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Das Großartige im Leben ist immer nur den anderen passiert. Gisi zum Beispiel. Oder Martha, der Makellosen. Mir nie. Lange Zeit kam ich damit ganz gut zurecht. Aber allmählich begann es mich zu wurmen.

Als es Martha Unmuth erwischte, war ich zweiundvierzig, ein hervorragendes Alter, wenn man bedenkt, dass man unserer Generation eingetrichtert hat, mit vierzig beginne das Leben. Ich saß an meinem Schreibtisch in der Redaktion, als Gisi mich anrief und ins Telefon plärrte, sie müsse mich augenblicklich sehen, nein, nicht in meinem Büro, was sie mir zu sagen habe sei top secret, sie erwarte mich deshalb im Kaffeehaus vis-à-vis.

Erste Juliwoche, Affenhitze in der Stadt. Ich schmolz geradezu. Mein fettleibiger Kollege, der über Haubenlokale und Weine berichtete, hatte sich meinen Ventilator geborgt und ihn in seinem Zimmer versperrt, ehe er zum Essen ging. Gisi saß in einer abgewetzten Plüschecke des vergammelten Kaffeehauses, auf dem Marmortischchen vor ihr standen zwei Gläser Weißwein.

»Du transpirierst«, sagte sie.

»Ich darf, es hat 32 Grad im Schatten«, erwiderte ich, ergriff eines der Gläser und kippte den Inhalt hinunter.

»Setz dich und halte dich fest.« Gisi strahlte, ihre Augen glitzerten im hellen Katzengesicht.

»Ich sitze«, seufzte ich, »mach schnell, ich muss einen Text eingeben.«

»Also ...«, sie unterbrach sich und wedelte mit ihrer kleinen, runden weißen Hand. »Herr Ober, noch zwei Gläser Weißwein, sehr kalt, bitte!«

»Sag schon, Gisi.«

»Also...«, Kunstpause, Atem holen: »Die Makellose ist durchgebrannt!«

Gisi hatte Madame Unmuth nicht bloß aus Lust an der Alliteration »die Makellose« getauft; sie behauptete, dass Martha äußerlich fehlerfrei sei. »Ich weiß, wovon ich rede, ich sitze mit dieser Frau einmal pro Woche in der Sauna«, pflegte sie zu sagen und keineswegs frei von Missgunst hinzuzufügen: »Kein Hauch von Cellulitis, nie Pickel, nie fettiges Haar...«

Unmuths waren mit Gisi und deren Mann Viktor gut bekannt. Viktor Urbanski, ein renommierter orthopädischer Chirurg, hatte den betuchten Industriellen Unmuth am Knie operiert, in der Folge hatte sich ein gesellschaftlicher Kontakt ergeben. Cocktails, Premieren, Golfplatz und so. Nicht meine Welt. Obwohl ich sie nicht grundsätzlich ablehnte. Ich gehörte bloß nicht dazu, weil ich ihr nichts zu bieten hatte: Ich war Journalistin, aber keine Oriana Fallaci, und ein Single, aber nicht mehr taufrisch.

Martha war ich persönlich nie begegnet, dennoch hatte ich das Gefühl, sie aus dem Effeff zu kennen. Denn Gisi, die auf diese Frau negativ fixiert schien, sprach oft von ihr: »Sie sagt, sie sei noch keine vierzig, ich glaube ihr kein Wort. Ich denke, sie ist mindestens so alt wie wir. Leider hat sie keine Falten.«

»Schönheitsfarm wahrscheinlich, du sagst doch, sie hat Geld wie Heu.«

»Hat sie, hat sie. Die musste in ihrer Ehe noch nicht ein einziges Mal einen Putzlappen in die manikürte Pfote nehmen. Null zu tun. Und ihr einziges Kind hat das faule Aas ins Internat verräumt.«

»Wie heißt doch gleich ihr Mann?«

»Franz. Aber sie nennt ihn Francesco, weil ihr Franz zu bieder ist.«

Über die Makellose zerrissen wir uns die Mäuler mit Wonne.

»Laura! Hörst du mir zu? Martha ist ihrem Alten durchgegangen!«, brüllte mir Gisi ins Ohr.

