlagfläche und Abbaufläche häufig spitzer als 90° aus, was bei der Levallois-Technik s. s. nur selten vorkommt. Die Längsschnitte der Zielabschläge sind weniger gleichmäßig dick, sondern oft gestreckt keilförmig (Abb. Bergeracois-Technik B). Im Gegensatz zur Levallois-Technik s.s. wurden von Bergeracois-Kernen häufiger mehrere Zielabschläge nacheinander – mit und ohne erneute Schlagflächenpräparation – abgebaut.
Beide Varianten der Levallois-Technik kommen seit dem Jungacheuléen in zahlreichen Fundinventaren gemeinsam vor und lassen sich im Einzelfall nicht immer scharf trennen. Die Bergeracois-Technik tritt zeitlich jedoch schon vor der speziellen Levallois-Technik auf und erscheint in Afrika mit Inventaren des „mittleren“ Acheuléen bzw. frühen jüngeren Acheuléen wahrscheinlich seit mehr als 500.000 Jahren. Nach eigenen Beobachtungen finden sich schon vereinzelte Artefakte dieser Art erstmals in Bed III der Olduvai-Sequenz als Produkte der dortigen Proto-Levallois-Technik, wie sie van Riet-Loewe für das subsaharische Afrika beschrieben hat. In Mitteleuropa sind Erzeugnisse dieser Technik gut in dem von A. Luttropp und G. Bosinski ausführlich publizierten Acheuléen-Inventar der „Reutersruh“ bei Ziegenhain (Hessen) vertreten. Siehe auch: Proto-Levallois-Technik.
Bergeracois-Technik A: Bergeracois-Abschlag, Acheuléen, Creysse. Zeichnung Fiedler.
Bergeracois-Technik B: 1 Abschlag (Münzenberg), 2 Kern und anpassender Abschlag aus Südmarokko, Erg Chebbi. Zeichnung Fiedler.
Bernstein, fossiles Baumharz aus dem Paleogen und Nerogen (Tertiär), gelegentlich mit Einschlüssen (Inklusien) von Pflanzen- und Tierresten. Bernstein ist vor allem in Spülsäumen bestimmter Meeresabschnitte oder Flussläufe zu finden, die entsprechende Sedimente erodieren. Die früheste bekannte Verwendung stammt aus dem Jungpaläolithikum (Isturitz, Meziric).
Bertonne-Kratzer, aus einem Klingenfragment hergestelltes Gerät mit flachen ventralen Endretuschen, die meistens konvex gestaltet sind und einen asymmetrischen Verlauf haben. Oft sind auch die anderen Kanten der Grundform flach und unregelmäßig retuschiert. Diese Kratzer sind bisher nur im Magdalénien des westlichen Frankreich häufiger beobachtet worden.
Bestattung (Beisetzung, Totenritual), rituelle Behandlung Verstorbener. Der Umgang mit Verstorbenen fällt in den verschiedenen Kulturen der Welt sehr unterschiedlich aus. Neben der Erdbestattung von Leichnamen kommt deren Verbrennung und Aschebeisetzung ebenso vor, wie Seebestattung, Mumifizierung, Teilbestattung der Knochen (Beinhäuser) oder Auslieferung an Geier. In Neuguinea wurden Körperteile der verstorbenen Angehörigen manchmal verspeist, um deren Fähigkeiten weiterzugeben. Diese und andere neuzeitlichen Totenrituale werfen ein bedeutsames Licht auf die vielfältigen Möglichkeiten der Totenbehandlung in urgeschichtlicher Zeit. Als frühestes, etwa 600.000 Jahre altes Ritual müssen die Totendeponierungen von Ibeas in der Sima de los Huesos (Atapuerca-Karst) gelten. Hier wurden über einen längeren Zeitraum die Verstorbenen einer „Sippe“ in einer unterirdischen Höhle „deponiert“, die der Wohnhöhle benachbart war. Dort waren sie vor Hyänen- oder Stachelschweinfraß sicher und blieben den Lebenden nahe. Offensichtlich gehört die Niederlage von Schädeln oder Schädelteilen in Bereichen der Lagerplätze aus der Zeit des Homo erectus s. l. bzw. Homo heidelbergensis in die gleiche Gedankenwelt (Choukoutien/Zhoukoudian, Tautavel, Ternifine, Atapuerca, Bilzingsleben u.a.). Um die Kalotten aufbewahren zu können wurden sie entfleischt und gereinigt. Diese Sitte setzte sich bis in das Mittelpaläolithikum fort (Petralona, Saccopastore, Ochtendung). Schnittspuren und andere Manipulationen an diesen Schädeln werden teilweise als Zeugnisse von Kannibalismus interpretiert, da die Knochen mit Methoden gesäubert wurden, die bei der Zerlegung von Jagdtieren alltäglich waren. Weil bei den relativ zahlreich entdeckten Schädeln meistens keine weiteren menschlichen Skelettteile gefunden wurden, ist der Schluss auf Menschenfresserei nicht schlüssig. Auch die viel seltener gefundenen angekohlten und zerschlagenen Menschenknochen sind keineswegs eindeutige Hinweise auf Kannibalismus, sondern können ebenso gut als Spuren einer pietätvollen Zerstörung der sterblichen Überreste angesehen werden, die beispielsweise in der Absicht geschah, Knochen, Knochenmark und Fleischreste nach dem Verlassen der Lagerplätze nicht den Hyänen zu überlassen. Die Körperbeisetzungen (oder Skelettbeisetzungen) aus der Zeit der Neandertaler (La Chapelle-aux-Saints, La Ferrassie, Le Moustier usw.) werden in der Fachliteratur oft als Beleg dafür angesehen, dass jene Menschen an ein Weiterleben ihrer Toten in einer transzendenten Sphäre glaubten. Es könnte aber auch sein, dass deren Tod als langer endgültiger Schlaf verstanden wurde und die Verstorbenen lediglich zur endgültigen Ruhe gelegt worden sind. Im Abri von La Ferrassie fanden sich neandertalerzeitliche Bestattungen von Erwachsenen und Kindern in einem Ensemble von Hügeln und Gruben, die ein Muster paralleler, rechtwinkliger und diagonaler Ausrichtungen besitzen und bestimmte Zonierungen erkennen lassen. Im Jungpaläolithikum und Epipaläolithikum wurden den Toten gewöhnlich Beigaben mitgegeben (Sungir, Brünn, Saint-Germain-la-Rivière usw.), eine Sitte, die über das Mesolithikum hinaus bis in die Frühgeschichte fortgeführt wurde und Hinweise zu Jenseitsvorstellungen liefert.
