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Kapitel 4

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München leuchtet

Belustigende Vorstellungen über den Hausherrn von der Hans-Sachs-Straße in München gingen ihr durch den Kopf, während Judith sich in ein cremefarbiges Sofa gleiten ließ, um in Ruhe die Einrichtung zu betrachten. Diese ausgesucht eleganten und farblich abgestimmten Möbel ließen auf einen Mann mit ausge-prägt femininem Stil schließen. Selbst die Perserkatze Daphne und der Russel-Terrier Jacky passten farblich ins creme-weiße Ambiente dieser im italienischen Flair gehaltenen Dachterrassenwohnung mitten in der Hochburg der homoero-tischen Szene Münchens. Das einzig fast schon arrangiert anmutende Chaos herrschte im Arbeitszimmer, einem Atelier vergleichbar.

Der weissblaue Himmel Münchens leuchtete senkrecht auf einen Barocktisch, der mit Modeentwürfen für Männeroutfits übersät war. Eher dem Ökolook zugeneigt, schmunzelte Judith über den vornehmen Briefkopf auf dem Geschäftspapier: “All about Adam” Inhaber Maximilian Gernleitner, Klenzestraße, 80469 München

Judith taxierte die üppig grüne Bepflanzung der großen Dachterrasse und den phlegmatischen Blick der Katze. Jacky, daran gewöhnt, um diese Uhrzeit ausgeführt zu werden, wartete schwanzwedelnd an der Tür, bereit Gassi zu gehen.

Isar oder nicht Isar – das war die Spazierfrage! Oder doch bis zum Englischen Garten ?

Wie angenehm, das Haus eines reichen und kultivierten Menschen zu hüten. Wenn der Typ bloß länger weg wäre, wär ´s regelrecht perfekt. Ihr graute es beim Gedanken, wieder auf Wohnungssuche gehen zu müssen. Mehrere Besichtigungen und das systematische Durchforsten der Zeitungen hatten sie davon überzeugt, nicht auf üblichem Weg zu einer annehmbaren und dazu noch bezahlbaren Bleibe zu kommen. Deshalb hatte sie rechtzeitig der Bavaria Homesitting GmbH mitgeteilt, ab 01.04. einen neuen Auftrag zu benötigen. Nur – infolge des Wohnungsmangels waren jetzt auch andere auf diese Idee gekommen, ihr Wohnungsproblem zumindest vorübergehend zu lösen und dabei noch Geld zu verdienen. Dementsprechend mager waren deshalb die Angebote der Homesitting GmbH, zumal für eine Zuogroaste wie sie. Nicht verzagen - Sterne befragen! Mit dieser Devise vergewisserte sie sich nochmals ihrer Marsauslösung. Nun ja, schaun mer mal ! Diese Münchner Philosophie hatte sie sich schnell zu eigen gemacht.

Judith war von Natur aus eher nüchterne Pragmatikerin, bedingt durch ihren Jungfrauaszendenten. Der unter Astrologieanhängern grassierenden Tendenz, sich im voraus wegen einer nahenden Konstellation Sorgen oder gar illusorische Hoffnungen zu machen, war sie nicht lange erlegen. Statt dessen hatte sie jahrelang akribisch die Zusammenhänge zwischen kosmischen Konstellationen und äußerer Wirklichkeit beobachtet, um schnell festzustellen, dass eh immer alles anders kommt, als man denkt. Deshalb gönnte sie sich einen unbeschwer-ten Spaziergang an der Isar und staunte über das im alpenländischen Föhn erstrahlende barocke Freilufttheater München. Flugs lagen schon etliche Nackerte am Isarufer, die Cafés hatten infolge der unvermutet warmen Temperaturen ihre Tische und Stühle rausgestellt , die prompt alle besetzt waren.

Arbeitete hier überhaupt jemand , außer ihr und den Kellnern? Während sie genüßlich ihren Cappuccino vor dem Café Tambosi schlürfte, die im goldenen Ockerton erstrahlende Theatinerkirche vor Augen, vertiefte sie sich in ihre Unterrichtsvorbereitungen. Was ihre Arbeit betraf, hatte sie Glück gehabt.

Vom Ephraim Lessing Kolleg, dem renommierten Sprachinstitut, das in München auf Kleingruppen und Individualkurse für Deutsch als Fremdsprache spezialisiert war, hatte sie einige Aufträge bekommen. Frau Pöppel-Nirmalathasan, die Leiterin, hatte ihr zunächst einen Individualschüler übertragen, den – wie sie von Kollegen später erfahren hatte – kein anderer hatte übernehmen wollen.

Es handelte sich um einen hysterischen Amerikaner, der unter dem Druck seiner Firma stand, innerhalb kürzester Zeit Deutsch lernen zu müssen. Diesem Druck entzog er sich konstant, indem er nur Englisch sprach und sie dauernd fragte, mit welcher Diät man optimal Deutsch lernen könne. Judith sah schnell, dass Hopfen und Malz verloren waren. Hier war nur die Einseifmethode möglich: Dem Teilnehmer klar zu machen, er könne es ja schon ausgezeichnet und dass er mit Selbstvertrauen und der learning by doing Strategie seine Sprachhemmung beseitigen werde. Zufrieden hatte der Amerikaner daraufhin den Unterricht beendet und Judith in der Kursbeurteilung mit “sehr gut” bewertet. Wie es zu erwarten war, rutschte sie nach dieser bestandenen Prüfung auf der Auftragsleiter ein Treppchen höher. Ihr nächster Individualschüler war alles andere als ein Psychopath – ein pfiffig humorvoller Holländer, der das typische Problem hatte, alles zu verstehen, aber grammatikalisch beim Sprechen und Schreiben unglaublich viele Fehler zu machen. Ihr tat es fast schon leid, seinen munteren Redefluss stoppen zu müssen. Gleich am ersten Tag hatte er sich als Anhänger der Morosophie bekannt , denn er fand Antworten auf Fragen, die keiner stellte. Wird im Paradies holländisch gesprochen? Stammt der Mensch vom Frosch ab? Er war sich sicher, dass die Holländer aus Palästina stammten, denn natürlich wären sie das von Gott auserwählte Volk. Warum?

Weil die Holländer direkte Nachfahren der Gäste auf Noahs Arche gewesen seien. Vermutlich sei dieses Auserwähltsein die Rechtfertigung der Niederländer für ihre einstige Kolonialpolitik und den Sklavenhandel.

Morosophie – Dwaze Wijzen en wijze Dwazen in Nederland en Vlaanderen(1). Der gegenseitigen Sympathie tat das keinen Abbruch. Sie lachten viel während des Unterrichts, so dass im Verlauf von zwei Wochen auf beiden Seiten deutliche Fortschritte erzielt worden waren: Dem Holländer war endlich der Akkusativ, ansatzweise auch der Dativ klargeworden und Judith hatte ein paar Kniffe herausgefunden, das ihr ansonsten verhasste Wirtschaftsdeutsch unterhaltsam zu vermitteln. Alles in allem also eine runde Sache, die Arbeit beim Lessing Kolleg!

Verrückte Weisen und weise Verrückte in den Niederlanden und in Flandern

Das Paradies hat einen Namen

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