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Kapitel 1 – Sieg und Trauer
ОглавлениеGwain Beisemann – Drakoria – Vom Blut des Sternenwolfes
Nu, enn den Kethliosch wesan veyit, ar arkh an Üsna onr den Garth landália, elú nor Lithar ta gwaan aak nivö hilgür enn den Bearnum dá eld Asteri oiss Faloth av Veyen ar Akvin hindórien.
Glynthaels Rede
„Bi Dedna Syte Kin – Die Toten wehklagen nicht“ Diese Worte klangen wie ein sanftes Meeresrauschen in Ardiks Ohren. Wie tosender Wind, welcher die Blätter der Wälder in alle nur erdenklichen Richtungen schleuderte, nur um dann wieder im Nichts zu verschwinden. Einige der schneebedeckten Gipfel des stolzen Westpasses ließen sich noch in den dichten, weißen Nebelschwaden des jungen Morgens erblicken, und verliehen dem aufsteigenden Tag eine neue Bedeutung. Ardik hielt das noch vor Blut triefende Lurnar gesenkt und wandte seinen Blick dem unter ihm liegenden Schlachtfeld zu. Hunderte waren gefallen, ein wahres Meer aus Leichen bedeckte die grauen Pflastersteinstraßen Winterwachts, während es die Hauswände gleichzeitig in einen roten Anstrich tauchte. Gefallene Banner, stehende Banner, Trümmer der zerstörten Mauer und Festung begruben einige der Totenberge unter sich, im ewigen Schlaf des Nichts. Der Sieg hatte einen bitteren Beigeschmack, zu viele ihrer Männer hatten sie verloren, zu viel der Stadt war zerstört, doch es war ein Sieg, daran bestand kein Zweifel. Vor Trauer aufgewühlte Bürger drängten sich durch die leichenbesetzten Straßen und versuchten so viel wie möglich aus ihren fast gänzlich zerstörten Häusern zu retten, wobei sie oft auf noch lebende und Verwundete stießen die hilfesuchend die Hand zu ihnen hinauf streckten. Ein grausiger Anblick bot sich jedem einzelnen von ihnen dort , wer sich retten konnte, der rettete sich, Ardik hatte nicht mit einem solchen Ausmaß der Zerstörung während der Schlacht gerechnet, es sollte eine einfache Eroberung werden, aber die Drachen hatten alles verändert. Wahrscheinlich hätte es ohne sie deutlich länger gedauert Winterwacht einzunehmen, doch seitdem, war die Zerstörung um ein vielfaches angestiegen und hatte alles mitgerissen was sich dem Silbernen Raben in den Weg stellte. Die Tatsachen waren zum gleichen Maße erfreulich wie auch erschreckend, bis jetzt hatte niemand den Beweggrund der Drachen erklären können, aber es waren die Worte, welche Ardik immer noch in seinem Kopf herumschwirrten. Es waren freundliche und Mut zusprechende Worte gewesen, und genau diese Worte waren es, die ihm auch gleichzeitig Angst bereiteten. Sie waren bei ihnen, sie hatten sie unterstützt und die Schlacht zu ihren Gunsten gewendet, warum also sollte man ihnen nicht vertrauen? Winterwacht war ihres, doch bis Ajunga Ir sollten die Heere des Ethan Koraki noch eine ganze Zeit lang brauchen. Seufzend hob Ardik Lurnar an und steckte sein treues Schwert in seine extra vom Schmied Barankor angefertigte Scheide. Der Umhang war zerfetzt, die Platten und Schienen zerbeult und mit einer Menge Blut beschmiert, doch sein silber-bläuliches Kettenhemd hatte keinen einzigen Kratzer, geschweige denn eine Delle abbekommen. Ohne dieses meisterhafte Stück Schmiedekunst, so wusste er, läge er bereits tot im Staub bei den anderen Leichen dort unten auf den blutgetränkten Straßen. Langsam wandte er sich gen Osten zum großen Tor, welches in das Innere der Festung führte. Er verließ den Zitadellenbalkon mit einem flauen Gefühl im Magen und trat zurück