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Оглавление5: Anerkannter Asylant – Endlich Zugang zum Sprachkurs
Endlich, nach ungefähr zwei Monaten, war mein Antrag bearbeitet und ich erhielt offiziell Asyl. Das bedeutete: Ich erhielt die Erlaubnis zum Besuch eines Sprachkurses! Jetzt konnte ich richtig loslegen, Grammatik und Co lernen! Die Freude hielt sich doch in Grenzen, denn die deutsche Sprache ist wirklich sehr anspruchsvoll. Entsprechend schwierig war der Einstieg, und noch schwieriger war das Lernen mit ‚schlecht hören und schlecht sehen‘. Manchmal verstand ich die Wörter ohne Hörgerät gar nicht, und mit Hörgerät verstand ich sie falsch. Frustrierend war das. Aber die Lehrerin war sehr nett, ich durfte ganz vorne an der Tafel sitzen und es wurde alles für mich wiederholt, was ich fragte.
Und dann lernte ich Tag und Nacht. Ich hatte mir gleich mehrere Bücher besorgt, darunter befanden sich auch Kinderbücher, die waren sprachlich einfach, und es waren Spenden, also hatte ich die Bücher kostenlos erhalten. Das war gut für den Anfang. Ich musste das einfach schaffen, ich musste unbedingt mein eigener Übersetzer werden. Jeden Nachmittag las ich in Wörterbüchern und schrieb Sätze in die Schulhefte. Die zeigte ich am Tag darauf der Lehrerin. Sie unterstützte mich und machte mir Mut: „Super, Hady, so wird dein Deutsch langsam besser. Aufgeben gibt es nicht. Ich helfe dir gerne, du kannst mir weiter alle Übungen bringen.“
Wie gesagt, es gibt Menschen, die uneigennützig helfen. Toll! So konnte ich nach ein paar Monaten schon ein bisschen reden, wenn auch behelfsmäßig. Die Sprachanwendung fand allerdings nur in der Schule statt. Deutsche Freunde hatte ich noch nicht.
Bei Amts- oder Arztterminen gelang die Verständigung langsam besser, das merkten auch die Beschäftigten dort. Zu meiner Augenärztin in der Klinik begleitete mich einmal ein Englisch-Dolmetscher. Die Ärztin sprach zu ihm in Englisch und er übersetzte für mich in Ezdiki (*). Mit mir sprach sie zusätzlich Deutsch und merkte, dass ich sie ganz gut verstand. Super sei das, ich verstünde ja schon ziemlich viel, das sei vor ein paar Monaten noch ganz anders gewesen. Als ich an der Reihe war, schlug sie vor, dass mein Englisch-Dolmetscher im Wartezimmer bliebe. „Den brauchen wir nicht!“, strahlte sie. So machten wir es dann auch. Wir verzichteten auf den Übersetzer und ich versprach ihr, dass es beim nächsten Mal sogar noch besser klappen würde. Ich war auf mich und auf meine Lehrerin stolz. Immerhin war sie es, die mich bestärkt hatte, nicht aufzugeben. Beim Ausfüllen der Papiere für die Ämter halfen mir Renate Koch und Sigrid Grüninger von der Diakonie. Sie sagten, sie machten das gerne für mich und ich dürfte ruhig mit allem kommen, was nötig ist. Mit der Sprache klappe es ja schon prima, meinten sie, und das Ausfüllen von Formularen würde ich schon noch lernen. Na, ja, Amts-Deutsch ist bis heute schwierig für mich. Doch wie ich gelernt habe, ist es das für viele Deutsche auch. Man denke nur an die Steuererklärung oder Ähnliches. Da sind sie schon ‚ein bisschen verrückt‘, die Deutschen: ALLES muss man schriftlich erledigen: Formulare, Formulare, das bin ich von meiner alten Heimat her nicht gewohnt.
Renate Koch hatte dann noch eine gute Idee: Um eine Sprache zu lernen, braucht man Kontakt, Sprachpraxis, Leute, mit denen man reden kann. Ich hatte ja schon manchmal ein Internet-Café besucht, da konnte man für einen Euro pro Stunde Deutsch-Übungen machen. Außerdem ging ich einkaufen, aber der wirkliche Kontakt zu Muttersprachlern fehlte noch. Ich solle zusätzlich zum Familienzentrum kommen, so lautete Renates Empfehlung. Da gäbe es kostenlose Internet-Möglichkeiten und viele Kontaktangebote, zum Beispiel gemeinsame Koch-Veranstaltungen oder Spielenachmittage. Gesagt, getan. Inzwischen bin ich richtig gut in Mensch-Ärgere-Dich-Nicht und im UNO-Kartenspiel. Eine bunte Auswahl an Möglichkeiten wurde angeboten, das war toll! Seitdem bin ich ein Familienzentrumfreund und ehrenamtlicher Mitarbeiter dort. Ich helfe neuen Geflüchteten beim Übersetzen und Deutschlernen. Auch an Flohmarktverkäufen und wiederholten internationalen Koch-Aktionen beteiligte ich mich schon. Ich wurde sehr für mein Biryani (ezidisches Reisgericht mit Rosinen, Mandeln bzw. Nüssen, Fleisch und Gewürzen) gelobt, das kann ich sogar mit einem Arm kochen! So hatten mir also wieder einmal Menschen Segen beschert! Renate Koch ist inzwischen wie eine Mama für mich, ein wunderbarer Mensch, ich mag sie sehr. Mein Deutsch wurde auf diese Weise praktisch nebenbei besser – und ein paar Jahre später wurde ich sogar Übersetzungshelfer im Nebenjob, finanziert von der Stadt Neu-Ulm. Meine Arzt- und Amtsgänge erledige ich selbstständig und diskutiere mit Fachkräften, um meine Anliegen zu vertreten.
Mama Koch und Sigrid Grüninger hatten bald zusätzliche Hilfe bei der Wohnungssuche angeboten. Sie würden auch für zwei Menschen suchen, also für mich und einen Mitbewohner, das war manchmal einfacher. Aber ich fand niemanden, der mit mir wohnen wollte. Meine Behinderung war wohl ein Problem für manche Menschen. Es dauerte bis 2010, dann konnte ich das Asylwohnheim verlassen. Endlich, ich war so froh! Sechs Monate lang hatte mein Heimaufenthalt gedauert! Es war doch schwierig, ohne Privatsphäre auszukommen, außerdem hatte ich auch Diskriminierung durch geflüchtete Mitbewohner erlebt. Meine eigenen vier Wände – was für eine Wohltat!