Читать книгу Drakoria - Vom Blut des Sternenwolfes - Gwain Beisemann - Страница 4
Kapitel 2 – Geist des Feuers
Оглавление„Ihr müsst ihn gehen lassen, und das wisst ihr, wir brauchen ihn, jetzt mehr denn je“ Die Worte des Drachen schallten in Darias Kopf wie glühendes Eisen „Wir brauchen ihn ebenfalls jetzt, und zwar nicht weniger als ihr“ „Unsere Schicksale sind verwoben Asteri, es ist unser beider Feind, welchen er bekämpfen wird. Wenn Mutran seine volle Macht erreicht hat, dann werden die Maladrier schnell in die Knie gehen, das sage ich euch, sie werden weggefegt werden wie ein Weizenfeld, das man in der Sommerhitze anzündet. Kogaan min, afton kuron bi Stryk“ „Ich glaube euch ja“ erwiderte Daria „Aber momentan ist er hier am besten aufgehoben, seine Ausbildung kann er vielleicht nächstes Jahr abschließen“ Tyrs Schnauben war deutlich zu hören, obwohl Daria ihn momentan nicht sah „Ihr versteht immer noch nicht, nächstes Jahr könnte es bereits zu spät sein, also lasst ihn seine Ausbildung so schnell wie möglich abschließen. Unsere Rückkehr hat die Welt erschüttert, und nun liegt es an ihm das Gleichgewicht wieder herzustellen, oder bei diesem Versuch sein Leben zu lassen“ „Wir können ihn sicherlich auch hier in Tarna unterrichten, bestimmt finden wir noch jemanden der ein Lehrer zu sein vermag“ Daria wusste genau, dass diese Antwort den Drachen nicht zufriedenstellen konnte und fügte in beifälligem Ton an „Nur kenne ich niemanden“ „Die Feuer erheben sich, die Heere wachsen, das Eis bricht, die Zeit ist gekommen. Ihr könnt nicht verhindern, dass er mit mir nach Nortagard kommt, pa Aventos“ Der aufziehende Wind ließ die Banner links und rechts der Festung heftig flattern und erzeugte einen pfeifenden Ton, welcher von den Mauern widerhallte. Die Asteri versuchte einen klaren Kopf zu fassen, doch bei allem was sie auch tat, sie musste Ardik gehen lassen. Es war zum Wohle aller Völker von Tarna und Nortagard. Fast eine halbe Stunde verstrich, bevor sie schließlich all ihre Kraft zusammennahm und antwortete „Na gut, ich werde ihn gehen lassen, ihr hattet recht, sein Schicksal ist nicht nur auf Tarna beschränkt, es tut mir leid, dass ich euch angezweifelt habe“ Daria konnte den Drachen zufrieden brummen hören, bevor er aus seiner Deckung von einer der Festungszinnen herabsprang und ohne eine weiteres Wort zu verlieren wieder davonflog. Es würde eine schmerzliche Erfahrung werden, doch Daria wusste was getan werden musste, seit ihrer ersten Begegnung mit Ardik hatte sie es gewusst. Mit gesenktem Kopf aber mit dem Wissen alles richtig gemacht zu haben kehrte sie in die inzwischen verlassene Haupthalle zurück. Hier war alles still geworden, nichts rührte sich, sie legte die Hand auf die kalte Marmorplatte und begann einige Male tief ein- und auszuatmen. Tyr hatte bereits mit Ardik gesprochen, so viel war klar, trotzdem würde es ihr schwer fallen ihm zu sagen, dass er den Silbernen Raben für eine Zeit lang verlassen müsse. Sehr viel hatten sie in letzter Zeit erlebt, so viel, dass es sie auf eine besondere Art und Weise verband. Kalter Nebel wich, Sonne bedeckte die Mauern und Türme von Winterwacht, doch die lodernde Glut am Horizont begann langsam wieder hinter selbigen zu verschwinden. Die Nacht brach ein, das glitzernde Sternenzelt breitete sich wie eine Decke über allem aus, und Daria beobachtete nur, sie beobachtete wie sich kleine Sternschnuppen ihren Weg über das