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Klaus-Jarmos Geburt

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Wir hatten das Sofa im Wohnzimmer ausgeklappt und mit Laken belegt, die man nach der Geburt entweder wegwerfen oder waschen könnte, darauf legte sich Marietta und bekam - wie bestellt - nach kurzer Zeit ihre ersten Wehen. Die waren schon am Anfang so schmerzhaft, dass Marietta leise schrie, sie kamen unregelmäßig und waren Kontraktionen der Gebärmutter, sie leiteten die Eröffnungsphase ein und dauerten ungefähr sechzig Sekunden. Von dem Zeitpunkt an würde der gesamte Geburtsvorgang ungefähr zwölf Stunden dauern, Marietta war ja eine Erstgebärende, die Zeit verkürzte sich bei Zweitgebärenden um vier Stunden und dauerte damit immer noch lange genug. Klaus-Jarmo hatte sich also die Nacht ausgesucht, um die Welt zu betreten, viel zu sehen bekäme er nicht, aber auch, wenn er am Tage geboren werden würde, es war draußen immer noch dunkel, wenn auch nicht mehr so rabenschwarz, er hätte also auch am Tage nicht so viel zu sehen bekommen. Seldit sagte mir, dass ich Mariettas Hand halten sollte, um sie zu beruhigen, wir redeten beide auf die ein.

Von den schmerzhaften Wehen am Anfang abgesehen, ging es ihr sehr gut und sie lächelte, als der Schmerz vorbei war.

„Jetzt geht es endlich los!“, sagte Marietta zufrieden. Ich reichte ihr ihr Saftglas und sie trank einen Schluck, sie gab mir dann ihr Glas zurück, gerade noch rechtzeitig als eine Wehe einsetzte, die ihr einen Stich zu geben schien, sie war so schmerzhaft, dass man fast mitlitt. Nach sechzig Sekunden war der Schmerz vorüber und Marietta lächelte wieder. Seldit sagte, dass alles in Ordnung und sie tapfer wäre, es würde die ganze Nacht dauern, wir wären ja beide bei ihr und zu dritt sollten wir doch eine Geburt schaffen! Klaus-Jarmo zählte zu den wenigen Kindern, die den Geburtstermin genau einhielten, zweihundertdreiundsiebzig Tage dauerte eine Schwangerschaft im Schnitt und daran hielt er sich auch. Es gab übertragene Kinder, die man im schlimmsten Falle holen musste, so etwas hätte Seldit aber noch nie erlebt, wenn Kinder übertragen waren, dann zwei bis drei Tage. Es gab aber auch Kinder, die zu früh kamen, aber auch die klassischen Frühgeburten hätte Seldit noch nie erlebt, sie vertrat den Standpukt, dass, wenn die Mutter während der Schwangerschaft ruhig und ausgeglichen lebte, das Kind auch innerhalb der Normalzeit zur Welt käme, jedenfalls wäre das bei den Goor so. Marietta lag völlig hilflos auf der Couch, nackt, ein dicker Knubbel, der auf der Oberfläche des Bauches ins Bläuliche gehende Streifen aufwies. Ihr Busen war zu mächtigen Stempeln angewachsen, die zur Seite herunterhingen und in der Folgezeit die Nahrung für Klaus-Jarmo bereithielten, was eine praktische Einrichtung war, die Muttermilch war so reich an wichtigen Nährstoffen, dass sie nicht künstlich hergestellt werden konnte, jedenfalls nicht in dieser Sättigung mit lebenswichtigen Inhaltsstoffen. Mariettas Scheide war von zwei ausgestülpten Wülsten eingefasst, das Tor zur Welt, fernab von jedweder sexuellen Anziehungskraft, einfach nur ein Loch, durch das Klaus-Jarmo auf die Welt käme. Marietta war ein Koloss, sie lag schwitzend, aber gefasst blickend, auf dem Sofa und wartete auf die nächsten Wehen, die ihr wieder Schmerzensstiche verliehen, die sie daran erinnerten, dass eine Geburt ein kräftezehrender Akt wäre. Seldit hatte Tücher zum Schweißabwischen bereitgelegt, sie hatte sie in lauwarmes Wasser gelegt und wischte Mariettas Gesicht, wenn es schweißgetränkt war. Ich legte meine Hände auf Mariettas gigantischen Bauch und schaute ihr ins Gesicht, sie lächelte, freudig erregt und war doch gleichzeitig auch Opfer der Umstände, sie war kein bisschen unruhig oder nervös, sondern vollständig gelöst, ein dicker Klumpen, der sich total in unsere Obhut begeben hatte und darauf vertraute, dass Seldit ihr mit ihrer Erfahrung schon helfen würde.

