Читать книгу DIE LÖSUNG steht an der Decke - Gudrun Heinrichmeyer - Страница 17
Träumen: Mühelos und federleicht
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In der Trance kann jeder der möchte, ein weises Huhn mit roter Sonnenbrille auf seiner Reise rund um die Welt begleiten. Es hüpft und federt an alle Stellen, zu denen es gelangen möchte und erlebt dabei interessante Abenteuer. Im Traum erfährst du, dass Veränderung leicht und spielerisch sein kann. Dabei kannst du alte Überzeugungen über Bord werfen und neue etablieren…
Dr. Engström war auf einmal entspannt und gelassen. Er hatte es sich trotz seiner beginnenden Kopfschmerzen, die sich durch ein Enge-Gefühl im Vorderkopf ankündigten, in einem der Langohrensessel bequem gemacht und scharrte tatsächlich ganz leicht träumend mit seinen Hufen.
Da er als überzeugter Homöopathie-Patient absolut gegen die Einnahme von Barbituraten war, hatte er vorsorglich seine rotseidene Schlafmaske angelegt, die Stirn und Augen bedeckte… und im Traum erschien vor ihm ein weises Huhn mit roter Sonnenbrille.
„Hallo, Engström, darf ich Ihnen behilflich sein?“, fragte das Huhn. Dr. Engström lächelte im Schlaf und bejahte. Das Huhn fuhr fort: „Kommen Sie mit mir an einen besonderen Ort! Es geht wirklich federleicht. Sie können sich an meiner Gummi-Bungee-Jumping-Spiral-Feder-Bindung festbinden oder einklinken – wie Sie wollen… dann springen und hüpfen wir gemeinsam im Tandem… von der Tiefe in die Höhe - je nachdem was ich gerade sehe... Meine Hoch-und-Tief-Spirale nimmt Sie mit in andere Sphären... Berggipfel, Stadt und Land… Sie erfahren neue Dinge, ohne großes Erklären…“
Engström klinkte sich ein und das war ganz fein…
So hüpften nun die beiden mit Hilfe der Spiral-Feder-Bungee-Bindung federleicht durch eine Wiesenlandschaft und hatten eindrucksvolle neue Erlebnisse durch die abwechselnden Hoch-Tief-Gefühle. Gerade übersprangen sie das Tal der Tränen und vielleicht bemerkten sie, dass der See schon nahezu ausgetrocknet und soeben damit beschäftigt war, sich in ein ganz neues Biotop zu verwandeln…
Eben noch überquerten sie einen Hindernis-Parcours für Hütehunde und bekamen dabei richtig gute Laune...
„Ich spüre Freude und Übermut, das ist ja herrlich“, rief Engström dem verrückten Huhn zu, „geht Ihnen das auch so?“
„Gaaaaaga, bravo“, rief das Huhn, „ich glaube, Sie spüren, dass Ihnen die tolle Bindung Sicherheit bietet und dadurch werden Sie immer experimentierfreudiger!“… und in diesem Moment federten sie genau vor einer Absperrung über eine Bullenwiese und amüsierten sich köstlich über die verwundert nach oben schauenden Tiere…
Wenn du magst, kannst du dich nun bei meiner Bindung mit einklinken… federleicht hüpfst du… Du folgst… erlebst… und bist mitten im Geschehen…
Du überquerst Flüsse und Berge… du siehst Wüsten und Gletscher und manchmal erstaunlich klare Einzelheiten ganz dicht vor deinen Augen… unter dir tiefe Schluchten und Höhlen … dann wieder fruchtbare Landschaften… Wälder… Steppen… kurzum… das riesige und reiche Erdpanorama…
Du hüpfst zu den schönsten Halteplätzen auf unserem Planeten… bist an den malerischsten Meeresbuchten… in alten verschollenen Städten von Inkas und Azteken… Jumpst durch die Länder Lateinamerikas… und du genießt die herrlichen Aussichten auf… bekannte und unbekannte Welten… und so Vieles mehr…
Du jubelst und auch dich packt der Übermut… denn nun kannst du so gut jumpen… sogar in frühere Zeiten hüpfen… und das alles erlebst du… jetzt… in diesem Moment…
Während du dies tust… und du das alles ja hautnah miterlebst… kommen immer mehr… neue Gefühle zu Themen… wie fern und nah… und weit und eng… und schwer und leicht… gleich, sofort und später… Vergangenheit und Zukunft… denn Entfernungen und Zeit erlebst du jetzt auf einmal ganz neu…
Vom anderen Ende der Welt kommst du angesprungen und näherst dich allmählich.
