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Zu Hause
ОглавлениеWas manche Menschen in die Depression getrieben hätte, störte die Goor gar nicht, die sogar bei der Dunkelheit geradezu aufzublühen schienen.
Überall wurden Abendgesellschaften gegeben, es wurde mit Freunden gespielt oder man gab einfach Parties, das war unglaublich, wo man sich bei uns Menschen verkroch und einigelte, machte man bei den Goor ein Fass auf und feierte. Marietta und ich beschlossen, in der Folgewoche unsere Nachbarn einzuladen, auch Erja und Aulis, die wir schon lange nicht mehr gesehen hatten, wir würden uns unterhalten und, wenn uns der Sinn danach stünde, mit ihnen spielen, Marietta und ich hatten an das Pantomime-Spiel gedacht. Dazu würden wir vielleicht drei Mannschaften bilden oder auch nur zwei, von denen sich jede Begriffe überlegte, die ein Mitglied der jeweils anderen Mannschaft den eigenen Gruppenmitgliedern pantomimisch darstellen musste. Wir hatten früher dabei wahnsinnig witzige Momente erlebt, besonders witzig waren dabei natürlich abstrakte Dinge, die extrem schwierig vorzuführen waren. Es herrschte absolutes Redeverbot, es kam allein auf die Vorführkunst der Gruppenmitglieder an, wir würden sehen, ob unsere Nachbarn Spaß daran hätten. Es würde dann die Zeit notiert, die vom Beginn der Vorführung bis zum Erraten des gesuchten Begriffes verstrichen wäre. Die Mannschaft mit der kleinsten Zeitsumme hätte gewonnen. Reden gäbe Strafsekunden oder -minuten, darüber müsste man sich noch verständigen.
Ich müsste noch zur Verteilstelle und ordentlich etwas zu trinken besorgen, damit wir für unseren Nachbarschaftsabend auch gut versorgt wären. Am nächsten Tag war Heiligabend, ein Datum, das bei den Goor natürlich überhaupt keine Rolle spielte, weil sie nicht an Gott glaubten. Marietta und mir wurde aber doch ein wenig warm ums Herz, als wir bei uns zu Hause vor dem Kamin saßen und an früher dachten.
Wenn wir ein Kind hätten, ob denn dann das Weihnachtsfest für uns eine Rolle spielen würde, fragten wir uns, meinten aber, dass wir unser Kind nicht religiös erziehen würden, weil wir beide auch nicht an Gott glaubten. Wahrscheinlich würden sich die Gedanken an Weihnachten völlig verlieren, so schön so ein Fest auch immer war, wenn man mit den Eltern zusammensaß, am ersten Feiertag ein opulentes Mahl zu sich nahm und der vergangenen Jahre gedachte, als man selbst Kind war. Aber ein Fest, das dem Weihnachtsfest gleichkäme, könnte man immer feiern, dazu brauchte man keine Religion und in die Kirche müsste man erst recht nicht.
Ich fuhr zum Schlachthof und holte reichlich Fleischnachschub, anschließend besuchte ich die Verteilstelle, um mich mit Getränken und „Kum“ einzudecken. Zu Hause fütterte ich die Tiere und ging anschließend mit Marietta zu den Nachbarn, um sie für den nächsten Tag einzuladen, sie sollten Hunger und Durst und vor allem gute Laune mitbringen. Wir sagten, dass sie am Nachmittag kommen sollten, damit wir so früh wie möglich mit unserer Spielrunde starten könnten. Alle hatten Zeit und freuten sich über die Einladung, auch Erja und Aulis freuten sich, um sie war es ja wegen ihres Alters schon recht ruhig geworden, sie waren wegen jeder Anregung von außen erfreut. Wir hielten uns jeweils eine halbe Stunde bei den Nachbarn auf, in der wir eine Tasse Kaffee tranken und etwas Obst aßen, einen Schnaps wies ich dankend zurück, Marietta sowieso. Am Tag des Zusammentreffens mit den Nachbarn räumten wir alles auf, ich holte ordentlich Holz hinein, damit wir ein schönes Kaminfeuer hatten, und ich schuf Platz und somit Sitzplätze für acht Spielteilnehmer. Am Nachmittag schellte es und Maaret und Kimmo waren die Ersten, die kamen, sie hatten Jouko