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Hexen

Häxan

S 1922 s/w 83 min

R: Benjamin Christensen

B: Benjamin Christensen

K: Johan Ankerstjerne

D: Maren Pedersen (Hexe), Clara Pontoppidan (Nonne), Elith Pio (Junger Mönch), Tora Teje (Hysterikerin), Benjamin Christensen (Satan/Modearzt)

Sieben Schritte zu Satan

Seven Footprints to Satan

USA 1929 s/w 60 min

R: Benjamin Christensen

B: Richard Bee, William Irish, nach einer Vorlage von Abraham Merritt

K: Sol Polito

D: Creighton Hale (James Kirkham), Thelma Todd (Eva), De Witt Jennings (Onkel Joe), Sheldon Lewis (Die Spinne), William V. Mong (Professor)

Zu den bemerkenswertesten und zugleich wenig bekannten Horrorfilmen aus der Stummfilmära zählen die eigenwilligen Arbeiten des dänischen Regisseurs und Schauspielers Benjamin Christensen. Wenn bei ihm der Teufel auftaucht, geht es um Erziehung und Aufklärung. Die Unterweisung nimmt er zum Anlass, es möglichst satanisch auf der Leinwand zugehen zu lassen, ganz gleich, ob es sich dabei um die Belehrung des Publikums wie in Häxan handelt oder um die Erziehung eines pflichtvergessenen Millionärssohnes wie in Seven Footprints to Satan. So unterschiedlich die zwei wichtigsten Filme Christensens auch in ihrer Ästhetik sind – auf der einen Seite der episodische Filmessay über den mittelalterlichen Hexenwahn, auf der anderen Seite die meisterhafte Horrorkomödie –, so sind sie doch zwei Seiten einer Medaille. Denn beide erweisen sich als visuelle Exzesse einer de Sade’schen Phantasie, wie sie im zeitgenössischen Stummfilm nur noch Erich von Stroheim und Cecil B. de Mille erreichten. Erst kurz vor Ende schwenken sie in nüchternen Rationalismus um.

Drei Jahre arbeitete Christensen an Häxan und verband, lange bevor es den Begriff der Dokufiction gab, Dokumentarisches mit Spielszenen. Mit hohem technischen Aufwand und einer an Goya, Bosch und Breughel angelehnten komplexen Bildkomposition entführt dieser Meilenstein des expressionistischen Films den Zuschauer in flackrig-düstere Hexenküchen und auf den Blocksberg zur Walpurgisnacht. Traumversunken laufen nackte Somnambule in die Klauen des dämonischen Verführers, werden Leichenteile verspeist, küssen Hexen den Hintern des Teufels. Die spektakulären Bilder sind Jahrmarkt im besten Sinne. Christensen verwendet Puppen, Masken und jede Menge Tricktechnik. Ohne seine Pionierarbeit wären weder die Bildgestaltung noch die visuellen Effekte von Friedrich Wilhelm Murnaus Faust (1925) möglich gewesen. Aber Häxan illustriert nicht bloß die Wahnvorstellungen (angeblich) des Mittelalters, sondern präsentiert auch mit aufklärerischer Absicht deren Entstehung in den finsteren Folterkammern der Inquisition mit ihrer spezifischen Dialektik von Tortur und Geständnis. Mit erzieherischem Gestus durchleuchtet er die grausame und (selbst)zerstörerische Mentalität der Mönche und zeigt Frauen, die sich aus Angst vor dem Scheiterhaufen jeden Abend bis zum Umfallen betrinken. Der Film dekuvriert die vermeintlichen Bekenntnisse von Hexen als durch Folter erpresste Lügen oder als Artikulation dessen, was seit dem 19. Jahrhundert Hysterie genannt wird. Das verdeutlicht die Sequenz über ein Nonnenkloster, dessen asketische, selbstquälerische Zucht in orgiastischen Wahn mündet. Dieser Wahn wird anschließend in einer modernen Episode mit hysterischen Halluzinationen verglichen. An anderer Stelle erläutert Häxan die Dynamik des – im Mittelalter dämonisierten – zwanghaften Verhaltens anhand der Geschichte einer Kleptomanin. Christensen zeichnet die Welt als riesigen Neurosenkosmos voller Irrsinn, (Selbst-)Bestrafung, unerfüllter Triebe, aussichtsloser Ersatzbefriedigungen. Der Mensch ist darin der Gefangene eines Wahnsystems, in dem er sich schon lange verloren hat.

