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Verblose Aufforderungen

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Obwohl sie eine Handlung intendieren, brauchen Aufforderungen nicht unbedingt ein Verb, um als solche gedeutet zu werden. Sie können z.B. auf eine Nominalgruppe reduziert werden (mit oder ohne das Wort „bitte“ als Höflichkeitsmarker und Zeichen der Aufforderungsintention): „Einbau von Luftfiltern!“, „Flexible Prüfungsmodalitäten!“, „Pauschalverlängerung bei Prüfungsfristen!“ lauten z.B. Forderungen der Studierendenschaft der Universität Heidelberg vor dem Hintergrund der Corona-Krise.1 Diese kurz gefassten Aufforderungen reflektieren die große Unzufriedenheit der Studierenden in Anbetracht ihrer prekären Lage und sind ein dringender Appell an die Universitätsleitung – die sich vielleicht einen milderen Ton gewünscht hätte. Reduzierte Aufforderungen dieser Art können, je nachdem ob sie ritualisiert sind oder nicht, „als adäquat und nicht unhöflich angesehen werden (z.B. ‚Salat!‘ bei der Essensausgabe in der Mensa) – während dieselbe Konstruktion in einer weniger schematisierten Situation als unhöflich gelten würde“ (Graf/Schweizer 2003: 435). Der Umgang mit solchen Konstruktionen erfordert also ein gewisses Sprachgefühl und sollte von Nichtmuttersprachlern entsprechend geübt werden.

Bei verblosen Aufforderungen ist auch das Muster „Verbpartikel + Präpositionalgruppe“ besonders gut vertreten: „Ab ins Bett!“, „Raus aus dem Alltag!“, „Her mit dem Geld!“. Das Muster „Nominalgruppe + Verbpartikel“ scheint auch ziemlich produktiv zu sein: „Geld her!, Ausländer raus!“, „Bauch weg!“ (Bertrand 2019: 42). Diese knappen Wendungen sind für erfahrene Sprachbenutzerinnen und -benutzer leicht verständlich, da die Verbpartikeln einen wichtigen Hinweis auf die intendierte Handlung geben, sie lassen sich leicht einprägen und sind in vielen Kontexten aufzufinden, unter anderem in der Werbesprache: „Alltag raus, Österreich rein!“2. Die Dynamik und die Knappheit der Formulierung lassen keinen Platz für Zweifel, der zur Schau gestellte Enthusiasmus soll geradezu ansteckend wirken. Ob diese etwas reißerische Art, das Publikum anzuwerben, immer von Erfolg gekrönt ist, sei allerdings dahingestellt.

Im Rahmen des DaF-Unterrichts können diese reduzierten Formen allerdings Schwierigkeiten bereiten, insbesondere bei der Produktion, da sie eine sichere Kenntnis von trennbaren Verben und Verbpartikeln voraussetzen. Im frankophonen Kontext stellt sich außerdem die Frage der französischen Äquivalente für solche Sätze. Da das Französische im Unterschied zum Deutschen keine trennbaren Verbpartikeln besitzt, und erst recht keine, die auch ohne Verb auftreten könnten, gibt es für diese Wendungen keine direkte Entsprechung. Bei der Übersetzung ins Französische muss also eine Lösung von Fall zu Fall gefunden werden: „Hände weg!“/„Bas les pattes!“; „Her mit dem Geld!“/„Par ici la monnaie“, „Ab ins Bett“/„Au lit!“ (cf. Bertrand 2019: 51). Bei der Übersetzung ins Deutsche treten andere Schwierigkeiten auf: Mit dem Ausruf „La porte!“ kann nämlich sowohl „Tür auf!“ als auch „Tür zu!“ gemeint sein. Hier muss der Kontext herangezogen werden, um die Bedeutung zu klären. Fest steht, dass mit dem Gebrauch dieser Wendung eine gewisse Gereiztheit mitschwingt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die verblosen Aufforderungsvarianten in ihrer Knappheit besonders gut geeignet sind, um starke Emotionen auszudrücken, die aus dem Sprechenden herauszubrechen scheinen. Ob dieser Emotionsausbruch spontan oder intentional geschieht, ist nicht immer leicht zu erkennen. Dabei können sich sowohl positive Emotionen wie Enthusiasmus, Begeisterung, Tatendrang als auch negative Emotionen wie Gereiztheit, Ärger, Wut manifestieren und die Intensität des direktiven Sprechakts verstärken.

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