natürlich zu Hause gelassen, der sich unter den vielen Alten nur gelangweilt hätte. In kurzen Abständen erschienen dann Erja und Aulis und zum Schluss Nea und Pentti. Wir setzten uns in einer Runde vor das Kaminfeuer und erzählten, was wir in den letzten Wochen so alles erlebt hätten. Am meisten hatten Marietta und ich zu erzählen, wir sagten, dass wir einen Jungen als Stammhalter bekämen, alles verliefe mit der Schwangerschaft normal, der Fötus wäre gesund, in zwei Monaten hätten wir einen Schreihals zu Hause. Alle freuten sich mit uns, dann wären wir eine richtige Familie. Wir fuhren fort und erzählten vom Bau des Steges und der Aufenthaltsfläche in der Eichenkrone vor Eiras Zimmer, die Pekko zusammen mit seinen Kollegen und mir gebaut hätte. Im Winter wäre es dort nicht so interessant und vor allem zu kalt, aber vom Frühling bis zum Herbst, wenn die Eiche in vollem Laub stünde, dann käme man sich in der Krone vor wie in einem geschützten, völlig ruhigen und in ein unwirkliches Licht getauchten Raum. Die allergrößte Neuigkeit behielten wir uns bis zum Schluss auf, das war die im nächsten Frühjahr geplante Doppelhochzeit auf dem Schloss. Wir hätten die Neuigkeit selbst erst vor zwei Tagen aus erster Hand erfahren, es würde ein riesiges Fest gefeiert wie man sich wohl leicht vorstellen könnte.
Alle meinten, dass es Jarmo auch vergönnt wäre, eine Frau an seiner Seite zu haben, nachdem er sechs Jahre lang ohne Partnerin gelebt hätte. Ich gab jedem etwas zu trinken und nahm selbst ein Bier, Pentti und Kimmo auch, Aulis nahm Wein wie die Frauen, nur Marietta nahm Saft. Man sähe doch sehr deutlich, dass es bei uns bald Nachwuchs gäbe, sagten die Nachbarn, wie es Marietta denn ginge, man könnte sich vorstellen, dass so ein gewaltiger Bauch eine ziemliche Last wäre. Und Marietta antwortete, dass sie natürlich ihren Bauch spürte und teilweise auch Schwierigkeiten hätte, sich zu bewegen, dass aber alles seinen normalen Gang liefe und sie sich eben einschränken müsste. Maaret wusste noch, wie schwer es ihr vor fünfzehn Jahren gefallen war, sich zu bewegen, mit welchen Problemen sie zu kämpfen hatte, ihren normalen Alltag zu bewältigen, wenn Kimmo nicht gewesen wäre und ihr die eine oder andere Arbeit abgenommen hätte, hätte sie sich nicht zu helfen gewusst. Marietta und ich sagten dann, dass, wenn uns alle etwas schenken wollten, wir eine Babywiege haben wollten, eine Wiege brauchten wir unbedingt, denn schließlich müsste unser Kind in einem eigenen Bett schlafen. Sie könnten sich alle zusammentun, damit nicht jeder etwas schenken müsste, auf die Weise hätten wir eine bleibende Erinnerung an unsere liebe Nachbarschaft. Wir stießen miteinander auf unser aller Zukunft an und tranken, Marietta hatte zwar nur Saft, war aber sehr zufrieden damit. Der Kamin brannte und brachte zumindest für unsere Sitzrunde eine angenehme Wärme.
Uns stand der Jahreswechsel bevor und wir fragten unsere Nachbarn, ob man das im Goor-Reich besonders feierte. Sie antworteten, dass man auf dem Schloss immer ein Feuerwerk veranstaltete, das für die gesamte Stadt gälte, die Goor träfen sich und feierten den Jahreswechsel privat. Feuerwerk im privaten Rahmen wäre in der ganzen Stadt wegen der großen Brandgefahr verboten, vor Jahren hätte es einmal einen verheerenden Brand mit vielen Todesopfern gegeben, seitdem gälte das Verbot. Und dann fingen wir an, Pantomime zu spielen, Marietta und ich erklärten kurz die Spielregeln und wir bildeten nur zwei Mannschaften, Marietta, Maaret, Kimmo und ich waren in der einen, Erja, Nea, Aulis und Pentti in der anderen Mannschaft. Wir setzten uns dann mannschaftsweise auseinander und überlegten fünf Begriffe, die jeweils darzustellen wären.
