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III. Bürgerliche Familie

Kennzeichen des bürgerlichen Familienideals

Herzstück der bürgerlichen Kultur war ein eigenes Familienideal. Danach sollte die Familie

 auf Neigung gegründet und durch Liebe verbunden sein,

 sich primär aus Vater, Mutter und einer überschaubaren Kinderzahl zusammensetzen,

 abgeschottet sein von Arbeits- und Berufswelt,

 vornehmlich um die Erziehung der in ihren Eigenarten und Bedürfnissen „entdeckten“ Kinder kreisen,

 vor allem dem Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Bürgerfrau unterstellt sein, die dank ihrer ihr zugeschriebenen Geschlechtscharaktere als für die Aufgabe prädestiniert stilisiert wurde, und durch ein auskömmliches Einkommen des Gatten und Vaters sowie durch „dienstbare Geister“ genügend Mittel und Muße dafür bereitgestellt bekommen sollte.

So und ähnlich war es in einer Vielzahl von normativen Schriften zu lesen, so und ähnlich versuchte es das Bürgertum weitgehend zu verwirklichen. Und nicht nur das Bürgertum: Auch für andere soziale Schichten, selbst wenn häufig die materielle Ausstattung für eine konsequente Umsetzung fehlte, galt das bürgerliche Familienideal als erstrebenswert.

Einerseits erfuhr die Familie durch das Auseinandertreten von Arbeits- und Familienleben einen einschneidenden Funktionsverlust. Von einer Produktionssphäre wurde sie zu einer reinen Reproduktions- und Rekreationssphäre. Die Welt der Arbeit verlagerte sich mehr oder weniger aus den häuslichen vier Wänden heraus, zumindest aber aus dem unmittelbaren Gesichtskreis der Frauen und Kinder. Andererseits erlebte die Familie eine ideelle Aufwertung, indem sie als harmonische Gegenwelt zur fordernden Außenwelt entworfen wurde.

Die innerfamiliale Aufgabenteilung, die Bürgermännern die familienferne Berufswelt und den Bürgerfrauen die Familiensphäre zuwies, wurde als den „angeborenen“ Geschlechtscharakteren entsprechend und damit als „natürlich“ deklariert. Zeitgenössische Lexikonartikel halfen eifrig mit, diesem Modell ein normatives Fundament zu geben. Frauen wurden darin als passiv, bewahrend, emotional, irrational, anpassungsbereit, wankelmütig, emsig und bescheiden charakterisiert, Männer als aktiv, selbständig, tapfer, vernünftig, energisch, zukunftsorientiert und weitblickend. Mit einer solchen polar entworfenen Geschlechterordnung wurden nicht nur Ungleichheiten festgezurrt, sondern gleichzeitig auch in einem System der Über- und Unterordnung verankert. Entscheidungen traf der Ehemann und Vater, seiner absoluten Autorität unterstanden sämtliche Familienangehörigen.

Wie aber vertrug sich die Idee weiblicher Unterordnung mit der Idee allgemeiner Chancengleichheit und Entfaltungsfreiheit – ohne Rücksicht auf Geburt und damit auch Geschlecht? Immerhin: Auch die Meisterdenker des utopischen Bürgergesellschaftsprogramms trieb diese Unstimmigkeit um, beflissen suchten sie nach Rechtfertigungen. Dabei begaben sie sich auf argumentative Schlingerkurse: Da die Frauen, so etwa Johann Gottfried Herder (1744–1803) in seiner Zeitschrift „Adrastea“, fortwährend im „Paradies“ der „häuslichen Gesellschaft“ lebten und damit Herrin über den Raum des „Reinmenschlichen“ wären, bräuchten sie nicht, anders als die sich in der Berufswelt tummelnden Bürgermänner, die Kompensationssphäre der bürgerlichen Öffentlichkeit. Bürgerfrauen hätten sich und ihre „Bestimmung“ als „Erzieherin der Menschheit“ demnach schon „gefunden“, Bürgermänner hingegen müssten sich für ihren Selbstfindungsprozess eigene Formen und Institutionen außerhalb der Familie suchen.

Blütezeit des Bürgertums

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