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IV. Die Reformphase unter europarechtlichem Einfluss bis heute

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In den Folgejahren kam es zu einer Stärkung des ökologischen Bewusstseins in der Bevölkerung, was sich auch in der zunehmenden Intensivierung nationaler und europäischer Umweltpolitik ausdrückte. Ein wichtiges Anwendungsfeld des Umweltschutzes lag und liegt dabei noch immer im Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, insbesondere im Rahmen der noch zu behandelnden Raumordnungsverfahren[53]. Die Folge dieser Entwicklung waren europaweite Diskussionen und Novellierungen im Raumordnungs- und Raumplanungsrecht (vgl. dazu unten Rn. 74).

Für die Abwägung von Umweltbelangen war zunächst die EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeit bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten[54] von Bedeutung. In diesem Zusammenhang war lange umstritten, ob und inwieweit das bundesdeutsche Raumordnungsrecht den Vorgaben dieser Richtlinie genügte[55]. Seit 1990 sind diese Fragen durch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)[56] geklärt. So konnten gemäß § 16 UVPG die Schutzgüter des § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG in einem Raumordnungsverfahren im Rahmen der behördlichen Prüfung der Raumverträglichkeit bestimmter Maßnahmen und Planungen als frühzeitiges Mittel überörtlich-raumbezogener Prägung ermittelt, beschrieben und auch bewertet werden. Durch diese gesetzlichen Einführungen und Änderungen ist die EG-Richtlinie zur Umweltverträglichkeit in nationales Recht umgesetzt worden. Eine umweltfreundliche Veränderung erfuhr das UVPG schließlich im Rahmen der Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie[57].

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Während dieser Zeit wurde das Raumordnungsgesetz gleich dreifach erneuert – im Januar 1998 im Dezember 2008[58] und im Mai 2017[59]. Durch die erste Reform 1998 wurde das zuvor nur auf Länderebene eingeführte Raumordnungsverfahren im Bundesrecht verankert[60] und derart verändert, dass mit einem bundeseinheitlichen Verfahren geprüft werden konnte, ob ein bestimmtes Vorhaben den Erfordernissen der Raumordnung[61] entspricht. Daneben wurden die Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung neu formuliert und harmonisiert, sowie die Vorschriften über Ziele, Aufgaben und Grundsätze der Raumordnung aktualisiert. Es ist außerdem eine einheitliche Leitvorstellung geschaffen worden, die in ihrer räumlichen Dimension in acht Teilaspekten verdeutlicht wird[62]. Neu eingefügt wurde als Leitvorstellung in § 1 II Nr. 8 ROG a.F.[63] z.B. die Schaffung der räumlichen Voraussetzung für den Zusammenhalt in der Europäischen Gemeinschaft und im größeren europäischen Raum. Hier wird bereits erkennbar, wie sehr die europäische Diskussion über die Raumnutzung die Raumordnungspolitik der Mitgliedstaaten beeinflusste.

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Die praktischen Erfahrungen mit dem ROG-1998 wurden schließlich bei der zweiten Novellierung im Jahre 2008 herangezogen. Teils war auch diese Novellierung durch Vorgaben gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien bedingt.[64] Obwohl die Europäische Gemeinschaft (nunmehr die Europäische Union) keine ausdrückliche und umfassende Kompetenz für Raum- und Stadtentwicklungsregelungen im Allgemeinen besaß, wird hier deutlich, wie sehr sie durch ihre einzelnen Fachkompetenzen erheblichen Einfluss auf die Raum- und Städteentwicklung ausgeübt hat[65] – so z.B. bei der Umweltpolitik im Rahmen des Art. 192 Abs. 2 AEUV oder bei dem Ausbau transeuropäischer Netze gem. Art. 170 f. AEUV[66]. Die Erkenntnis, dass mit zunehmenden Kompetenzbereichen eine gewisse Koordinierung der verschiedenen EG-Fachpolitiken im Hinblick auf die Raumentwicklung der Mitgliedstaaten notwendig geworden war, brachte schließlich erneut Schwung in die Diskussion um die europäische Raumentwicklung (vgl. dazu unten Rn. 74).

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Eine weitere Novelle erfolgte im Jahr 2017, mit der eine behutsame Erweiterung der Zuständigkeiten des Bundes für eine bundesweite Raumordnungsplanung erfolgte. Darin wurde u.a. verankert, dass diese auch den Hochwasserschutz umfasst.

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In der Zeit zwischen der ersten und der zweiten sowie der dritten Novellierung stiegen die Anforderungen an eine wirksame Raumordnungspolitik, die Wachstum und gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen sichern und fördern soll, durch die voranschreitende globale, ökonomische Verflechtung und den demografischen Wandel, weiter an[67]. Gleichzeitig entwickelte sich das Planungsverständnis dergestalt, dass die zuständigen Akteure der Raumordnung verstärkt auf Flexibilität und Kooperation setzten. Daher wurden insbesondere Regelungen, welche die Zusammenarbeit der verschiedenen Raumordnungsakteure betreffen, verändert, so z.B. die Grundsätze der Raumordnung in § 2, die Regelung über die raumordnerische Zusammenarbeit der Träger raumbedeutsamer Planung in § 14 und § 24 ROG[68]. Diese Entwicklung des Planungsverständnisses wurde auch durch die gestiegene Komplexität der Materie auf Grund der veränderten verfassungsrechtlichen Grundlagen und der europäischen Raumentwicklungsdiskussion, auf die noch näher einzugehen sein wird, befördert: Durch die Föderalismusreform 2006 ist die Rahmengesetzgebungskompetenz weggefallen und die Abweichungskompetenz der Länder u.a. für die Raumordnung eingeführt worden, wobei die rahmengesetzlichen Regelungen des ROG 1998 zunächst gem. Art. 125b Abs. 1 GG fortgalten. Unter Beachtung der Karenzzeit nach Art. 72 Abs. 3 S. 2 GG n.F. trat das neue ROG somit teilweise erst sechs Monate später in Kraft[69]. Inwieweit das Raumordnungsgesetz in der Fassung der dritten Novelle, das trotz einiger Neuerungen zu einem beachtlichen Teil die bewährten Regelungen des ROG 1998 übernommen hat, den gestiegenen Ansprüchen und Herausforderungen der Raumordnung im 21. Jahrhundert langfristig gesehen gerecht wird, bleibt abzuwarten. Kritisiert wurde zunächst, dass die „historische Chance zu einer grundlegenden Ertüchtigung der Bundesraumordnung“ vertan worden sei, da die erstmalige umfassende Anwendung der Vollkompetenz des Bundes aus der Natur der Sache nur sehr zurückhaltend genutzt wurde[70]. Diese Kritik übersieht aber, dass in der Praxis Bund und Länder fachlich eng zusammenarbeiten; Raumordnungspolitik besteht schließlich nicht nur aus den Instrumenten der Raumordnung alleine, sondern umfasst alle Mittel der Fachplanungen oder der Förderprogramme, mit denen die raumordnerischen Zielvorstellungen in der Praxis durchgesetzt werden können[71]. Dass der gewählte Weg des Bundesgesetzesgebers auf einem Konsens aller Akteure beruht, erkennt man schließlich auch an der Novellierungswelle der Landesplanungsgesetze nach 2009: Trotz bestehender Abweichungsbefugnis nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GG wichen die Landesgesetzgeber nur marginal von dem ROG ab[72].

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