Gerade befindest du dich noch über dem Berchtesgadener Land… und du siehst den Berggipfel des hohen Watzmanns vor dir … mit seinen Bergbewohnern, den Pflanzen und Tieren…
Du beobachtest Gämsen, Steinböcke, Murmeltiere, seltene Schmetterlinge auf einer Bergwiese mit strahlend blauen Enzianblüten…
Nur ein Katzensprung davon entfernt… in der Ebene eingebettet… liegt der Königssee… er schimmert dir von oben in leuchtendem Königsblau entgegen…
Mit deiner Bungee-Bindung gelingt es dir, die geschätzten 3000 Höhenmeter zu überwinden… und du schaffst diesen Übergang, diesen Höhenunterschied…
… weil alles so mühelos und leicht ist…
denn jetzt hast du verstanden… du selbst brauchst ja nur an einen Ort zu denken, der dir gefällt…und sofort bist du dort…
Liegt ein Hindernis auf deinem Weg… kannst du es gleich dank deiner guten Bindung einfach überspringen… und wenn dir andere Dinge wichtig sind, dann handelst du danach… du kennst deine Wahlmöglichkeiten und hast dein jeweiliges Ziel im Auge…
Womöglich genügt es schon… hilft es dir… wenn du eine eigene tiefe Kluft mit Abstand betrachtest, dann überquerst du sie leichter… und bist sofort an der Stelle angelangt… an der du dir die sanfte Landung vorgestellt hattest…
Deine Fortschritte bemerkt übrigens auch das Huhn…
Mit den Bügeln seiner rot gefassten Sonnenbrille deutet es nach unten… und sagt: „Hier wollen wir landen, du wirst schon sehen… dafür gibt es gute Gründe“…
Du befindest dich nun an einem See… und früher, als das Wünschen noch geholfen hatte, hatte dieser See magische Kräfte… so manchem Erdenkind bescherte er etwas Ungeahntes… Wunderbares… Überraschendes aus dessen versteckten Träumen…
„Du bist wohl überrascht… wie viele Blau und Türkis-Töne… so eine Welle hat… gell, da staunst du“, rief das Huhn… und weiter: „Komm, lasse uns sofort hineingumpen, wie der Schweizer sagt… und dann so richtig jumpen“, rief es… “Die Bindungen können wir jetzt ablegen, denn hier sind wir sicher!“…
Irgendwie spürst du, dass der See auf dich wartet… deshalb lässt du dich auch gar nicht lange von ihm bitten… ohne Zögern gehst du in ihn hinein…
In diesem Augenblick, wechselt er erneut die Farbe… Du schaust auf die Wellen und wunderst dich nur… Einmal ist er ganz grün… dann schwappt er um in türkis… bis er schließlich tiefblau wird… so blau, wie ein Tintenfleck…
Als sich dieser in ein großes schauendes Auge verwandelt… staunst du noch mehr. Aber als dann das Auge mit dir zu sprechen beginnt… dann bist du erst einmal sprachlos…
„Möchtest du meine Kräfte kennenlernen?... Dann gehe, schwimme oder bewege dich soweit, bis du an deinen Füßen ein Sprudeln spürst… Es kann sein, dass dann an der Wasseroberfläche Luftblasen erscheinen… Komm nur herein… bewege dich völlig unbeschwert… gerade so, wie du es möchtest“… und wie gesagt, so getan…
Du gehst oder schwimmst weiter in den See hinein… und bleibst dann an einer Stelle stehen, wo du festen Boden unter den Füßen hast… Unten um deine Zehen herum spürst du jetzt ein Fließen… deine Füße werden regelrecht massiert und… in diesem Moment erkennst du die Ursache…
An der Stelle befindet sich eine unterirdische Quelle… Sie sprudelt höher und höher… und jetzt umspielt sie schon deine Füße… deine Beine und Oberschenkel… bis zu deinem Bauch…
„Mein Wasser ist trinkbar“… ruft dir die Quelle zu… „probiere es, es wird dir gut tun… es versorgt dich mit Mineralien und Salzen, die aus den tiefsten Erdschichten kommen… und ich stelle dir dieses als heilenden Trunk zur Verfügung… nimm nur einen kleinen Schluck, dann fühlst du dich gestärkt… und kannst dich im Seenreich weiterbewegen!“…
Die Quelle sprudelt weiter und höher und… umspielt nun deinen ganzen Körper soweit es dir angenehm ist… sodass es dir leicht fällt…einen Schluck davon zu nehmen…