»Warum schreist du so, ich dachte, es sei geheim.«

Gisi beugte sich vor und flüsterte: »Abgehauen ist sie. Hat nicht einmal einen Abschiedsbrief hinterlassen.«

»Wo ist sie hin?«

Gisi hopste auf der Sitzbank auf und nieder, bis die Federn quietschten. »Du bist gemein, du fragst absichtlich nicht mit wem!«

»Ach, sie ist nicht allein davon. Also mit wem?«

»Du kennst ihn nicht«, sagte sie genüsslich.

»Gisi, ich gehe!«

Sie fasste mich am Arm und zerrte mich aufs Plüschene zurück. »Er sagt, er sei Spanier.«

»Du kennst ihn?«

Gisi schüttelte den Kopf. »Er soll ein Adonis sein.« Sie ließ sich zurücksinken und rollte die Augen. »Schwarze Locken, goldbraune Haut, ein Körper wie Tony Leung...«

»Wer ist das?«

»Du weißt schon, der Chinese aus dem Film Der Liebhaber. «

Ich ließ mich neben Gisi in die Polsterung sinken. »Und wo hat die Makellose den Adonis aufgegabelt?«

»Du wirst es nicht fassen. Er war DJ auf einem Schickimickigartenfest, zu dem Martha und Francesco eingeladen waren.«

»Du machst Witze. Woher hast du diesen Unsinn?«

Gisi spitzte ihren kleinen, naturroten Mund und flötete: »Lauraliebchen, ich habe recherchiert.«

Die Geschichte klang nach Seifenoper. Weißes Haus mit Park, der Rasen englisch, der Swimmingpool achteckig, drum herum hundertfünfzig feinst aufgemachte Gäste. Kellner in Weiß, Champagner mit Erdbeeren, in einem großen blau-weiß gestreiften Zelt das Büfett, in einem kleinen blau-weiß gestreiften Zelt der DJ. In der Menge die Unmuths. Martha, im weißseidenen Hosenanzug aus dem Hause Jil Sander, nippt am Champagner. Der bleistiftspitze Absatz ihrer Sandale verfängt sich in einem Gitter, die Makellose schwankt, verliert das Gleichgewicht und stürzt rücklings in den Pool. Alles schreit: »Oh«, weicht zurück und wieder vor, gafft auf Martha, die untergeht wie ein Stein. »Sie kann nicht schwimmen!«, schreit Francesco ...

»Sie kann nicht schwimmen?«, wiederholte ich.

»Sie kann vieles nicht«, sagte Gisi hämisch und fuhr fort: »Horch zu, jetzt kommt’s. Plötzlich springt der DJ aus seinem Zelt hervor, rast zum Pool, reißt sich im Laufen das weiße Shirt vom goldbraunen Leib, köpfelt in den Pool, krault zur abgesoffenen Martha und birgt sie. Er ist auch der Einzige dort, der Wiederbelebung kann, er haucht in sie hinein, sie schlägt die Augen auf, er trägt sie ins Haus, sie will sich an ihm festhalten, berührt nackte, nasse Haut und zwei Wochen später brennt sie mit ihm durch!«

Ich war irgendwie fassungslos. Dass eine Frau wie Martha sich so bedenkenlos ins Ungewisse stürzte ... »Das gibt’s doch alles gar nicht«, sagte ich, »in der Realität kommt so etwas nicht vor.« Der Ober hatte den Wein gebracht, ich kippte mein zweites Glas hinunter, Redaktion und Text hatte ich vergessen.

Gisi war von der Wirkung, die ihre Erzählung auf mich hatte, befriedigt. »Der Spanier ist sieben Jahre jünger als Martha und mittellos«, schnurrte sie. »Francesco hat sein Testament bereits geändert und seinen Sohn zum Universalerben eingesetzt.«

»Wie trägt er’s?«

»Wer, der Sohn?«

»Sei nicht doof, Francesco.«

Immer wieder hatte ich mir von Gisi sagen lassen, dass das Beste an Martha ihr Mann sei. Liebenswürdig, aufmerksam, gut aussehend, Typ Rex Harrison. Mit dem nachsichtigen Lächeln eines vernarrten Vaters trage er Martha auf Händen, Ersteres nicht grundlos, er sei ein Vierteljahrhundert älter als seine Frau ... Ich hatte das rührend gefunden. Mich hätte auch das Alter nicht gestört. Ich bin nämlich Witwe, und seit ich Witwe bin, trägt mich keine Sau auf Händen.