Beuronien A bis C, eine von Wolfgang Taute vorgenommene stratigraphische und formenkundliche Gliederung des süddeutschen Mesolithikums (Abb. Beuronien).
Biface, ein beidflächig bearbeitetes Steingerät, oft mit der speziellen Bedeutung: Faustkeil (Abb. Biface A u. B). Die französische/englische Bezeichnung gilt generell für alle beidflächig bearbeiteten Steinartefakte, wird aber bevorzugt – und vor allem in der deutschen Verwendung dieses Begriffes – für Faustkeile benutzt. Nach den verschiedenen Formen und Typen haben die Bifaces besondere Namen wie biface abbevillien oder micoquien, cordiforme, triangulaire, lancéolé, naviforme etc. Seit dem Mittelpaläolithikum gibt es mit den Faustkeilblättern Übergänge zu Blattspitzen und anderen blattförmigen Geräten.
Biface abbevillien, eine grobe und massive Faustkeilform, die ausschließlich mit dem Schlagstein bearbeitet und nicht wesentlich retuschiert worden ist (Abb. Biface abbevillien). Dieser „Typ“ wird als kennzeichnend für wenige, sehr frühe Acheuléen-Inventare in Nordfrankreich angesehen. Er kommt aber auch im Zusammenhang des mittleren und jüngeren Acheuléen vor. Oft besteht eine Verbindung zwischen schlecht bearbeitbarem oder sprödem Rohmaterial und Faustkeilen im Abbeville-Stil. Eine typologische Relevanz zwischen diesen Faustkeilen und dem Altacheuléen wird von einigen Wissenschaftlern bezweifelt, weil es auch frühe Faustkeile gibt, die im Querschnitt flach sind und sorgfältige Bearbeitung der Kanten aufweisen. Trotzdem ist die überwiegende Mehrheit der Faustkeile des frühen Acheuléen in Afrika massiv und grob behauen (↗ Biface partiel). Besser gearbeitete Faustkeile wurden auch dort erst seit dem Mittelpleistozän (etwa seit 800.000 Jahren) oder in dessen Verlauf die Regel.
Beuronien: Mesolithikum in Süddeutschland, typologische Folge der Mikrolithen, nach W. Taute 1972.
Biface A: Frühes Acheuléen, Amguid (Südalgerien). Zeichnung Fiedler.
Biface B: Biface-Cleaver, Acheuléen, Creysse. Zeichnung Fiedler.
Biface-finishig-flake, eine Abschlag- oder Absplissform, die bei der beidflächigen Bearbeitung von Faustkeilen, Blattspitzen, Keilmessern und blattförmigen Schabern entsteht. Ein Biface-finishing-flake (in der englischen Schreibweise meistens ohne Bindestriche) ist immer ‚weich‘ geschlagen und besitzt keinen Schlagkegel/Schlagkonus und nur einen flachen Bulbus. Zwischen Schlagflächenrest und Ventralfläche ist der Winkel meistens größer als 130°. Dabei findet sich oft eine deutliche breite ‚Lippe‘ an der Umbruchkante. Da die flächige Bearbeitung von der geplanten Schneide aus geschieht, ist der Winkel zwischen Dorsalfläche und dem fast immer facettierten Schlagflächenrest scharfkantig, d.h. zwischen 25 und 50°.
Biface abbevillien: Biface aus Obsidian, Garba IV (Chavaillon & Piperno 1979).
Im Acheuléen und Solutréen wurden größere Biface-finishing-flakes nicht nur als Abfall betrachtet, sondern auch als unretuschierte Werkzeuge benutzt oder dienten als Grundformen für Schaber, Kratzer, Bohrer usw.