große, schwarze Zelt bahnten, nur um schließlich vom unendlichen Nichts verschlungen zu werden. In weiter Ferne lag der Krieg nun nicht mehr, was sie hier erlebt hatten war nicht mehr als ein kleiner Konflikt und einige Scharmützel gewesen, gegen das was ihnen nun bevorstand. Ihnen stand die Neuaufnahme eines Krieges bevor, welcher Tarna vor nur etwa 400 Jahren fast gänzlich vernichtet hätte, in nicht allzu vielen Wochen brach das Jahr 497 des zweiten Zeitalters an „497 Jahre, und es beginnt schon wieder“ flüsterte Daria in sich hinein, während sie weiter den Lauf der Sterne verfolgte. Alles was man über diese Zeit wusste, waren alte Sagen und Legenden, sowie einige Schriften, die Tatsache, dass die Drachen nun aber zurückgekehrt waren, eröffnete ihnen vollkommen neue Möglichkeiten, einige von ihnen hatten den Drachenkrieg miterlebt, denn sie waren fast so alt wie die Zeit selbst. Niemand konnte ihrem Willen entfliehen, und das wusste Daria, sie musste Ardik gehen lassen und zwar so schnell wie möglich „Väl Abdte!“ erklang es aus einer dunklen Ecke der Halle, es war Raikan, welcher gerade dabei war seinen Dolch an einem kleinen, goldglänzenden Stein zu schärfen „Väl Abdte“ erwiderte Daria und stellte sich wieder aufrecht hin. Raikan ließ den Schleifstein zurück in seine Tasche gleiten „Ich weiß zwar nicht WAS ihr mit dem Drachen dort eben besprochen habt, aber ich glaube ich kann aus Erfahrung vermuten das es nichts Gutes war, habe ich recht?“ Erschrocken von dieser Aussage konnte Daria nicht verhindern, dass sie reflexartig an den Griff ihrer Waffe packte, sich dann jedoch wieder ein wenig entspannte und krampfhaft nach einer Antwort suchte „Das geht euch überhaupt nichts an“ Eine bessere Aussage fiel ihr zur Zeit nicht ein und Raikan verzog das Gesicht „Ich glaube schon, dass es mich wohl etwas angeht, ich bin Teil des Ethan Koraki geworden, also steht es mir auch zu alles zu erfahren was ihr besprecht“ „Egal mit wem“ fügte er an „In dieser Angelegenheit habt ihr nichts zu suchen, das ist allein eine Sache zwischen mir und Ardik. Es geht um mehr als nur um den Krieg gegen die Maladrier“ „Ach nein? Worum geht es dann?“ Daria versuchte sich zurückzuhalten, denn sie war gerade im Begriff alles preiszugeben „Es geht um Dinge, die größerer Natur sind als die Konflikte der Menschen, und auch größer als allein die Tarnas. Mächte sind am Werk, welche es vermögen unsere gesamte Welt zu verschlingen und in den Abgrund zu reißen, wahrlich, es geht euch nichts an!“ Raikan trat einige Meter zurück, verschränkte die Arme und antwortete „Dann werde ich morgen mit Ardik selbst darüber sprechen, und er wird mir erklären, was ihr nicht preisgeben wolltet“ „Ihr könnt es gerne tun, er wird euch sicherlich mehr verraten, aber ich für meinen Teil werde an euch kein Sterbenswörtchen verlieren“ „Wir ihr meint“ spie Raikan aus und wand sich von ihr ab. Eigentlich hätte Daria ihm liebend gerne von allem erzählt, aber sie hatte die Provokation absichtlich gewählt, Raikan sollte es von Ardik erfahren, nicht von ihr. Mit der Zeit jedoch fragte sie sich ob es überhaupt einen Unterschied machen würde. Den Rest der Nacht verbrachte sie damit, Einträge in ihr Tagebuch zu machen und begonnene Zeichnungen zu vollenden, ein angespitztes Stück Holz diente ihr dabei als Federersatz. Das Zimmer in welchem sie sich befand, schien anders als die anderen Räume der Festung kalt und düster, doch