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AUGSBURG

Mehr Brücken als Venedig

In der Fuggerstadt lässt es sich eine halbe Stunde Fahrtzeit von München entfernt zum halben Preis wohnen.

Zwei Zimmer, Küche, Bad, 60 Quadratmeter, Jahresmiete ohne Heiz- und Nebenkosten: 88 Cent. Ein Druckfehler? Nein! Ein Traum? Nicht in Augsburg, sondern Wirklichkeit für 150 Menschen. Sie leben in der ältesten Sozialsiedlung der Welt. Gestiftet hat das 1521 erbaute und über die Jahrhunderte immer wieder modernisierte Quartier Jakob Fugger, seinerzeit einer der reichsten Männer Europas. Seine Stiftung hält bis heute die Miete von umgerechnet einem Rheinischen Gulden stabil. Einziehen darf jedoch nur, wer unverschuldet in Not geraten ist und verspricht, dreimal am Tag für den verstorbenen Stifter zu beten.

Allen anderen Wohnungssuchenden bleibt nichts anderes übrig, als ein Vielfaches an Miete zu zahlen. Doch wer das Preisniveau in deutschen Millionenstädten kennt, wird über Mieten in Bayerns drittgrößter Stadt milde lächeln. Die sind zwar 2012 um sieben Prozent gestiegen. Doch in den teuersten Straßenzügen um die Basilika St. Ulrich kostete die Wohnung laut vdp Research im Schnitt nur 7,75 Euro pro Quadratmeter Monatsmiete.

"Wir vergleichen uns gern mit München, dabei haben auch wir einen erstklassigen Fußballverein, eine erstklassige Eishockey-Mannschaft, wir haben eine historische Innenstadt, große Festivals, und im Sommer laden zahlreiche Badeseen zum Schwimmen ein", preist Andreas Klein, Leiter des Immobiliencenters der Stadtsparkasse Augsburg, seine Heimat. Was er sagen will: Das Selbstbewusstsein der bayerischen Schwaben leidet unnötigerweise unter dem "Mia-san-mia"-Gehabe der Oberbayern in der Landeshauptstadt.

Dabei gilt: Vergleichen lohnt sich. "Ich verstehe nicht, warum im Speckgürtel von München 700 000 Euro für ein Reihenhaus gezahlt werden, wenn man es in Augsburg für fast die Hälfte bekommen kann", rechnet Klein vor. Die Augsburger, die in München arbeiten, rechnen auf jeden Fall und fahren in einer halben Stunde mit dem ICE in die Münchener Innenstadt. Denn 2012 bezahlten sie für Einfamilienhäuser - nicht alle in Reihe und auch gebrauchte darunter - im Schnitt nicht ganz 2 500 Euro pro Quadratmeter. Allerdings sind Neubauten auch eher in der 4 000-Euro-Region zu finden.

Zum Wohnen kommen die Münchener vielleicht nicht nach Augsburg, inzwischen legen einige aber ihr Geld in der Stadt an, die einmal ein Zentrum der deutschen Textilindustrie war. "Wir haben viele Kapitalanleger aus München", sagt Jürgen Kolper, Geschäftsführer von Patrizia Projektentwicklung, über das eigene Projekt "Provinopark" mit 220 Wohnungen zu Preisen zwischen 2 900 und 3 800 Euro pro Quadratmeter. Es entsteht auf dem Brachland, das die Augsburger Kammgarn Spinnerei hinterlassen hat.

Echte Schnäppchenpreise sind das zumindest nach Münchener Maßstäben - doch obwohl die Stadtsparkasse Augsburg jetzt sogar eigene Objekte in Münchener Zeitungen inseriert, wollen die Oberbayern offenbar nicht recht heimisch werden bei ihren schwäbischen Nachbarn. "Die gehen zum Lachen in den Keller", behaupten die Landeshauptstädter. Die Augsburger nehmen's mit Humor - und erzählen selbst die Anekdote, dass der Komiker Rick Kavanian ein neues Programm unter Pseudonym erst in Augsburg testet, weil er weiß: Wenn die Augsburger lachen, lacht später ganz Deutschland.

Alles andere als witzig ging es lange Zeit auf dem Augsburger Immobilienmarkt zu. Als vor 15 Jahren die US-Armee abzog, standen plötzlich viele Wohnungen leer. Heute erweist sich der Abzug als Glücksfall: Die ehemals von den Soldaten und ihren Familien bewohnten Wohnungen sind modernisiert und wieder bewohnt. Auf den Grundstücken der früheren Sheridan- und der Reese-Kasernen entstehen Wohnparks mit Wohnungen, die Andreas Klein Zwei-Personen-Haushalten empfehlen würde. Der jungen Familie mit zwei Kindern rät er, sich im Stadtteil Lechhausen umzusehen.

"Für mich hat die Stadt die richtige Größe", sagt Patrizia-Manager Kolper und verspricht, dass man aus den meisten Wohnvierteln die Innenstadt mit dem Fahrrad in 15 Minuten erreicht. Das geht in München nicht. Und sein Chef, Wolfgang Egger, Vorstandsvorsitzender des Immobilienkonzerns und begeisterter Läufer, kann sich einen letzten Vergleich nicht verkneifen: "Der Sieben-Tische-Wald in Augsburg ist viel schöner als der Englische Garten in München." Also Augsburger: Mehr Selbstbewusstsein! Zumal sich noch nicht einmal herumgesprochen hat, dass die Stadt an Lech, Wertach und Singold mehr Brücken hat als Venedig.

Augsburg in Zahlen

Einwohner: Fast 268 000 Menschen leben laut jüngster Volkszählung heute in der Stadt. In 17 Jahren werden es rund 12 000 mehr sein, schätzt das Amt für Statistik der Stadt.

Geschichte: Gegründet wurde die Stadt schon im Jahr 15 v. Chr. von Römern - und gehört damit zu den ältesten deutschen Städten. Im Mittelalter prägten Patrizier den Ort, der sich im 14. Jahrhundert dem schwäbischen Städtebund anschloss. Später machten Färber und Weber sowie die Fugger Augsburg groß und berühmt. Als Maschinenbau-Zentrum wurde Augsburg im Zweiten Weltkrieg stark zerstört - die Wunden sind in der heutigen Bebauung noch deutlich erkennbar.

Trendviertel 2013

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