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2.2.2 Zum Ursprung des kulturellen Grundmusters

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Sucht man nun nach einer Ursache für das beschriebene universale Rollenmuster in der Geschlechterbeziehung, so muss wie bei allen universalen Kulturphänomenen an biologische Einflussfaktoren gedacht werden (Bischof-Köhler 2004, 20), ohne dabei jedoch den wichtigen Einfluss der Sozialisierung von Männern und Frauen aus den Augen zu verlieren (Hines 2004, 214). Neurophysiologische und entwicklungspsychologische Forschungen der letzten Jahrzehnte haben hier wichtige Erkenntnisse gebracht über einzelne ursächliche Faktoren und ihre untrennbare Verknüpfung:

Außer den offensichtlichen körperlichen Geschlechterunterschieden, die auch eine signifikante Differenz in der durchschnittlichen Körpergröße und Muskelkraft einschließen,68 gibt es auch Unterschiede in bestimmten Denkstrukturen und Verhaltensneigungen, die sich auf biologische Einflüsse zurückführen lassen. Obwohl diese im Vergleich zu den Gemeinsamkeiten zwischen beiden Geschlechtern gering sind (Hines 2004, 3.217; Van Leeuwen 2007, 178–181) und nur Durchschnittswerte mit großen Überlappungsbereichen darstellen (Bischof-Köhler 2004, 24–25; Hines 2004, 4.19; Maccoby 1999, 5),69 lassen sie sich durchgängig nachweisen und mit biologischen Vorgängen der vorgeburtlichen Entwicklungsphase in Verbindung bringen (Hines 2004, 125; Bischof-Köhler 2004, 200–204).

Ein Blick auf die biologische Entwicklung der Geschlechterdifferenzierung hilft hier zum Verständnis der Zusammenhänge: Unter dem Einfluss des männlichen Y-Chromosoms entwickeln sich im männlichen Embryo um die siebte Schwangerschaftswoche die zunächst neutral angelegten Keimdrüsen in Hoden, die sehr bald mit der Produktion großer Mengen von Androgenen (männlichen Geschlechtshormonen), insbesondere von Testosteron, beginnen. Dieses hat nun einen steuernden Effekt auf die weitere Geschlechtsdifferenzierung, in sehr direkter Weise auf die Ausbildung der äußeren Geschlechtsmerkmale, auf komplexere und flexiblere Weise auch auf die geschlechtsspezifische Prägung bestimmter Gehirnstrukturen (Hines 2004, 215–219; Baron-Cohen 2004, 140–141; Bischof-Köhler 2004, 197).70 Testosteron aktiviert im fötalen Gehirn im zweiten bis sechsten Schwangerschaftsmonat bestimmte Verhaltensneigungen (Baron-Cohen 2004, 140; Bischof-Köhler 2004, 200), die sich dann bereits in den ersten Lebensjahren weltweit im unterschiedlichen Spielverhalten von Jungen und Mädchen niederschlagen (Maccoby 1999, 32–46). Der Unterschied zeigt sich vor allem in dem sogenannten „Wildfangverhalten“ der Jungen (Bischof-Köhler 2004, 203),71 das sich durch eine hohe physische Aktivität mit einem Drang zum Kräftemessen und Wettbewerb auszeichnet (Maccoby 1999, 18–31) im Gegensatz zu dem beziehungs- und kommunikationsgeprägten Spielverhalten der Mädchen (Maccoby 1999, 46). Dieser Unterschied trägt zu der ebenfalls universal zu beobachtenden Geschlechtertrennung im Schulalter bei (Maccoby 1999, 22.44.62.87), die wiederum als wichtiger Einflussfaktor für die unterschiedliche Sozialisierung der Geschlechter und die Ausprägung von geschlechtsspezifischen Verhaltensunterschieden angesehen wird (Maccoby 1999, 144–152).

Die Verhaltensunterschiede zwischen Mann und Frau werden von Forschern unterschiedlich gewichtet, polarisiert und interpretiert. Sie lassen sich grob so zusammenfassen: Während sich im Blick auf die allgemeine Intelligenz kein Unterschied zwischen Männern und Frauen nachweisen lässt (Maccoby und Jacklin 1974, 65; Hines 2004, 11; Baron-Cohen 2004, 23), gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede in bestimmten Gehirnleistungen und Verhaltensneigungen: So haben Männer im Durchschnitt ein etwas besseres räumliches Vorstellungsvermögen und analytisch-mathematisches Verständnis als Frauen (Maccoby und Jacklin 1974, 91–98; Hines 2004, 12–13; Bischof-Köhler 2004, 234) und die männlichen Denkprozesse sind in der Regel mehr auf das Erforschen, Begreifen und Entwickeln von logischen Systemen ausgerichtet als die weiblichen (Baron-Cohen 2004, 14). Männer legen im Durchschnitt mehr Wert auf Leistung und Wettbewerb als Frauen (Clark 1980, 396.398; Maccoby 1999, 39) und haben in der Regel eine höhere Risikobereitschaft (Bischof-Köhler 2004, 296–297) sowie ein größeres Durchsetzungsvermögen (Maccoby 1999, 36–39; Bischof-Köhler 2004, 304–305). Auch Rang und Status sowie der Aufbau von Dominanzhierarchien sind ihnen meist wichtiger als Frauen (Baron-Cohen 2004, 55. 61–64; Maccoby 1999, 38–39.51). Frauen haben im Durchschnitt eine bessere verbale Kompetenz als Männer (Hines 2004, 11; Bischof-Köhler 2004, 234). Ihr Interesse ist tendenziell mehr auf zwischenmenschliche Beziehungen und Kommunikation ausgerichtet (Maccoby 1999, 46–50; Bischof-Köhler 2004, 342–345), ihre Denkweise in der Regel ganzheitlicher. Sie haben im Durchschnitt ein etwas stärkeres Empathievermögen und sind in der Regel mehr auf das Verstehen und die Fürsorge von Menschen ausgerichtet als Männer (Baron-Cohen 2004, 12–13.16; Bischof-Köhler 2004, 348–351).

Bei der Interpretation dieser Unterschiede darf nie vergessen werden, dass sie generell viel geringer sind, als manche Stereotypen vermuten lassen (Hines 2004, 182),72 und dass es sich um Durchschnittswerte handelt, von denen einzelne Männer und Frauen oft weit abweichen. Auf die Frage, wie weit nun die biologischen Unterschiede verantwortlich sind für das universale Geschlechtermuster, geben die Wissenschaftler keine einheitliche Antwort. Da Hirnstrukturen auch durch soziale Prägung und persönliche Erfahrung verändert werden können (Hines 2004, 211; Baron-Cohen 2004, 246), wird eine saubere Unterscheidung zwischen strikt biologisch bedingten Unterschieden und soziokulturell bedingten nicht möglich, aber auch nicht nötig sein (Hines 2004, 214; Van Leeuwen 2007, 174). So formuliert Konrad Köstlin: „Natur gibt es für uns nur aus zweiter Hand, als zweite Natur, hindurchgegangen und sichtbar gemacht durch die Brille des Kulturellen“ (Köstlin 2001, 3). Bedenkt man in diesem Zusammenhang die biblische Perspektive zu Natur und Kultur des Menschen, dann kann davon ausgegangen werden, dass das universale Muster der Geschlechterbeziehung sowohl schöpfungsbedingt als auch durch den Sündenfall beeinflusst ist.73

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