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Mit Pekko nach Kavaniemi

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Ich sagte, dass Pekko und ich am Montag nach Kavaniemi führen, um mein Skelett von der dortigen Universität abzuholen, der Lehrstuhl für Physiologie hätte es ausgesondert und brauchte es nicht mehr. Im Nachbarreich bei König Jyri lebten ja die den Goor verwandten Teen, bei denen es vereinzelt doch Krankheiten gäbe, wie sie bei den Menschen vorkamen, deshalb hätten die Teen einen Lehrstuhl für Physiologie. Die Teen hätten ein längeres Fell und wären etwas kleinwüchsiger als die Goor, vom Wesen her wären sie aber genauso friedfertig und sanftmütig, auch die Teen lebten nach einem moralisch-ethischen Kodex, der dem im Goor-Reich durchaus vergleichbar wäre.

Wir verließen das Schwimmbad wieder und begleiteten unsere königlichen Freunde zum Schloss. Das wäre voraussichtlich das letzte Mal vor der Geburt gewesen, dass wir zusammen schwimmen wären, sagte Marietta, sie wollte sich bis zur Geburt so wenig wie möglich bewegen. Wir setzten uns in den Salon und Meeri und Jarmo ließen Getränke bringen, das Kaminfeuer brannte. Ich brachte Marietta dann nach Hause und fuhr anschließend zum Schlachthof, wo ich ein paar Elchkeulen einlud, die ich wieder zerkleinern ließ, damit ich nicht zu Hause mit einer Axt herumhantieren musste. Dann fuhr ich zur Verteilstelle und lud den Kofferraum voll Holz, die Elchkeulen hatte ich in einer Plastikwanne auf den Rücksitz gelegt. Allzu viel Holz passte nicht in meinen Kofferrraum, ich würde noch einmal zurückkommen und noch eine Ladung Holz nach Hause bringen müssen.

Zu Hause lud ich die Sachen aus dem Auto, brachte die Keulen in den Gartenschuppen und stapelte das Holz am Hause auf. Dann machte ich mich ein zweites Mal zur Verteilstelle auf, packte den Kofferraum und die Rückbank voll Holz und hatte danach eine Holzmenge zusammen, mit der wir unseren Kamin wieder ein paar Wochen lang befeuern könnten. Ich legte zu Hause alles fein säuberlich auf den Holzstapel, nahm ein paar Scheite mit ins Haus und steckte den Kamin an, vor dem es sich Marietta schon gemütlich gemacht hatte. Ich war regelrecht geschafft von der vielen Fahrerei und Plackerei und machte mir erst einmal ein Bier auf, Marietta goss ich einen Saft ein. Sie machte mich wieder auf plötzliche Bewegungen in ihrem Bauch aufmerksam, nahm meine Hand und legte sie auf ihren dicken Bauch und ich spürte ganz deutlich, wie sich unser Kind im Mutterleib zu regen begann, als wollte es die enge Behausung endlich verlassen.

„Nur noch zweieinhalb Wochen!“, sagte ich, „solange wirst Du wohl noch aushalten!“ Dann trank ich mein Bier, das nach der Anstrengung ausgezeichnet schmeckte, ich holte mir auch noch ein zweites.

Am nächsten Tag, einem Sonntag, machten Marietta und ich nicht viel, wir lasen am Vormittag und wir widmeten uns am Nachmittag meinem Vorlesungsplan. Ich fütterte die Tiere und fläzte mich mit Marietta vor den Kamin. Die Momente der völligen Entspannung würden uns dann in der nächsten Zeit wohl genommen werden, unser Kleiner würde hoffentlich viel schlafen und diese Momente würden wir dann nutzen und uns ausruhen. Es gab bei uns aber auch gegenteilige Erfahrungen mit Kindern aus dem Bekanntenkreis, die gar nicht zur Ruhe kamen und ihre Eltern im Dauerstress hielten, das blieb uns hoffentlich erspart. Klaus-Jarmo sollte eigentlich ein ruhiges ausgeglichenes Kind sein, wir hatten uns beide während der gesamten Schwangerschaft bemüht, Ruhe zu bewahren und keine Hektik aufkommen zu lassen, das sollte sich eigentlich auf das Kind übertragen haben.

Am Montagmorgen verabschiedete ich mich nach dem Kaffee von Marietta und traf mich mit Pekko auf dem Schlossparkplatz, wo er schon bereitstand, seine Sachen ins Auto lud und einstieg. Wir begrüßten uns kurz und fuhren dann zur Landstraßenauffahrt, um nach Nordosten ins Teen-Reich zu fahren. Ich hatte „Kum“ und eine Thermoskanne Kaffee dabei, damit wir unterwegs versorgt wären, wir wussten nicht, ob es Rasthöfe gäbe, ich war auch zu faul gewesen, mich vorher danach zu erkundigen. Wir würden auf einem Waldparkplatz eine Pause machen und die Sachen vertilgen, die ich eingepackt hatte. Pekko war guter Dinge, es wäre lange her, dass er mit einem Wagen eine so lange Strecke gefahren wäre und im Teen-Reich wäre er zuletzt vor fünfzehn Jahren gewesen, damals hätte er die Königin und den König zu König Jyris Hof gefahren, sie wären zur Einschulung von Jyris Tochter geladen gewesen und wegen ihres ausladenden Geschenkes nicht geflogen, das wäre sonst zerstört worden. Als wir auf die Landstraße kamen, stellte sich nach kurzer Zeit ein Gefühl des Dahingleitens ein.

Wir fuhren mit 90 km/h durch die Lande und machten nach eineinhalb Stunden, wir hatten ungefähr hundertundzwanzig Kilometer zurückgelegt, eine Pause, noch im Goor-Reich, die Grenze zum Teen-Reich war aber in unmittelbarer Nähe. Wir fuhren mitten durch ein großes Waldgebiet, das sich auch im Westen des Goor-Reiches erstreckte, auf einen Parkplatz und waren dort mutterseelenallein, es fuhren so gut wie keine Autos in dieser entlegenen Gegend unseres Landes. Ins Teen-Reich fuhren ohnehin nur ganz wenige Autos, warum, wusste niemand so genau, es fuhren auch kaum LKWs dorthin, denn es gab kaum Handelsbeziehungen, die Teen hatten, genau wie die Goor, alles selbst, sie waren autark. Ich nahm mein „Kum“ aus meiner Tasche und goss jedem von uns eine Tasse Kaffee ein. Die Luft in dem Waldgebiet war sehr würzig, aber auch kalt, deshalb blieben wir im Auto sitzen und nahmen dort unseren Proviant zu uns.