Ähnlich wie diese Abschlagform sind auch die sogenannten Flachabsprünge, die aber nicht immer die extremen Winkel der Biface-finishing-flakes aufweisen und gelegentlich auch nicht nur die Abfallprodukte bifacieller Bearbeitung sind, sondern auch bei der ‚weich‘ geschlagenen Retusche an Quina-Schabern oder ähnlichen Bearbeitungsformen entstehen können.
Biface nucléiforme, ein faustkeilförmiger Kernstein oder kernsteinartiger Faustkeil. Es gibt grob behauene Artefakte im Alt- und Mittelpaläolithikum, die annähernd faustkeilförmig sind, es aber nicht zulassen, sie als eindeutige Werkzeuge oder ausschließlich als Kerne zu klassifizieren. Unter diesen Formen mögen sich auch nicht fertig bearbeitete Faustkeile befinden.
Biface partiel, ein Faustkeil, der nicht vollständig durch beidflächiges Behauen geformt wurde, weil seine Ausgangsform/Grundform – Abschlag, Geröll oder Trümmerstück – der gewünschten Endform in den Augen des Herstellers schon entgegenkam. Diese Geräte erscheinen überwiegend im Alt- und Mittelacheuléen (Abb. Biface partiel C), kommen aber bis zum Ende des Mittelpaläolithikums unter den ‚Halbkeilen‘ und Faustkeilblättern vor (Abb. Biface partiel A u. B).
bifacielle (bifazielle) Bearbeitung, eine beidseitig formgestaltende, flächige Retusche oder Flächenretusche bei Steingeräten. Chopping-tools, Faustkeile, Keilmesser, Faustkeilblätter, blattförmige Schaber, Blattspitzen und einige Varianten jungpaläolithischer Geschossspitzen aus Stein tragen eine bifacielle Bearbeitung.
Biface partiel A: Amguid (Südalgerien). Zeichnung Fiedler.
Biface partiel B: Biface partiel aus einem Quarzit-Abschlag, Mittelpaläolithikum; Wahlen (Hessen). Zeichnung Fiedler.
Biface partiel C: Halbkeil (Biface partiel) aus Vulkanit, Atzbach. Zeichnung Fiedler/Kaletsch.
bifacieller Schaber, ein Schaber mit beidseitig-flächigen Retuschen einer Kante oder mit vollkommener beidflächiger Überarbeitung. Die überwiegende Anzahl dieser Geräte kann auch als blattförmige Schaber bezeichnet
werden (Abb. Bifacieller Schaber).
Biharium, eine Faunenstufe (Superzone) des Quartärs, welche das gesamte Altpleistozän sowie das ältere Mittelpleistozän umfasst.
Bilzingsleben, eine bedeutende Fundstelle des mittelpleistozänen Homo erectus s. l. an der „Steinrinne“, einem aus Travertinen aufgebauten Geländevorsprung am Rande des Wippertals (Nordrand des Thüringer Beckens, Kreis Sömmerda). Die Ausgrabungen des Geologen Dietrich Mania führten zur Freilegung eines Lagerplatzes mit drei Behausungsgrundrissen, Feuerstellen, Arbeitsplätzen, einem mit Steinen und Knochen gepflasterten Areal sowie zahlreichen Steinartefakten, Tierknochen, Pflanzenresten und nach Ansicht Manias intentional verteilten, zu wenigen Individuen gehörenden menschlichen Schädelfragmenten, die von E. Vlácek als Homo erectus interpretiert wurden. Der Lagerplatz befand sich an einem von einer Quelle gespeisten Travertin-See. Die Artefakte sind überwiegend aus örtlich vorhandenem Moränenflint gemacht, mit hartem Schlag bearbeitet und durchschnittlich unter 4 cm groß. Es sind gezähnte Schaber, bohrerartige Spitzen, Kratzer, einige Minibifaces und Frühformen von Keilmessern. Aus Travertingeröllen und Quarzitbrocken wurden auch schwere Hackgeräte angefertigt. Zahlreich sind behauene und unbehauene Knochensplitter, die als Werkzeuge benutzt wurden. Als Besonderheit liegen einige Knochen mit intentionalen Ritzungen vor, beispielsweise ein Stück mit fächerförmig angeordnetem Strichbündel. Die Befunde von der „Steinrinne“ gehören in die vierte oder sogar fünfte Warmzeit vor der heutigen mit dem ungefähren Alter von etwa 400.000 Jahren.
Bifacieller Schaber: Blattförmiger Schaber mit Rücken, Mittelpaläolithikum aus Rörshain. Zeichnung Fiedler.
Biogenese, Entwicklung bzw. Entstehung eines Lebewesens.
