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JOY DIVISIONUnknown Pleasures [Factory, 1979] Alexander Nym

Obwohl der Output der Postpunk-Pioniere aus Manchester aufgrund von Ian Curtis’ Suizid mit zwei Alben (Unknown Pleasures, 1979, und Closer, 1980) und einer Handvoll Singles überschaubar ist, kann das Ausmaß ihres post mortem erfolgten Einflusses auf die musikalische Alternativkultur der wilden 1980er and beyond kaum überschätzt werden. Die Fusion manisch-wütender, aber disziplinierter Punk-Aggression mit psychotischen Ein- und Ansichten persönlicher und menschlicher Abgründe machten Joy Division zur Inspiration für unzählige Künstler_innen von (Post-)Punk über Gothic Rock, Industrial und elektronische Musik, quer über Genregrenzen hinweg.

Als Warsaw 1976 im Anschluss an das zweite Konzert der Sex Pistols in Manchester gegründet wurde, sah der lokale TV-Moderator Tony Wilson in der ab 1978 als Joy Division firmierenden Band den Schlüssel für seine Vision, Manchester auf die musikalische Weltkarte zu hieven, und signte sie für sein in Gründung befindliches Label Factory Records. Die unwiderstehliche Kombination aus Curtis’ introvertierter Lyrik und der drängenden Dynamik der Rhythmussektion (Stephen Morris), den repetitiv-psychedelischen Gitarrenriffs von Bernard »Barney« Sumner, Peter Hooks Einsatz der Bassgitarre als Melodieinstrument und die kongeniale Produktion von Martin Hannett, welcher der Band ein dystopisch-entrücktes Klangkostüm überstreifte, machten aus Joy Division Shooting Stars einer neuen, intellektuellen und gefühlsbetonten Form des Rock. Introspektive Texte verliehen der nachdenklichen Musik eine Tiefe, die der Grobheit des schnell verpufften Aggro- und Politpunk eine Bereitschaft zu Empfindsamkeit, Verletzlichkeit und Nachdenklichkeit entgegenhielt (ohne jedoch provokative Reiz- und Tabuthemen auszusparen, wodurch sich die Band anfangs absurden Nazi-Vorwürfen ausgesetzt sah). Curtis’ Selbstmord im zarten Alter von 23 untermauerte die Ernsthaftigkeit dieser Ansprüche auf drastische Weise und machte ihn in den Augen vieler zu einer dunkelromantischen Ikone. Die Flucht in den Suizid kurz vor Antritt der ersten USA-Tour der Band war die Folge einer den sensiblen Sänger zerreißenden Melange gegensätzlicher Anforderungen: junger Vater contra Rockstar, öffentliche Person versus introvertierter Poet mit manischen Depressionen und epileptischen Anfällen (mitunter während Konzerten), deretwegen Curtis Psychopharmaka nahm. Ein Cocktail, der in die Katastrophe führte.

Die bereits fertiggestellte, aber erst posthum veröffentlichte Single »Love Will Tear Us Apart« avancierte zum Hit (Platz 13 in den UK-Single-Charts), zur makabren Hymne einer desillusionierten Generation, und sollte fortan in zahlreichen Coverversionen durch die Popwelt spuken, um Curtis nachträglich zur Unsterblichkeit zu verhelfen. Die verbliebenen Bandmitglieder (plus Keyboarderin Gillian Gilbert) wurden als New Order zuverlässige New-Wave-Hitlieferanten für Factory: Die Proto-Techno-Hymne »Blue Monday« gilt bis heute als die meistverkaufte 12"-Single aller Zeiten.

Einen besonderen Stellenwert nimmt das Debütalbum Unknown Pleasures ein, nicht nur aufgrund seines ikonischen Covers (gestaltet von Factory-Designer Peter Saville), sondern weil Produzent Martin Hannett, gerade frisch im Besitz eines neu entwickelten digitalen Hallgeräts, Stephen Morris dazu nötigte, jedes Schlagzeugelement einzeln einzuspielen, damit jedem ein eigener Hallraum zugeordnet werden konnte. Morris war entnervt, aber die Produktion des Albums setzte soundtechnisch neue Standards.

Joy Division hatten in den zweieinhalb Jahren ihres Bestehens knapp über hundert Konzerte gespielt; nach dem Ende der Gruppe begannen Konzert-Bootlegs zu kursieren und posthum erschienene Compilations machten Demos, Peel-Sessions und die frühen Warsaw-Stücke verfügbar. Die Aufnahme in den Pop-Pantheon erfolgte spätestens mit den filmischen Denkmälern 24 Hour Party People (Michael Winterbottom, 2002) und Control (Anton Corbijn, 2007), die die Gruppe einer neuen Generation vorstellten, die zwar mit Indie- und Alternative-Rock aufgewachsen war, für die Joy Division aber trotzdem eine obskure Fußnote aus der sagenumwobenen Vorgeschichte von New Order waren (die jedoch dem neuen Jahrtausend seit dem 2001 erschienen Album Get Ready nichts Relevantes mehr mitzuteilen hatten). Infolge der Repopularisierung von Joy Division als Postpunk-Ahnherren im Bildgedächtnis der Digital Natives haben die Veteranen, Peter Hook und Barney Sumner, nach Jahrzehnten wieder Joy-Division-Songs im Programm, und Ian Curtis’ lebensgroßes Abbild nimmt nun den Platz in alternativen Wohngemeinschaften ein, der einst Frank Zappa und seiner Kloschüssel vorbehalten war.

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