Nachdenklich wiegte Gisi den Kopf. »Braune Brust, junge Haut, tolle Muskeln und schon rastet eine Frau wie Martha aus.« Sie kiefelte an ihrer Nagelhaut und spuckte das Abgebissene beiseite, ihre schwarzen Augen, die einzigen Augen der Welt, die ich jemals wirklich glitzern sah, glitzerten, als sie sagte. »Etwas muss dran sein: Starke Arme raffen dich auf und tragen dich fort. Denk an Rhett Butler, Scarlett O’Hara und die Stiege...«

Das wollte ich nicht hören, über Rhett Butler lasse ich nichts kommen, und die Szene auf der Stiege gehört zu meinen Lieblingsstellen. Ich widersprach: »Das ist der falsche Ansatz, Gisi. ›Ich Tarzan, du Jane...‹ Es ist der Tarzan-Effekt.«

Darüber lachten wir Tränen.

Der »Tarzan-Effekt« wurde zum Bestandteil unseres gemeinsamen Wortschatzes. »Du bist grenzgenial«, versicherte mir Gisi, »du hast ein Phänomen auf den Punkt gebracht und benannt. Ich beeide jederzeit dein Copyright. Du solltest etwas daraus machen.«

Immer wieder kam sie darauf zurück. Eines Herbstnachmittags — ich war kurz vor der Abreise zum Kurischen Haff, über das ich eine Reportage schreiben sollte, war beim Packen und Gisi stand mir im Weg rum — fing sie wieder davon an: »Schlag Kapital aus dem Tarzan-Effekt. «

»Sei nicht kindisch.«

»Was heißt kindisch? Eben hast du gesagt, dass dich der Reisejournalismus ankotzt.«

Im Frühling hatte sich Litauen von der Sowjetunion losgesagt, ich wollte zu den Ersten zählen, die Thomas Manns einstiges Ferienparadies wieder entdeckten. Ich hatte meinen Chefredakteur davon überzeugt, dass die Reportage eine Sensation werden würde. Es war schwierig genug gewesen, die Reise vorzubereiten, an sich freute ich mich auch auf sie, ich fühlte mich bloß so entsetzlich müde und so gar nicht abenteuerlustig.

»Der Reisejournalismus kotzt dich an, genau das hast du vor zwei Minuten gesagt. Also sattle um. Schreibe über Zwischenmenschliches und steig mit dem Tarzan-Effekt ein.« Sie hatte sich zwischen mich und meinen Koffer geschoben und tänzelte auf und ab, ich schob sie beiseite.

»Du bist nicht ganz dicht. Von Tarzan mal abgesehen, in meinem Alter ist das Umsteigen schwierig. Außerdem wird’s eng im Magazinjournalismus. Ich bin froh, dass ich meine Reiseecke habe und werde fein stillhalten. «

Stillhalten lag so gar nicht in Gisis Natur. »Laura Wunder, wenn du nichts unternimmst, wirst du versauern. Du bist Spitze, in deinem Blatt bist du die Edelfeder, wenn du wolltest, könntest du über alles schreiben. Wissenschaftsthemen zum Beispiel ...«

Ich prüfte, ob der Koffer nicht zu schwer war und warf noch einen dicken Pullover auf die frisch gebügelte Bluse. »Wer hoch steigt, fällt tief. Ich bin eine wissenschaftliche Null, Gisela Urbanski.«

Gisi ließ nicht locker: »Wieso, du hast doch Germanistik studiert.«

Ich zog den Reißverschluss des Koffers zu und wollte die Debatte beenden. »Du auch«, sagte ich, »und was machst du jetzt? Die Buchhaltung für deinen Mann.«

Damit hatte ich Gisi gekränkt. Ihr wunder Punkt war nun einmal, dass sie keine wirkliche Aufgabe hatte. Ihre Ehe war kinderlos geblieben, und wann immer Gisi sehnsüchtig davon sprach, sich einen Job suchen zu wollen, winkte Viktor ab; sie lebe wie die Made im Speck, sie müsse nicht verdienen, sie solle gefälligst daheim bleiben und jenen Frauen, die gezwungen seien ihren Unterhalt zu verdienen, nicht den Arbeitsplatz stehlen.