Nach einer halben Stunde ging es weiter und wir kamen nach einer weiteren halben Stunde ins Teen-Reich, wir hätten noch ungefähr zweihundertfünfzig Kilometer zu fahren und rechneten mit weiteren drei Stunden. Wir kämen dann am frühen Nachmittag in Kavaniemi an und würden uns dann ein Hotel suchen, in dem wir zweimal übernachten könnten. Wir bekamen an der Grenze von den Goor-Beamten sogenannte Reisecoupons, denn bei den Teen musste man für vieles zahlen, so zum Beispiel für das Tanken, das Hotel oder für das „Kum“, das dort etwas anders schmeckte als bei den Goor, ich meinte einen Fischgeschmack geschmeckt zu haben, der nicht so angenehm war und das Essen nicht gerade zur Freude machte, es gab aber auch wie bei den Goor frisches Obst und davon würden wir reichlich essen. Um 14.00 h erreichten wir die Uni in Kavaniemi, die Stadt war mittelgroß, so wie Ta`amervan auch, und die Uni lag am Stadtrand, sie bestand aus mehreren niedrigen Gebäuden und lag im Grünen.

Wir parkten auf dem Uni-Parkplatz und suchten das Gebäude, in dem der Lehrstuhl für Physiologie zu finden wäre, wir sprachen Studenten an, die uns auf dem Campus begegneten. Sie waren klein und hatten ein fast struppig zu nennendes Fell, sie waren ähnlich gekleidet wie ein Goor, also Mantel, kurze Hose, Stiefel und froren offensichtlich auch nicht so schnell, wie die Menschen, denn nur wenige trugen einen Pullover und eine lange Hose, einen Schal sah man gar nicht. Die Teen-Studenten waren sehr nett und höflich und zeigten uns den Weg zur Physiologie, fast boten sie sich an, uns dorthin zu begleiten. Wir fanden das Gebäude dann schnell und auch den Raum, den ich mir auf einem Zettel notiert hatte. Wir klopften an die Tür und es ertöne eine freundliche helle Stimme, die uns hereinbat und vermutlich zu der Frau gehörte, mit der ich telefoniert hatte.

Wir stellten uns vor und sagten, dass wir gekommen wären, um das Skelett mit nach Hause zu nehmen, ich wollte an der Universität in Ta`amervan eine Anatomievorlesung halten und brauchte dazu ein Skelett. Die Frau wusste sofort Bescheid und ging mit uns eine Etage höher zu einer Art Asservatenkammer. Dort mussten wir uns alle ausweisen und unsere Ausweise am Eingang hinterlegen, auch mussten wir alles, was wir lose in den Taschen bei uns trugen, in einen bereitstehenden Karton legen, der neben der Tür zu finden war und von einer Wachperson beaufsichtigt wurde. Wir gingen vorbei an allen möglichen in Formalin aufbewahrten Pflanzen und Tieren, es waren auch Föten zu sehen, vermutlich Teen-Föten, die vielleicht abgetrieben worden oder krank gewesen waren. Dann sahen wir mit einem Male in einer Ecke unser Skelett stehen, es sah tadellos aus, die Knochen waren natürlich aus Kunststoff, fast weiß. Das Skelett war mit der Wirbelsäule an einer Stange befestigt, die wiederum in einer Holzplatte steckte, sodass das ganze Gebilde stand, alle Kochen waren mit Drähten miteinander verbunden und waren voll beweglich, es konnten Schädelplatten entnommen und der Schädel so geöffnet werden. Das Gesamtgewicht des Skelettes betrug inklusive Stange und Bodenplatte ungefähr zehn Kilogramm, es war deshalb gut zu transportieren. Seine Länge war hundertsechzig Zentimeter, man konnte es auf den Autorücksitz legen.

Wir fragten die nette Dame nach dem Preis des Skelettes und sie fragte zurück, in welcher Währung wir denn bezahlen wollten. Wir sagten, dass wir nur über Reisecoupons verfügten, über deren Wert wir nur ungefähr Bescheid wussten, wir hatten für einen Tank voll Methan zwei Coupons abgeben müssen.

Die Dame sagte, dass wir den symbolischen Preis von zwei Coupons bezahlen sollten, wir gaben ihr die zwei Coupons, dann gehörte das Skelett uns und wir waren zufrieden, relativ preisgünstig an ein Skelett gekommen zu sein. Die Bodenplatte verfügte über Rollen, sodass wir das Skelett zum Ausgang schieben konnten, die Dame musste am Ausgang mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass sie das Skelett an uns verkauft hatte. Ob wir nicht mit ihr ins Uni-Cafe gehen wollten, wir könnten dort eine Tasse Kaffee zusammen trinken und uns ein wenig unterhalten. Wir willigten ein und folgten der Dame über den Uni-Campus, bis man schon das Cafe erkennen konnte. Dort saßen viele Studenten mit einem Kaffee oder einem Saft und einer Obstschale auf dem Tisch. Wir fanden einen freien Tisch und setzten uns, dann ließ die Dame Kaffee und Obst kommen und lud uns ein.

Auch die Teen produzierten ihren eigenen coffeinfreien Kaffee, sagte sie und wir fanden, dass er genauso herzhaft schmeckte wie der bei den Goor. Wir aßen Äpfel und Birnen, es gab auch Kirschen und Bananen, die aber wohl aus Südamerika importiert worden waren. Gegen 17.00 h wollten wir aufstehen und uns verabschieden, aber wir mussten ja noch mit der Dame zu ihrem Büro und unser Skelett abholen. Als wir in ihrem Büro ankamen, sagten wir, dass wir ein Hotel suchten, ob sie nicht eins wüsste, möglichst im Zentrum von Kavaniemi, nicht zu teuer. Die Dame überlegte kurz und schlug uns dann vor, sie zu sich nach Hause zu begleiten, ihr Mann und sie freuten sich immer über Gäste, noch dazu welche aus dem Ausland. Das nahmen wir gerne an, sie hätte dann Feierabend, sagte sie, wir sollten unser Skelett nehmen und mit zum Parkplatz gehen, dort stünden wir doch sicher auch mit unserem Wagen, wir sollten das Skelett hineinlegen und ihr hinterherfahren. Sie fuhr einen kleinen Toyota, wahrscheinlich würde der im Teen-Reich in Lizenz gebaut, es war ein Gas-Auto, das mit Methan fuhr. Im Teen-Reich gab es auch den Metanhydrat-Abbau und die Energieversorgung mit Methan, genauso wie im Goor-Reich, die Versorgung mit Methan kostete die Teen aber eine Kleinigkeit, nicht nur an der Tankstelle, sondern die Teen bekamen auch eine jährliche Rechnung von ihrem Energieversorger. Das waren aber nur kleine Beträge, die da zu zahlen waren.

