Читать книгу Hitze, Matsch und Hirsekloß - Hanna Pusch - Страница 14
5. Die Baustelle
ОглавлениеMit Mia an der Hand folge ich Jakob und Ina. Als wir in den Garten kommen, entdecke ich zwei afrikanische Kinder, die in einem Loch durch tiefen Matsch waten. Jakob stellt sie vor: „Das hier ist Bouba. Er ist unser Nachbar und wohnt gleich nebenan. Und das ist Yicka. Er ist unser Freund aus der Kinderstunde.“
Die beiden lächeln mich freundlich an. Sie strecken mir ihre matschigen Hände entgegen und ich schüttle sie noch etwas schüchtern, denn ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll. „Sag Bonjour!“, flüstert mir Jakob zu.
Ich stammle verlegen: „Bonjour“, worauf die beiden in schallendes Gelächter ausbrechen und sich mit den Händen auf die Oberschenkel klatschen. Ich bin sauer. Machen die sich etwa lustig über mich?
Aber Jakob lacht auch: „Super Ole! Die freuen sich, dass du ihnen „Hallo“ gesagt hast.“ Dann sagt er etwas zu den beiden auf Französisch. Sie nicken. Yicka zeigt auf mich und sagt: „Ole!“
„Ja“, antworte ich. Da grinst er von einem Ohr zum andern, gibt mir nochmal die Hand und sagt: „Gudden Dag!“ Da müssen wir alle lachen und mein Ärger ist verflogen.
Jakob erklärt mir, dass sie hier vorhin die Erde mit der Hacke gelockert haben. Dann haben sie Wasser dazugegeben und jetzt muss der Matsch mit den Füßen gestampft werden. Er zeigt auf ein weiteres Loch: „Dort haben wir gestern schon gestampft. Der Lehm ist soweit, dass man ihn in die Form füllen kann.“
Ich sehe, wie Ina den Matsch in einen kleinen rechteckigen Holzrahmen füllt und ihn mit der Schaufel festklopft. „Komm, du kannst mir helfen!“, ruft sie mir zu. „Du musst die Form da an der Seite festhalten. Ich halte sie auf der anderen Seite und dann ziehen wir sie langsam nach oben.“
Erstaunt sehe ich, wie ein rechteckiger Lehmstein zurückbleibt. Wow, das ist ja gar nicht so schwer! Ina drückt mir eine Schaufel in die Hand. Vorsichtig ziehe ich meine Sandalen aus und stelle sie an den Rand des Matschlochs. Ich trete einen Schritt vor und merke, wie meine Füße im Lehm versinken. Kleine Steinchen kratzen an meiner Haut. Es kitzelt. Ich bohre meine Schaufel in den Matsch und gemeinsam mit Ina fülle ich die Form.
„Wie viele Steine braucht ihr denn für euer Haus?“, frage ich.
„Och, bestimmt über 200!“, antwortet Jakob, während er wie ein Wilder im Dreck stampft. „Aber wir haben schon 134. Die trocknen da drüben in der Sonne!“
Ich drehe mich um und sehe ein Meer aus braunen Lehmsteinen auf dem sandigen Boden liegen. „Beschwert sich eure Mutter da nicht, wenn ihr den ganzen Garten mit Steinen zupflastert?“.
„Nö. Sie ist ja froh, wenn wir beschäftigt sind. Außerdem haben wir ihr erklärt, dass das halt so ist, wenn man eine Baustelle hat. Da müssen alle ein bisschen leiden, aber hinterher ist es dann umso schöner!“, gibt Ina zurück.
„Wir übernachten wollen in Haus“, klärt Mia mich auf.
Ich sehe sie erstaunt an, aber Jakob meint nur ernst: „Jetzt kommt und arbeitet, sonst werden wir ja nie fertig!“
Ina und ich formen einen Stein nach dem andern. Das macht mir richtig Spaß. Allerdings beginnt mein Magen irgendwann zu knurren. Ein Glück, dass es nicht mehr lange dauert, bis Thomas uns zum Abendessen ruft. Natürlich kann ich mit meinen matschigen Füßen unmöglich am Esstisch erscheinen. Deshalb bringt mich Thomas erst einmal zu der kleinen Wohnung, in der ich mit Mama, Papa und Leonie während unseres Urlaubs wohnen werde.
Bis jetzt habe ich nur den Garten von Bäumlers gesehen, aber nun merke ich, dass die Missionsstation ganz schön groß ist. „Wohnen da überall Leute?“, frage ich Thomas.
„Nicht überall. In der Mitte der Station sind Büros und dort hinten ist die Kirche.“ Er zeigt auf ein großes Gebäude mit einem kleinen Glockenturm davor. „Dort werden wir an Weihnachten in den Gottesdienst gehen.“ Dann zeigt er mit seinem Finger auf das Haus daneben: „Hier wohnt die Familie von Bouba, der euch heute Nachmittag bei den Lehmsteinen geholfen hat. Sein Papa ist der Pastor der Gemeinde hier.“
In diesem Moment tritt ein Mann vor das Haus. Als er Thomas entdeckt, kommt er fröhlich winkend auf uns zu. „Da ist er ja!“, freut sich Thomas. Sie geben sich die Hand und unterhalten sich eine Weile. Ich würde zu gern wissen, über was sie reden, aber ich verstehe nichts, weil sie Französisch sprechen. Auf einmal zeigt Thomas auf mich und der Pastor beugt sich zu mir herunter. Er schaut mir gerade in die Augen, gibt mir die Hand und sagt etwas zu mir. Da mir nichts Besseres einfällt, stammle ich unsicher „Bonjour“, worauf er laut lacht und meine kleine Hand in seiner riesigen Hand unzählige Male schüttelt.