ins Innere. Wer hier in der großen, mit Runen verzierten Halle noch lebte konnte wahrlich vom Wohlwollen der Götter, oder einfach seinem eigenen Glück sprechen. Drei waren es an der Zahl, welche mit zerlumpten Rüstungen halb kniend auf dem Boden saßen und ihre Gebete sprachen. Es waren die einzigen gewesen, welche Ardik in die Festung gefolgt waren, sie hatten wahrlich große Auszeichnungen verdient, doch ihnen diese zukommen zu lassen, wäre ein schwierigeres Unterfangen als gedacht. Einer von ihnen hielt das Banner des Silbernen Raben an einer Fahnenstange in die Höhe und sprach mit stark erschöpfter Stimme „Daria a tharn se, alton kuron bi Fästning fä tak i“ Ardik nickte nur und antwortete „Sehr gut, ruht euch aus Männer, ihr habt es euch verdient, und beobachtet die Straßen, es ist von äußerster Wichtigkeit, dass wir die Stadt unter unsere Kontrolle bekommen“ Ohne eine weitere Antwort abzuwarten stapfte er unter dem Rasseln seines Panzers los, quer durch den Saal, auf dem Weg zu den unteren Gemächern der Festung. Leichen über Leichen, Ardik wollte das Ausmaß der Wunden, welche diese Männer erlitten hatten gar nicht ansehen, zu grausam waren sie zugerichtet. Noch immer quälte ihn die Frage über diesen merkwürdigen Magier, der ihn in der Schlacht angegriffen hatte, aber er machte sich keine weiteren Gedanken darüber. Dwemblins Gebrülle, welches durch die langen Marmorgänge der Zitadelle hallten waren kaum zu überhören „Ha, habe ich es nicht gesagt? Ja, ich habe es euch gesagt, wir haben die Festung kurz nach den ersten Sonnenstrahlen erobert“ Lauschend folgte Ardik dem Ruf des Zwerges, welcher ihn in einen kleinen Nebenraum des Gebäudes führte. Man konnte sehen, dass sich die Architekten wahrlich Mühe beim Bau dieses Bollwerkes gegeben hatten, viele schmuckvolle Bilder und Wandmalereien zierten die einzelnen Gänge und Räume, obwohl es eine Festung war, was man ihr auch ganz klar anmerken konnte, hatte sie nichts vom einstigen Glanz ihres Baus verloren, und schien heller denn je zu strahlen. Einige Statuen lagen zertrümmert und geborsten am Boden, hunderte Jahre alte Schätze, einfach zerstört. Und es waren nicht einmal die Schätze des Feindes, welche dort zersplittert auf dem Boden lagen. An die meisten Gänge und Räume konnte sich Ardik kaum noch erinnern, so hektisch hatte er sich durch sie hindurch gekämpft, sodass er nun kaum noch den Ausgang fand. Das Wimmern der Verwundeten, das jauchzen derer die ihnen zu helfen versuchten. Es war schrecklich mit anzuhören, die Soldaten hatten notdürftige Lazarette in den großen Speisesälen und Kasernen errichtet, um die verletzten dort zu versorgen. Oft musste sich Ardik den gesamten Ärmel seines Kettenhemdes vor Mund und Nase halten, um nicht einem Anfall von Brechreiz zu erliegen. Denn teilweise zog ein derart widerlicher Gestank durch das Gebäude, das es selbst einen Hojok das Fürchten gelehrt hätte. Es war keine gewöhnliche Schlacht gewesen, so viel war nun sicher, eine derart schnelle Eroberung hätte sich das beste Heer nur wünschen können, zweifelsohne hatten die Drachen einen besonderen Teil dazu beigetragen. In der Ferne erkannte Ardik etwas, eine in schwarz gekleidete Gestalt, welche, gefolgt von einem kleinen Trupp Soldaten den Hauptgang hinunter hastete „Daria!“ Rief Ardik aus und wunderte sich selbst über seinen lauten Ton. Die Asteri nickte, bevor sie sich ihm weiter näherte, in ihren Zügen lag das freudige Gefühl des Sieges, doch auch die bedrückende Last einer merkwürdigen Trauer. Ihre blauen Augen schienen zu funkeln als sie sprach „Aventos hat uns den Sieg geschenkt“ „Nicht nur er..