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Von der Emotion zur Sprache (und zurück)

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Aus psycholinguistischer Sicht definiert Monika Schwarz-Friesel Emotionen als „interne und damit absolut subjektive Eigenschaften des Menschen […], die nicht direkt, sondern nur über ihre Ausdrucksmanifestationen beobachtbar sind“ (Schwarz-Friesel 2007: 44). Dabei keimen Angst, Freude, Traurigkeit, Wut usw. nicht spontan in der Tiefe unserer Psyche auf, sondern entstehen in der Interaktion mit anderen Menschen. Emotionen sind also nicht nur Elemente unseres privaten Innenlebens, von unserer Umwelt scharf getrennt. Sie sind vielmehr innere Reaktionen auf Impulse von außen, die uns so aufwühlen können, dass sie wiederum Auslöser für nicht sprachliche bzw. sprachliche Handlungen werden, die sich auf unsere Mitmenschen beziehen. Fiehler bezeichnet sie als „öffentliche Phänomene in sozialen Situationen interpersoneller Interaktion“ (1991: 11). Somit spielen Emotionen eine nicht zu unterschätzende Rolle in der sprachlichen Kommunikation, auch wenn das emotionale Erleben nicht explizit zum Thema der Interaktion gemacht wird, sondern sich allein in der Form des Ausdrucks manifestiert (cf. Fiehler 1991: 12).

Wenn wir uns zum Beispiel über private bzw. gesellschaftliche Missstände so sehr aufregen, dass Empörung in uns wächst, eine Emotion, „die sich an der Verletzung des Gerechtigkeitssinns entzündet […]“ (Millner/Oberreither/Straub 2015: 7), müssen wir irgendwann dem angestauten Unmut Luft machen. Die Empörungsenergien vieler können sich zu einem kollektiven Aufruhr verdichten, bei der konstruktive wie auch destruktive Kräfte freigesetzt werden. Demonstrationen bieten eine Gelegenheit, individuelle Entrüstung bzw. kollektiven Aufruhr sprachlich zu verarbeiten. Zum Beispiel in der Form von Ausrufen mit mehr oder minder beleidigendem Charakter: „Lügenpresse!“, „Corona-Diktatur!1“, die sowohl mündlich (evtl. durch Megafon verstärkt) als auch schriftlich (auf Transparenten) vermittelt werden.

Unserer Empörung freien Lauf zu lassen ist der erste Schritt auf dem Weg zur Revolte. Der zweite Schritt besteht darin, konkrete Ansprüche zu stellen, um die Sachlage zu verändern, die für unsere Empörung verantwortlich ist: „Rettet das Klima!“, „Kinder an die Macht!“. Insofern befindet sich der direktive Aufforderungsakt ein Stück weiter auf dem Weg zum Handeln als der expressive Sprechakt Exklamation. So bieten zum Beispiel Hausfassaden für militante Anarchisten willkommene Flächen, um ihren Unmut über die bestehenden Verhältnisse zu äußern und gleichzeitig ihre Forderungen zugunsten einer herrschaftsfreien Gesellschaft bekannt zu geben: „Lebe wild!“, „Wählt das Leben, nicht die Urne!“, „Die Häuser denen die drin (sic) wohnen …“2.

Mit Sprache werden Gefühle und emotionale Einstellungen nicht nur ausgedrückt und benannt, sondern auch „geweckt, intensiviert sowie konstituiert“ (Schwarz-Friesel 2007: 361). Dass der Weg auch von der Sprache zur Emotion gehen kann, zeigt uns Stéphane Hessel mit seinem Pamphlet Indignez-vous! (Empört Euch!) (Hessel 2010a/b), indem er seine Leserschaft dazu aufruft, emotional wach zu werden und sich dann für eine gute Sache zu engagieren:

C’est vrai que les raisons de s’indigner peuvent paraître aujourd’hui moins nettes ou le monde trop complexe. Qui commande, qui décide? […] Mais dans ce monde, il y a des choses insupportables. Pour le voir, il faut bien regarder, bien chercher. Je dis aux jeunes: cherchez un peu, vous allez trouver. La pire des attitudes est l’indifférence, dire "je n’y peux rien, je me débrouille". En vous comportant ainsi, vous perdez l’un des composantes essentielles qui fait l’humain. Une des composantes indispensables: la faculté d’indignation et l’engagement qui en est la conséquence.3 (Hessel 2010a: 14)

Wenn sich Empörung in Engagement verwandelt, werden auch (Auf-)Forderungen laut. Inwiefern die emotionale mit der sprachlichen Ebene zusammenhängt, soll im Folgenden näher untersucht werden.

Empörung, Revolte, Emotion

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