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Schlösser – Häuser – Wohnungen

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In diese ersten längeren Aufenthalte in Salzburg fielen aber auch noch andere Pläne, die Reinhardt verfolgte. Er wollte seinen Bruder Edmund, von dem er sich nie lange trennte, in seiner Nähe haben. So suchte er für ihn einen kleinen Besitz, der Edmunds Lebensweise mehr entsprach als die Weitläufigkeit von Leopoldskron. Man erzählte ihm von einem kleinen Schloss Ursprung, auf einer Art Hochebene, oberhalb von Hallwang. An einem schwülen Tag fuhr er hinaus. Er wunderte sich über den merkwürdig grauen, bedeckten Himmel. »Schneeblüat«, sagte der Kutscher, während der Wagen auf der sanft ansteigenden Straße hinaufknarrte. Zwischen uralten Bäumen stand ein kleiner Bau, der Reinhardt entzückte. Einfaches, heiteres Barock. Innen watteauartige Sopraporten, alte Öfen und schöne Parkettböden, die Reinhardt später für die Ausgestaltung der Bibliothek in Leopoldskron erwerben konnte. Unter den mächtigen Bäumen stand ein barocker Steintisch, in den sich Reinhardt ebenfalls sofort verliebte. Erst viele Monate später, nach allerhand fruchtlosen Versuchen, gelang es, ihn vor dem Verfall dort oben zu retten und für Leopoldskron zu kaufen, wo er einen Ehrenplatz auf der »Zwergelwiese« erhielt.

Bei einer Jause unter den hohen Bäumen kam Reinhardt mit einem alten Bauern ins Gespräch, und der Kutscher stimmte in dessen Jammer über die schweren Zeitläufte ein. Über der Salzburger Ebene stiegen der Untersberg, der Hohe Göll und das feingestreckte Tennengebirge in den Abendhimmel Dieses Schloss Ursprung, der Ausblick über das gesegnete Land, die Stimmung dieses Spätherbstabends haben Reinhardt ebenfalls sein Leben hindurch begleitet. Es kam nicht zu dem Kauf, aber Schloss Ursprung blieb für ihn ein Begriff, an dem er im Lauf der Jahre immer wieder vieles maß.

Ein anderes Schloss noch hat Reinhardts Phantasie jahrelang beschäftigt: Kleßheim. Der unvollendete Prachtbau Fischer von Erlachs hatte etwas von einem verwunschenen Schloss. Eine Mauer umgab den ganzen Besitz; dunkel standen Baumgruppen in den moosigen Wiesen und im alten Fasangarten. Ludwig Viktor, ein Bruder des Kaisers Franz Joseph, war dort den größten Teil seines Lebens in einer Art Exil gewesen, wenn er auch offiziell immer wieder an verschiedenen Ereignissen in Salzburg teilnahm. So erinnerte sich Max. Reinhardt immer daran, dass Schauspieler bei Benefizvorstellungen goldene Dukaten vom Erzherzog erhielten. Die Einrichtung des Schlosses war eine Orgie in blau-weiß. An den Wänden der unwohnlichen Zimmer hingen zahllose Stiche und Photographien in Tannenholzrahmen. Am wertvollsten war das – ebenfalls blauweiße – Porzellan verschiedenster alter Marken. Das Ganze ein sonderbares Gemisch von Echtem und Geschmacksverirrungen, die für das Ende des 19. Jahrhunderts und besonders für habsburgische Schlösser dieser Epoche so charakteristisch sind.

Nun sollte dieser Besitz aufgelöst werden. In einem der Nebengebäude residierte der alte Baron Gautsch, in dessen Händen die Verwaltung des Schlosses lag. Auch er eines der zahlreichen Originale, mit denen gerade Salzburg so reich gesegnet war. Reinhardt, der damals nach Kleßheim fuhr, um alles zu besichtigen, interessierte diese altösterreichische Type nicht weniger als das E.-T.-A.-Hoffmann-Milieu, in dem sie wie eine unförmige Qualle herumschwamm. Er wurde niemals müde, Menschen zu beobachten, und wenn er seiner Sammlung eine neue Spezies hinzufügen konnte, war der Tag für ihn nicht verloren. Sein brennendes Interesse an Menschen war von Güte und Humor durchsetzt. Sein Gedächtnis für Physiognomien war unfehlbar. Er konnte sogar nach vielen Jahren noch rekonstruieren, wo er den Betreffenden gesehen hatte.

