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Weil Jimmy nichts dagegen einzuwenden hatte, ein wenig herumzuschreien, zumal es unweigerlich mit seinem Auftrag zusammenhing, mischte er sich in die freundliche Diskussion zwischen dem Salsamann und dem Eismann ein. Als Jimmy den vollgesauten Pelz des Waschbären sah, war ihm die Situation sofort völlig klar. Stolz blickte er an sich herab und entdeckte zwar diverse Flecken, doch waren diese eher alkoholischen Ursprungs. „Ja, Eis essen kann ich wohl“, sagte er laut und griff nach seinem Flachmann, da er meinte, sich für diese fantastische Erkenntnis eine kleine Belohnung verdient zu haben. Außer seinem Flachmann holte er auch noch seinen Revolver hervor. Jimmy wusste nämlich aus eigener Erfahrung, dass Alkohol zwar für die meisten Probleme eine durchaus vernünftige Lösung war, dass jedoch für alle anderen Probleme, die nicht mit Alkohol zu lösen waren, Gewalt die andere Option war. Das hatte Jimmy schon oft in Schwierigkeiten gebracht. So hatte er schon mehrere Leute mit seinem Flachmann bedroht, während er sich beim Versuch, einen Schluck aus dem Revolver zu nehmen, schon wiederholt fast erschossen hätte. Sicheren Schrittes wankte Jimmy in Richtung Waschbär und Eismann und hielt erst inne, als er sein Eis vermisste. Er betrachtete seine Pfoten und stellte erstaunt fest, dass sich sein Eis nicht mehr in seiner Rechten befand, in der er ja nun den Revolver hielt. Doch wo war nun das Eis? Doch nicht etwa an Stelle des Revolvers? Doch! Jimmy hatte sich die Eistüte, aus Reflex wahrscheinlich, exakt an die Stelle seiner Badehose geschoben, an der zuvor lässig der Ballermann hing. Die klebrige Eismasse, die sich physikalisch einwandfrei abwärts verhielt, schien dies zu bestätigen. „Was für dummes Eis! Was soll das denn bitte für Eis sein, das einem die Strandkleidung ruiniert, nur weil man es sich in den Badehosenbund klemmt!“, fluchte Jimmy und fuchtelte mit dem Revolver Richtung Eisstand. Den Blick stur auf die Eisbude gerichtet, stürmte er los, noch ehe seine Lethargie begriff, was eigentlich los war. Doch sie holte schnell auf und brachte ihn zu Fall. Als Jimmy verdutzt das Hindernis erspähte, das ihn stolpern ließ, rappelte er sich mühsam auf und beschloss, unsichtbar zu sein. Jimmy Risiko hasste Kinder.

„Ich mag Mozzarella“, strahlte das Kind ihn glücklich an und hob einen klebrigen Finger auf Eistütenhöhe.

Über seinen Sturz und seine Sichtbarkeit mehr als erbost, musterte Jimmy den Bengel und fällte ein Urteil.

„Das ist Vanille, du Penner!“, nickte er dem Jungen zu, während der Hase sich rasch entfernte.

„Der Eismann hat aber Mozzarella gesagt“, protestierte das Kind. „Vanille scheint er aber auch zu haben, zumindest, wenn man deine Hose fragt.“

Auf einen Zweifrontenkrieg konnte sich Jimmy beim besten Willen nicht einlassen und beschleunigte seinen Schritt, um gar nicht erst in Hörweite zu sein. Er würde sich von nun an mehr Mühe mit seiner Suggestionsliste geben und den Inhalt um „Entsetzliches Kind wird vom Wolf verschluckt“ ergänzen müssen. In seiner Wut bestätigt, erreichte er schließlich die Diskursplattform (Eisstand) und hielt den Salsamann absichtlich nicht von seiner momentanen Beschäftigung ab. Die große, gerade gewachsene Klinge sauste zielstrebig herab und durchtrennte ohne Umstände den Leib des Eismannes von der linken Schulter abwärts. Ungefähr auf Höhe der vierten Rippe verlangsamte sie abrupt ihre Fahrt und zog sich zurück. Eine aufdringliche rote Fontäne folgte ihr und sah ihr noch lange nach, obwohl der zweite Besuch schon nahte. Freudig bahnte sich die Klinge einen weiteren Weg ins Wohnzimmer der lebenswichtigen Organe. Nachdem sich Jimmy, der dem Salsamann für sein Leben gern beim Denken zusah, genug amüsiert hatte, riss er den Waschbären aus seiner Gedankensphäre und schlug ihm die hässliche Realität ins Gesicht.

„Komm sofort nach Hause, du alter Waschlappenbär!“, schrie er ihm ins Ohr. „Deine Frau führt das Restaurant nur ungern alleine.“

„Loretta?“, erinnerte sich der Bär.

„Ja, ganz recht. Loretta Kandt in der Früh gegen fünfzehn Uhr, deine Frau, lässt dir Folgendes ausrichten.“

Umständlich kramte Jimmy den Zettel hervor, auf den Loretta ihm vorsichtshalber seinen Auftrag diktiert hatte. Laut las er vor, was er nicht auswendig gelernt hatte:

„Unliebsamer Besuch, der öffentlich weniger zur Besprechung geeignet ist, steht bevor. Also ab nach Hause. Willst du dich den Schwarzalben würdig erweisen, musst du jegliche Reinigung meiden. Mit speckigem Glanz dien’ ihrem Tand. Unterjoche die Luft mit deinem Geruch“, zitierte Jimmy aus seinen wenig lesbaren Hieroglyphen.

Der Waschbär war nun noch verwirrter und ließ seinen Blick lange zwischen Eismann und Jimmy pendeln.

