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Forderungen im Diskurs: Ein kompetenzorientierter Unterrichtsvorschlag

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Diesem Lernarrangement für Fortgeschrittene liegt eine Aufgabenprogression zugrunde, bei der die Lernenden sich zunächst mit dem inhaltlich-situativen und sprachlich-kommunikativen Kontext rund um den Corona-Diskurs vertraut machen, bevor sie sprachliche Merkmale emotionaler (Auf-)Forderungen rezipieren, analysieren und schließlich selbst kreativ anwenden.

Die nachfolgend skizzierte Unterrichtssequenz wurde für Deutschlernende an der Universität entworfen und in allgemeinsprachlichen Kursen mit vorrangig inhaltlichem bzw. landeskundlichem Schwerpunkt durchgeführt.1 Germanistikstudierende belegen daneben oft auch explizit sprachbezogene Grammatikkurse. Ihre Situation unterscheidet sich also vom insgesamt eher integrativ ausgerichteten DaF-Unterricht für Lernende an weiterführenden Schulen in Frankreich.

(1) Textlektüre + Bildimpuls zum „Unwort“ des Jahres 2020 („Corona-Diktatur“)

→ Fokus: Lesen + Sprechen (Erarbeitung des Kontextwissens – Sprachkritik)

Ausgehend von einem Brainstorming (Was ist ein „Unwort“? Was könnte das „Unwort des Jahres 2020“ sein?) lesen die Studierenden den Text „Gleich zwei Begriffe zum ‚Unwort des Jahres 2020‘ gekürt“2, recherchieren unbekannte Vokabeln und erschließen den Themenwortschatz (z.B. „systemrelevant“, „Querdenker“ etc.).

Im Anschluss erklären sie mit ihren Worten, was mit dem Wort „Corona-Diktatur“ gemeint ist und reflektieren, ob es ein vergleichbares Konzept für das „Unwort des Jahres“ oder ein Äquivalent für „Corona-Diktatur“ in ihrer Sprache gibt.3 Der textbegleitende Bildimpuls (Protestierende halten ein Transparent mit den Worten „Diktatur im Deckmantel der Gesundheit – wacht auf“ in die Höhe) konfrontiert sie zugleich implizit mit dem Empörungsmotiv und einer emotionalen Aufforderung.

(2) Aufgabe zur Untersuchung von Aufforderungen und Emotionen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie

→ Fokus: Recherche + Schreiben (Zitate-Collage – Forderungen im Diskurs)

Die Lernenden recherchieren Quellen, die auf Sender-Seite (Auf-)Forderungen enthalten – und die auf Empfänger-Seite emotionale Reaktionen bewirken können.4 Sie beschreiben, was die Äußerungen bei ihnen hervorrufen und wie man darauf reagieren könnte. Gerade die Aufforderungen im Infinitiv und die verblose Variante, die auf Transparenten bei Demonstrationen äußerst beliebt sind, eignen sich sehr gut, um das emotionale Potenzial von Aufforderungen zu beleuchten (siehe hierzu auch die ausführliche Beschreibung dieser Varianten im theoretischen Teil 3 dieses Beitrags).

(3) Aufgabe zur Systematisierung von Grammatik und Wortschatz

→ Fokus: Förderung der Sprachbewusstheit + Einübung sprachlicher Mittel

Anhand der recherchierten Beispiele ist nun zu analysieren, wie Aufforderungen sprachlich realisiert werden und mit welchen Emotionen sie verbunden sind. Im Sinne des konstruktivistischen und kooperativen Lernens kann diese individuell vorbereitete Aktivität gut als Partner-/Gruppenarbeit fortgeführt werden. Um die Lernenden mit grundlegenden Überlegungen aus der Kommunikationstheorie vertraut zu machen, bietet es sich an, vorab das „Sender-Empfänger-Modell“ zu thematisieren;5 außerdem sollte die Analyse von Sprechakten im gemeinsamen Unterrichtsgespräch modellhaft eingeübt werden. Zusätzlich können unterstützende Lernangebote (Scaffolding) bereitgestellt werden, z.B. ein Arbeitsblatt zur Pragmatik der Aufforderung mit dem Analyseraster eines konkreten Beispiels, das die sprachliche Realisierung der Sprechhandlung und den paraverbalen Kontext einschließt oder eine tabellarische Übersicht über die Hauptvarianten von Aufforderungen (siehe hierzu auch die Tabelle in Teil 3 dieses Beitrags „Einblick in einige Aufforderungsvarianten“).

(4) Aufgabe zur Integration der einzeln bearbeiteten Kompetenzaspekte

→ Fokus: Sprechen + Schreiben (kreative Textarbeit)

Die Lernenden formulieren selbst (Auf-)Forderungen aus ihrer Sicht als junge Menschen bzw. Studierende, mit denen sie ihre Wünsche und Bedürfnisse in der Corona-Pandemie ausdrücken. Adressierung und sprachliche Realisierungsformen sind frei wählbar; wichtig ist aber, klare Forderungen zu stellen. Als Impuls (interkulturelles Lernmoment, Perspektivenwechsel) ist es interessant, die Situation von Studierenden im deutschsprachigen Raum vergleichend einzubeziehen.6 Ziel der Aufgabe ist es, in Gruppenarbeit einen studentischen Forderungskatalog (z.B. als Plakat)7 zu erarbeiten und zu präsentieren. Dazu diskutieren die Studierenden ihre Forderungen, versprachlichen diese mithilfe der kennengelernten grammatischen Strukturen und üben, diese überzeugend vorzutragen.8 In der Präsentationsphase können einzelne Forderungen hinterfragt bzw. zur Abstimmung gestellt werden. So forderte eine Arbeitsgruppe im konkreten Unterrichtsversuch, die sich selbst „Die empörten und überzeugenden Studenten“ nannte, nachdrücklich in Slogan-Form: „Die UB wieder aufmachen!“, „Präsenzunterricht zurück!“, „Finanzielle Hilfe!“, „Besseres Internet für alle!“ Weitere eifrig diskutierte Forderungen waren z.B.: „Jetzt werden kostenlose Mahlzeiten verteilt!“, „Mehr sozialen Kontakt mit anderen Studenten!“, „Haben Sie mehr Verständnis!“, „Etablieren Sie bitte psychologische Hilfe mit Hotlines und Sensibilisierung!“, „Kommunikation zwischen den Lehrern!“, „Rücksicht auf neue Studis: Erstsemester oder Erasmus-Studierende, die noch kein Netz haben“ etc.

(5) Weiterführende kreative Anschlussaufgaben (Textproduktion)

→ Fokus: Schreiben + individuelle Reflexion, eventuell Leistungskontrolle

Als Abschluss der Unterrichtseinheit und Transfer bieten sich Aufgaben zur kreativen Textproduktion an, diese sind mit unterschiedlichen Akzentuierungen denkbar, z.B. Schreiben Sie einen Brief … an den Universitätspräsidenten, in dem Sie Ihre Studiensituation schildern und Ihre aktuellen Forderungen artikulieren / … an eine/n Freund/in, der/die an einer Hochschule in Deutschland studiert und vergleichen Sie die Studiensituation/studentischen Forderungen in beiden Ländern etc.

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