Читать книгу Lilou Charlou - Guillermo El Oso - Страница 7

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01:00 Uhr

Während wir uns wieder in das trockene warme Gras legen, um diesen Moment zu genießen, fliegen kleine Glühwürmchen auf der Suche nach Weibchen umher.

»Wie genial die Natur erschaffen wurde« flüstere ich leise in die dunkle Nacht hinaus.

Lilou zeigt mit ihrem Arm auf eine Sternschnuppe, die über uns fliegt. Mit all meinen Sinnen nehme ich diesen Moment auf! Ich rieche das warme Gras, verfolge die Sternschnuppe, spüre den Atem von Lilou und lausche dem nächtlichen Treiben der Natur. All das soll mich immer daran erinnern, dass ich ein kleiner Grashüpfer hier auf der Erde bin. Wir müssen bei dem Gedanken herzlich lachen und stören so etwas die nächtliche Idylle.

»Ich denke, ich geh dann mal!«

Erhebe mich, um aufzustehen, als Lilou mich festhält. Sie schaut mir tief in die Augen. Der Druck am Arm wird leicht stärker. Schweiß steht auf ihrer Stirn. Die langen Haare wild durcheinander. Ein Paar Grashalme haben sich dort verirrt. Sie nimmt mein dickes aufgeheiztes Gesicht in ihre Hände, schaut mir tief in die Augen, schenkt mir ihr bezauberndes Lächeln und küsst mich innig.

Immer dann, wenn sie mir sagen will, wie sehr sie mich schätzt und liebt, macht sie das! Warum nur konnte ich erst jetzt diese fünf Jahre mit dieser wunderbaren Frau leben? Vorher war mein Leben trist, eintönig und öde. Jahrzehnte lang irrte ich auf den Ozeanen mit meiner kleinen Jolle umher, bis ich auf das Paradies stieß. Seitdem vergehen kein Tag, keine Stunde und keine Minute, an dem ich mich nicht daran berausche. Ich genieße das Leben hier in vollen Zügen, nie darf das Enden. Vollkommenes Glück.

....

Das erste Mal als Lilou mir so ihre tiefe Zuneigung zeigte, war hier in Dresden. Hier im Garten. Hier als wir erstmals diese Villa sahen. Von diesem Moment an war uns beiden klar, dass wir die Villa kaufen, heiraten und eine Familie gründen. Ich dachte noch wie absurd. Und doch waren wir beide uns absolut sicher das Richtige zu tun. Zur Besiegelung unserer Verlobung lud ich Sie ins Meatery zum feinen Steak ein.

Erst drei Monate kannten wir uns, es war das erste Mal seit Frankfurt, dass wir uns wieder sahen. Ich hatte Lilou in Frankfurt am Brunnen abgeholt. Sie saß wieder dort mit ihrer engen Jeans, Turnschuhe, eine bunt geblümte Bluse und einer schicken leichten beigen Strickjacke. Hatte eine Handtasche umhängen und als sie mich sah, lächelte sie verlegen. Ich hatte mich herausgeputzt, ging noch morgens zum Friseur, trug einen dunkelbraunen Anzug mit Krawatte und kam mir reichlich unwohl darin vor. Ich wollte ihr gerade die Hand zur Begrüßung reichen, als sie auch schon aufsprang und mich umarmte. Ich wurde noch verlegener, das Gesicht färbte sich tiefrot und der Schweiß drang unweigerlich nach draußen. Wir gingen zum Auto und fuhren nach Dresden. Während der ganzen Fahrt tauschten wir Ideen für das Wochenende aus und beschlossen als erstes, dass ich mich zu Hause umzog.

Wenn wir uns auch erst das zweite Mal überhaupt sahen, kannten wir uns doch sehr gut, wir wussten wirklich alles von einander, denn stundenlange Chats und Dutzende von Selfies und Bildern, ließen uns in die Welt des jeweils anderen tief eintauchen. Gerade diese unbekümmerte intime Art, führte zu einer tiefen, ja blinden Vertrautheit. Ich war von den Möglichkeiten überwältigt und sprang immer tiefer in das unbekannte Gewässer der digitalen Welt.

Lilou wollte immer alles wissen. Ihr Wissensdurst kannte keine Grenzen, wie ein kleines Kind erfragte sie jedes kleine Detail und erzählte mir im Gegenzug, wie und was sie denkt, gab mir Einblick in ihr Seelenleben, schreckte dabei vor nichts zurück. So wusste ich, dass sie zwar nicht so sehr auf Steak stand, weshalb sie mich verdutzt anschaute, als ich ihr sagte, dass wir in das feinste Steakhaus von Dresden gingen, aber ich wusste auch, dass sie nun mal Seeteufel sehr mag und den Besten gibt es ebenfalls hier.