Die biokulturelle Natur des Menschen, eine anthropologische Prämisse zu Körperlichkeit und Geist des Menschen. Die biologische Ausstattung des Menschen und seine Anatomie genügen nicht, um sein Wesen und seine Entwicklung zu erklären. Aufrechter Gang, großes und komplex arbeitendes Hirn oder Hände mit speziellen Greifmöglichkeiten sind nichts anderes als jeweils besondere Formen innerhalb derjenigen der übrigen Primaten. Erst die Lebensweisen, Traditionen und zukunftsorientierten sozialen und zivilisatorischen Konzepte geben uns ein besonderes Verständnis von unserer Art. Im Menschen ist der naturhafte biologische Körper mit Geist und Kultur vereint; das gesuchte missing link zwischen Primaten und Homo sapiens tragen wir in uns. Unsere biologische Evolution ist wegen dieser Wechselbeziehung nicht alleine ein natürlicher Vorgang, sondern wird von den gewählten kulturellen Modellen mitgesteuert.
Biolyse, Verrottungsprozess oder Zersetzung durch (Kleinst-)Lebewesen.
Biostratigraphie, die Gliederung der zeitlich aufeinander folgenden Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren in der Erdgeschichte.
Biotop, ein natürlicher Lebensraum einer Lebensgemeinschaft. In einem Biotop leben eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen, die voneinander abhängig und aufeinander angewiesen sind. Biotope sind keine konstanten Erscheinungen, sondern verändern und entwickeln sich fortwährend in einem gemischten Prozess aus Eigendynamik und Einflüssen der Umwelt.
Bioturbation, die Durchwühlung oder Vermengung von Bodenmaterial durch Tieraktivitäten.
Biozönose, Lebensgemeinschaft von Tieren und Pflanzen.
bipolare Kerntechnik, eine Technik der Steinbearbeitung, in der Kerne mit zwei gegenüberliegenden Schlagflächen (bipolare Kerne, ↗ Abb. Bergeracois-Technik B, 2) entstehen (siehe auch Levallois-Klingen).
Eine besondere Form stellt jene bipolare Kerntechnik dar, mit der der frühe Mensch sehr zähe Gesteinsarten wie beispielsweise Bergkristall oder Quarz zerlegte und die man als bipolare Ambosstechnik bezeichnen könnte. Hierbei wurde das zu spaltende Objekt auf eine harte Unterlage gestellt und mit kräftigen Schlägen eines Klopfsteins von oben behauen. Die so von beiden Enden des Kerns absplitternden länglichen, scharfkantigen Stücke konnten als Schneidinstrumente gebraucht oder durch Retuschieren weiter bearbeitet werden. Splitter, die in dieser Art gewonnen wurden, sind nicht immer als Artefakte erkennbar, weil sie manchmal keine eindeutigen technologischen Merkmale aufweisen. Erst ihr massenhaftes Vorkommen unter Abris oder auf Living-floors im Freiland zeugen von ihrer Intentionalität (Choukoutien, Omo-Fundgebiet, Amazonas-Flachland). Andere Abschläge, die mit dieser Technik gewonnen wurden, können aber auch gegenüberliegende Schlagzonen, mit einem oder mehreren Schlagpunkten, Bulben und Wallnerlinien besitzen.
Birkenteer/Birkenpech, eine künstlich erzeugte und durch chemische Umwandlung entstandene Masse aus dem weißen Bast der Birke. Birkenpech wurde als Klebemittel und Schäftungsmasse seit dem Mittelpaläolithikum (Fundplatz Königsaue) hergestellt. Es ist der erste bekannte Kunststoff der Menschheit und erfordert außerordentlich genaue Kenntnisse der Herstellung, bei der Luftabschluss und eine Temperatur zwischen 330 und knapp 400° C gewährleistet sein müssen. Die Funde von Königsaue zeigen Abdrücke von bifaciell retuschierten Messern, wie sie am Fundplatz auch ausgegraben wurden. Die Birkenteerherstellung sowie die damit vollzogene Schäftung von Kompositgeräten sind ein Beweis für die geistigen Fähigkeiten der Neandertaler.
Bison, eine in der Archäologie übliche Bezeichnung für das Wildrind des Eiszeitalters, eine Tierart, die auch den amerikanischen Büffel einschließt. Der europäische Bison schoetensacki und der Bison priscus gehörten neben Wildpferd und Mammut zu den wichtigsten Jagdtieren des eiszeitlichen Menschen der nördlichen Hemisphäre. Entsprechend häufig sind Bisons in der frankokantabrischen Höhlenmalerei dargestellt. Die warmzeitliche
Variante des Bisons ist der europäische Wisent (Bison bonasus).
Blattförmiger Schaber, ein beidflächig oder partiell beidflächig bearbeiteter messerähnlicher Schaber mit zumeist gestreckt-ovalem Umriss. Der Querschnitt dieser Geräte ist oft leicht D-förmig (Abb. Blattförmiger Schaber 2). Gewöhnlich ist nur eine der Längskanten sehr sorgfältig retuschiert, während die gegenüberliegende gröber gestaltet ist, aber es gibt auch Stücke mit gegenüberliegenden Schneiden, die dann zu Blattspitzen überleiten (Abb. Blattförmiger Schaber 1). Wenn eine Kante partiell oder ganz als Rücken ausgebildet ist, besteht ein Übergang zu Keilmessern. Stücke mit hohen D-förmigen Querschnitten werden von G. Bosinski als Doppelspitzen Typ Kartstein bezeichnet. Blattförmige Schaber erscheinen zuerst im jüngeren Acheuléen Afrikas und Europas. Später gehören sie zu den Leitformen der Keilmessergruppen. Zwischen blattförmigen Schabern, flachen Keilmessern, Limaces und Blattspitzen gibt es zahlreiche morphologische Übergangsbereiche. Das weist auf die gemeinsame Messerfunktion dieser Geräte hin.