“ „Die Unterstadt ist gesichert, wir haben viele Tote zu beklagen, und noch mehr feindliche Gefangene, sie legten ihre Waffen freiwillig nieder, als sie sahen, dass wir die Drachen auf unserer Seite hatten“ antwortete Daria. Sie bedeutete ihren Männern wegzutreten, welche diesen Befehl auch unter dem leichten Klappern ihrer Rüstungen befolgten „Wir haben es geschafft, Winterwacht ist unser!“ Daria verschränkte auf diese Aussage hin die Arme „Zu einem viel zu hohen Preis, ohne Verstärkung werden wir die Stadt nicht lange halten können“ „Dann werden wir halt örtliche Bürger einziehen müssen, und ich bin mir sicher, dass die meisten freiwillig unserem Heer beitreten werden, und sicherlich auch jetzt schon wollen. Wichtig ist aber nur...“ fuhr Ardik fort „Dass wir das erste Stück Boden erobert haben, die erste Stadt, die erste Bastion“ „Arkanol wird alles tun, um das wieder rückgängig zu machen, sei dir da sicher“ Gab Daria zurück und steckte einen ihrer Langdolche, welchen sie immer noch in der Hand hielt zurück an den Gürtel „Dann werden wir die Stadt ausrüsten, es wird doch nicht so schwer sein eine ordentliche Verteidigung aufzubauen“ „Nein, das ist auch nicht das Problem, aber“ Sie stockte, während sie einige Male tief Luft nahm „Dafür ist jetzt keine Zeit, es gibt da jemanden mit dem du sprechen solltest“ „Und der wäre?“ Sie zögerte, das konnte Ardik erkennen „Es ist besser wenn du es selbst erfährst, er hat darauf bestanden mit dir alleine zu reden. Begib dich am besten direkt zum südlichen Balkon“ „Ja aber...“ „Ich kann dir nicht mehr erzählen, tu einfach was er gesagt hat“ Ardik nickte kurz und begann in Richtung des östlichen Flügels der Festung zu stapfen. Einmal wieder durchfuhr ihn ein merkwürdiges Frösteln, er hatte in den letzten Tagen so viel erlebt, dass dies für ein ganzes Leben gereicht hätte, doch nicht für sein Leben wie es schien. Er strich sich mit dem Handrücken über das Gesicht, als ihm der eiskalte Wind entgegen pfiff und seinen schwarzen Umhang wild hin und her flattern ließ. Vom südlichen Balkon aus, hatte man keinen vergleichbaren Blick wie vom westlichen, denn hier schaute man nur in Richtung der Küstenregion Úsmi Nan. Das Meer war noch viel zu weit entfernt, als dass man es hätte erblicken können, doch die ersten Ausläufer der großen Fjorde waren bereits zu erkennen. So in Gedanken versunken sprang er zurück, als plötzlich ein lautes Rummsen und das Geräusch von berstendem Stein in alle Himmelsrichtungen schallte. Etwas war vor Ardik gelandet, doch vor Staub konnte er noch nichts erkennen, als sich jedoch die dicken Schwaden an grauen Wolken vor seinem Gesicht lichteten, erkannte er, dass vor ihm ein etwa 10 Meter langer Drache, mit dunkelrot schimmernden Schuppen gelandet war. Ardik stockte der Atem und er rang nach Worten, aber das brauchte er nicht, denn schon nach wenigen Sekunden erschallte eine Stimme in seinem Kopf „Vennelig Vaargast. Ich bin Tyr. Drakon, stämma Rok ar Irsia“ „Vennelig“ antwortete Ardik und fuhr fort „Ich bin Ardik, stämma Regnor ar Eistla Vaargast“ Er war froh das er nun auch den Namen seiner Mutter kannte, Daria hatte ihn ihm auf ihrer Reise nach Winterwacht offenbart „Ich habe seit hunderten von Jahren keinen Kontakt mehr mit einem Menschen gehabt, euer Geist fühlt sich immer noch so verwirrt an wie damals. Ihr alle wart sehr verwirrt“ Ardik wusste nicht was der Drache damit meinte, und er wollte es auch nicht. Ihm klafften so unglaublich viele offene Fragen in Seele „Ihr wolltet mich sprechen?