Es gab bei den Teen einen Geldumlauf, sie gingen einer Beschäftigung nach, für die sie entlohnt wurden, damit sie über Geld verfügten. Wir fuhren nicht weit, die Stadt war ja nicht groß und hielten in einem Vorort vor einem ansehnlichen Haus, das unserer Uni-Mitarbeiterin und ihrem Mann gehörte. Wir stiegen aus und gingen hinein, wo wir den Hausherrn im Wohnzimmer antrafen, der etwas verdutzt dreinschaute als er uns sah, seine Frau klärte ihn über uns auf, wir sagten, dass wir Pekko und Paulo hießen und aus dem Goor-Reich kämen. Er stellte sich als Eljas vor und sagte, dass wir herzlich willkommen wären, was wir sehr nett fanden, schließlich kannten wir uns ja nicht. Dann schüttelte seine Frau noch einmal unsere Hände und stellte sich als Jemina vor, sie fände es doch am besten, wenn wir uns direkt mit unseren Vornamen anredeten, das wäre doch herzlicher. Eljas bat uns, Platz zu nehmen und bot uns ein Bier an, das wir dankend entgegennahmen und wir stießen mit Jemina, die sich auch ein Bier genommen hatte und Eljas an. Es stellte sich im Gespräch heraus, dass Jemina Lehrbeauftragte für Physiologie war und einen Doktor in Medizin hatte, Eljas war leitender Ingenieur beim Energieversorger der Stadt, sie arbeiteten beide an drei Tagen die Woche ungefähr vier Stunden und kamen dann wieder nach Hause. Sie fragten mich dann, wie ich als Mensch ins Goor-Reich gekommen wäre und ich erzählte Mariettas und meine Geschichte, wie wir als Ärzte die damalige Prinzessin Eira von einer Lyme-Borreliose geheilt hätten und seitdem gut im Goor-Reich lebten, nachdem wir beide jünger geworden waren, jedensfalls körperlich, geistig wären wir auf unserem gereiften Entwicklungsstand stehengeblieben.

Ich erwähnte, dass Marietta und ich in zehn Tagen Eltern würden, wir bekämen eine Jungen, der Klaus-Jarmo heißen sollte, Jarmo wäre der Name des alten König gewesen. Ich holte das Skelett, weil Eira mir einen Lehrauftrag für Anatomie an der Universität in Ta`amervan gegeben hätte. Da wären wir vom Fach her ja verwandt, warf Jemina ein, sie hätte das Skelett ausgesondert, weil sie in den Seminarräumen auf Smartboards umgestellt hätten und dort mit Computern arbeiteten, die ein virtuelles Skelett auf das Board projizierten. Da wäre ich ja dann von der ganz alten Schule, sagte ich, aber ich wollte mich dem Neuen nicht verschließen, Jemina sollte mir doch am nächsten Tag die Smatboards einmal vorführen. Das wollte Jemina gern tun, sie müsste um 10.00 h in die Uni, dorthin sollte ich sie begleiten, sie würde mir dann um 11.30 h, nach ihrem Seminar, das Smartboard zeigen. Sie wäre überzeugt davon, dass mir die Smartboards gefielen, sie machten vieles in der Lehre einfacher, es entfiele der lästige Tafelanschrieb, man könnte zu Hause vorbereitete Programmschritte mit seinem Laptop, den man anschließen könnte, auf dem Smartboard produzieren. Dann fragte Eljas, was Pekko im Goor-Reich machte und Pekko erzählte, dass er am Hofe Königin Eiras für alles zuständig wäre, was zu reparieren, zu beschaffen wäre oder instand gehalten werden müsste. Er wäre schon sehr lange auf dem Schloss beschäftigt, schon zu Zeiten der alten Königin hätte er auf dem Schloss angefangen. Eljas sagte, dass er mit der Gasversorgung der Einwohner von Kavaniemi zu tun hätte, das liefe im Grunde völlig problemfrei, weil die Methanhydratförderung immer auf Hochtouren gefahren würde.

Jemina und Eljas waren sehr nett, wir aßen „Kum“ mit ihnen, das aber fischig schmeckte, wir hielten uns deshalb vornehmlich an Obst. Kinder hatten sie keine, es wäre ihnen nie die Idee gekommen, Kinder in die Welt zu setzen, sie hätten viele Bekannte mit Kindern und oft gedacht, wie schön es doch wäre, Kinder zu haben, hätten dann aber auch gesehen, besonders bei Eltern mit Kleinkindern, dass das Leben mit Kindern auch einiges an Kraft erforderte. Sie wollten mich, der ich ja bald Vater würde, aber nicht mit ihren Worten abschrecken, fügte Jemina noch hinzu. Ich entgegnete, dass Marietta und ich lange überlegt hätten, ob wir ein Kind haben wollten, es hätte dann aber der Kinderwunsch überwogen, vielleicht weil wir Menschen wären. Dann sprachen wir über das Leben bei den Teen, es liefe alles einen komplikationslosen Gang, alle liebten König Jyri, der das Reich schon seit fast vierzig Jahren regierte, es gäbe kaum Kriminalität, die Teen wären gut versorgt und lebten sicher, sie fühlten sich jedenfalls beide sehr wohl, so wie sie lebten, sagte Eljas. Wie weit es eigentlich von Ta`amervan bis nach Kavaniemi wäre, fragte Jemina dann und wir antworteten, dass wir vierhundert Kilometer gefahren wären, das wäre schon sehr anstrengend gewesen, wir hätten aber mit unserem Skelett nicht fliegen können, weil es mit Sicherheit beim Fluggepäck beschädigt worden wäre. Wir sagten, dass wir fünf Stunden gefahren wären und eine Pause kurz vor der Grenze gemacht hätten. Es war inzwischen 22.30 h geworden und wir gingen schlafen, Jemina und Eljas hatten ein Gästezimmer, das sie uns gaben.