Blattförmiger Schaber: 1 blattförmiger Schaber des Atérien mit D-förmigem Querschnitt, A-99–22, Messak-Gebiet, Südlibyen, 2 blattförmiger Schaber aus Quarzit, Mittelpaläolithikum, Wahlen. Zeichnung Fiedler.
Blattspitze, eine Steingeräteform mit schlankem elliptischem, lanzett- oder rautenförmigem Umriss sowie linsenförmigem oder flach D-förmigem Querschnitt. Proximal kommen neben abgerundeten, zungenförmigen, spitzbogigen und gerade endenden Konturen auch solche mit seitlichen Einkerbungen oder Stielen vor (Abb. Blattspitze, 1–6). Es gibt Blattspitzen mit völliger beidflächiger Überarbeitung, mit partiell beidflächiger Bearbeitung sowie mit flächigen Bearbeitungen der Kanten auf nur einer Fläche (Jerzmanovice-Spitze, pointe à face plane). Alle diese Geräte dienten als Messer oder auch Lanzenspitzen. Vereinzelt treten sie schon im Jungacheuléen auf. Sie kommen in einigen mitteleuropäischen Inventaren des späten Mittelpaläolithikums häufiger vor als in Westeuropa. Dort finden sie aber ihre formale Vollendung im jungpaläolithischen Solutréen (Lorbeer- und Weidenblattspitzen = feuilles de laurier und feuilles de saule, ↗ Parallelretusche u. ↗ Lorbeerblatt). Noch viel später gibt es in einigen Regionen Europas auch im Jungneolithikum und der frühen Bronzezeit wieder blattspitzenartige Dolche, Lanzenspitzen und Sicheleinsätze.
Blattspitze: Blattspitzen des frühesten Jungpaläolithikums aus der Region zwischen Rhein und Werra: 1–3 gestielte Blattspitzen, 4–6 langovale Blattspitzen mit leicht abgesetzter Schäftungspartie, 7 ovale Blattspitze, 8 lanzettförmige Blattspitze. 1–5 Harle und Rhünda, 6 Rauschenberg, 7 Roßdorf, 8 Niederklein. Zeichnung Fiedler/Kaletsch.
Blattspitzengruppen oder Blattspitzenkomplex, der zusammenfassende Begriff für blattspitzenführende Industrien, die nach bisherigen Datierungsansätzen zwischen etwa 50.000 und 35.000 Jahren BP in Europa bestanden. Dazu gehören das Szeletien, Jankovichien, Jerzmanovicien, Bohunicien, Lincombien und die Altmühlgruppe. Darunter befinden sich sowohl Inventare mit noch mittelpaläolithischem Charakter als auch solche mit klaren jungpaläolithischen Zügen, so dass besonders in Mitteleuropa eine fließende Entwicklung zum Aurignacien deutlich wird (Olschewien). Die spätmittelpaläolithischen/frühjungpaläolithischen Blattspitzengruppen hatten eine besondere Verbreitung im Mittelgebirgsraum nördlich der Alpen und entlang der Donau, wo es nach Osten hin kulturelle Verbindungen bis zu asiatischen Kulturen mit Blattspitzen gab. Ebenso ist eine Verbindung zu dem Levallois-Moustérien der Levante sowie dem nordafrikanischen Atérien wegen zahlloser Übereinstimmungen in den lithischen Traditionen anzunehmen. Die Blattspitzengruppen können als eine der kulturellen Wurzeln des Jungpaläolithikums in Europa gelten.
Spätmittelpaläolithische und frühjungpaläolithische Gruppe blattspitzenführender Inventare. Diese Bezeichnung ist sowohl in Hinsicht auf die bisher nicht abschließend geklärte kulturelle und chronologische Bedeutung von Blattspitzen in Inventaren des Zeitabschnittes zwischen > 100.000 bis etwa 35.000 Jahre BP zutreffender als die Bezeichnungen Blattspitzengruppe, Blattspitzengruppen oder Blattspitzenkomplex, aber wegen der Länge nicht gut zu benutzen.
Viele Fundinventare mit Blattspitzen haben einen überwiegenden Anteil mittelpaläolithischer Artefakte, wie beispielsweise Schaber und Levallois-Produkte. Sie werden allgemein in den Traditionen des sogenannten Micoquien oder allgemeiner des Mittelpaläolithikums gesehen. Es gibt dagegen andere Inventare mit Blattspitzen, in denen Klingen und jungpaläolithische Werkzeugformen gegenüber mittelpaläolithischen Artefaktformen dominieren (wie z.B. die der Ilsenhöhle bei der Burg Ranis). Derartige Fundkomplexe werden allgemein als eine Weiterentwicklung aus dem Mittelpaläolithikum verstanden. Die Zusammenhänge zwischen diesen Erscheinungen und zum zeitlich folgenden Aurignacien werden immer noch sehr kontrovers diskutiert. Viele Archäologen verbinden damit den Wechsel von einer Neandertalerpopulation in Europa zu einer des Homo sapiens sapiens. Vermutungen über eine Abhängigkeit der kulturellen Entwicklung und Leistungsfähigkeit von der anatomischen und biologischen Ausstattung des Menschen belasten allerdings das kulturanthropologische Verständnis dieser Epoche ideologisch.