“ „Das wollte ich Vaargast, denn es ist wichtig, wichtiger als alles andere momentan“ „Beantwortet mir vorher einige Fragen“ erklärte Ardik „Ich werde euch sagen was ich kann“ Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet, und genauso verlegen war er nun, was seine Fragen anging „Wa...warum habt ihr uns geholfen?“ Tyr senkte den Kopf und legte ihn behutsam auf den kahlen Steinboden, während die Zacken an der Unterseite seines Maules über den Boden kratzten wie eisiger Stahl „Wir haben noch eine Schuld bei euch offen, ohne euren Vorfahren Tartunax wären wir niemals dorthin gekommen wo wir heute sind, und der Krieg hätte kein Ende gefunden. Daher ist es nur gerecht, dass wir eurem Volk nun helfen, sich gegen die Unterdrücker zur Wehr zu setzen, obwohl das bald unser kleinstes Problem sein wird“ Dies warf mehr Fragen auf, als es ihm Antworten brachte „Es ist auch nicht wichtig warum wir es tun, sondern was wir tun. Es ist ein Krieg im Anmarsch, größer und gewaltiger als alles was ihr je erlebt habt. Wir sind zurückgekehrt, wir mussten zurückkehren, denn Aventos größter Feind hat es ebenfalls“ „Ihr redet von Mutran?“ Wollte Ardik wissen „Genau, wir konnten unseren Krieg damals nicht zu Ende führen, dies muss nun in eurem Zeitalter geschehen. Die Heere versammeln sich, von Norden, Süden und Osten zieht Mutran seine Anhänger zusammen, von Norden, Süden und Osten versammelt Aventos, unser Allvater seine Heere, nur Tarna, Tarna schläft noch. Ihr Vaargast habt eine Aufgabe zu erfüllen“ „Das habe ich bis jetzt des öfteren gehört“ Der Drache schnaubte kurz, wobei kleine, weiße Rauchwolken aus seinen Nüstern stiegen „Ihr kennt das Ausmaß nicht, tharn witth ni bi ref slag“ „Welche Rolle sollen ich und meine Leute in diesem Krieg spielen?“ „Dieselbe wie vor 400 Jahren, nur gemeinsam können wir Mutran aufhalten, nur gemeinsam das Dunkel bannen“ „Was genau ist euer Plan Tyr?“ Gab Ardik als Frage zurück „Ihr müsst lernen, sehr viel lernen, wichtig ist, dass ihr eure Ausbildung vollendet bevor es zu spät ist“ „Was genau wollt ihr Drache?“ „Ich will, dass ihr mit mir nach Nortagard kommt, dort werdet ihr eure Ausbildung beenden können und zu einem wahren Asteri werden, und nur so werdet ihr in der Lage sein an unserer Seite gegen Mutran und seine Heerschaaren in die Schlacht zu ziehen“ Ardiks Herz begann zu rasen, bis es ihm bis zum Hals zu klopfen schien „Nordland? Es gibt ihn wirklich den Nordkontinent?“ „Ja, ihr Menschen aus Tarna, allem voran die Alranen kamen aus Nordland. Sie setzten mit einer riesigen Flotte über den Ozean. Das ist aber schon viele tausend Jahre her. Seit dem wisst ihr nichts mehr von diesem wundersamen Kontinent. Aber glaube mir wenn ich sage, dass ihr ihn bald deutlich besser kennen werdet“ „Ich kann hier nicht so einfach weg, ich habe eine Aufgabe, und es ist meine Pflicht sie zu erfüllen“ Wieder schnaubte Tyr laut „Und als Nachfahre des Tartunax ist es auch eure Pflicht Aventos zu dienen, außerdem wird sich das mit Maladrien bald schon erledigt haben und ihr werdet euren Thron besteigen können“ Ardik winkte mit beiden Armen ab „Das muss ich erst mit meinen Offizieren und...natürlich mit Daria besprechen, ohne sie kann ich eine solche Entscheidung nicht treffen“ „Wenn ihr das meint