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2.4 Das Ende der Erfahrung

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Die mediale Situation besteht in einer veränderten, nunmehr unilateralen Mensch-Welt-Beziehung: Die Welt ist wahr- und vernehmbar, die Subjekte nicht; das Subjekt nimmt teil an der Welt, ohne selbst Teil der Welt zu sein. Dass die Welt via Sendung „aufgefahren“ und ins Haus geliefert wird, dass „die Welt zum Menschen, statt er zu ihr kommt“, ist für Anders (1956: 110) eine der zentralen Umwälzungen moderner Medien und „der eigentliche Gegenstand“ (1956: 111) seiner Medienphilosophie. Erfahrung im Sinn eines selbstbestimmten, unwägbaren Aposteriori, das mit Widerstand und der Möglichkeit des Scheiterns verbunden ist, wird damit ersetzt und effektiv verlernt (Anders 1956: 129ff.). In der medialen Belieferung sieht Anders keine Erweiterung des unvermeidlich beschränkten subjektiven Erfahrungshorizonts. Er konstatiert zwar die theoretische Möglichkeit einer solchen Optimierung, die im Sinn eines Instruments gegen „Verprovinzialisierung“ durchaus begrüßenswert wäre. Tatsächlich generieren Massenmedien aber eine „falsche Globalisierung“, machen den Menschen zum bloßen „Jetztgenossen“, letztlich „weltlos“ (Anders 1956: 134).

Das Ende authentischer Erfahrung bezieht sich zum einen auf das Erfahrungsobjekt, die Welt, und zum anderen auf das Erfahrungssubjekt, den Menschen. Erfahrung ist für Anders an Widerständigkeit gebunden, sie ist eine Form der nachträglichen subjektiven Aneignung von Welt. Dieser Erfahrungsbegriff, den Anders (1956: 114, 123) in seiner frühen Anthropologie entwickelt hat, ist in einer Welt ohne Widerstände obsolet geworden.

Auf Subjektseite relevant ist schließlich die Prägung von Wahrnehmungsschemata, die fortan zu einem epistemologischen Apriori werden, zu quasi-transzendentalen Kategorien. Anders bezeichnet diese medial generierten Schemata als Matrizen. Sie sind „apriorische Bedingungsformen“ der Erfahrung, also von Anschauung und Denken, ferner von Fühlen und Handeln. Anders konzipiert eine Art ‚transzendental-mediale‘ Erkenntnis-, Emotions- und Handlungstheorie: Die Welt wird durch die Brille vorgefasster Schablonen wahrgenommen, die unseren Erfahrungs- und Handlungshorizont bestimmen. Eine Form medialer Weltkonstruktion hat gewissermaßen die natürliche Weltkonstitution abgelöst. Die Matrizen, die als „Weltstücke“ auftreten und damit ihre wahre Funktion, nämlich „die Schablonisierung der Erfahrung“, unterschlagen, sind schließlich identisch mit der Phantomwelt: „Denn Phantome sind ja nichts anders als Formen, die als Dinge auftreten.“ (Anders 1956: 170)

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