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Dämon 1 Quellen
ОглавлениеObwohl der griechische Begriff daimonios kein semitisches Äquivalent besitzt, kennt die altorientalische Umwelt der biblischen Texte Misch- und Zwischenwesen, Monster, Krankheits-, Hilfe- und Schadengeister ebenso wie Schutzgenien, Grenzwächter, Grenzgänger und sonstige „depotenzierte“ Götter. Wie es zwei Arten der Magie gibt – „weiße“ und „schwarze“, menschenfreundliche und Menschen unterdrückende, soziale und anti-soziale –, so begegnet man unter den Dämonen gutartigen Wesen wie Pazuzu (HEESSEL 2002, 81–85), aber auch bösartigen Geistern wie Lamaštu (WIGGERMANN 2000). Sie sind von den üblichen Gottheiten schon dadurch unterschieden, dass sie in unerreichbaren und ungastlichen Gegenden „wohnen“; dies erklärt auch, warum man sie nicht kultisch verehrte. Zwar sind zahlreiche keilschriftlichen Quellen zu Vorstellungen über Dämonen bekannt, aber ihre Veröffentlichungen blieben bisher lückenhaft. Deshalb werden oft fälschlich jüngere Dämonen-Konzepte auf ältere übertragen. Die mesopotamischen und ugaritischen Vorstellungen des 2. und 1. Jahrtausends v. Chr. können zwar nicht automatisch auf die Bibel übertragen werden, doch sollten augenscheinliche Parallelen auch nicht einfach mit dem Argument überspielt werden, dass dies „polytheistische“ Spuren seien, die die Bibel tilgen wollte (BLAIR 2009, 1–13).
Trotz dieser unterschiedlichen Ansätze in der Forschung dürften die hebr. Namen Asasel, Lilit, Deber, Qeteb und Reshef Dämonen bezeichnen. Diese halbgöttlichen Wesen besitzen bösartige Kräfte und handeln mehr oder weniger selbstständig. Bereits in den ersten Übersetzungen der Bibel wird die Entwicklung der Vorstellungen von Dämonen ein Stück weit sichtbar: Die Septuaginta (3. Jh. v. Chr.) gibt den hebr. Ausdruck „Böcke“ (śəʿîrîm) in 2 Chr 11,15 mit eidōlois „Idole“ wieder, womit auch „falsche“ Götter gemeint sein könnten. Die Vulgata (4. Jh. n. Chr.) übersetzt śəʿîrîm bzw. eidōlois mit daemonum. Das Konzept eines Dämons als ausschließlich bösem Geist setzte sich also erst viel später und nur allmählich durch, und die alttestamentlichen Texte spiegeln lediglich die ersten Stadien dieser Entwicklung.