Thomas lacht auch und meint: „Gut gemacht, Ole! Du hast das Herz unseres Pastors schon erobert!“
Ich schaue verlegen zu Boden und bin froh, als Thomas und ich weiter gehen. Wir nähern uns einem langgezogenen Gebäude.
„Da vorne ist eure Wohnung“, sagt Thomas und zeigt auf eine der vielen Türen, die zu dem Haus gehören.
Meine Schritte werden langsamer. „Du, Thomas?“, frage ich leise.
„Was denn, Ole?“
„Ich dachte, dass du der Pastor von der Kirche hier wärst! Mama und Papa haben immer gesagt, dass du in Kamerun als Pastor arbeitest.“
„Ich bin auch tatsächlich Pastor, aber nicht von einer einzigen Kirche. Ich besuche ganz verschiedene Gemeinden und predige in unterschiedlichen Dörfern.“
„Dann haben sie dort also keinen Pastor?“, frage ich irritiert.
„Doch, oft schon. Aber sie möchten trotzdem, dass ich komme.“
Plötzlich bleibt Thomas stehen und sieht mich forschend an. Er hat wohl gemerkt, dass ich noch etwas anderes wissen will. „Na Ole, was willst denn eigentlich wissen?“
Ich druckse ein bisschen herum. Dann sage ich langsam: „Ich habe gedacht, dass du hier in Kamerun arbeitest, weil es sonst keine Pastoren gibt. Aber wenn doch welche da sind, warum müssen du, Kerstin und eure Kinder extra hier sein?“
Thomas ist erstaunt: „Das ist eine ziemlich interessante Frage, Ole. Für mich gibt es vor allem zwei Gründe, warum wir hier in Kamerun sind. Der erste ist, dass Gott mir gesagt hat, dass ich Missionar werden soll. Das heißt, er hat mir den Auftrag gegeben, in ein anderes Land zu gehen, um Menschen von Jesus zu erzählen.“
Nun bekomme ich große Augen. Gott hat mit Thomas geredet?
„Wie hat er dir das denn gesagt?“, frage ich überrascht.
Thomas lächelt: „Er hat es mir gesagt, als ich so alt war wie du. Ich habe keine Stimme aus dem Himmel gehört, aber ich habe es ganz tief in meinem Innern gespürt. Es war so ein Gefühl, das mir gezeigt hat, dass Gott unbedingt möchte, dass ich Missionar werde.“
„Ja und bei Kerstin? Hatte sie als Kind auch so ein Gefühl?“, will ich wissen.
Thomas schüttelt den Kopf. „Nein, Kerstin war schon älter. Als sie gerade ihren Schulabschluss machte, ist sie beim Bibellesen auf verschiedene Verse gestoßen, die ihr gezeigt haben, dass sie Missionarin werden soll.“
„Und deshalb habt ihr geheiratet“, folgere ich daraus.
„Nein, nicht deshalb. Aber es war natürlich praktisch, dass wir beide die gleichen Pläne hatten.“ Thomas schmunzelt.
„Und was ist der zweite Punkt, warum ihr hier seid?“, forsche ich weiter.
„Der zweite Punkt ist der, dass ich es für sehr wichtig halte, mit den Afrikanern zusammenzuarbeiten. Es gibt Dinge, die sie besonders gut können und Dinge, die wir besonders gut können. Wenn wir uns gegenseitig helfen, dann kann die Arbeit viel besser gelingen. Außerdem gehören wir alle zu der großen Familie Gottes. Für Gott gibt es keine Ländergrenzen und er macht auch keine Unterschiede wegen unserer Hautfarbe. Da ist es doch gut, wenn nicht jeder nur bei sich zu Hause sitzt. Dadurch, dass wir hier in Kamerun sind, zeigen wir den Menschen, dass wir alle zusammengehören. Das ist für viele eine Ermutigung.“
Ich nicke.
„So, Ole, jetzt müssen wir uns aber beeilen“, mahnt Thomas, „Kerstin wartet schon mit dem Abendessen auf uns und du hast immer noch nicht geduscht.“
Ich versuche mit Thomas langen Beinen Schritt zu halten, während wir eilig in Richtung Gästewohnung laufen.
Mama hat uns gehört und öffnet die Tür: „Wie siehst du denn aus?!“, ruft sie entsetzt.
Ich sehe an meinen dreckverkrusteten Beinen hinunter. Dann sage ich ganz harmlos: „Ich habe heute etwas Sinnvolles gemacht. Wir haben ein Haus gebaut!“
Mama runzelt die Stirn. Thomas zieht einen rauen, gurkenförmigen Schwamm aus seiner Hosentasche und drückt ihn mir in die Hand. „Das ist ein Luffaschwamm. Die wachsen hier in der Nähe am Fluss. Vielleicht kann er dir in der Dusche etwas behilflich sein.“
Dankbar nehme ich ihn entgegen und drücke mich hastig an Mama vorbei, um mir von Papa möglichst schnell das Badezimmer zeigen zu lassen.
Während ich mich kurze Zeit später unter einem kalten Wasserstrahl abschrubbe, denke ich über mein Gespräch mit Thomas nach. Was würde ich wohl machen, wenn Gott mir zeigen würde, dass ich Missionar werden soll? Und wie würde er mir das wohl zeigen? Durch einen Bibelvers, durch so ein Gefühl oder noch ganz anders?
Ohne eine Antwort auf diese Fragen zu haben, ziehe ich mich an und gehe wenig später mit Mama und Papa zum Abendessen zu Bäumlers.