Ich mochte Viktor Urbanski und kam gut mit ihm aus, aber zum Thema »berufstätige Frau« gerieten wir uns immer wieder in die Wolle. Die machistische Herablassung, die ich hinter jedem seiner Worte witterte, fand ich zum Kotzen. »Dein Fall liegt anders«, pflegte er mir milde zu versichern, »du musstest nach Martins Tod verdienen, schließlich hattest du ein Kind zu erhalten.«

Und prompt wurde ich aggressiv: »Red keinen Holler, ich hätte mir auch einen Job gesucht, wenn Martin nicht gestorben wäre.«

»Meine Liebe, das hätte Martin nie zugelassen.«

»Woher willst du das wissen? Martin hätte...«

»Martin war mein bester Freund, ich kannte ihn, wie du Gisi kennst, er hätte nie geduldet, dass seine Tochter in einen Hort gesteckt wird, während du dich auf den Selbstverwirklichungstrip begibst.«

So war Viktor. Arme Gisi. Sie musste ihre ganze Energie auf Nebenschauplätze verwenden. Viktors Buchhaltung. Organisation des Urbanskischen Gesellschaftslebens. Rührende, wenngleich nicht immer erwünschte Betreuung meiner Tochter Limettchen, deren Patin sie war. Und ständiges Bemühen um mein Wohlergehen. Niemand sonst kümmerte sich darum. Ich liebte sie für ihre Hingabe, auch wenn mir ihre Intensität zuweilen auf die Nerven fiel.

Ich kehrte von der Kurischen Nehrung mit Bronchitis heim. Fiebernd hatte ich mich in meiner viel zu großen Innenstadtwohnung, in der ich seit Martins Tod alleine mit Limettchen lebte, verkrochen. Meine Tochter befand sich auf Schullandwoche, aber Gisi war unverzüglich aufgetaucht. Ich hörte sie in der Küche hantieren, sie pfiff vor sich hin, ich wusste, sie war froh gebraucht zu werden. Mit ihren kurzen schnellen Schritten trat sie an mein Bett. »Ich hab Orangensaft gepresst, Zitrone ist auch drin, sehr sauer, aber du brauchst Vitamin C. Was nimmst du ein? Nur Aspirin? Zu wenig, ich rufe unseren Hausarzt an...«

Als ich aufwachte, war es schon dämmrig, Gisi saß in einem Lehnstuhl neben meinem Bett und hatte ihre Füße unter meine Decke geschoben. Lauschig war das, ich fühlte mich geborgen. Als sie sah, dass ich wach war, begannen ihre Augen zu glitzern. »Erzähl von Litauen, war’s toll?«

»Umwerfend«, krächzte ich.

»Sprich nicht, nick bloß, wenn’s stimmt, was ich sage. Du warst in Nida? Hast das Sommerhaus von Thomas Mann gesehen? Die Riesendüne? Die alte deutsche Zitadelle? « Sie unterbrach sich und legte ihre Hand auf meine Stirn. »Das Fieber steigt.« Sie verabreichte mir zwei weitere Aspirin und erklärte, ich würde jetzt grauenhaft schwitzen, weswegen sie in Limettchens Zimmer zu nächtigen gedenke, Schwitzende bedürften der Aufsicht, selbst Viktor werde das einsehen.

Am nächsten Morgen bezog sie mein Bett frisch, stopfte die Decke um mich und sah mich an wie ein Forscher seinen Rhesusaffen. »Fühlst. du dich matt?«, fragte sie. Ich nickte. »Fein, du brauchst bloß zuhören und gar nichts sagen.«

»Wozu nichts sagen?« Ich hatte die Stimme verloren und konnte nur noch flüstern.

»Ich habe deinen Ausstieg aus der Reiseecke vorbereitet. «

»...?«

»Ihr habt doch in jeder Nummer ein paar Seiten Modernes Leben im Blatt?«

»...?«

»Schau nicht so misstrauisch drein, ich habe dir bloß ein paar Fakten für einen ersten Beitrag zusammengetragen.«

»...?«

»Über den Tarzan-Effekt.«

Als ich stimmlos auffuhr, wedelte sie aufgeregt mit ihren kleinen weißen Händen und sagte fast flehentlich: »Bitte Laura, sag nichts, lass mich akademisch sein.«

Ich ergab mich und ließ mich in die Kissen fallen. Gisi zog einen Notizblock aus ihrer Tasche und begann zu blättern. »Weißt du, was über Tarzan im Lexikon steht?«

Es erstaunte mich, dass überhaupt etwas über Tarzan im Lexikon stand.