Pekko und ich wollten uns am nächsten Tag Kavaniemi ansehen und nicht so spät aufstehen, wir mussten vorher noch mit Jemina zur Uni, wir saßen um 8.00 h am Tisch, tranken Kaffee und aßen süßes „Kum“, das deutlich besser schmeckte als das gewöhnliche „Kum“. Eljas musste um 9.00 h bei seinem Energieversorger sein, er verließ das Haus um 8.30 h.

Um 9.30 h fuhren wir mit Jemina zur Uni und setzten uns für die Dauer ihres Seminars in das Uni-Cafe, wo während der Vorlesungszeit nicht viel los war. Um 11.30 h waren wir bei Jemina im Büro, Jemina machte einen frischen Eindruck, sie war kein bisschen geschafft von ihrem Seminar. Sie ging mit uns in den Seminarraum und schaltete ihren Laptop und das Smartboard an, um dann einen Kurzvortrag zu starten. Es erschien auf der Anzeigefläche ein Skelett und man konnte dann einzelne Knochen quasi herausnehmen und sie sozusagen gesondert betrachten, man konnte auch Brüche simulieren und sie virtuell behandeln. Das war wirklich faszinierend, anzusehen, wie Jemina gekonnt und geübt mit dem Medium umging und in größtmöglicher Anschaulichkeit die Grundlagen der Anatomie erklärte. Sie hätte am Nachmittag noch eine Veranstaltung und wollte die Mittagspause auf dem Campus und in ihrem Büro verbringen. Sie schlug uns vor, das Stadtmuseum von Kavaniemi zu besuchen, dort gäbe es eine Menge aus der Geschichte des Teen-Reiches und aus dem Alltag der Teen zu sehen, am frühen Nachmittag wäre es im Museum auch sicher nicht so voll wie am Vormittag, wenn die Schulklassen lärmend durch die Gänge strömten. Wir sähen uns dann am Nachmittag wieder bei ihr zu Hause, sagte Jemina und wünschte uns einen angenehmen Aufenthalt in der Stadt. Das Museum lag im Stadtzentrum, es gab dort so einen ähnlichen Platz wie in Ta`amervan, ob er allerdings magische Kräfte in sich barg wie unser Platz, wussten wir nicht. Der Platz war in erster Linie Parkplatz, was ihm viel von seiner Attraktivität nahm. Als Pekko und ich unseren Wagen dort abgestellt und uns Richtung Museum bewegt hatten, zuckten wir plötzlich zusammen, hinter uns hupte ein Auto wie verrückt und hätte uns beinahe überfahren, wenn wir nicht rechtzeitig zur Seite gesprungen wären, der Fahrer zog an uns vorbei und schüttelte nur mit dem Kopf. Wir waren die Goor-Verhältnisse gewöhnt, wo die Fußgänger absolute Priorität genossen, das galt im Teen-Reich natürlich nicht, und wir kamen langsam wieder zur Ruhe, uns war das Herz in die Hose gerutscht. Die Straße vor dem Stadtmuseum überquerten wir übervorsichtig und schauten nach links und rechts, ob auch kein Auto kam, das uns hätte überfahren können.

Im Museum war es wirklich nicht sehr voll, wir gaben an der Kasse einen Coupon ab, mit dem der Eintritt für uns beide abgegolten war, wir nahmen von der Kasse einen Prospekt mit. In vier Ausstellungssälen war die Geschichte des Teen-Reiches dargestellt, ähnlich wie im Museum in Ta`amervan die Geschichte des Goor-Reiches. Auch in Kavaniemi reichte die Geschichte nur bis zum Mittelalter zurück, was sich dort in der Antike abgespielt hatte, darüber erfuhr der Besucher nichts. Es wurden Gemälde von der Stadtgründung Kavaniemis gezeigt, im nächsten Saal gab es die Darstellung einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den Krat, die das Teen-Reich für kurze Zeit besetzt hatten, dann aber von den Teen vertrieben wurden. Seitdem war das Verhältnis zwischen den beiden Reichen hoffnungslos zerrüttet.

Im dritten Saal wurde gezeigt, wie sich die Verhältnisse bei den Teen nach und nach konsolidierten, es gab eine Ahnengalerie des Königshauses und der letzte Saal zeigte das Alltagsleben der Teen, da waren Fotos von den Methanhydrat-Förderanlagen, es gab Bilder von den Goldgruben im Nordwesten, die ähnliche Ausmaße hatten wie die der Goor, aber wohl nicht ganz so ergiebig waren. Zum Schluss gelangten Pekko und ich in einen großen Raum, in dem Artefakte aus verschiedenen Jahrhunderten ausgestellt waren, es gab einen Teen in seiner Alltagskleidung, interessant war schon, dass die Teen ein längeres Fell hatten als die Goor und von daher deutlich von diesen zu unterscheiden waren, es gab Autos aus eigener Produktion, verschiedene Mäntel und Stiefel, auch Hosen, es gab Fellpflegemittel, Dinge des täglichen Gebrauchs eben. Als wir das Museum wieder verließen, hätten wir beinahe vergessen, dass bei den Teen andere Verkehrsregeln galten als bei den Goor, ich konnte Pekko von dem unüberlegten Überqueren der Straße gerade noch zurückhalten, ein vorbeifahrendes Auto hupte.

Wir setzten uns am Platz in das Cafe und bestellten Obst und Kaffee, wofür wir einen Coupon hinlegen mussten. Im Anschluss spazierten wir ein wenig durch die Straßen, manche Teen blieben stehen und schauten sich um, weil sie sich fragten, was denn wohl ein Mensch bei ihnen wollte. Die Stimmung in der Stadt war nicht so gelöst wie die in Ta`amervan. Vielleicht lag das daran, dass sich das Leben nicht auf der Straße abspielen durfte, sondern auf den Bürgersteig beschränkt blieb, vielleicht lag das aber auch daran, dass die Teen in einen finanziellen Rahmen eingebunden waren und sich deshalb nicht so frei bewegen konnten wie die Goor.