Jetzt beginnen die Pappeln und Weiden am Ufer… mit ihren Blättern dir Beifall zu rauschen… und die Enten und Schwäne winken dir zu…
Sie deuten mit ihren Flügeln… und weisen dir einen Platz, den du bisher noch nicht wahrgenommen hattest… zwischen den Felsen… den Wasserfall aus weißem Licht…
Dort stellst du dich unter… der Wasserfall ergießt sich über deinen Kopf… dein Gesicht… dein ganzer Körper ist von seinem Licht durchdrungen…
Es nimmt die letzten Spannungen… das letzte Unbehagen, das sich noch in deinem Körper befand… Ängste und Sorgen…
Wie mit Zauberhand läuft und fließt alles weg… bis jeder Teil deines Körpers von diesem Licht erfüllt ist…
Die kleinen feinen, dunstigen Lichtteile… die dich wie ein schützender großer Ballon umhüllen… schimmern jetzt wie Regenbogenlicht…
Du spürst wie angenehm das für dich ist… wie eingehüllt in einer Schutzhülle, einer Art Energieschutzballon…
Jetzt packt dich der Schalk… denn jede Zelle deines Körpers ist gut gelaunt… wenn du magst, plantschst du ausgelassen, tobst in den Wellen… drehst dich, wirbelst herum… tauchst unter und wieder auf… schwimmst zurück ans Ufer… schaust von hier aus noch einen Moment auf den See… und dankst ihm… dass du so etwas wunderbar Erfrischendes… Wohltuendes in ihm erleben konntest…
… An dieser Stelle verweile ganz ohne Eile…
(1/2 Minute Zeit lassen)
Nun wird es Zeit zu gehen… Du bist froh und dankbar über die vielen neuen Erfahrungen… jetzt holst du noch einmal tief Luft… stellst dir noch einmal vor… dass du einen Riesensatz machst, einen riesigen Hüpfer… .und schon bist du wieder hier… im Raum angelangt… öffnest die Augen… reckst und streckst dich… und du fühlst, du bist erfrischt und schaust dich jetzt munter um.
Sie saßen immer noch in den Räumen der Bibliothek und nach den vielen Eindrücken benötigten sie etwas Zeit, um sich wieder in der realen Welt zu orientieren….. ein Austausch, so fanden sie, war unbedingt erforderlich und so gingen sie nach einer kurzen Pause auf die Terrasse.
„Wenn ich etwas anmerken dürfte“, äußerte der Delfinmensch und holte das H2O-Spray aus seiner Aktentasche hervor, um durch einige kleine Sprühstöße Richtung Gesicht, Nacken und Brust seine empfindliche Oberkörper-Haut feucht zu halten, „bei der Jump-Übung mit dem Huhn habe ich endlich einmal wieder etwas mehr Triebkraft gespürt, sogar hier in dieser trockenen Luft! Auch mein Aktionsradius erweiterte sich und ich habe ganz andere Bewegungen gemacht. An verschiedenen Stellen meiner Reise durchfuhr es mich allerdings. Einen Moment war ich sprachlos, denn in einer Episode sah ich meinen Vater. Im Wasser hatte Oma die Hosen an. Plötzlich war ich in der Vergangenheit und sah, dass sie mir eine geschützte Lebenssituation geschaffen hatte, allerdings ging es nicht ohne Angst und Zucken ab, wenn ich mich von ihr entfernte. Meine Jugend, so scheint mir, war durchzogen von der Furcht vor in der Tiefe lauernden Ungeheuern und anderen Gefahrenquellen. Manchmal hatte ich ein komisches Gefühl in der Brust – teilweise sogar Herzrasen.“
Albert Muster holte tief Luft und polterte: „Ehrlich gesagt ist mir das alles zu verrückt – Hühner mit Sonnenbrillen, mit denen ich hüpfen soll, das führt doch zu nichts! Ich bin dafür, dass wir uns mit konkreteren Inhalten beschäftigen! Wo bleibt denn Ihr Verstand? Ich habe nichts gesehen. Bei mir bleibt nur der Geschmack von bitterem Kaffee – vielleicht ausgelöst durch den Gedanken an Lateinamerika.“