Bocksteinkultur, eine nur noch selten benutzte Bezeichnung (nach der Bocksteinhöhle im Lonetal) für einen Technokomplex des Mittelpaläolithikums mit Keilmessern, synonym für den Begriff Micoquien, Keilmessergruppen genannt wird.
Bocksteinmesser, ein Keilmesser mit durchgehend geradem Rücken und gerader Schneide. Rücken und Schneide treffen sich gewöhnlich in einem spitzen Winkel (Abb. Bocksteinmesser).
Bocksteinmesser: Keilmesser: Rörshain. Zeichnung Fiedler.
Bodenbildung, die chemische und physische Veränderung in und unter der Oberfläche, die durch Verwitterung, Pflanzen und Mikroorganismen ausgelöst wird. Die Bodenbildung erfolgt in mehreren ‚Horizonten‘: Der A-Horizont besteht aus Pflanzen, Wurzeln und humosen Zerfallsprodukten; der B-Horizont enthält im oberen Bereich Humusanreicherungen, darunter das durch die Humussäure chemisch veränderte Ausgangsgestein (zumeist verbraunt) und wieder darunter Verarmungs- oder Auswaschungshorizonte, an deren Basis wiederum mineralische Anreicherungen/Ausfällungen angetroffen werden. Als C-Horizont wird der Bereich verstanden, an dem die Bodenbildung endet und zumeist dem ursprünglichen Ausgangsmaterial der Bodenbildung entspricht.
Bodenmechanik, ein geomorphologischer Prozess. Durch Klima- und Wetterbedingungen verändert sich die Erdoberfläche. Besonders in den Kaltzeiten des Eiszeitalters wurden durch Frieren und Auftauen erhebliche Druck- und Spannungsverhältnisse im Boden geschaffen. Im Boden entstanden so Bewegungen und Veränderungen, z.B. Verknetung von Schichten (Kryoturbation), Frostrisse (Eiskeilnetze), Abgleiten der Oberfläche (Solifluktion), Materialsortierung (Auffrieren) und Blocksprengung (periglaziale Schuttdecken).
Bogen, Gerät zum Verschießen von Projektilen (meist Pfeilen) mittels einer gespannten Sehne. Wann erstmals der Bogen als Jagdgerät oder Waffe genutzt wurde, ist unbekannt. Pfeilspitzenartige Steingeräte können auch zu leichten Speeren (Wurf- oder Schleuderpfeilen) gehört haben, die mit der Speerschleuder verschossen wurden. Vermutlich ist ein Holzgerät (Kiefer) mit D-förmigem Querschnitt und einer Einkerbung am Ende, das an der Peripherie Mannheims gefunden wurde, mit einer Datierung von etwa 18.000 Jahren als bisher ältester Bogen der Welt anzusehen. Reste von Bögen und Pfeilen wurden aus dem Zusammenhang der spätestjungpaläolithischen (frümesolithischen) Ahrensburger Kultur sowie dem norddeutsch-skandinavischen Raum bekannt. Aus der mesolithischen Kunda-Kultur in Nordrussland liegen komplett erhaltene Bündel von Pfeilen als Grabbeigaben vor. In nordafrikanischen Felsbildern der vorneolithischen jägerischen Periode sind bogenbewaffnete Jäger mehrfach abgebildet. Ihr Alter wird unterschiedlich bewertet; möglicherweise liefern sie erste Anhaltspunkte zur Entstehung und Ausbreitung dieser Jagdwaffe (Abb. Bogen).
Bogen: Holzfragment (Pinus sylvestris) mit für einen Bogen typischen Bearbeitungsspuren, Mannheim-Vogelstang, ca. 17.600 Jahre vor heute. Zeichnung Klaukien.
Bogenschaber, ein Steingerät mit gebogener, wiegemesserartiger Schneide, das als Schab- und Schneidegerät teilweise auch in Handhaben aus organischem Material gefasst war. Bogenschaber mit intensiver Bearbeitung und gestaffelten Absplissfolgen (Schuppenretusche) sind die sogenannten Quina-Schaber (↗ Abb. Quina-Facies 4).
Bogenstichel (burin busqué), eine spezielle Stichelform des Aurignacien mit mehreren nebeneinander liegenden und bogenförmig angeordneten Stichelbahnen, die in einer retuschierten Kerbe enden. Obwohl diese Fundstücke auch Gebrauchsspuren tragen, waren sie nicht nur Werkzeuge, sondern dienten bevorzugt der Gewinnung von lamellenförmigen Absplissen.