Plötzlich gelangten wir an einen großen Platz und sahen, dass die Teen dort auf Pferden ritten, was es im Goor-Reich gar nicht gab, die Teen betrieben Pferdesport. Wir wollten später Eljas und Jemina danach fragen. Wir blieben eine Zeit lang an dem Platz stehen und beobachteten die Szene, es ritten vornehmlich Frauen, soviel war zu erkennen. Sie trainierten das Pferderennen, bei den Menschen waren die Jockeys fast ausschließlich Männer, die Reiterinnen hießen bei uns Jockettes und um solche handelte es sich dort auf dem Pferdeplatz. Die Jockettes waren relativ kleinwüchsig, sie durften ein Maximalgewicht nicht überschreiten, das lag bei uns Menschen für die Jockeys bei fünfundfünfzig Kilogramm, bei den Frauen dürfte es spürbar niedriger gelegen haben. Die Pferde schienen auch klein, ihr Fell war zottelig, sie waren aber ausgesprochen schnell.

Wir gingen langsam wieder zu unserem Parkplatz zurück, es war 16.30 h geworden, wir fuhren zu Jemina und Eljas. Beide waren schon zu Hause und warteten auf uns, sie hatten Kaffee gekocht und es gab Obst und süßes „Kum“. Sie kannten beide ein Cafe, in dem es selbst gemachten Pflaumenkompott gab, dorthin wollten sie uns am frühen Abend einladen. Wir setzten uns mit ihnen an den Kaffeetisch und kamen auf den Pferdesport zu sprechen, den wir auf dem Reitplatz beobachten konnten. Der hätte eine lange Tradition bei ihnen und würde fast nur von Frauen betrieben, wahrscheinlich, weil es kaum Männer gäbe, die mit ihrem Gewicht die geforderten fünfundvierzig Kilogramm unterschritten. Der Pferdesport wäre vom Königshaus ins Reich gebracht worden, schon vor zweihundert Jahren, es gäbe im ganzen Reich Gestüte, die die Teen-Pferde züchteten, eine ganz spezielle zähe Rasse, die es nur bei ihnen gäbe. Eljas fragte dann wie uns das Museum gefallen hätte und wir antworteten, dass es stark an das Stadtmuseum in Ta`amervan erinnerte, auch in unserem Museum gäbe es übrigens die Darstellung einer bewaffneten Auseinandersetzung mit den Krat.

Das wäre das trübste Kapitel in der Geschichte des Teen-Reiches, sagte Eljas, die Krat wären primitive gewalttätige Monster, man könnte mit ihnen nicht reden, weil ihnen dazu der Intellekt fehlte, sie wären nur auf Machtgewinn und Unterwerfung aus. Wie denn das Verhältnis der Goor zu den Krat wäre, fragte Eljas und Pekko antwortete, dass das Verhältnis ganz ähnlich gelagert wäre, auch die Goor hätten früher kriegerische Auseinandersetzungen mit den Krat gehabt, die Grenze zum Krat-Reich wäre mit einem Raketengürtel gesichert, die ganze Anlage unterläge aber strenger Geheimhaltung, niemand wüsste eigentlich richtig darüber Bescheid. Es hätte, soweit er sich erinnern könnte, keinen regulären Kontakt zu den Krat gegeben, sie wären uneinsichtig und unverschämt, von ihren rudimentären Benehmensformen einmal abgesehen. Es gäbe Stimmen bei den Goor, die von einer Kriegsgefahr sprächen, sagte Pekko, die gäbe es bei den Teen auch, entgegnete Eljas, man könnte beim momentanen Stand der Dinge nur wenig dazu sagen. Als wir unseren Kaffee getrunken hatten, sagte Jemina, dass wir langsam losmüssten, um in dem von ihnen erwähnten Cafe Pflaumenkompott zu essen. Es gäbe dort die ganze Woche über Pflaumenkompott, dienstags wäre aber der Tag, an dem sie den Kompott zubereiteten, wir bekämen also ganz frischen Pflaumenkompott.

Wir liefen fünf Minuten bis zu dem Cafe, es war nicht weit von dem Platz im Zentrum entfernt. Es war draußen immer noch bitterkalt und ich zog mir meinen Schal enger um den Hals. Als wir beim Cafe ankamen, sahen wir draußen eine Tafel aufgestellt:

„Heute frischer Pflaumenkompott“ und wir gingen hinein. Es war voll in dem Cafe, Jemina hatte aber für uns einen Tisch reserviert, sodass wir schön am Fenster saßen. Das Cafe war sehr gemütlich, es hatte etwas vom Flair vergangener Kaffeehauszeiten, als man einen Kult aus dem Kaffeetrinken machte und sich mit Freunden traf, um mit ihnen Pflaumenkompott oder Moltebeerenkompott zu essen, dazu eine Tasse Kaffee zu trinken und sich zu unterhalten. In einer Ecke stand ein Klavier, an dem ein Teen Takte dieser typischen Kaffeehausmusik spielte wie es sie in unserer Zeit eigentlich gar nicht mehr gab, sehr angenehm! Wie uns das Cafe gefiel, fragten uns unsere Gastgeber und wir sagten ihnen, dass wir uns sehr wohl in dem Cafe fühlten. Das Cafe hätte eine sehr alte Tradition und genösse einen hohen Stellenwert im Ansehen der Teen. In der Luft lag dieser für Pflaumenkompott typische Zimtgeruch, sehr wohltuend und gut riechend. Und dann kamen unsere Portionen, wir nahmen Kaffee zu unserem Pflaumenkompott, er schmeckte so gut, dass man sich hätte hineinsetzen wollen, umwerfend!

Eljas und Jemina sahen, dass wir vor Genuss fast vergingen und freuten sich, dass uns der Kompott so gut schmeckte. Entweder lag es an der besonderen Pflaumenart, am Zuckern oder daran wie man den Pflaumenkompott in dem Cafe herstellte, Pekko und ich hatten noch nie so guten Pflaumenkompott gegessen! So hätten wir eine gute Erinnerung an Kavaniemi, wenn wir am nächsten Tag wieder nach Hause führen, sagte Jemina und wir entgegneten, dass wir noch weitere positiv zu vermerkende Erinnerungen mitnähmen, nicht zuletzt unsere Gastgeber wären über alle Maßen nett gewesen. Überhaupt hätten wir den Eindruck gewonnen, dass die Teen ein sehr umgängliches Völkchen wären, alle schauten zufrieden und fröhlich drein, was sie sehr sympathisch machte. Das Cafe war brechend voll, auf fast jedem Tisch stand Pflaumenkompott, der das Cafe so berühmt gemacht hatte, weit über die Stadtgrenzen von Kavaniemi hinaus. Als wir zahlten und gingen, strömten gleich vier Nachfolger an unseren Tisch und belegten unsere Plätze.