Reinhardt erwarb damals in Kleßheim keine Antiquitäten. Hingegen engagierte er im Lauf der nächsten Jahre einige der erzherzoglichen Angestellten für Leopoldskron. Unter ihnen war Franz, einstiger Kammerdiener und Vorleser Ludwig Viktors, vielleicht die interessanteste Erscheinung. Die Rolle, die er in Reinhardts Diensten spielte, war immer etwas chargiert. Auch er eine sonderbare Blüte in Reinhardts Menschensammlung. Sein Tod in Venedig war ein tragisches Ende dieses Kammerdieners par excellence. Was Reinhardt damals noch ganz besonders erschütterte, war das Sterben eines Menschen in dieser strahlenden Sonne, dieser unfasslich grausame Kontrast.

Im Lauf des Jahres sah Max Reinhardt Schloss Kleßheim immer wieder an, denn der Gedanke, es in das Festspielzentrum zu verwandeln oder Aufführungen dort zu veranstalten, tauchte stets aufs Neue auf. Erst dreizehn Jahre später, im August 1932, sollte sich dieser Traum, die Schönheit Kleßheims in eine Inszenierung zu verweben, verwirklichen: in einer der reizvollsten Sommernachtstraum-Aufführungen, einstudiert mit Schülern seines Wiener Schauspielseminars. Die Zuschauer wanderten von Schauplatz zu Schauplatz, Wiesen, Wald und Schloss spielten mit. Der große Prunksaal war der Rahmen für den letzten Akt, und ein unbeschreiblicher Zauber lag über dem Raum, als die letzten Worte Oberons in der Dämmerung verklangen. Schöner und würdiger hat sich Fischer von Erlachs Bau nie erfüllt als an diesem Abend.

Zu den Festspielprojekten in diesem Herbst 1919 gehörte auch der Plan, eine der Wiesenmulden auf dem Mönchsberg für den Bau eines Theaters zu benützen. Die amphitheatralische Form war gegeben und damit die Hoffnung, Baukosten zu verringern. Der Berg mit seinen sanften Wiesen, der Ausblick auf Stadt, Ebene und Berge, die herrlichen alten Bäume – alles schien dafür geschaffen, den Mönchsberg in einen Festspielberg zu verwandeln. »Es is’a freudigs Umanandschaun – « hieß es in einem alten Buch (über die Aussicht vom Mönchstein). »Begehungen« fanden statt, mit viel Kopfschütteln einschlägiger Behörden, Reden und »Anberaumen« von Sitzungen – manches schien auch Max Reinhardt, der den Mönchsberg liebte, einleuchtend, aber schließlich musste, aus vielerlei Gründen, doch von diesem Projekt abgesehen werden.

Reinhardt war immer auf der Suche nach alten Häusern oder kleinen barocken Schlössern. Anfangs war es eher ein Spiel, denn er hatte ja Leopoldskron und in Berlin die Wohnung im Schloss Bellevue, nachdem er vom Kupfergraben ausgezogen war. Als er Bellevue 1933 aufgeben musste, wurde die Wohnungssuche in Wien wirklich akut.

In den frühen Jahren seiner Tätigkeit in Wien war es gelungen, nach endlosen Verhandlungen mit den verzopften Behörden, ihm eine Wohnung in der Hofburg zu verschaffen. Zuerst auf der Adlerstiege, später auf der Zuckerbäckerstiege.

Der Traum, in Schönbrunn zu wohnen, wo er ja später in seinem Seminar im Schönbrunner Schlosstheater unterrichtete, hat sich nie erfüllt. Verhandlungen mit einem Wiener Anwalt, Dr. Dechant, wurden geführt. Reinhardt gab mir – es muss in den Jahren 1924/25 gewesen sein – in einem langen Brief, den ich an Dr. Dechant schreiben musste, die Unterlagen für eine Eingabe, die der Anwalt an das Bautenministerium und das Unterrichtsministerium richten sollte. Es geht daraus hervor, dass Reinhardt damals neben seiner Tätigkeit am Theater ein Filmunternehmen plante, das Amerikaner finanzieren würden. Er wollte in den staatlichen Schönbrunner Ateliers Filme mit einem Ensemble künstlerischer Kräfte und der Heranziehung österreichischer Dichter und Musiker ins Leben rufen. Richard Strauss hatte sich verpflichtet, die Musik für einen Film zu komponieren. Aber alles scheiterte an dem Bürokratismus der Behörden. Reinhardts Konzept für den Brief an Dr. Dechant lautete folgendermaßen:

Für die Eingabe an das Bautenministerium und das Unterrichtsministerium empfiehlt Prof. R. den ausdrücklichen Hinweis auf folgende Punkte: Schon im vergangenen Frühjahr ist ihm (auf besondere Verwendung des damaligen Vizekanzlers und Ministers Dr. Breisky, des Ministers Dr. Grünberger, des Präsidenten der Bundestheaterverwaltung Dr. Vetter u. a.) eine von ihm besichtigte Wohnung in Schönbrunn (rechtsseit. Trakt II. St.) mündlich und brieflich von den entscheidenden Instanzen bestimmt in Aussicht gestellt worden.