Enthielt Häxan trotz seines ernsten Anliegens komödiantische Elemente, so ist der in den USA gedrehte Seven Footprints to Satan eine Horrorkomödie. Christensen, der später für Hollywood mehrere Spukhauskomödien drehte, lieferte damit sein Meisterwerk ab. Lange galt der von First National Pictures produzierte Film als verschollen und war nur durch aufsehenerregende Fotos bekannt. Zum Glück ist er inzwischen wieder aufgetaucht und hat das Versprechen der Standfotos eingelöst: Er gleicht einer Geisterbahn, in der sämtliche Motive und Figuren des Horrorfilms temporeich zum Einsatz kommen, auch wenn Christensen im prüden Hollywood bei der Umsetzung seiner opulenten Phantasien vorsichtiger sein musste als in Schweden, wo er Häxan drehte. Der gelangweilte Millionärssohn James, der mit Kerzenschießen den Tag totschlägt, wird während einer Feier samt Freundin Eva entführt. Sie finden sich wieder in einem riesigen, alten Haus voller Geheimgänge, unterirdischer Verliese, verwinkelter Korridore, auf deren Wände bizarre Schatten fallen und Entsetzliches andeuten. Bewohnt wird es von Zwergen, die aus Geheimtüren hervortreten und wieder verschwinden, einem riesigen Mann auf Krücken, genannt »die Spinne«, sowie einem wilden Gorilla, wolfsartig behaarten Dienern und einer Femme fatale im hautengen schwarzen Kleid. Von überall dringen Hilfeschreie, Erschießungen finden statt, Nackte werden in dunklen Zimmern ausgepeitscht, Hände lebendig Begrabener greifen verzweifelt aus ihren Marmorsärgen, in einem großen Saal zelebrieren Maskierte eine Orgie. Zuletzt gelangt James in eine riesige Halle in modernem Design: den Tempelraum. In ihm befindet sich eine mit Leuchtziffern versehene Treppe, die die titelgebenden sieben Fußabdrücke aufweist. In letzter Sekunde entpuppt sich das ganze Horrorszenario als vom besorgten Onkel Joe inszeniert, der zusammen mit Eva den jungen Müßiggänger mit dieser Schocktherapie zu einem verantwortungsvollen Leben erziehen will.

Diese ernüchternde Auflösung mag den Film zwar – wie ein zeitgenössischer Kritiker anmerkte – vor der Zensur bewahrt haben, ist aber derart unbefriedigend, dass man sich wünscht, die letzten zehn Minuten des Films wären verschollen geblieben. Insgesamt wirkt Seven Footprints to Satan so, als habe Christensen seine Konzeption von Häxan nachträglich parodieren wollen: Das episodische Szenario aus dämonischen gefolterten Frauen, Freaks und Monstern, in dessen Mittelpunkt Satan persönlich steht, erweist sich als Kunstgriff eines engagierten Aufklärers. Der besorgte Onkel, der diese Hölle zwecks Therapierung seines Neffen inszeniert, ist letztlich ein verspieltes Selbstporträt des pädagogischen Regisseurs Christensen, der es sich in Häxan nicht nehmen ließ, Oberlehrer und Teufel zugleich selbst zu spielen. Bei ihm bedarf die Rationalität des Irrationalen, um ihr Ziel zu erreichen.

Harald Harzheim

Literatur: Fernand Jung / Claudius Weil / Georg Seeßlen: Der Horrorfilm. München 1977. – Hans Schifferle: Die 100 besten Horrorfilme. München 1994.

Filmgenres: Horrorfilm

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