»Weißhäutiger, unter Tieren aufgewachsener und stets siegreicher Dschungelheld in den Abenteuerromanen von E. R. Burroughs«, las Gisi. Ich lächelte müde. »Willst du wissen, wer E. R. Burroughs war?«

Ich nickte und schloss die Augen. »Er hat nichts mit John Burroughs, dem Freund von Walt Whitman zu tun. Er ist auch nicht mit William Burroughs, du weißt schon, dem Autor von Naked Lunch verwandt.« — Sie machte eine Pause, ich öffnete die Augen, um ihr zu zeigen, dass ich nicht eingeschlafen war, sie fuhr fort. »Der unsere heißt Edgar Rice Burroughs. 1875 in Chikago geboren, amerikanischer Unterhaltungsschriftsteller, hat den ersten Tarzan-Roman 1914 abgesondert und ist 1950 in den Staaten gestorben.«

Ich war sehr müde und ich liebte sie. Ich muss wohl eingedöst sein, im Halbschlaf hörte ich sie murmeln. Sie sprach über Etymologie und Semantik und den Namen Tarzan und über die Bedeutung des Wortes Effekt. Ich habe noch im Ohr, wie sie sagte, »... im Duden nachgesehen. Hast du gewusst, dass Effekt auch Naturerscheinung heißen kann?« Wirklich wach wurde ich erst wieder, als sie von den Tarzanfilmen sprach und meinte, Lex Barker könne Johnny Weissmueller nicht das Wasser reichen. »Never change a winning team. Neufassungen fallen meistens ab.« Sie raschelte mit ihren Notizen. »Dieser alte schwarz-weiße Schwulst war einfach fabelhaft. Und der Weissmueller hatte einen tollen Körper, was?« Plötzlich beugte sie sich über mich. »Laura, du schläfst doch nicht?«

Ich nuschelte: »Nie und immer«, und nahm zur Kenntnis, dass Johnny Weissmueller fünfmaliger Olympiasieger im Kraulen gewesen war und siebenundsechzig Weltrekorde aufgestellt hatte und war erstaunt, als ich hörte, dass er erst 1984 im Alter von achtzig Jahren gestorben ist.

Ich war bald wieder fieberfrei, musste mich jedoch noch eine Weile schonen.Während meiner Rekonvaleszenz sah Gisi nach mir und ließ nicht locker, immer wieder kam sie auf meine mögliche Karriere als Starkolumnistin zurück und warf mir sträflichen Mangel an Ehrgeiz vor. Müßig zu sagen, dass ich nie auch nur ein Wort über den Tarzan-Effekt zu Papier gebracht habe.

Mit der Zeit vergaßen wir meine Wortschöpfung ebenso wie die makellose Martha und ihren goldbraunen Adonis. Der Skandal im Hause Unmuth hatte die einschlägigen Wiener Kreise einige Monate lang in Atem gehalten. Francesco war bereit gewesen, der Untreuen zu vergeben und sie in Gnaden wieder aufzunehmen, falls sie beim Haupt ihres Kindes schwor, den DJ niemals wieder zu sehen. Das war scheints zu viel verlangt, noch befand Martha sich im Sinnenrausch und verzichtete eher auf ihren Sohn als auf Sex mit dem muskulösen Spanier, der letztendlich gar kein Spanier war, sondern sich als Kölner outete. Es gab eine rasche Scheidung. Ehe endgültig Gras über die Geschichte wuchs, hörte man noch, dass das Paar nach München gezogen sei, wo Martha einen Job in einem Modegeschäft angenommen habe, der DJ, hieß es, arbeite gelegentlich als Dressman, dazwischen gehe er stempeln.

Gisi und ich gingen auf die fünfundvierzig zu. Ich schrieb nach wie vor Reiseberichte, manchmal durfte ich über Ausstellungen berichten. Alle drei Monate bekam ich einen Rappel, wollte auswandern, das große Abenteuer erleben, den Job wechseln und hatte gleichzeitig panische Angst, dass man mich abbauen könnte.

Gisi war betriebsam wie eh und je und tat, als finde sie ihr Leben vollkommen in Ordnung. Ich war sicher, dass sie ähnlich empfand wie ich: Wir warteten auf ein Ereignis, das dieses im Dasein der Frau von heute als unübertrefflich gepriesene Jahrzehnt, das bald zur Hälfte vorüber sein würde, aufregend, besonders, unvergesslich machte. Nichts dergleichen geschah. Dann erwischte es Gisi.

Der Tarzan-Effekt

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