Prof. M. R. hat daraufhin alle Dispositionen für eine endgültige Übersiedlung seines gesamten Haushaltes von Berlin nach Wien getroffen. Leider ist die ihm zugesicherte Wohnung in der Folge einem anderen Reflektanten zugewiesen worden, der seine Ansprüche zwar viel später geltend machte, aber trotzdem bevorzugt werden mußte.

Die damals entstandene Mißlichkeit für Prof. R. wiegt um so schwerer, als einerseits auch alle anderen damals in Betracht kommenden Wohnungen inzwischen vergeben sind, andererseits vor allem deshalb, weil er bisher in Berlin (seit mehr als zwölf Jahren) ein von Friedrich dem Großen gebautes historisches Palais in nächster Nachbarschaft des Königl. Schlosses mit einem ganz großen Garten ausschließlich allein mit seiner Familie bewohnt hat.

Dieses dem Staat gehörende Palais wurde ihm für einen Anerkennungszins von ursprünglich zehntausend Mark pro Jahr, zuletzt fünfzehntausend p.a., überlassen, trotzdem Prof. R. niemals Staatsangestellter war. Die maßgebenden Stellen gingen bei diesem Entgegenkommen von der Erkenntnis aus, daß die Wirksamkeit des Prof. R. in besonderem Maße als in öffentlichem und allgemeinem Interesse gelegen zu betrachten sei, daß seine Tätigkeit im Ausland als die fruchtbarste Propaganda, im Inland als ein Kulturfaktor hohen Ranges und eine künstlerische Attraktion von Bedeutung zu bewerten sei. Diese Stellung wurde unter dem alten Regime eingenommen, unter dem neuen aufrechterhalten und auch in der Zeit der Wohnungsnot nicht verändert.

In viel bescheidenerem Umfang glaubt nun Prof. R. erwarten zu dürfen, daß ihm auch von den entscheidenden Behörden dieses Landes jenes Entgegenkommen erwiesen wird, das er bisher überall gefunden hat. Tatsächlich haben sich auch die Herren Minister, die sich bisher mit der Frage der Wohnungszuteilung befaßten, ohne weiteres entschieden auf diesen Standpunkt gestellt. Prof. R. ist in Wien geboren und erzogen worden, er ist seit 7 Jahren Besitzer von Schloß Leopoldskron bei Salzburg, wo er die internationalen Sommerfestspiele (ohne jeglichen Entgelt für seine Person) leitet, und ist im Begriffe, seine gesamte künstlerische Tätigkeit nach Wien zu verlegen.

In Betracht zu ziehen ist ferner auch der Umstand, daß Prof. R. besonders aus dem Grunde in Schönbrunn zu wohnen wünscht, weil er unter Benützung der dem Staate gehörenden Schönbr. Ateliers ein umfangreiches, von Amerikanern finanziertes Filmunternehmen ins Leben zu rufen gedenkt, das große, auf künstlerischer Basis stehende Lichtbildwerke (zum ersten Mal mit einem wirklichen Ensemble erster künstlerischer Kräfte, unter Heranziehung der österreichischen Dichter und wertvoller Musik – Richard Strauss hat sich z. B. verpflichtet, Musik dafür zu komponieren) ausführen will. Dieses Unternehmen würde die von der staatlichen Lichtbildstelle bisher angestrebte Propaganda in breiter Form und in wirkungsvollster Weise übernehmen können, denn das Niveau österreichischer Filmleistung vermag keinen Vergleich mit den ausländischen Filmen auszuhalten und steht auch der reichsdeutschen Arbeit auf diesem Gebiet erheblich nach. Wenn man dabei in Erwägung zieht, daß die Filmindustrie in Deutschland an dritter, in Amerika an fünfter Stelle unter allen Industrien steht, so ergibt sich ein Moment, das auch in wirtschaftlicher Beziehung in die Waagschale fällt und alle Förderung verdient.

