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3 Chaoskampf vor der Weltwerdung

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Das Motiv des urzeitlichen Chaoskampfes ist zwar das am häufigsten diskutierte, aber textlich am wenigsten belegte Konzept. Den eindeutigsten Beleg bietet das sogenannte mesopotamische Weltschöpfungsepos Enuma Elisch (12. Jh. v. Chr.). Hier geht nämlich der ausführlichen Erzählung vom Aufstieg des Gottes Marduk zum Vorsitzenden des Götterpantheons und zukünftigen Schöpfer der (menschlichen) Welt eine mehrstufige Theogonie voraus, die den Konflikt um die Rangfolge der Götter beschreibt. Der Konflikt ist als ein kosmisches Aufwallen der Urmeere (Tiamat und Apsu genannt) beschrieben, gegen die Marduk vorgeht, um die Götterrangfolge sowie die Weltordnung zu stabilisieren. Nachdem er Tiamat besiegt hat, fährt er fort, aus dem Leib dieser Göttin den Himmel und die menschliche Sphäre zu gestalten (Enuma Elisch IV,144; V,61–64; vgl. LAMBERT 1994, 587–589). Die das Salzwasser verkörpernde Urgöttin dient hier also als Materie für die weitere Weltschöpfung.

Nun gibt es nur wenige altorientalische Texte, die die Schöpfung so breit thematisieren, obwohl auch hier das Gottkönigtum Marduks im Zentrum des Interesses steht. In den meisten anderen Chaoskampfbelegen finden sich lediglich Anspielungen auf Ereignisse der Vorzeit – und diese werden jenseits von Weltentstehungsaussagen gemacht. Auch gibt es keinen vergleichbaren epischen Text, der so detailliert wie das Enuma Elisch berichtet, wie aus einem Urgott die Welt in ihrer materiellen Form erschaffen wird. Schöpfung aus konkreter Materie ist ansonsten der Menschenschöpfung vorbehalten. So kam der britische Assyriologe W.G. LAMBERT zu dem Schluss, dass es sich bei dem Enuma Elisch um ein synkretistisches Werk handelt, das sehr disparate mesopotamische Traditionen zusammenfügt, ohne auf eine alte Tradition zurückzugreifen, die den Chaoskampf als Grundlage der Weltschöpfung betrachtet hat (LAMBERT 1994, 100f. u. 565f.). Demnach ist der Chaoskampf im Enuma Elisch keineswegs ein gängiger Topos mesopotamischer Standardkosmogonien, sondern eine erst im 1. Jahrtausend kanonisierte Überlieferung mit einer imposanten Rezeptionsgeschichte (z.B. Berossos’ Babyloniaca, 3. Jh. v. Chr.). Die Gleichsetzung des Schlachtens und Halbierens von Tiamat mit den Werken der Scheidung in Gen 1, der Erzählung von der Schöpfung in sieben Tagen (Heptaemeron) – auch „Erster Schöpfungsbericht“ genannt – lässt außer Acht, dass das in Ägypten und in Mesopotamien viel breiter überlieferte Motiv der Trennung von Himmel und Erde ohne Kampf auskommt. Die häufig belegte Einleitungsformel „als Himmel und Erde noch nicht getrennt waren (…)“ gehört in den Kontext der Götterlisten und Genealogien (z.B. Gilgamesch-Epos XII,9) und nicht in den der Chaoskampfschilderungen (BAUKS 1997, 270–279). Demnach ist auch im Enuma Elisch mit mindestens zwei unterschiedlichen Vorstellungen zu rechnen: den mesopotamisch belegten Theogonien und dem auf amoritische oder nordwestsemitische Einflüsse zurückgehenden Motiv des Chaoskampfes (LAMBERT 1994, 110–113).

Wörterbuch alttestamentlicher Motive

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