hier war für sie der beste Ort die vergangenen Ereignisse niederzuschreiben. Ein scharfes Kratzen zog sich an ihre Ohren, als das Eichenholz über das schneeweiße Papier zu schaben begann „23. Tag des zehnten Monats im Jahre 497 2Ë. Es ist vollbracht, Winterwacht ist frei, fast die gesamte Nacht mussten wir uns durch die Reihen und Mauern des Feindes kämpfen. Über 2000 Männer haben wir verloren, konnten jedoch über 10000 feindliche Soldaten in den Tod reißen, die restlichen 200 mussten wir in den alten Festungskerkern unterbringen“ Daria hielt inne und steckte das kleine Stück Holz zurück in das gläserne Tintenfass, mehr brauchte sie nicht zu schreiben, jedenfalls jetzt nicht. Die Nachwelt brauchte nicht alles über die vergangenen Tage zu wissen, besonders nichts über Ardiks baldige Abreise, welche, wenn alles nach Plan lief, in wenigen Tagen anbrechen würde. Ein Gedanke kam ihr, schnell und zielsicher wie der Blitz eines abendlichen Sommergewitters und sie zog die kleinen purpurnen Stein wieder aus ihrer Tasche, er fühlte sich schwerer an als das letzte Mal, ihn hatte sie nach dem Kampf gegen einige maladrische Soldaten erbeutet und wusste bis jetzt nichts rechtes damit anzufangen. Was sie aber nun spürte war, das er schwerer geworden zu sein schien, und auch die magische Kraft in ihm selbst hatte wohl zugenommen. Abschätzend wog sie ihn in der Hand, tatsächlich, die magische Energie war um ein vielfaches stärker als noch vor einigen Wochen. Einige Theorien kamen Daria dabei in den Sinn, aber nur eine von ihnen schien plausibel zu sein. Der Stein hatte anscheinend die Energie der um sie herum sterbenden in sich aufgenommen, eine andere Erklärung gab es nicht. Wenn dies jedoch so war, dann war dies, was sie gerade in den Händen hielt eine mächtige und angsteinflößende Waffe, der Stein durfte auf gar keinen Fall in die falschen Hände geraten, doch wenn es mehr davon gab? Daria wollte diesen Gedanken gar nicht erst in ihren Kopf vordringen lassen, aber sie konnte es nicht verhindern. Wollte Arkanol etwa damit die Kräfte seiner Magier sichern, mit einigen Dutzend dieser Steine, so schien es jedenfalls, konnte man vielleicht eine ganze Armee von feindlichen Magiern eine lange Zeit über mit Energie versorgen. Vielleicht waren sie derselben Natur wie der Rubin am Knauf von Ardiks Schwert Lurnar „Möglicherweise könnten wir die in diesem Stein enthaltene Energie für uns selbst nutzen, oder Ardik könnte sie nutzen, wenn seine eigene Kraft irgendwann einmal nicht mehr ausreichen sollte“ Aber nein, das Risiko war zu groß, dachte sie und verstaute den purpurnen Kristall wieder in der rechten Seitentasche ihrer schwarzen Lederrüstung. Mehr einem Reflex als einem Gedanken folgend zog sie nun das alte, verstaubte Buch heraus, es war wichtig, dass Ardik es noch vor seinem Aufbruch erhielt „Bi Drekna“ die aufgeschweißt, eiserne Schrift schien selbst in den nächtlichen Stunden ohne Licht und Sonne zu glänzen. Makellos waren die Runen im Inneren, auf den sich rau und kratzig anfühlenden Pergamentseiten. Daria fuhr sich mit der Hand an die Stirn, dieses Werk war älter als das Königreich, älter als die Zwerge, vielleicht älter als Tarna selbst. Tausende von Jahren war von einer Hand in die nächste gegeben worden, von Detnarok, welcher das Land Tarna erstmals besiedelte, über Tartunax bis hin zu Rodr, und nun hielt sie es in den Händen, eine Asteri und Kämpferin des Silbernen Raben.