Was nun die angeforderten Räume selbst anbelangt, so sind sie auf die persönliche Anregung des Herrn Ministers für Bauten etc. Dr. Kraft (?) besichtigt und als nunmehr einzig übriggebliebene Wohnung gewählt worden. Sie entspricht im wesentlichen genau der korrespondierenden Wohnung im Südwesttrakt von Schönbrunn, die dem Fabrikanten M? … zugewiesen wurde, und bedarf ganz gewiß des Denkmalschutzes in keinem höheren Maße als diese, die nicht nur geräumiger, sondern auch um vieles reicher und schöner ist. Augenblicklich dient die in Frage stehende Wohnung, die sich in demselben Trakte wie die Räume der Kinderfreunde befindet, der Aufbewahrung von Betten, Matratzen und anderem Gerät des täglichen Haushalts.

Da Prof. R. beruflich gezwungen ist, einen Teil des Jahres im Ausland zu verbringen, in den Sommermonaten mit seiner Familie auf seiner Besitzung in Leopoldskron lebt, ist überdies die Gefahr einer Abnutzung durch Verwohnen auf ein kaum nennbares Minimum beschränkt. Dazu kommt, daß Prof. R. aus Leopoldskron, das er in furchtbarer Verwahrlosung und Baufälligkeit übernommen hat, eine Sehenswürdigkeit für Kenner gemacht hat und das Schloß, wie der Landeskonservator von Salzburg, Dr. Hütter, der Direktor des Kunstgewerbemuseums, Hofrat Prof. Roller, und der Geheimrat(?) Dr. Erhardt ohne weiteres bezeugen werden, mit strengster wissenschaftlicher Wahrung der historischen Denkmalwerte erhält und konserviert, also nach der ausdrücklich geäußerten Meinung dieser und anderer Fachleute als der beste Custode jeder Wohnung angesprochen werden darf. Die auf beiliegendem Plan besonders bezeichneten Parterreräume in Schönbrunn stellen einen zusammenhängenden, in sich geschlossenen Complex dar, der mit Leichtigkeit gegen die nach dem Park gehenden Vorderzimmer entsprechend abzumauern ist. Die Wohnung hat einen eigenen Zugang vom Hofe aus, schließt eine bereits vorhandene Küche in sich ein, sie genügt gerade mit ihren fünf heizbaren Wohnräumen, den entsprechenden Nebenräumen und Korridoren den Ansprüchen einer fünfköpfigen Familie mit Dienerschaft und entspricht auch gewissen repräsentativen Anforderungen, die der Person des Mieters auferlegt sind. Durch die vom Minister für Bauten etc. selbst angeregte Zuteilung dieser heute als provisorisches Magazin benützten Wohnung würde es Prof. R. nach langem Harren endlich ermöglicht sein, die geplanten künstlerischen und privaten Dispositionen zur Ausführung zu bringen, und die p.p. Behörden ihrerseits würden damit nicht nur eine durch Zusicherungen eingegangene Verpflichtung erfüllen, sie hätten auch die Gewissheit, durch eine individuelle Behandlung des vorliegenden Falles, keinem Unwürdigen entgegenzukommen und die ihm anvertrauten Räume in die denkbar beste Hut und Pflege zu geben.

1934 suchte Reinhardt ein Standquartier in Wien, nicht nur, weil er des Wohnens in Hotels überdrüssig war, sondern auch, weil damals schon die Geldschwierigkeiten begannen, die sich bis zum Jahr 1937 immer mehr steigern sollten.

Eine Zeitlang dachte Reinhardt an einen kleinen Hof in Grinzing. Zahllose andere Häuser wurden besichtigt, die ihm zum Teil angeboten wurden: das Gomperzhaus, die Villa Bunzel, die Karpeles-Villa auf der Hohen Warte, aber auch das Pötzleinsdorfer Schloss, Schloss Hetzendorf, das Palais Rainer, das DeTornahaus in der Argentinierstraße, das Hertzhaus im Kaasgraben und viele andere Wohnungen. Im Heiligenkreuzerhof in Wien hatte das Ehepaar Coudenhove-Roland eine entzückende Wohnung. Sie waren nicht vollkommen entschlossen, sie aufzugeben, aber ich durfte sie anschauen, als sie erfuhren, dass Reinhardt dafür Interesse hätte. Es wurde aber nichts aus all diesen Plänen, und Reinhardt wohnte bis zuletzt in Hotels, auch am Cobenzl, abgesehen von einer kurzen Zeit, die er im Hause von Hugo Thimig verbrachte.

Selbst kurz vor seinem Tode in Amerika, als seine pekuniären Verhältnisse auf dem größten Tiefstand seines Lebens waren, sah er sich noch bei New York Häuser an, beschrieb sie in langen Telegrammen und Briefen und verschloss sich dem Gedanken, dass es hoffnungslose Träume seien.

Max Reinhardt in Leopoldskron

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