Dr. Engström wandte sich entrüstet an Albert Muster: „Eigentlich hatte ich Sie für toleranter und Fantasie-bereiter gehalten. Ihre Rede empfinde ich strohtrocken ohne jede Würze. Außer dem Kaffeegeschmack, der sich nun auch bei mir breit macht, haben Sie wirklich nichts zu bieten! Gerne schildere ich Ihnen meine Erlebnisse. Bei mir war es folgendermaßen: Zuerst fand ich das Huhn interessant, wie es über die Berge sprang. Es war auf einmal sehr groß. Zwischendurch erinnerte ich mich ans Tanzen, ich weiß auch nicht, weshalb. Dann kam etwas mit Spiral-Feder und ich dachte darüber nach, ob es wirklich Spiral-Feder heißt. Anschließend ging es über die Berge und ich fragte mich, wo denn genau das Berchdesgadener Land sei. Dann reagierte ich deutlich auf das Wort Bindung. Mir war zunächst die Bedeutung unklar. Es schwirrten einige Gedanken in meinem Kopf herum, bis ich mich für die Bedeutung Schi-Bindung entschied, Schi-Bindung mit Feder darunter. Dabei blieb ich wieder an dem Begriff Bindung hängen. Das ist wirklich ein komisches Wort an dieser Stelle! Ich frage mich, ob denn jedem bekannt ist, was eine Bindung ist. Eine Weile war ich recht verwirrt, doch dann ging es irgendwann zu dem See. Dort fühlte ich mich recht wohl. Mir fielen Szenen und Zitate aus Alice im Wunderland ein, ich weiß nicht mehr welche. Danach dachte ich wieder ans Tanzen. An manchen Stellen war die Geschichte ganz schön abgefahren – entschuldigen Sie den Ausdruck! Ich weiß aber nicht, ob das schadet. Was ich feststelle: Jetzt sind die nervösen Zustände an meinen Hufen plötzlich wie weggeblasen und auch das Enge-Gefühl in meinem Vorderkopf ist ganz und gar verschwunden. Nach diesen Erfahrungen frage ich mich, ob so etwas eventuell auch zu Heilungszwecken genutzt werden könnte?“, berichtete Dr. Engström.
Der Delfinmensch hörte der Schilderung konzentriert zu und zuckte zwischendurch ganz heftig mit dem linken Auge.
Andrea warf ihrem Mann einen unfreundlichen Blick zu und wandte sich zu Dr. Engström: „Die Anwendung von Fantasiereisen ersetzt natürlich keine ärztlichen Behandlungen, verehrter Dr. Engström. Aber sie können unterstützend sein, wie eine Art Hilfspersonal, denn schließlich hatten in Ihrem Fall Ihre eigenen positiven Gedanken eine enorme Kraft. Deshalb mein Rat: Zerbrechen Sie sich doch gar nicht ihren Kopf wegen Ihres Leidens! Machen Sie einfach weiter Ihre Übungen, stellen Sie sich ruhig und gelassen, gesund und glücklich vor und gehen Sie mal wieder tanzen dann werden Sie schon sehen.“
Wenn Andrea zurückblickte, musste sie allerdings auch ehrlicherweise zugeben, dass sie an so manchen Themen, die sie selbst betrafen, schon gescheitert war. Sie neigte dazu, ihre eigenen Bedürfnisse zu bagatellisieren oder gar zu ignorieren. Anderen konnte sie sehr wohl Ratschläge erteilen, für sich selbst eine befriedigende Lösung zu finden stand auf einem anderen Blatt. Aber das wollte sie nicht gerne preisgeben und so behielt sie es für sich.
Der Delfinmensch fragte: „Was meinten Sie damit, liebe Andrea? Die Wirkweise der Selbstsuggestion? Könnte mir das vielleicht auch helfen, dass ich meine Angst beim Tauchen verliere?“
Andrea entgegnete: „Sie könnten es ja ausprobieren, indem Sie einen für Sie treffenden Mutmach-Satz als Affirmation benutzen. Sprechen Sie diesen mindestens 2-mal täglich in Ihrem Lieblingsplantschbecken, der Badewanne oder einem anderen entspannenden Ort Ihrer Wahl in Gedanken. Sie können ihn natürlich auch im Wachbewusstsein wiederholen, wie eine Art Glücksformel: Ich bin mutig und tauche tief! Aber tun Sie das nicht unbedingt in Anwesenheit Anderer, es könnte für Zuhörer befremdlich wirken…“
„Mut tut gut“, stellte der Delfinmensch nach einem erneuten kurzen Zucker fest, „vielleicht kann ich ja im nahe gelegenen See meinen nächsten Tauchgang vorbereiten?“
Mit einem kritischen Blick auf ihren Mann begann nun Andrea mit ihrem eigenen Bericht: „Leicht hüpfend durch die Welt zu springen, hat richtig Spaß gemacht, ich bin allerdings einmal ein bisschen zu hoch gekommen und war kurz im Weltall. Ich war in der Geschichte das Huhn… ins Wasser springen wollte ich nicht, das ist für ein Huhn unangenehm. Ich fühle mich jetzt leicht. Das ist gut.”