Es war ein wirklich schöner gemütlicher Abend. Ein Candle-Light-Dinner der gehobenen Art. Begeistert von dem Ambiente und der Atmosphäre wollte ich gleich im dortigen Hotel noch eine Suite mieten. Aber nicht so Lilou. Sie wollte lieber zu mir nach Hause, zwar liebte sie mich wirklich sehr, doch sie hatte da so ihre klaren Vorstellungen.

Überhaupt bewunderte ich ihre klare Denkweise, gerade Ziele und unverrückbare Prinzipien. Bei mir zu Hause das gleiche Ritual, sie nahm mein Gesicht in ihre kleinen Hände, küsste mich intensiv, ging ins Bad und legte sich dann auf mein altes Sofa.

Wir schrieben uns noch per WhatsApp wie jeden Abend, bis sie einschlief. Ich weiß noch, dass ich die ganze Nacht kein Auge zu bekam. So glücklich und entschlossen war ich in diesem Moment, mein Leben neu zu schreiben.

Diesem Wochenende in Dresden folgten viele Stunden auf der A4! Es begann ein Dresden-Frankfurt-Dresden-Frankfurt-Dresden Marathon. Zum Glück fährt sich so ein Audi Q7 ja fast wie von selbst.

An meiner Stimmung im Auto konnte man jedenfalls feststellen, auf welcher Strecke ich gerade unterwegs war. Freitag morgens war ich voller Elan, hörte laut Musik und sang, was meine Kehle so hergab. Hielt beim Blumenladen Alice und kaufte einen frischen Strauß Blumen. Trank im Starbucks einen Cappuccino Venti und wartete darauf, meine kleine Lilou von der Schule abzuholen.

Auf der Rückfahrt nach Dresden strahlten wir beide vor Freude und genossen in aller Ruhe die Fahrt. Sonntag abends war das schon etwas schwieriger, unsere Deadline war zwanzig Uhr! Wir stiegen wortlos und traurig ins Auto, jeder in seinen Gedanken versunken. Vor ihrer Haustür geparkt, verabschiedeten wir uns eine halbe Stunde lang. Es zerriss uns immer wieder das Herz. Die Rückfahrt erfolgte glücklicherweise in der Nacht und so konnte man meine Tränen nicht sehen, wenn im Autoradio Jazz dudelte und ich lustlos und deprimiert hinter dem Lenkrad hing.

Manchmal musste ich das Wochenende in Dresden bleiben und konnte Lilou nicht abholen, so kam es dann auch, das Lilou zum ersten Mal mit einem Flugzeug flog. Wir waren beide extrem aufgeregt. Ich hatte alles so gut wie möglich vorbereitet. Ein Taxi fuhr sie zum Frankfurter Flughafen und ich holte sie in Dresden ab. Als sie wieder in Frankfurt landete, schrieb sie mir, dass das Starten und Landen bei ihr so ein Kribbeln im Bauch verursachte und deshalb immer laut lachen musste. Es war eine aufregende, aber auch chaotische Zeit!

....

Ich schnappte mein leeres Weinglas und das leere Tablett. Schau noch einmal in den Himmel und fülle meine Lungen mit der frischen Elbbrise, als wäre ich monatelang in einem Unterseeboot von der Außenwelt abgeschlossen und nun aufgetaucht, drehe mich im Kreis, um nochmal alles abzusuchen, lächle Lilou an und gehe über die Veranda ins Haus.

Eine angenehme Kühle schlägt mir entgegen, als ich ins Wohnzimmer komme. Auf dem Couchtisch leuchtet mein Handy auf, gefolgt von diesem »piep, piep«, das mir sagt: »Da ist eine neue Nachricht für Dich.«

Lilou- »Ich liebe Dich wirklich, von hier bis zum Mond und wieder zurück!«

Ich schau aus dem Fenster, Lilou steht da und blinzelt mir lächelnd zu. Mein Gott, wie liebe ich diese Frau! Ich schenke ihr mein schönstes Lächeln, werfe ihr aus der Ferne einen Handkuss zu und puste, nein, hauche ihn ihr entgegen.