Ich hatte die Betäubungsspritze und das Skalpell in Reichweite gelegt, ich würde hemmungslos davon Gebrauch machen, wenn es die Situation erforderte. Die nächste Wehe setzte ein, schon nicht mehr mit dem zeitlichen Abstand zu den vorherigen Wehen und heftiger, ich hielt Mariettas Hand, sie bäumte sich auf, die Gesichtszüge schmerzverzerrt, ich mochte wirklich nicht mit ihr tauschen, dennoch befanden wir uns noch in der Eröffnungsphase, die meiste Anstrengung stand Marietta noch bevor. Es war mittlerweile später Abend geworden und ich holte „Kum“ und Getränke an Mariettas Sofa, sie selbst aß und trank nur wenig, sie konzentrierte sich voll auf den Geburtsvorgang. Seldit und ich waren ruhig und versuchten, etwas von unserer ausgeglichenen Stimmung auf Marietta zu übertragen, was uns aber nur bedingt gelang.

Es kamen schon wieder Wehen, sie dauerten etwas länger als die am Anfang und waren intensiver, Klaus-Jarmo würde sich in Mariettas Bauch langsam mit dem Kopf nach unten drehen, das Gesicht wäre Mariettas Steiß zugewandt. Da spielten sich unglaubliche Vorgänge ab, wenn man sich allein diesen Drehvorgang vor Augen hielt, Mariettas Bauch hatte mit einem Mal die Form eines länglichen Sackes. Jede Bewegung in ihrem Leib wurde durch Unteruskontraktionen bewirkt und verursachte deshalb Schmerzen, die Drehung des Fötus war sehr wichtig, damit Klaus-Jarmo mit dem Kopf zuerst auf die Welt käme. Geschähe die Drehung nicht, müsste das Kind per Kaiserschnitt geholt werden, die Gefahr, dass es sonst mit dem Kopf an dem engen Beckendurchgang hängenbliebe, wäre zu groß. Ab ungefähr Mitternacht setzten die Presswehen ein, dann kam es auf Mariettas Mithilfe an, das war die entscheidende Geburtseröffnung. Seldit lag auf Mariettas Bauch und drückte mit gekonnten Griffen, sie half so dem Fötus, seinen Weg nach draußen zu finden.

Mariettas Gesichtsausdruck war inzwischen fast apathisch, wir mussten sie immer wieder aufmuntern, damit sie ihre letzten Kraftreserven mobilisierte, das waren die Momente, wo Frauen den Männern überlegen waren, den Geburtsstress durchzustehen erforderte immense Energien, von deren Existenz Marietta vorher gar nicht gewusst hatte.

„Pressen, pressen!“, rief Seldit und Marietta drückte und presste, was das Zeug hielt, ihr ganzer Körper war verschwitzt und ich tupfte mit einem Tuch den Schweiß ab, aber das war in der Phase völlig egal, ob mit oder ohne Schweiß, die Geburt verursachte Schmerzen und kostete Kraft. Mariettas Haar lag schweißverklebt am Kopf an, sie war eine kämpfende gebärende Frau, in der Pressphase hatte sie die Augen geschlossen und beugte den Oberkörper leicht nach vorn wie bei den Situps, die sie nach der Geburt machen musste, dadurch spannte sich die Bauchmuskulatur und unterstütze den Pressvorgang.