Wir liefen durch die kalte Winterluft nach Hause zurück, es lag Schnee in Kavaniemi, die Bürgersteige waren aber freigeräumt, sodass man gut laufen konnte. Jemina und Eljas hatten einen Kamin, den sie ansteckten, als wir bei ihnen zu Hause ankamen, Eljas hatte am Haus einen riesigen Berg Holz liegen, er sagte, dass er manchmal samstags in den Wald ginge, um Holz zu sammeln, er hätte sich dann vorher bei der Gemeinde einen Sammelschein geholt. Pekko und ich sagten, dass es uns in Kavaniemi sehr gefallen hätte und wir einmal wiederkommen wollten, ich wollte die Geburt meines Sohnes abwarten, vielleicht würde ich ihm dann einmal das Reich der Teen zeigen. Wie es denn meiner Frau ginge, fragten Jemina und Eljas und ich antwortete, dass sie natürlich eine ziemlich unförmige Figur hätte, dass es ihr aber den Umständen entsprechend gut ginge.

Bei der Geburt wäre eine Freundin von uns dabei, die sehr erfahren wäre und helfen wollte, wir hätten eine Ultraschalluntersuchung gemacht, die ein sehr positives Ergebnis gebracht hätte. Jemina und Eljas wünschten Marietta und mir alles Gute für die Geburt, dann wäre es in Zukunft bei uns ja etwas lauter, aber darauf hätte ich mich ja sicher eingestellt. Ich entgegnete, dass das nicht unbedingt so sein müsste, es könnte auch sein, dass wir ein ganz ruhiges Kind bekämen, dass den ganzen Tag schliefe. Wir sprachen am Abend über den Unterschied zwischen dem Goor-und dem Teen-Reich und Pekko und ich merkten an, dass wir uns im Goor-Reich sehr wohl fühlten. Wir führten eine unbeschwertes und sorgenfreies Leben, viel Verpflichtungen des Alltags würden einem vom Königshaus abgenommen, das empfänden wir als ausgesprochen entlastend.

Ja, sie hätten schon davon gehört, dass das Leben im Goor-Reich praktisch umsonst wäre und blickten manchmal mit Neid auf diese Zustände, sie lebten aber auch bei sich im Teen-Reich ein sehr schönes Leben und wären mit ihren Lebensumständen sehr zufrieden. Ob sie mit ihrem König zufrieden wären, wollten wir von Jemina und Eljas wissen.

„Jyri ist ein weiser alter Mann“, sagte Eljas daraufhin, „er regiert das Teen-Reich schon lange mit großer Umsicht, wir haben alle absolutes Vertrauen zu ihm. Allerdings muss er innerhalb der nächsten Zeit sein Amt an seine Tochter übergeben, so ähnlich wie das auch im Goor-Reich geschehen ist. Ob sie dann die erforderliche Erfahrung und Weisheit mitbringt, müsste man dann erst einmal sehen!“ Wir sagten, dass dann vielleicht ein neuer Wind im Teen-Reich wehen würde, was aber nichts Schlechtes bedeuten müsste. Viele kannten gar nichts anderes als die Herrschaft Jyris, die Allermeisten sogar und sie könnten sich deshalb auch gar nichts anderes vorstellen, ihnen fiele es vielleicht schwer, sich an eine neue Regierungsspitze zu gewöhnen, auf der anderen Seite merkte man irgendwelche Eingriffe der Regierung in das Alltagsleben kaum. Pekko und ich wollten früh am Morgen wieder nach Hause fahren, deshalb gingen wir nicht so spät ins Bett.

Wir frühstückten mit Jemina und Eljas zusammen, das hieß, wie tranken Kaffee und aßen süßes „Kum“, die beiden hatten an dem Tag frei. Um 8.00 h wollten wir los, wir bedankten uns bei Jemina und Eljas für die sehr nette Aufnahme und luden beide zu einem Gegenbesuch in Ta`amervan ein. Sie sagten zu, würden aber erst einmal die wärmere Jahreszeit abwarten, bei dem kalten Wetter und den schlechten Straßenverhältnissen trauten sie sich nicht so weit weg. Dann verabschiedeten wir uns, wir umarmten uns und gaben uns Wangenküsse. Ich sollte auf mein Skelett aufpassen, vielleicht gäbe es an der Uni in Ta`amervan ja auch bald Smartboards, rief Jemina noch, dann fuhren wir ab.

Wir sagten zuerst eine ganze Zeit lang nichts und ließen die Landschaft auf uns wirken, es gab wie auch im Goor-Reich schier endlose Wälder, durch die wir drei Stunden lang fuhren, ohne vielen Autos zu begegnen. Es gab viel Wildwechsel über die Straße und man musste aufpassen, nicht mit einem Ren zu kollidieren oder mit einem Hirschen oder einem Fuchs. Je mehr wir uns der Grenze näherten, desto mehr kam ein Gefühl bei mir auf, etwas zurückzulassen, das einen zu halten schien, das wir wie eine Schleppe hinter uns herzogen, ich konnte nicht genau sagen, was das war. Als wir die Grenze zum Goor-Reich erreichten, war dieses Etwas von mir abgefallen, es hatte mich losgelassen, ich fühlte mich befreit. Wir gaben unsere restlichen Reisecoupons zurück und fuhren weiter, noch hundertundfünfzig Kilometer bis Ta`amervan!

Ich redete mit Pekko über die merkwürdige Kraft, die an mir gezerrt hatte, so als wollte sie mich zurückhalten und Pekko bestätigte mir, dass auch er von solch einer Kraft ergriffen worden wäre, die an der Grenze auf einmal nachgelassen hätte, wir hatten beide keine Erklärung dafür. Wir machten an unserem Waldparkplatz wieder eine kurze Pause und stiegen gar nicht aus, weil es zu kalt war, das Autothermometer zeigte -11°C! Wir tranken jeder einen Becher Kaffee aus meiner Thermoskanne, den Jemina uns noch als Wegproviant mitgegeben hatte, dann, nach einer halbstündigen Pause, fuhren wir nach Hause. Wir kamen am frühen Nachmittag in Ta`amervan an und fuhren zu unserem Platz, wo wir uns in das Cafe setzten, sofort wurden wir von der Magie des Platzes übermannt.