Ich schüttete allen etwas zu trinken nach, gab Kimmo und Pentti noch ein Bier und holte mir selbst auch noch eine Flasche, ich machte an dem Tag eine Ausnahme von meiner Alkoholbeschränkung. Nach einer Viertelstunde der Begriffsfindung setzten sich die Mannschaften wieder auf ihre Plätze vor dem Kamin und ich fing an, einen Totengräber darzustellen, während jemand aus der anderen Mannschaft die Zeit stoppte. Ich überlegte eine Zeit lang und gab dann das Zeichen, dass ich fertig wäre und die Zeit gemessen würde. Ich machte zunächst das Zeichen für zwei, womit ich andeutete, dass ich mit dem zweiten Wortbestandteil anfangen würde. Ich machte Grabbewegungen, die sofort erkannt wurden, meine Mannschaft rief „Graben“, „Gräber“ und ich bestätigte die Richtigkeit durch Zeichen. Dann spielte ich tot, indem ich so tat, als bräche ich zusammen und ein Kreuz in die Luft machte, was die Goor aber nicht kannten, sie sagten aber dennoch „tot“ und „krank“. Ich bestätigte „tot“ durch Zeichen und forderte meine Gruppe durch Zeichen auf, zu kombinieren und zu raten und nach fünfundvierzig Sekunden kam der Begriff Totengräber. Wir mussten alle lachen und machten uns lustig über die eine oder andere Art, in der ich etwas dargestellt hatte, wir stießen miteinander auf das Spiel an und dann war jemand aus der anderen Gruppe dran, der einen Heiligenschein darstellen musste. Das war zugegebenermaßen sehr schwer, Pentti überlegte kurz und fing dann an, zuerst den ersten Begriffsbestandteil darzustellen, was er durch Zeichen zu verstehen gab, er machte Kreisbewegungen um seinen Kopf und seine Gruppe rief „Hut“, „Kappe“ usw. Pentti wiederholte die Kreisbewegungen, bis jemand „Heiliger“ rief, was er sofort mit einem Zeichen bestätigte. Wie stellte man einen Schein dar, das war die Frage, die Pentti sehr elegant löste, er machte einfach noch eine Kreisbewegung um seinen Kopf und zeigte immer auf den Kreis, bis jemand „Schein“ rief, was er sofort bestätigte, bis zum Heiligenschein waren es dann nur noch Sekunden. Unser Spiel dauerte mehrere Stunden, die Spielzeit unterbrachen wir durch eine Esspause, ich holte „Kum“ und Obst, wir tranken dazu und unterhielten uns über das Spiel.
Wer denn vorn läge, wollten einige wissen, unsere Gruppe lag in dem Moment mit zehn Sekunden vorne, aber das konnte sich noch ändern, wir hatten noch zwei Begriffe pro Mannschaft zu erraten. Vorerst aßen wir aber und waren lustig, das mit dem Spiel wäre eine klasse Idee gewesen, sagte Erja, sie hätte zuletzt mit ihren Kindern gespielt und das läge schon mehr als sechzig Jahre zurück, wenn man von einigen Kartenspielen absähe, die sie mit ihrem Mann gespielt hätte. Meine Gruppe gewann am Ende mit fünfzehn Sekunden Vorsprung, aber nicht, weil sie schneller gewesen wäre, sondern weil Aulis während seiner Darstellung gesprochen hatte, was seiner Gruppe dreißig Strafsekunden eingebracht hatte, die wir vorher für das Reden vereinbart hatten. Wir freuten uns in unserer Gruppe, und Aulis machte ein bekümmertes Gesicht. Wir redeten dann mit ihm und sagten ihm, dass er sich seinen Fehler nicht zu Herzen nehmen sollte, schließlich wäre die ganze Sache doch nur ein Spiel. Nach und nach wurde Aulis wieder umgänglicher und schien die Sache vergessen zu haben. Es war fortgeschrittener Abend geworden und ich hatte eine Schnapsflasche geholt, es gab gut gekühlten Obstler und ich goss, außer Marietta, jedem ein Gläschen ein, und als das getrunken war, gab es noch ein zweites. Dann war unser gemeinschaftlicher Nachbarschaftsabend beendet und alle gingen nach Hause, Erja hatte Aulis seinen Fehler am Ende auch verziehen. Ich räumte schnell auf, und wir gingen ins Bett.