Mit einem Gefühl des Glücks gehe ich lächelnd hinauf ins Bad, um eine Dusche zu nehmen. Die Dusche ist so erfrischend, weckt all die müden Lebensgeister und ich spüre, wie sich mein aufgeheizter Körper immer mehr abkühlt, wie sich die Poren der Haut öffnen, die ausgelaugte sonnen- gedörrte Haut alle Feuchtigkeit förmlich aufsaugt. Immer noch empfinde ich ein seltsames Gefühl, wenn ich so über meine schrumpelige Haut gleite. Die erschlaffte Haut fühlt sich leblos an, ohne jegliche Spannung. Wie eine alte matschige faule Tomate.

....

Lilou hatte nie etwas gesagt oder darauf bestanden aber sie tat alles, damit es funktionierte. Was hatte ich nicht all die Jahrzehnte versucht! Sport, Diätpläne, Pillen, Kuren, immer wenn jemand meinte, mir eine Empfehlung geben zu müssen, versuchte ich es wenigstens. Doch der innere Schweinehund war stark, praktisch übermenschlich. Er packte mich, rang mit mir, würgte mich und ich gab auf. Wie kann man denn bitte schön auch auf eine Tafel Schokolade, auf einen, mit Liebe gebackenen Kuchen oder auf Eis in seiner vielfältigsten Kreation verzichten? Schon gar nicht, wenn man tagtäglich damit zu tun hat. Man will doch kein Eremit sein! Wenigstens eine Freude im Leben haben und sich nicht alles verbieten lassen. Das Leben ist nun Mal auch ein Genuss.

Lilou jedenfalls ging es völlig anders an. Sie kochte einfach gesund, abwechslungsreich und verzichtete auf süße Extras, spornte mich an, mit ihr aktiv zu sein und verlor nie ein Wort darüber, was ich machen oder nicht machen sollte. Lilou machte einfach, dachte für zwei und hatte die Energie für zwei. Eines Tages merkte ich, wie alles weiter wurde, Hemden, Hosen, Pullover und Shirts.

Im ersten Jahr verlor ich fünfzehn Kilogramm an Körpergewicht. Fett, ekliges Fett, dass ich mir in so vielen Jahren angefuttert hatte. Ich liebte Süßigkeiten. Schokolade, Pralinen, Eis und Kuchen. Ja, das waren meine Leidenschaften. Doch Lilou entfachte in mir eine andere!

Einmal meinte Sie: »Sag was schmeckt dir besser? Diese Schokolade…« es war jene tolle Nougat-Schokolade deren leeres Papier sich in jeder meiner Schubladen und Taschen befand »...oder magst du lieber einen langen heißen Kuss von mir?«

Da gab es für mich nichts zu überlegen. Jeder einzelne intensive Kuss von Lilou war Millionen mal wertvoller als auch nur eine ganze Schokoladenfabrik.

Lilou hatte eine ganz besondere Art zu küssen, es war mehr ein zelebrieren, ein filigranes Ballett, harmonisch abgestimmt auf die Bewegung unterschiedlichster Lippen. Ich hatte Heißhunger auf ihre Zärtlichkeit, ihre Streicheleinheiten und ihre zuckersüßen Küsse.

Lilou hatte also einfach die Schokolade durch aromatische Küsse ersetzt und statt Kuchen gab es noch mehr Aufmerksamkeiten. Et voilà, seit dem verbesserte sich mein Körper, teilweise zumindest.

....

Die Spülung der Toilette reißt mich aus meinem Gedanken. Ich dreh das nun heißer werdende Wasser schnell ab.

»Willst du auch noch duschen?«

Lilou steht bereits nackt vor der Dusche und nickt mit dem Kopf. Zwei zuckersüße Brüste wie Orangen rund und fest, prall gefüllt, strecken sich vor mich aus. Ihr Bauch so fest und straff, als würde er jeden Moment platzen, zum Greifen nah. Ihre samtweiche, apricotfarbene Haut, schimmert matt im Licht.

Schnell springe ich an ihr vorbei und schnappe mir meinen Bademantel. Noch immer schäme ich mich im gleißendem Licht ob meines alten faltigen noch immer dicken Körpers. Auf der anderen Seite fördert Lilou’s Anblick in mir ein wahres Kinofestival. Diese Schönheit, Jugend, Frische und Lockerheit, steht eben Alter, Reife, Falten und Steifheit gegenüber. Mir kommt unweigerlich Disney`s »Die Schöne und das Biest« in den Sinn. Lilou lächelt, schüttelt den Kopf, drückt mir einen Kuss auf den Bauch, geht in die Dusche und stellt das Wasser an.

Lilou Charlou

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