In dieser Entrücktheit dachten wir zurück an das Teen-Reich, es war schön in Kavaniemi und die netten beiden, Jemina und Eljas, die uns aufgenommen hatten, waren besonders liebevoll, eigentlich bestünde zwischen den Teen und den Goor gar kein so großer Unterschied! Wir tranken unseren Kaffee und gingen wieder, ich tankte noch Methan an der Tankstelle und fuhr mit Pekko zu uns. Wie war die Wiedersehensfreude doch groß, ich umarmte und küsste Marietta, sie freute sich riesig, mich zu sehen und ich war auch glücklich, Marietta wieder in meine Arme schließen zu können.

Pekko und ich mussten erzählen, was wir erlebt hatten und ich beschrieb das Leben in Kavaniemi, erzählte von Jemina und Eljas und erwähnte das Skelett auf dem Autorücksitz. Ob denn bei ihr alles in Ordnung wäre, fragte ich Marietta, und sie sagte, dass sie nicht glaubte, dass es noch lange bis zur Geburt dauerte. Seldit käme am übernächsten Tag und bliebe dann, sie wüsste nicht genau, ob Bortan mitkäme, das hinge davon ab, wie schnell der Heizungstrupp die Heizung reparieren könnte, die wäre nämlich plötzlich ausgefallen. Pekko und ich gingen hinaus in die Dunkelheit, um unseren Tieren etwas zu fressen zu geben, sie kamen angelaufen und tapsten durch den Schnee. Sie beschnüffelten Pekko und schauten dann an mir hoch, ich hielt für Armi und Ilpo jeweils eine Keulenhälfte in der Hand und sie schnappten danach. Wir ließen sie beide in Ruhe fressen und gingen zum Haus zurück, ich hoffte, dass es bald wieder heller würde, diese ewige Dunkelheit lastete langsam auf mir wie ein Schleier. Ich fuhr Pekko zum Schloss hoch und begrüßte Kaija, sie fragte, wie mir die Gardinen gefielen, und mir fiel mit einem Male auf, dass ich noch nicht einmal einen Blick in unser neues Kinderzimmer geworfen hatte. Kaija umarmte und küsste Pekko, ich wollte nicht länger stören und ging zu Eira und Jalo. Ich berichtete, dass ich mit Pekko in Kavaniemi gewesen wäre und dort ein Skelett abgeholt hätte. Das Teen-Reich wäre nicht viel anders als das Goor-Reich, die Teen hätten ein etwas struppigeres Fell als die Goor, das wäre aber auch alles, was sie unterschied. Dann sagte Eira, dass sie am Vortag bei Marietta gewesen wäre, Seldit wollte kommen und sich um sie kümmern. Das hätte Marietta mir schon erzählt, sagte ich und ich wollte auch wieder nach Hause fahren. Ich machte noch einen Umweg am Schlachthof vorbei und lud ein paar Elchkeulen ein, die ich mir vorher hatte zerteilen lassen.

Mein Skelett lag auf dem Rücksitz und würde mich immer an Kavaniemi und Jemina erinnern, es war ein Mitbringsel, das, wenn auch tot, doch für die Teen und für die Goor stand, ein Knochengerüst hatten beide Völker. Zu Hause nahm ich Marietta in den Arm und trank mit ihr Kaffee, ich sagte ihr, dass sie mir doch einmal unser neues Kinderzimmer zeigen sollte und wir gingen nach oben. Als ich die Tür öffnete schaute ich in ein Zimmer, das so ganz anders war als vorher, die Tapete erstrahlte in grellen Farben und überdeckte das alte Mausgrau, das den Raum vorher bestimmte, sie ließ ihn lebendig erscheinen. Unterstützt wurde der Eindruck von den kräftig blauen Gardinen, deren Farbe gut mit denen der Tapete harmonierte. Es gab einen Schrank, eine Wickelkommode mit Auflage, darüber war ein Heizstrahler montiert und auf dem Boden lag ein wunderschöner Teppich in gelbem Tretford, der natürlich sehr empfindlich wäre, man müsste eben aufpassen.

„Der Raum ist ja richtig schön geworden!“, rief ich und Marietta lächelte.

„In einem solchen Zimmer muss sich doch ein jedes Kind wohlfühlen“, ergänzte ich. Wir gingen wieder hinunter und ich sagte Marietta, dass ich mich so langsam um einen Raum in der Hochschule kümmern müsste, ich brauchte schließlich ein Büro, auch müsste ich das Skelett irgendwo abstellen. Marietta hätte am Vortag schon mit Eira darüber gesprochen, sagte sie und ich sollte Eira deswegen noch einmal anrufen. Wir aßen am Abend „Kum“ und gingen früh schlafen.

Nach dem Kaffee am Morgen ließ ich Marietta für zwei Stunden allein und fuhr zu Eira. Ich hatte das Telefon neben Marietta gelegt, sie sollte sofort anrufen, wenn irgendetwas wäre. Ich kam im Schlosshof an die große Eiche und schaute an ihr hoch, ich sah den Steg und die Plattform in der Krone und ich sah endlich einmal wieder die drei Vielfraße, die vom Schlosspark nach vorne gerannt waren, ich tätschelte sie und redete ihnen gut zu, was sie genossen, ich glaubte, dass Tiere es brauchten, dass man sie hin und wieder richtig streichelte. Ich ging zu Eira hoch und sah sie schreiben, ich freute mich darüber, dass sie wieder zum Schreiben gefunden hatte und fragte sie, was sie gerade schriebe. Eira antwortete, dass sie zunächst Schwierigkeiten gehabt hätte, den Anknüpfungspunkt vom letzten Mal zu finden, sie schriebe gerade über ihre Mutter, wie sie mit ihr durch Ta`amervan gelaufen wäre und alle einen Diener oder einen Knicks gemacht hätten.

Ich sagte Eira, dass ich sie eigentlich nicht in ihrer Schreibarbeit stören wollte, ich müsste aber mit ihr über ein Hochschulbüro mit ihr sprechen, schließlich ginge der Studienbetrieb in zehn Tagen wieder los.

