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1. Staatliches Haushaltswesen

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Das Alte, Heilige Römische Reich war durch eine Vielzahl von Herrschaftsträgern und von Strukturen personaler Bindung, nicht aber von einer einheitlichen Territorialgewalt im modernen Sinne gekennzeichnet. Dies spiegelte sich in der Struktur der Haushaltswirtschaft wider[8]. So war ein staatlicher Gesamthaushalt noch gänzlich unbekannt. Der Kaiser, beständig auf Reisen, kam für seinen eigenen Unterhalt und für seine administrativen Aufgaben weitgehend durch die Erträge aus seinem eigenen Besitz auf, namentlich durch die Naturalerträge der Domänen, durch Naturalabgaben der Belehnten und durch Einnahmen aus den Regalien. Die Erträge waren dabei oftmals unmittelbar bestimmten Aufgaben zugeordnet, insbesondere der Verwaltung der jeweiligen Ertragsquelle[9]. Soweit Reichsabgaben durchgesetzt werden konnten[10], dies vor allem in Gestalt der Matrikularbeiträge der Territorien, unterlagen diese ihrerseits engen Zweckbindungen. Die so genannten Römermonate dienten der Finanzierung der Reichsverteidigung[11], der Kammerzieler der Finanzierung des im Jahr 1495 errichteten Reichskammergerichts[12]. Ein Gesamthaushalt kam in dieser Struktur jeweils zweckgewidmeter Geld- und Sachmittelflüsse, in dieser Fondswirtschaft, nicht in Betracht. Ähnliches gilt für die Territorien: Auch die Landesherren deckten ihren Bedarf vornehmlich aus den – in der Verwendung oftmals auf die Ertragsquellen rückbezogenen – Erträgen ihrer Domänen und Regalien[13]. Soweit die Landstände (Adel, Städte, Klerus) außerordentliche Steuern bewilligten, waren diese ihrerseits streng an Ausgabenzwecke geknüpft[14]. Ein einheitlicher, allgemein auf die Deckung der Staatsausgaben gerichteter Staatshaushalt existierte auch auf dieser Ebene nicht.

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Das Bild wandelte sich erst mit dem aufkommenden Absolutismus, der zum einen zu einer zunehmenden Schwächung der Stände, zum anderen zu einer erheblichen Ausweitung des herrschaftlichen Mittelbedarfs führte[15]. Der hergebrachte Steuerbewilligungsvorbehalt der Stände verlor im Zuge dessen an Wirkungskraft, die Steuererhebung wurde von der Legitimation durch konkrete Ausgabenzwecke losgelöst, verstetigt und auch deutlich verbreitert[16]. Die nunmehr weitgehend zweckungebundenen Steuererträge gingen in Gesamthaushalte ein, die durch vereinheitlichte Finanzverwaltungen im Geiste des Rationalismus, entsprechend den Forderungen der sich zu gleicher Zeit etablierenden Kameralwissenschaft, bewirtschaftet wurden[17]. So wurde in der Mark Brandenburg im Jahr 1689 erstmals ein derartiger, noch auf die Kammerfinanzen konzentrierter und grob gegliederter Haushaltsplan aufgestellt, der eine planvolle Bewirtschaftung der vorhandenen Mittel gestattete[18]. Im Jahr 1722 richtete der preußische König Friedrich Wilhelm I. sodann das General-Ober-Finanz-Kriegs- und Domänen-Direktorium ein, das die Etataufstellungen und Etatbewirtschaftungen der einzelnen Verwaltungszweige bündelte[19]. Andere absolutistisch regierte Monarchien (Baden, Bayern, Österreich, Württemberg) folgten dieser Ausgestaltung ab der Mitte des 18. Jahrhunderts nach[20]. Ergänzt wurden die Neuerungen durch die Einrichtung eigenständiger Rechnungsprüfungsbehörden, die die Einhaltung der Haushaltspläne zu überwachen hatten. Exponiert standen hierbei zum einen der Sächsische Ober-Rechen-Rat von 1707[21], zum anderen die Preußische General-Rechenkammer von 1714[22], die Vorbild für die weitere Entwicklung werden sollte[23], zumal sie in der Folge auch als Rechnungsprüfungsbehörde im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich fungierte[24].