Vaargast, aber beeilt euch mit eurer Entscheidung, ruft mich einfach wenn ihr sie getroffen habt“ Bevor Ardik eine Antwort geben konnte, drehte Tyr, stapfte einige Meter zum Rand des Balkons und stürzte sich hinunter, er breitete seine riesigen Schwingen aus und flog mit Flügelschlägen, welche die Luft zu erbeben ließen schienen, in Windeseile davon. Ardik sandte noch ein letztes Mal seinen Geist zu dem mächtigen Drachen aus, aber dieser war bereits nach wenigen Minuten zu weit entfernt. Er ließ den Kopf hängen und starrte zu Boden, hatte er nicht seine Pflicht gegenüber Arkasnien zu erfüllen, doch etwas genau so wichtiges lag direkt vor ihm, und dieses war möglicherweise noch direkt miteinander verknüpft. Nortagard, dies war also sein nächstes Ziel, der sagenumwobene Nordkontinent. Seit seinem Verlassen von Athir hatte man ihn auf immer neue Wege geschickt, immer und immer wieder. Beim Zurückkehren in die Festung fiel ihm auf, dass die Schreie allmählich abgeebbt waren, es gab nur zwei Möglichkeiten, entweder waren alle tot, oder ihre Heiler hatten es tatsächlich geschafft das Leid der Verwundeten zu lindern, obwohl Ardik die letztere Möglichkeit als eher unwahrscheinlich erschien. Müdigkeit, dieses Wort kannte keiner von ihnen in diesen Tagen, Ardik hatte das letzte Mal vor etwa 15 Stunden ein wenig geschlafen und war bis jetzt vollkommen ausgeruht gewesen. Nur wenige konnten dies ebenfalls von sich behaupten, die meisten waren vollkommen erschöpft und ausgelaugt, es war gut, dass sie nun eine kleine Verschnaufpause bekamen. Am Ende des nächsten Ganges stieß er auf einige Runen des Aurbethkelts, Irvin hatte ihm nie viel über diese Schrift erzählt und doch versuchte er zu entziffern „Åf gein Thendena vö fert, fåger osuartha dets Chuan zas bi Kethliosch ris ar støtt ej xar – Wenn scharfe Klingen jemanden niederstrecken, dann wird seine Seele in den Himmel steigen und dort auf ewig ruhen“ Diese Inschrift musste noch aus dem ersten Zeitalter stammen, denn heutzutage wurden diese Runen nicht mehr besonders oft verwendet, besonders nicht für lange Texte. Ardik machte halt und betrachtete die in den Stein gemeißelten Runen genauer, sie schienen wie glatt poliert und in einer solch genauen Formation zu stehen, dass eigentlich nur ein Magier sie hätte zeichnen können. Die Soldaten, denen er auf dem Weg zur Haupthalle begegnete führten bei seinem Anblick stets eine ehrfürchtige Geste aus, Ardik hatte ihr Vertrauen und ihren Respekt durch den Sieg in der Schlacht gewonnen wie es schien, und diese Treue brauchte er dringend, in diesen Zeiten war jeder Soldat wertvoll, mochte er auch noch einen noch so niedrigen Posten beziehen, außerdem erfreute es ihn auch zu großen Teilen, sie hatten ihn als ihren Anführer akzeptiert, seit Sarrolf tot war hatte er damit gerechnet dies nie zu erreichen, doch nun war die Zeit gekommen. Aber allein durch Respekt ließ sich leider keinen Krieg gewinnen. Jeder verließ sich nun auf ihn, vom Rekruten bis zum hohen Offizier, ausnahmslos jeder. In der schwarz-grauen Haupthallte angekommen, war schnell zu merken, dass die maladrischen Banner durch die des Silbernen Raben ersetzt worden waren, ein wohliger Anblick wie Ardik fand. Zwei große, ovale Fenster beleuchteten den riesigen Raum und ließen strahlend gelb-rotes Licht auf den lang gezogenen Steintisch fallen. Es war ein Spektakel, wie die Strahlen des hellen Morgenlichtes die Halle fluteten und sich dabei in alle Richtungen