„Pressen, pressen!“, schrie Seldit geradezu und Marietta legte all ihre Energie in ihren Unterleib, sie presste und presste, aber Klaus-Jarmo ließ sich Zeit, der Geburtsvorgang zog sich in die Länge. Es trat eine Pause in dem kraftaufwändigen Vorgang ein, Marietta nutzte diese Pause und legte sich erschöpft zurück, es war mitten in der Nacht, ich sah auf die Uhr, es war drei. Seldit und ich sprachen über die Pause, die gerade eingetreten war und Seldit erläuterte, dass eine solche Pause geradezu typisch wäre, sie kannte das von vielen anderen Geburten, wüsste aber auch, dass es danach umso heftiger wieder losginge, gleichzeitig signalisierte diese Pause aber, dass der Hauptteil der Kontraktionen, die die Drehung des Fötus bewirkt hatte, vorüber war, es käme dann wirklich auf das Pressen an, das sagte Seldit Marietta und sie war trotz all der Anstrengung gefasst und eigentlich auch guten Mutes, ich wusste immer, dass Marietta eine starke Frau war, aber so ein Geburtsvorgang war ja die natürlichste Sache der Welt, hieß es immer. Wenn man aber Zeuge dieses Vorganges war, entlarvte man diesen Spruch doch schnell als Phrase. Die Frauen redeten nach der Geburt nie über das Martyrium, das sie durchlebt hatten, weil mit dem Erscheinen des Kindes die Karten völlig neu gemischt wurden und der Schmerz wie weggeblasen war, die Geburt verdrängte die Erinnerung daran. Wir aßen und tranken eine Kleinigkeit, Marietta lag ermattet auf dem Sofa, ich führte ihr das Saftglas an den Mund und sie nippte daran, essen wollte sie gar nichts. Die Pause dauerte ungefähr eine Dreiviertelstunde als die Geburt in ihre Endphase ging, die unser aller volle Energie erforderte. Seldit schrie Marietta an, dass sie pressen müsste, sie müsste so stark pressen, wie sie es vermutlich noch nie vorher getan hätte und Marietta legte sich ins Zeug, ihr Gesicht war entstellt, sie beugte sich nach vorn und gab orgiastische Schreie von sich. Ich dachte, warum eine Geburt mit soviel Leiden verbunden war, ein Leiden, das eher an den Tod denken ließ?

Der Kampfeswille war Marietta ins Gesicht gezeichnet, woher schöpfte sie nur die Energie, die sie immer noch freisetzte? Es war inzwischen 4.30 h geworden, die Nacht wäre bald vorbei gewesen, wo blieb Klaus-Jarmo nur? In diese Zeit fiel eigentlich immer meine absolute Tiefschlafphase, davon konnte in dem Moment natürlich nicht die Rede sein, im Gegenteil, ich unterdrückte meine Müdigkeit, weil ich aufgeregt und neugierig auf meinen Sohn war, der sicher innerhalb der nächsten zwei Stunden zur Welt käme. Die Presswehen verursachten unglaubliche Schmerzen, die die Frauen nur mit der Freude überwanden, die sie mit ihrem Kind verband, das bald zur Welt käme und nur noch mit dem Kopf durch die Scheide müsste, wäre dann auch noch ein Teil des Oberkörpers zu sehen, könnte man das Kind herausziehen. Seldit glaubte, dass der letzte Pressvorgang bevorstünde, sie tastete an Mariettas Bauch entlang und glaubte, so die Lage des Fötus erkennen zu können, wahrscheinlich lag sie damit richtig, sie war so erfahren, dass man ihr da nichts vormachen konnte. Es war 5.15 h, als Seldit Marietta noch einmal aufforderte, ihre letzten Kräfte zu wecken und in den Pressvorgang zu legen.

Dann, vielleicht eine Viertelstunde später, sah man Klaus-Jarmos Kopf aus Mariettas Scheide schauen, es war zunächst die Schädeldecke, die dunkel behaart war, dann schrie Seldit so laut, wie ich sie noch nie hatte schreien hören: „Pressen, pressen, pressen!“, und Marietta bäumte sich noch ein letztes Mal auf und drückte mit der Kraft, die ihr noch verblieben war, die ausreichte, das Kind noch ein Stück nach vorne zu schieben, die Scheide war sehr stark dehnbar! Als die Schultern Klaus-Jarmos draußen waren, nahm Seldit ihn und zog ihn aus Mariettas Körper, sie wartete, bis Klaus-Jarmo zu schreien begann, dann gab sie ihn Marietta auf ihren Bauch.

Ich küsste Marietta und war glücklich, Klaus-Jarmo, unser Sohn, war bei uns! Ich beobachtete ihn und er sah zu mir, unser erster Augenkontakt, ich redete leise mit ihm. Marietta schaute zu ihm hinunter und war ebenfalls glücklich, der Schmerz war von ihr geflogen, sie lag da, als wäre nichts vorgefallen und strahlte. Seldit griff in ihre Scheide und beförderte die Nachgeburt nach draußen, für empfindliche Gemüter war das alles nichts, ein breiiger Klumpatsch fiel auf die Laken, die blutverschmiert waren und auf denen Plazentareste lagen, auch Klaus-Jarmo war blutverschmiert, er war noch über die Nabelschnur mit der Plazenta verbunden.

Paulo wird Hochschullehrer und Vater (10)

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