Bohrer, ein steinzeitliches Gerät mit deutlich abgesetzter, überwiegend steil retuschierter Spitze. Grundformen für Bohrer können Abschläge, Klingen oder Trümmerstücke sein (Abb. Bohrer). Der Dorn, die Bohrerspitze, kann langgestreckt oder nur 1mm kurz sein. Stücke mit mehreren Bohrerspitzen werden Doppelbohrer, Dreifach-Bohrer usw. genannt. Es gibt Bohrer, die nur von einer Fläche aus bearbeitet worden sind, also nur dorsale oder nur ventrale Retuschen tragen. Sie ähneln Zinken und sogenannten Becs. Seit dem Jungpaläolithikum treten Bohrer auf, die wechselseitig retuschiert wurden. Große und massive Bohrer besitzen oft dreikantige Querschnitte und gleichen Triedern. Die meisten Bohrer des Alt- und Mittelpaläolithikums weisen die einfache, einflächige Bearbeitung auf. Funktionell lassen sie sich trotz sporadischen Hin-und-her-Drehens eher in die Kategorie steinerner Pfrieme einordnen, da sie mehr einem Durchstechen und Durchschneiden dienten als dem wirklichen Bohren, das doch mit einer dauerhaften Drehbewegung verbunden ist. Bohrer begegnen uns schon im Oldowan aus Bed I der Olduvai-Schlucht. Sie gehören seither zu Inventaren längerfristig genutzter Lagerplätze. Am mittelpaläolithischen Fundplatz Buhlen ließ sich beobachten, dass Bohrer besonders häufig um die freigelegte Behausungsstruktur herum zu finden waren. Vielleicht hatten sie eine Funktion bei dem Errichten der Hütte (Durchstechen der Ränder von Häuten?). Bohrer waren im Jungpaläolithikum unerlässlich zur Anfertigung von Nähnadeln sowie zur Herstellung von Perlen und Anhängern (↗ Abb. Aurignacien C). Aus dieser Zeit finden sich auch sehr feine Bohrer, sogenannte Mikrobohrer, die aus Stichellamellen hergestellt worden sind (↗ Abb. Mikrobohrer).
Bohunicien, ein Technokomplex des späten Mittelpaläolithikums im südöstlichen Mitteleuropa (ungefähr 43.000 bis 40.000 BP), der ebenso als frühestes Jungpaläolithikum angesehen werden kann. Es ist zeitgleich mit und ähnlich dem Szeletien und anderen Inventaren der Blattspitzengruppen mit Levallois-Klingen, so dass es möglicherweise eine aktivitätsspezifische Variante davon ist, ohne den sonst kennzeichnenden hohen Anteil bifacieller Formen zu beinhalten. Das Bohunicien weist außerdem im Geräteinventar, besonders bei den Levallois-Spitzen, deutliche Beziehungen zu dem Levallois-Moustérien des östlichen Mittelmeerbereiches auf. Die ausgeprägte Klingentechnik ermöglicht es auch, Verbindungen zu anderen spätmittelpaläolithischen Inventaren Europas mit ‚progressiver‘ Grundformenproduktion festzustellen (Fontmaure, Seclin, Rheindahlen B1, Buhlen-4, Ranis, Molodova I und V usw.), die als Werkzeugtypen ebenfalls Stichel, Kratzer und vereinzelt rückenretuschierte Messer sowie Lamellen führen.
Bohrer: 1–3 Bohrer des Atérien: 1–2 mit Schäftungspartie, 3 Bohrer mit abgesetztem Dorn; 4–9 Bohrer aus dem Jungpaläolithikum und Mesolithikum. 1 u. 3 A-97–22, 2 A-97–28, Messak-Gebiet, Südlibyen (Zeichnung Fiedler), 4 Rüsselsheim (mesolithisch) (Zeichnung Fiedler), 5 Barca (Aurignacien, nach Hahn 1977), 6 Petersfels (Magdalénien, nach Peters 1930), 7–8 Külte (spätpaläolithisch) (Zeichnung Fiedler), 9 Rauschenberg (spätpaläolithisch) (Zeichnung Fiedler).
Bola, eine Schleuderwaffe südamerikanischer Ureinwohner, die aus zwei oder drei miteinander verbundenen Gewichten (Bola-Kugeln) besteht. Funde rundlicher, allseits bearbeiteter Kugeln im französischen Mittelpaläolithikum wurden danach als Bola-Bestandteile, d.h. als Jagdwaffe interpretiert. Solche Stücke werden auch Sphäroide genannt (↗ Abb. Sphäroid).
Bölling, eine kurze Warmphase am Ende der letzten Kaltzeit (zwischen den Stadialen Älteste Dryas und Ältere Dryas) von etwa 13.670 bis 13.540 vor heute.