verstreuten. Es war noch niemand hier, daher war Ardik so frei und setzte sich auf einen der massiv im Boden verankerten Stühle. Nun fühlte er sich tatsächlich wie ein wahrer König, obwohl er noch lange keiner war, noch nicht. Es war nur eine kurze Zeit, welche Ardik in voller Einsamkeit genießen konnte, denn schon nach etwa acht Minuten traten Daria, Dwemblin, Raikan und zwei weitere Personen in die Halle, die Ardik jedoch noch nicht kannte. Einer von den Fremden machte einen Knicks vor ihm und flüsterte leise „Eure Majestät, wie lange haben wir auf diesen Tag gewartet, Jahre, ja, 20 Jahre haben wir hier gewartet und ausgehalten, für euch, nur für euch“ „Keine Sorge, Winterwacht ist wieder frei, ihr habt nicht umsonst gewartet“ Ardik vermutete, dass es ein ehemaliger Adeliger oder Statthalter sein musste, der ihn da gerade so respektvoll ansprach. Der zweite jedoch hielt sich eher bedeckt und blieb in einer Ecke des Raumes stehen, während sich die anderen auf die verbliebenen Stühle des Tisches setzten. Raikan stieß einen lauten Seufzer aus, als er sich hinauffallen ließ „Nun ist es also geschehen“ begann Daria „Winterwacht ist in der Hand des Ethan Koraki, und alle in diesem Saal hoffen, dass dies in nächster Zeit auch so bleibt“ Ein zustimmendes Nicken ging durch die Runde, bevor sie fortfuhr „Wir alle haben Blut vergossen und unsere Kameraden fallen sehen, und genau deshalb müssen wir sicherstellen, dass dieses große Opfer nicht umsonst war. Ardik Vaargast, Großprinz von Arkasnien und Heerführer des Silbernen Raben hat uns diesen Sieg geschenkt, er ist der Held dieser Schlacht, und das müssen wir uns alle vor Augen halten.“ Ardik stockte der Atem vor so viel Anerkennung. Daria hatte er so noch nie erlebt, sie schien förmlich zu strahlen vor Freude. Und alle Anwesenden am Tisch stimmten in ihr Lächeln ein „Auf dich Ardik“ Schrie Dwemblin und hob mit einem Ruck eine große Metflasche, Ardik wollte gar nicht wissen wo er sie her hatte. Der Zwerg löste mit einem leisen Knallen den Korken und leerte das Gefäß mit nur wenigen Schlucken. Ardik erhob sich von seinem Platz um etwas zu sagen, die Worte gingen ihm nur schwer über die Lippen, denn immer noch war er sehr angespannt „Es war mir eine Ehre an eurer Seite gekämpft zu haben, ihr alle seid Helden nicht nur ich. Vielleicht wird dies der einzige Tag in unserem Leben sein, welchen wir sorglos begehen können, daher sage ich, trinkt bis zum Umfallen, wir haben es uns verdient“ Ein Klatschen hallte durch den Raum und man hatte das Gefühl, dass es die gesamte Stadt flutete. Nachdem sie ein reichhaltiges Gelage mit allerhand Speisen und Getränken aus den umliegenden Ländereien gehalten hatten, kamen sie nicht umhin nun auch zum Thema Politik und Kriegsführung zu kommen. Ardik war dieses Mal eifrig bei der Sache und beteiligte sich bei den Gesprächen wo er nur konnte. Die meiste Zeit sprachen sie über das weitere Vorgehen beim Marsch Richtung Ajunga Ir, und besonders über die Nahrungsversorgung, denn diese sollte für ein großes Heer im Winter nur recht dürftig ausfallen „Wie steht es eigentlich im Krieg zwischen Maladrien und dem Königreich Matharunien?