„Ich gehe nicht eher nach Hause, als bis der Eismann seine Schuld bezahlt. Guck dir mal meinen Pelz an, Jimmy“, ordnete der Salsamann seine Probleme.

Jimmy war sichtlich enttäuscht, dass der Bär offensichtlich nicht zu Übersprungshandlungen neigte, anders als Herr Cherry, der sich in Konfliktsituationen stets die Bartpartie mit Honig einschmierte und Zaubersprüche rezitierte. Vom Salsamann hatte er erwartet, er würde seine Gewaltfantasien wahr werden lassen oder sich wenigstens schlafen legen oder Hunger bekommen. Die beiden langweiligsten, aber verbreitetesten Erscheinungsformen eben.

„Da schlummere ich vielleicht drei Stündchen und ruckzuck, alles vollgesaut!“, fand er in seine Form zurück und warf einen scheelen Blick auf Jimmys Badehose, die bei genauerer Betrachtung durchaus Ähnlichkeit mit seinem Pelz aufwies.

„Haste auch gepennt, Jimmy?“, kombinierte der Bär geschickt.

„Nein, aber unser Unglück eint uns!“, pathetisierte der Hase.

„Sie da, Herr Eismann! Sehen Sie mal, was Ihr Eis mit meiner Hose angerichtet hat.“

„Oh, sehr bedauerlich. In der Tat, sehr bedauerlich. Doch ich fürchte, dass genauso wie bei Ihrem Vorredner kein Garantiefall vorliegt. Tut mir leid, da kann ich nichts für Sie tun.“

„Garantiefall?“

„Ja, Garantiefall. Ihr Nebenbuhler im Beschweren ist bereits informiert.“

Ein nickender Salsamann schien dem Eismann schon fast eine nahezu weiße Weste zu bescheren.

„Wie, Garantie?“, hakte Jimmy nach.

„Garantie eben. Sie wissen schon. Die Versicherung bestimmter Eigenschaften eines Produktes. Garantie eben.“

„Beim Eiskaufen haben Sie aber nichts darüber erzählt.“

„Nun, die Garantie bezieht sich ohnehin nur auf die besonderen Eiskreationen, die ich feilbiete“, kokettierte der Eismann erhaben und ließ seine rechte Hand eine Richtung weisen. Jimmys Blick folgte der Richtung und blieb an einem separaten Eisfach mit der Aufschrift „Hairstyle Edition“ hängen.

„Haben die Eisbällchen da etwa Frisuren?“, wunderte sich Jimmy.

„Potztausend!“, entfuhr es dem Salsamann, der sich plötzlich an das Vorgespräch erinnerte.

„Sie sind Friseur, Eismann!“

„So ist es. Und Ihnen sagte ich das ja bereits, dem Hasen hingegen kann ich ja nun noch mal meine Geschichte erzählen.“

„Nein, der Fall ist völlig klar. Sie sind Friseur, Eismann!“, folgerte Jimmy. Als sein geschärfter Blick den Eisstand zur Klärung der Tatsachen einer genaueren Untersuchung unterzog, fiel ihm plötzlich das Namensschild der Bude auf.

„Ist das anzüglich!“, krakelte der Hase. „Hö, hö, hö, hö, hö! Friseur Graf Thorsten de Clary von der Champagne! Ha, ha, ha! Wie widerlich anzüglich! Mit dem Namen kann man doch nicht Friseur werden! Friseur Graf Thorsten de Clary von der Champagne! Meine Güte!“

„Nun ja, deswegen bin ich ja auch Eismann geworden“, erklang eine leise Rechtfertigung.

„Ha, ha!“, kriegte sich Jimmy nicht mehr ein. „Da fällt mir auch mein Lieblingswitz wieder ein. Kommt ein Stück Edamer zum Friseur. Fragt der Friseur: ,Wie immer?‘ Sagt der Edamer: ,Nein, ich habe mich verlaufen.‘“

„Ha, ha, ha! Der Edamer hat sich verlaufen! Beim Friseur! Der ist gut, Jimmy!“, lachte der Salsamann, der seinen vollgesauten Pelz über das geistig rege Gespräch schon fast vergessen hatte. Eine Pranke, die er sich beim Lachen auf den Wanst klopfte, erinnerte ihn dennoch.

„Eigentlich fällt mir jetzt sogar ein Witz ein, der noch besser ist“, überlegte Jimmy. „Kommt ein Stück Edamer zum Friseursalon Graf Thorsten de Clary von der Champagne. Fragt der Friseur: ,Wie immer?‘ Sagt der Edamer: ,Nein, das ist mir hier zu anzüglich!‘ Ha, ha, ha! Kein Wunder bei dem Namen!“

„Versteh ich nicht“, gab der Salsamann zu, der missmutig seine klebrige Pranke untersuchte.

„Ich muss doch sehr bitten, meine Herren! Ich bin Eismann!“

„Ja, ein Eismann, der Eisbällchen frisiert. Aber wissen Sie was? Weil Sie mir mit Ihrem Schicksal so gute Laune und einen neuen Witz beschert haben, ziehe ich meine Beschwerde zurück. Guten Tag.“

„Aber ich bin Eismann!“, verzweifelte der Eismann.

„Ja, ja. Guten Tag. Lass uns gehen Salsa, unsere Beschwerde wurde rechtens vergolten.“

„Ach wirklich, Jimmy?“, fragte der Bär mit dem fleckigen Pelz.

Der Hase antwortete, indem er langsam nickte und einen mitleidigen Blick auf den Eismann warf, der offensichtlich zwei Meter davon entfernt war, in ernsthafte emotionale Probleme zu geraten. Als Jimmy sich daran erinnerte, dass der Bär Mimik generell für einen Trick hielt, sagte er leise, aber bestimmt: „Loretta wartet.“

Mokka Noir

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