Boot, kleines offenes Wasserfahrzeug. Erhaltene Einbäume sind erst aus dem Mesolithikum bekannt. Trotzdem muss es schon lange vorher taugliche Wasserfahrzeuge gegeben haben, denn die paläolithische Besiedlung einiger Inseln wie besonders Flores und Australien war nicht ohne Überwindung von Wasser möglich. Australien, das im Pleistozän niemals mit dem asiatischen Festland verbunden war, wurde vor mindestens 60.000 Jahren besiedelt. Das setzt für die Zeit des (europäischen) Mittelpaläolithikums seetüchtige „Boote“ voraus. Und die ältesten Artefakte auf Flores sind etwa 800.000 Jahre alt. Es ist die spannende Frage, mit welchen Mitteln der Homo erectus s. l. diese Insel über eine große Strecke des von Alters her bestehenden Sunda-Meeres betreten konnte.
Boreal, ein früher Abschnitt des Holozäns (etwa 10.800 bis 8850 Jahre vor heute). Das Boreal kennzeichnet weit verbreiteter Mischwald und zunehmende Einwanderung wärmeliebender Arten.
BP, Abkürzung für „Before Present“. Das Kürzel wird bei der Nennung von Radiokarbon-Altersdaten verwendet. Das nach dem Zahlenwert mit BP genannte Alter bedeutet, dass es sich um einen unkalibrierten Alterswert vor heute handelt. Das „vor heute“ heißt aber nicht vor dem Jahr, in welchem die Rückbetrachtung erfolgt, sondern immer vor 1950. Die Abkürzung „BP cal.“ hinter dem Alterswert bedeutet, dass es sich um ein kalibriertes Datum „vor heute/1950“ handelt.
Braunbär (Ursus arctos); siehe Bär.
Breccie, ein Gestein, bestehend aus groben, eckigen Gesteinstrümmern, welche in einer feinkörnigen Matrix eingebettet sind (auch Brekzie).
Breitabschlag, ein Abschlag, der in Schlagrichtung gemessen mindestens 10 % breiter als seine Länge ist.
Breitschaber, ein Schaber, dessen Hauptarbeitskante quer zur Abbaurichtung des Abschlags (der Grundform) liegt, aus der er gefertigt ist (Abb. Breitschaber).
Breitschaber: Breitschaber des Mittelpaläolithikums mit reduziertem Bulbus, Rörshain. Zeichnung Fiedler.
Bromme-Lyngby-Kultur: 1–4 diverse Bromme-Spitzen, 5–8 diverse Kratzer, 9–11 diverse Stichel, Bromme auf Sjælland, Dänemark (nach W. Taute 1968, zeichnerisch verändert).
Bromme-Lyngby-Kultur, Brommien, eine spätpaläolithische bis frühmesolithische Kultur in Südskandinavien mit Ausläufern bis nach Norddeutschland hinein. Kennzeichnendes Steinartefakt ist die Lyngby-Spitze, eine kräftige Stielspitze. Außer derartigen Spitzen gehören nur Klingenkratzer und Stichel zu den modifizierten Artefaktformen. Unter der Jagdbeute sind Elch, Ren, Pferd und Biber am wichtigsten. Die Bromme-Kultur liegt zeitlich parallel zur Federmesser-Gruppe und der (beginnenden) Ahrensburger Kultur (Abb. Bromme-Lyngby-Kultur).
Brörup, eine Warmphase der letzten Kaltzeit in der Isotopenstufe 5c, knapp 100.000 Jahre alt.
Brunhes, die paläomagnetische Epoche/Periode von etwa 780.000 Jahren bis zur Gegenwart.
Bulbus: Clacton-Abschlag, Swanscombe, Clactonian. Zeichnung Fiedler.
Bulbus (Schlagbuckel), ein bruchtechnisches Merkmal an Abschlägen, Klingen, Lamellen und Absplissen. Der Bulbus ist eine gewölbte Partie der Ventralfläche nahe dem Schlagflächenrest. Er entsteht durch komplexes Wirken verschiedener Kräfte: dem trichterförmigen Ausbrechen des Schlagimpulses (Schlagkonus), der Zugspannung im Steinmaterial und dem Abbrechen/Abspalten des Abschlags. Bulben (deutsche Pluralbildung) sind ein nützliches, aber nicht untrügliches Merkmal der echten vorgeschichtlichen Artefakte. Sie entstehen aber auch bei natürlichen Druckbelastungen von Steinen oder bei der Steinzerkleinerung in Brechmaschinen. Die Ausprägung von Bulben ist materialabhängig: In Flint, Obsidian, Hornstein oder Lydit entstehen prominente Bulben; Kalkstein, Quarz oder Vulkanite bilden wenig gewölbte Bulben aus (Abb. Bulbus).
Byblos-Spitze: Protoneolithische Geschossspitzen aus der Nordostsahara. Zeichnung Fiedler.
Byblos-Spitze, eine Stielspitze des frühen Neolithikums im Vorderen Orient. Gewöhnlich sind Byblos-Spitzen aus spitz zulaufenden Klingen mit annähernd flach-dreieckigem Querschnitt gemacht (Abb. Byblos-Spitze). Die Spitzenpartie ist oft unretuschiert, der Stiel vorzugsweise dorsal, manchmal auch beidflächig bearbeitet. Diese Spitzen weisen eine formale Verwandtschaft zu frühmesolithischen Spitzen Nordosteuropas, aber auch zu nord- und nordwestafrikanischen Stielspitzen des Neolithikums auf (Tilemsi-Spitzen).