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II. Von der Aufklärung bis zu den Weltkriegen

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In der Epoche der Aufklärung[5] erfolgte die Abkehr von der Verbandsstrafe. Als Auslöser gilt die damals viel beachtete Schrift „Observationes quaedam ad delicta Universitatum spectantes“ (1792/93) des Erlanger Professors Julius Friedrich von Malblanc (1752–1828), in der er sich gegen die Bestrafung von Körperschaften wandte. Malblanc wiederholte allerdings im Wesentlichen nur bereits bekannte Einwände: Weder sei eine Schuldzurechnung an „posteriori“ (Individuen, die erst nach Deliktsbegehung Mitglieder geworden sind) möglich, noch sei eine Körperschaft strafempfänglich, da sie mit den Mitteln des Strafrechts nicht bestraft werden könne. Die eigentlichen Gründe für die Abkehr werden daher zum einen darin gesehen, dass die Körperschaften während der Zeit des Absolutismus infolge der Festigung der landesherrlichen Gewalt erheblich an Bedeutung verloren hatten, so dass Prozesse immer seltener geworden waren. Zum anderen stand in der Epoche der Aufklärung die Freiheit des Individuums im Mittelpunkt, mit der die Bestrafung als Mitglied eines Kollektivs nicht vereinbar ist. Schließlich wird angeführt, dass der theologische Schuldbegriff, der die alleinige Geltung des Schuldprinzips und den Grundsatz der Personalität der Strafe beinhaltet (kein Mensch darf ohne eigene Sünde eine ewige Strafe erleiden), in säkularisierter Form über die Naturrechtslehren in den deutschen Idealismus und von dort in die Strafrechtswissenschaft gelangte.[6]

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Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts, im Jahr 1801,[7] stellte Paul Johann Anselm v. Feuerbach (1775–1833) fest: „Jedes Subjekt, welches als Subjekt eines Verbrechens betrachtet werden soll, muss notwendig ein Individuum sein. Eine moralische (mystische) Person und insbesondere eine Universitas […] ist keines Verbrechens fähig“. Friedrich Carl v. Savigny (1779–1861) begründete dies im Jahr 1840[8] auf Grundlage seiner (romanistischen) Fiktions- und Vertretertheorie folgendermaßen: „Das Criminalrecht hat zu thun mit dem natürlichen Menschen, als einem denkenden, wollenden, fühlenden Wesen. Die juristische Person aber ist kein solches, sondern nur ein Vermögen habendes Wesen, liegt also ganz außer dem Bereich des Criminalrechts. Ihr reales Daseyn beruht auf dem vertretenden Willen bestimmter einzelner Menschen, der ihr, in Folge einer Fiction, als ihr eigener Wille angerechnet wird. Eine solche Vertretung aber, ohne eigenes Wollen, kann überall nur im Civilrecht, nie im Criminalrecht, beachtet werden“. Dementsprechend schlossen das Bayerische (1813), Hannoversche (1840) und Hessische StGB (1841) die Strafbarkeit von Verbänden ausdrücklich aus. Im Preußischen StGB (1851) und später im RStGB (1871) galt die Bestrafung bereits als undenkbar, so dass auf eine Erwähnung verzichtet wurde. Die Rechtsprechung bestätigte diese Sichtweise. So stellte das RG im Jahr 1887[9] fest, dass der juristischen Person „als einem nur fingierten Rechtssubjekte die natürliche Handlungsfähigkeit und damit zugleich die strafrechtliche Verantwortlichkeit für dasjenige, was ihre Organe in ihrer Vertretung handeln, abgeht.“

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Andererseits gab es Ende des 19. Jahrhunderts sehr einflussreiche Stimmen, die mit Blick auf die Industrialisierung, in der die Bedeutung von Unternehmen stark zugenommen hatte, und das angelsächsische Recht ein Verbandsstrafrecht befürworteten. Franz v. Liszt (1851–1919) führte 1881[10] an, „daß die Bestrafung ‚juristischer Personen‘ nicht nur rechtlich möglich, sondern auch innerhalb gewisser Grenzen nach dem von der englischamerikanischen Praxis gegebenen Beispiele de lege ferenda empfehlenswert wäre“; „die Voraussetzungen für die Handlungsfähigkeit der Kollektivpersönlichkeit auf dem Gebiete des Strafrechtes [seien] prinzipiell keine anderen als auf jenem des Civilrechtes oder […] öffentlichen Rechtes“; „andererseits ist die Kollektivpersönlichkeit auch Trägerin von Rechtsgütern (Vermögensrechte, Existenz), die strafweise geschmälert oder vernichtet werden können.“ Otto v. Gierke (1841–1921) stellte 1887[11] seine (germanistische) „Theorie der realen Verbandspersönlichkeit“ vor, wonach Verbände in der sozialen Wirklichkeit vorgefunden werden, „real“ sind und „selbst“ durch ihre Organe handeln (sog. Realitäts- und Organtheorie); danach waren Willens-, Handlungs- und Straffähigkeit von Verbänden zu bejahen. Zu einem Meinungsumschwung führte dies jedoch, trotz lebhafter Diskussion,[12] nicht.

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Umso überraschender ist es, dass kurz nach dem 1. Weltkrieg mit § 357 RAO 1919 (später § 393 RAO) eine Bestimmung zur Strafbarkeit von Verbänden in das Nebenstrafrecht gelangte: „Wenn in Betrieben von juristischen Personen und Personenvereinigungen Steuerzuwiderhandlungen begangen werden, kann da, wo das Gesetz die Strafe für verwirkt erklärt, ohne daß ein Verschulden einer natürlichen Person festgestellt werden braucht, die Geldstrafe gegen die juristische Person oder Personenvereinigung selber erkannt und diese in die Kosten des Strafverfahren verurteilt werden.“ Offenbar wurde im Steuerrecht ein Bedürfnis für die Bestrafung gesehen; ob darin eine Durchbrechung der herrschenden Doktrin zu erblicken war, geht aus der Begründung nicht hervor.[13] Letztlich dürfte die Vorschrift – wie auch die Subsidiärhaftung der Betriebe (§§ 416 Abs. 1, 3; § 417 RAO) und die Subsidiärstrafe (§ 416 Abs. 2 RAO) – allein fiskalischen Interessen geschuldet gewesen sein. Die Vorschrift erlangte zudem nie praktische Bedeutung. Zum einen entschied das RG bereits 1926, dass die Bestrafung des Organs eine Sanktionierung des Verbands ausschloss.[14] Zum anderen wurde an Schuldvermutungstatbestände angeknüpft, die 1939 wegfielen.[15] Aufgehoben wurden die §§ 393, 416, 417 [R]AO jedoch erst 1967.[16]

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In der Weimarer Republik sprach sich Richard Busch in seiner 1931/32 entstandenen Habilitationsschrift zu den „Grundfragen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Verbände“ für die Verbandsstrafe aus.[17] Seine beim Erscheinen 1933[18] geäußerte Vermutung, dass dieses „alte Problem“ „im höchsten Maße aktuell“ geworden sei, da im „totalen Staate […] unter den Zweckerwägungen, die die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Verbände als angebracht erscheinen lassen, die Interessen der Volksgemeinschaft und der Staatsführung stärker betont werden als im Parteienstaat individualistischer Prägung“, bewahrheitete sich nicht. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde daran festgehalten, dass nur Menschen strafbar sein können.[19]

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