Eira entgegnete, dass sie schon längst Anweisungen gegeben hätte, mir ein Büro zur Verfügung zu stellen, ich sollte in den nächsten Tagen einmal zur Uni gehen und mich einweisen lassen. Ich trank noch eine Tasse Kaffee mit Eira, schaute ganz kurz bei Meeri und Jarmo im Atelier vorbei und fuhr dann wieder zu Marietta. Ich steckte unseren Kamin an und bereitete für Marietta die Couch vor, damit sie sich auf ihr in Ruhe niederlassen könnte, ab dem nächsten Tag stünde alles im Zeichen der Geburt unseres Sohnes. Ich schaute mit Marietta in die Flammen, wir sagten eine ganze Zeit lang gar nichts, bis uns einfiel, dass wir Seldit noch ein Zimmer zurechtmachen müssten, wir würden ihr das gleiche Zimmer geben, in dem sie Neujahr mit Bortan geschlafen hätte. Marietta sagte, dass sie langsam das Ende ihrer Schwangerschaft herbeisehnte, sie hätte so viel an sich zu schleppen, dass sie schon fast keine Kraft mehr hätte. Ich sagte ihr, dass sie bald erlöst würde, sie hätte die Schwangerschaft so prima gemeistert, dass sich viele ein Beispiel an ihr nehmen könnten. Ich ging hinaus in die Kälte und fütterte die Tiere, ich glaubte zu erkennen, dass es ganz allmählich wieder heller wurde und die Zeit der Finsternis ein Ende hätte. Am nächsten Morgen fuhr ich gegen 11.45 h zum Flugplatz, um Seldit abzuholen, sie käme mit der 12.15 h-Maschine, allein, die Heizungsmonteure brauchten noch eine Zeit für die Reparatur, wie Seldit am Telefon gesagt hatte. Die Maschine landete pünktlich und ich schloss nach wenigen Augenblicken Seldit in die Arme, wir freuten uns, uns zu sehen. Seldit bestellte Grüße von Bortan, der sich entschuldigen ließ und den Kindern. Wir fuhren gleich zu Marietta und Seldit und sie umarmten sich, Marietta war froh, von da an Seldit bis zur Geburt bei sich zu haben und ich musste auch sagen, dass ich mich freute, jemand so Erfahrenen wie Seldit im Hause zu haben, ich war in der letzten Zeit etwas angespannt und merkte gleich, dass ich gelöster wurde, seit Seldit bei uns war. Seldit brachte ihre Sachen auf ihr Zimmer und ich ging mit Marietta und mir in unser neues Kinderzimmer.

Seldit wäre hin und weg, sagte sie, so schön fände sie den Raum. Dann kochte ich Kaffee und wir setzten uns vor den Kamin, Seldit sagte zu Marietta, dass ihr dann nichts mehr passieren könnte. Marietta sehnte den Tag ihrer Entbindung herbei, sagte sie, sie wäre so durch ihren Bauch gehandicapt, dass sie sich die Befreiung von ihrer Last wünschte. Das könnte Seldit gut verstehen, sagte sie, Marietta sollte nur noch ein paar Tage aushalten, dann würde sie befreit werden und könnte sich bewegen, wie in alten Zeiten. Sie müsste dann allerdings eine Zeit lang Sport treiben, damit sich der Bauchlappen, der nach der Geburt bliebe, zurückentwickelte, einige Wochen lang Situps machen, das wirkte Wunder. Ich ging zu den Tieren und fütterte sie, sie waren im Grunde zwei sehr genügsame Vertreter ihrer Art, ich musste oft an sie denken, wenn wir vor dem warmen Kamin saßen und sie draußen in der Eiseskälte in ihrem Verschlag hockten, aber das machte ihnen überhaupt nichts aus. Wir saßen abends noch lange mit Seldit, ich berichtete von meinem Besuch in Kavaniemi zusammen mit Pekko und erzählte besonders von Jemina und Eljas, die uns bei sich aufgenommen hatten, ich fragte Seldit, ob sie schon einmal im Teen-Reich gewesen wäre und sie verneinte meine Frage. Sie würde aber sehr gerne einmal hinfahren, einfach, um unsere Nachbarn kennenzulernen, man hörte so wenig von ihnen und hätte auch sonst keinen Kontakt zum Teen-Reich. Dann erzählte Seldit, dass zu Hause schon seit Tagen ihre Heizung kaputt wäre und sie teilweise im Mantel im Hause gesessen hätten, Bortan hätte laufend den Kamin befeuert, um auf diese Weise wenigsten etwas Wärme ins Haus zu bekommen. Die Jungen wären in den letzten Tagen immer schon zu Freunden gegangen, damit sie zu Hause nicht frieren mussten. Bei uns wäre es wenigstens schön warm, sagte Seldit, wenn es nach ihr ginge, wäre am nächsten Tag Frühlingsanfang, aber das Klima könnte niemand beeinflussen. Wie es denn unseren Tieren ginge, fragte sie dann, Lauha und Herkko tobten durch den Garten, dass es eine Freude wäre zuzusehen. Unsere Tiere wären kerngesund, auch sie sprängen im Garten herum, schliefen aber auch viel, sagte ich, Lauha und Herkko wären ja auch schon älter.

Ich stand auf und holte „Kum“ und Obst für uns, das wir aßen, während wir uns unterhielten. Ich sagte, dass ich ein Skelett im Auto liegen hätte, das ich in mein Hochschulbüro bringen müsste, ich würde es zur Unterstützung bei meiner Vorlesung in Anatomie benutzen. Ich schlug vor, am nächsten Tag Pekko und Kaija einzuladen, Pekko hätte immerhin die Arbeiten im Kinderzimmer veranlasst und Kaija hätte die Gardinen genäht. Das wäre eine gute Idee, sagte Marietta, dann würden wir mit den beiden Kaffee trinken und uns mit ihnen unterhalten, sie mochte die beiden sehr, weil sie so aufrichtig wären. Das bestätigte Seldit, sie kannte Pekko noch von früher, er wäre immer mit Bortan zusammen gewesen, bis sie Bortan geheiratet hätte, dann hätte sich der Kontakt leider ein wenig verloren. Seldit hatte nichts dabei, das man vielleicht bei uns Menschen bei Geburten gebraucht hätte, wie zum Beispiel eine Geburtszange, so etwas würde bei den Goor nie gebraucht, sagte sie, die Geburten verliefen bei den Goor immer glatt und ohne Probleme.

Paulo wird Hochschullehrer und Vater (10)

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