Nach den Traumberichten waren alle nicht wenig irritiert und fielen wieder für eine Viertelstunde in Halbschlaf. Manch einer ging in seinen Träumen erneut mit dem verrückten Huhn zum See… Auf jeden Fall ließen sich alle sBarcamp-Teilnehmer, außer Herrn Muster, weiter von ihren Fantasien treiben.
Danach verabschiedeten sie sich voneinander und brachen auf in ihre Heimatorte. Sie freuten sich schon auf das nächste Wochenende, an dem sie sich vorgenommen hatten, ihre Sinne zu schärfen.
Leider wissen wir nicht, ob jede Person am Abend von ihrem eigenen Tintenfleck ins Bett gebracht worden war… oder gar nach Hause begleitet wurde… und das werden wir wahrscheinlich auch nicht mehr in Erfahrung bringen … Dazu waren die Sinne der Teilnehmer noch nicht geschärft genug. Vermutlich waren sie beschäftigt mit ihren ständig wiederkehrenden Gedanken zum Ablauf der nächsten Woche… oder mit Erinnerungen an vergangene Zeiten… oder einer Mischung daraus… und nicht damit, wirklich in der Gegenwart zu sein und in jedem Augenblick aufmerksam ihre Umgebung zu beachten.
Albert Muster hatte auf jeden Fall immer noch einen Fleck auf der Stirn. Auf dem Heimweg passierte bei Familie Muster-Caro etwas Außergewöhnliches, es gab Meinungsverschiedenheiten: Das üblicherweise so harmonische Ehepaar geriet in Streit: Andrea hielt das Steuer in der Hand, als sich Albert liebevoll zu ihr neigte und begann mit… „Schatzilein …“ Da unterbrach Andrea ihn unwirsch: „Tu mir einen Gefallen und hör auf mit deinem Schatzilein! Du brauchst mir überhaupt nicht mit Zärtlichkeiten zu kommen! Deine Art und Weise, mir heute bei meiner Anleitung zur Hühnervisualisierung in die Quere zu kommen, fand ich unmöglich!“
Albert war sehr verwundert und schaute sie fragend an.
Andrea schimpfte weiter: „Was hast du dir denn dabei gedacht… und vor allen Dingen in der Öffentlichkeit! … Ich habe überhaupt noch keine Worte dafür… so warst du noch nie! Ich habe mich bemüht, mit meinem ganzen beruflichen Wissen und Können die Methode des Visualisierens in die Praxis einzuführen und du hast aus meiner Sicht alles vermiest und meine Kompetenz vor versammelter Mannschaft in Frage gestellt! Sogar Dr. Engström war entsetzt und reagierte feindselig dir gegenüber. Anscheinend hatte er das Bedürfnis, mich zu verteidigen. Alle waren voll bei der Sache und haben mir gelauscht und du musstest die Aufmerksamkeit durch deine abweisenden Kommentare zur Visualisierungsübung allein auf dich lenken – wieso? Du hattest doch gar nichts beizutragen außer kaltem Kaffee! Wieso hast du das getan?“
Albert war fassungslos, er verstand die Welt nicht mehr – sonst war seine Andrea doch konform mit ihm.
Der Rest der Heimreise verlief schweigend. Zum ersten Mal nahm Andrea mit Genugtuung wahr, dass sie bereits seit einem Jahr nach ihrer Eheschließung getrennte Schlafzimmer hatten.
Nach der Ankunft zu Hause verschwanden beide wortlos in ihren jeweiligen persönlichen Räumen.
Obwohl Albert nichts von Träumen und vom kreativen Visualisieren hielt, erschien ihm seine Andrea nachts im Traum. Sie lockte ihn mit einem eigens für ihn entwickelten Poledance mit eingeblendeten Spots von Kaffee-Genuss. Dabei trug sie ein extra knappes transparentes spitzenmäßiges Negligé. Er wurde kurz wach und schluckte zwei Baldrian-Dragees, um seine aufkeimende Begierde zu dämpfen, denn nach dieser Heimfahrt wollte er weder ihr noch sich selbst seine Regungen eingestehen.
Der nächste Morgen verlief für die beiden so harmonisch wie immer – jeder ging wie üblich seinen eigenen Geschäften nach.