“ fragte einer der Adligen, dessen Namen Ardik immer noch nicht kannte „Dort hat sich seit Wochen nichts mehr bewegt, man könnte denken es würde dort gar kein Krieg herrschen, aber wer das glaubt, der irrt gewaltig. Vor etwa einem Monat wurde der Stolz der maladrischen Flotte, die Kondor weit draußen auf der Westsee von einem Schiff des Sultanats versenkt, seit dem überlegt es sich der Kaiser zweimal, bevor er wieder irgendwelche Schiffe irgendwohin entsendet“ antwortete Daria. Der Mann nickte und wandte sich wieder seiner vor Fett triefenden Hühnchenkeule zu. Eines, und zwar das wahrscheinlich wichtigste Thema sprachen sie jedoch fast die gesamte Zeit nicht an, die Drachen, anscheinend hatten sie alle entweder Angst oder wussten nicht recht womit sie anfangen sollten, und Ardik bemerkte dies, er versuchte sie auf allen möglichen Wegen dorthin zu locken, doch es wollte ihm nicht gelingen, vielleicht war es noch etwas früh, obwohl er auch mit Daria über Tyrs Angebot reden musste und wollte. Müdigkeit machte sich langsam aber sicher in ihm breit, während sie sich über ihm momentan so unwichtig erscheinende Dinge wie den Neuaufbau von Winterwacht diskutierten „Wir sollten Freiwillige aus der Stadt und Umgebung zusammentrommeln, dann hätten wir mindestens keinen Truppenmangel mehr“ warf er schließlich ein „Selbst das würde nicht reichen um die nahenden maladrischen Heere aufzuhalten“ entgegnete Dwemblin „Wir sind ihnen eins zu zehn unterlegen, wir könnten vielleicht...“ Er zupfte sich kurz an seinem Bart „Fünftausend Mann, mehr nicht, die Schlacht hat uns über die Hälfte unserer Leute gekostet, wir werden einige Zeit brauchen um das wieder aufzustocken“ Ardik runzelte die Stirn und antwortete „Trotzdem müssen wir aus den Ländereien neue Soldaten herholen, es geht gar nicht anders. Und wenn die Maladrier angreifen, dann werden sie auf die am besten befestigte Stadt aller Zeiten treffen“ „Wenn das so einfach wäre, wir müssen ja nicht nur Winterwacht verteidigen, wir müssen auch noch weiter vorrücken und das erscheint mir in unserer momentanen Lage schier unmöglich“ warf ein Offizier ein „Dann warten wir eben, wir warten und stocken unsere Armee auf, bevor wir dann nach Ajunga Ir marschieren“ Dwemblin schaute zu Ardik hinüber „Was meinst du? Wie lange brauchen wir um ein neues und schlagkräftiges Heer aufzustellen“ Ardik saß eher gebückt im Stuhl und lauschte den Worten des Zwergs nur mühselig „Es kann schon einige Monate dauern, vielleicht sogar bis zum Frühling vermute ich. Der Jahreswechsel ist in einem Monat, also dauert es noch, sagen wir einmal vier Monate“ Dwemblin nickte und wandte seinen Blick wieder dem Offizier zu „Hört ihr? Wir müssen wohl noch ein paar Monate warten“ „Es ist aber keine Zeit mehr zum Warten vorhanden“ „Es ist genug Zeit vorhanden, das verspreche ich euch“ versicherte ihm Ardik. Das Gespräch zog sich weiter, bis in die frühen Mittagsstunden hinein, schließlich kamen sie zu dem Schluss, dass sie tatsächlich noch ein wenig warten mussten, und dies war Ardik mehr als recht, denn wenn es wirklich bald nach Nortagard ging, brauchte er Zeit, vielleicht musste auch Daria den Silbernen Raben während seiner Abwesenheit anführen, er vertraute auf ihre Fähigkeiten, obwohl es ihm doch ein schlechtes Gefühl bereitete seine Truppen einfach so zurück zu lassen. Ardik entschied, sich Daria am nächsten Tag alles zu erzählen, während er die Halle mit den Worten „Ich werde mich jetzt ein wenig hinlegen“ verließ. Wo genau er sich zum Schlafen hinlegen wollte, war ihm noch nicht bewusst, doch nach kurzer Zeit fand er etwas, eine verlassene Schlafkammer, nichts großes, aber es war genug. Er legte seine Ausrüstung ab und ging vor dem Einschlafen noch einmal die wichtigsten Zauber durch, welche er kannte.