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3. Nachbarrechtsschutz bei beschränktem Prüfprogramm

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Zu einer besonderen Konstellation im baurechtlichen Nachbarschutz kann es durch die im Zuge der Deregulierung eingeschränkten Prüfprogramme im Baugenehmigungsverfahren kommen, insbesondere bei der vereinfachten Baugenehmigung. Denkbar ist nunmehr ein Verstoß gegen eine nachbarschützende Vorschrift, die außerhalb des Prüfungsprogramms der Bauaufsichtsbehörde liegt (etwa Regelungen zu Abstandsflächen[887]). Da die Feststellungswirkung der (vereinfachten) Baugenehmigung nur auf die zu prüfenden Vorschriften beschränkt ist, würden hier Anfechtungswiderspruch bzw. -klage ins Leere zielen[888]. Vielmehr muss der Nachbar im diesem Fall einen Anspruch auf behördliches Einschreiten geltend machen[889]. Es kann damit zu einer Aufspaltung oder Zweigleisigkeit des öffentlichen Nachbarrechtsschutzes kommen, sofern die Anlage sowohl gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt, die innerhalb des Prüfprogramms liegen, als auch gegen solche, die nicht mehr vom Prüfungsprogramm umfasst sind[890]. Anfechtungsklage gegen die (vereinfachte) Baugenehmigung und Verpflichtungsklage auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde müssen dann kombiniert werden (§ 44 VwGO).

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Schließlich bietet auch die Möglichkeit der Bauaufsichtsbehörde, die Baugenehmigung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses zu versagen, dem Nachbarn keinen Ausweg aus dem Problem der Aufspaltung des Rechtsschutzes. So kann die Baugenehmigung nicht etwa mit dem Argument angefochten werden, die Bauaufsichtsbehörde hätte im Wege des Sachbescheidungsinteresses die an sich außerhalb des Prüfungsprogramms liegenden nachbarschützenden Normen doch einbeziehen und die Baugenehmigung bei erkannten Verstößen versagen müssen. Denn die Möglichkeit der Ablehnung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses erweitert einzig die Handlungsmöglichkeiten der Bauaufsichtsbehörde und ist nicht drittschützend[891]; eine entsprechende Ablehnung des Bauantrags stellt für den Nachbarn lediglich einen günstigen „Rechtsreflex“ dar[892]. Selbst wenn man diejenigen Regelungen, die die Ablehnung der Baugenehmigung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses ausdrücklich vorsehen[893], als Ermessensnorm verstehen wollte, so diente das Ermessen jedenfalls nicht nachbarlichen Interessen[894]. Allerdings führt die Möglichkeit der Bauaufsichtsbehörde, Bauanträge wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses abzulehnen, in der Tat dazu, dass es letztlich in ihrer Hand liegt, ob sich der Nachbar oder der Bauherr im späteren Rechtsschutzverfahren in der Angreiferrolle wiederfindet[895].

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Bei der Entscheidung über den Antrag auf behördliches Einschreiten stellt sich analog zur Verfahrens- bzw. Genehmigungsfreistellung schließlich auch beim vereinfachten Genehmigungsverfahren die Frage, ob bei einem Anspruch auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde das behördliche Ermessen aus kompensatorischen Gründen reduziert ist[896]. Dies wird mit den oben dargelegten Argumenten zu bejahen sein[897]. Insgesamt zeigt sich, dass die im Zuge der Deregulierung eingeschränkten Prüfprogramme den Rechtsschutz des Nachbarn nicht unwesentlich verkompliziert und damit letztlich weniger bürgerfreundlich gemacht haben[898].

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