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Die Zeit des Konstitutionalismus war sodann ganz wesentlich vom Bestreben des Bürgertums geprägt, Einfluss auf den staatlichen Gesamthaushalt und damit auf die Staatspolitik zu gewinnen. Die Ständevertretungen und Parlamente beanspruchten deshalb nicht nur den – an das Vorbild der ständischen Finanzkompetenzen im Alten Reich anknüpfenden – Bewilligungsvorbehalt bei steuerlichen Eingriffen in „Freiheit und Eigentum“, sondern erkämpften sich darüber hinaus auch zunehmend einen Bewilligungsvorbehalt bezüglich des Haushalts[25]. In besonderer Weise manifestierte sich dieser Kampf im kurhessischen (1850–52)[26] und im preußischen (1862–66)[27] Budgetkonflikt, zu denen es deshalb kam, weil das Parlament hier jeweils einen Ausgabenbewilligungsvorbehalt beanspruchte, eine Bewilligung aber nicht erteilte[28]. Wenngleich die Regierungen insoweit die Oberhand behielten – in Preußen legitimierte Laband das Ergebnis nachträglich mithilfe der berühmt gewordenen „Lückentheorie“[29] –, hatten doch letztlich auch diese Konflikte Anteil daran, dass zum Ende des 19. Jahrhunderts eine periodisch zu erteilende parlamentarische Bewilligung des Gesamthaushalts der Regierung die Regel geworden war[30]; sei es eine Bewilligung durch Gesetz (preußisches, auf die Verfassung Sachsen-Coburg-Saalfelds von 1821 zurückgehendes Modell), sei es eine nicht gesetzesförmliche Bewilligung (Modell des süddeutschen Konstitutionalismus)[31].

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Während die Ausgabenbewilligung periodisch zu erteilen war, blieb die Steuererhebung – aufgrund entsprechender Verfassungsbestimmungen oder auch parlamentarischer Gesetze – verstetigt[32]. Infolge des Wegfalls der Steuerertragsbindung an konkrete Zwecke konnten die direkten Steuern dabei nicht mehr nach dem Äquivalenzprinzip bemessen werden. Als neuer Maßstab der Besteuerung etablierte sich, nach und nach, das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit[33].

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Die Parlamentarisierung der Rechnungsprüfung beschränkte sich im Konstitutionalismus weitgehend auf die Kontrolle der formalen Einhaltung des Budgets (Verfassungskontrolle), während die inhaltliche Überwachung des Haushaltsvollzugs durch Prüfungsbehörden (Verwaltungskontrolle durch Rechnungshöfe, Oberrechnungskammern etc.) vorwiegend exekutivinternen Zwecken diente[34]. So waren auch die Haushaltsaufstellung und der Haushaltsvollzug im Einzelnen überwiegend nur durch Verwaltungsvorschriften geregelt.

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Entsprechendes galt auf Reichsebene, zunächst im Norddeutschen Bund, später im Deutschen Reich von 1871. Auch hier hatte der Reichstag das Recht zur Ausgabenbewilligung. Haushaltsaufstellung und Haushaltsvollzug entzogen sich demgegenüber, ebenso wie die inhaltliche Haushaltskontrolle, der parlamentarischen Regelung und Kontrolle.

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Die institutionellen Machtverschiebungen unter der Weimarer Reichsverfassung, die sich durch die Hinwendung zum Republikprinzip und zum parlamentarischen Regierungssystem ergaben, hatten für die insoweit herausgebildete Finanzverfassung keine wesentliche Bedeutung mehr[35]. Denn der parlamentarische Bewilligungsvorbehalt, in der Sache die für das parlamentarische Regierungssystem prägende Entscheidungsprärogative des Parlaments, hatte sich sowohl in Bezug auf die – verstetigten – Steuern als auch in Bezug auf den – periodisch aufzustellenden – Staatshaushalt schon im 19. Jahrhundert weitgehend entwickelt. Eine zunehmende Verrechtlichung erfuhr freilich die Haushaltsbewirtschaftung, dies vor allem durch den Erlass der Reichshaushaltsordnung von 1922[36], die durch die Reichskassenordnung von 1927, die Wirtschaftsbestimmungen für die Reichsbehörden von 1929 und die Rechnungslegungsordnung für das Reich, ebenfalls von 1929, ergänzt wurde. Auch das Kassen- und Rechnungswesen und die Rechnungsprüfung wurden dadurch parlamentsgesetzlich angeleitet.

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Das Grundgesetz knüpfte an die Finanzverfassung der Weimarer Reichsverfassung und auch an die Preußische Finanzverfassung an[37], dies auf Grundlage zum Teil expliziter Bezugnahmen in den Beratungen zur Ausarbeitung des Herrenchiemseer Entwurfs und in den Verhandlungen des Parlamentarischen Rats[38]. Die Reichshaushaltsordnung, die in ihrer Geltung im Jahr 1936 auf die Länder erstreckt worden war, hatte im Wesentlichen bis zum Inkrafttreten der Bundeshaushaltsordnung und der neuen Haushaltsordnungen der Länder in den Jahren 1969 bis 1972 Bestand.

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