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Der Traummann

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Als Jolie sich wieder angezogen hatte und aus dem Bad trat, hatte ihre Zimmergenossin gerade ihre Sachen inspiziert.

„Du bist aber keine Alkoholikerin, oder?“, fragte Safira. Sie hatte gerade eines der Fläschchen mit dem Hexentrank in der Hand.

„Ähm – keine Ahnung, was das ist, aber nein, ich denke nicht. Das ist Medizin. Die muss ich abends immer einnehmen, sonst passiert etwas Schreckliches“, antwortete Jolie zögernd und nahm ihr das Fläschchen ab.

„Medizin, so? Naja, du musst es ja wissen. Hör mal, falls du glaubst, wir zwei werden hier die besten Freundinnen, dann muss ich dich leider enttäuschen. Mit so Noobs wie dir gebe ich mich nicht ab. Und Freunde habe ich auch mehr als genug. Was bist du überhaupt für ein hässliches Wesen?“, fragte Safira und sah Jolie ein wenig angewidert an.

„Ich? Ich bin – eine Hexe“, antwortete Jolie. Sie stockte noch etwas, wenn sie danach gefragt wurde.

„Oh. Offensichtlich eine von den hässlichen“, meinte Safira von oben herab.

„Und was bist du?“, erwiderte Jolie neugierig.

„Auch eine Hexe. Aber eine von den schönen Hexen. Ich verstehe ja ehrlich gesagt nicht, wieso du dich nicht schön hext, wenn du doch eine Hexe bist?“, sagte Safira nachdenklich und betrachtete Jolie.

Jolie lachte. „Oh, aber ich kann doch gar nicht hexen!“, erklärte sie verlegen.

„Nicht? Aber sagtest du nicht, du seist eine Hexe? Müsstest du dann nicht auch hexen können? Ich kann es jedenfalls. Oder bist du noch nicht 20?“, fragte Safira misstrauisch.

„Ich? Ach, ich bin schon 22!“, log Jolie. Das wurde langsam zur Gewohnheit, nicht die Wahrheit zu sagen.

„Aha. Ja, aber wieso kannst du dann nicht hexen?“, hakte Safira nach.

„Weil – weil es mir noch niemand gezeigt hat? Deswegen bin ich doch hier!“, erwiderte Jolie vorwurfsvoll.

„Aha. Alles klar“, meinte Safira, wieder auf ihre arrogante Art.

„Sag mal – was ist denn überhaupt ein Noob?“, wollte Jolie nach einer kurzen Pause wissen.

„In welchem Jahrhundert lebst du? Ein Noob ist ein Nobody, ein Niemand, ein Nichts! Jemand uncooles, ein Streber, ein Nerd, so ein Kram“, sagte Safira und sah sie fassungslos an.

„Aha. Also ein Niemand bin ich nicht und ein Nichts auch nicht. Und was der Rest zu bedeuten hat, das weiß ich nicht“, schlussfolgerte Jolie für sich.

„Du bist ja krass“, meinte Safira kopfschüttelnd und verließ das Zimmer.

„He! Warte doch!“, rief Jolie und sprang ihr hinterher.

Doch, als sie aus der Tür trat, war keine Spur mehr von Safira zu sehen.

Seufzend hatte Jolie beschlossen, sich den Campus etwas genauer anzusehen und lief ein wenig umher. Es war schön hier, es gab viel Grün und einen großen Springbrunnen, der aus vier Figuren bestand: Einer Hexe, einer Zauberin, einem Werwolf und einem Vampir.

Jolie überlegte, ob der Präsident wohl Modell für den Werwolf gestanden hatte, eine gewisse Ähnlichkeit konnte sie jedenfalls an ihm feststellen – auch, wenn sie ihn bisher nur in seiner menschlichen Gestalt gesehen hatte. Den Vampir fand sie recht unheimlich, die Hexe und die Zauberin waren beide sehr schön. Sie sahen ganz anders aus als die Alte im Wald. Viel jünger und hübscher.

Nachdem sie die Statuen eine Weile betrachtet hatte, wollte Jolie sich auf den Weg zur „Mensa“ machen, wie das Gebäude hieß, in dem es Essen gab. Sie hatte sich gerade auf den Weg gemacht, da sah sie jemanden, der sie an jemanden erinnerte.

„Herr Zahnmeister?“, rief sie erstaunt, ungläubig und erfreut zugleich. Sie lief ihm nach. Er war wie sie auf dem Weg zur Mensa.

Herr Zahnmeister war der äußerst attraktive Leibwächter der Königin, von dem sie schon oft geträumt hatte, zumindest sah der Wolf, von dem sie geträumt hatte, ihm zum Verwechseln ähnlich und er war in ihren Träumen um einiges jünger. Auch ihrer Schwester gefiel er und sie hatten oft Witze darüber gemacht, dass sie die Königin um Erlaubnis bitten sollte, ihn in ihre Dienste zu nehmen, um ihn ganz für sich zu haben. Was sie natürlich niemals wagen würde.

„Herr Zahnmeister!“, rief sie noch einmal.

Er blieb abrupt stehen.

„Was macht Ihr denn hier?“, fragte sie erfreut und fasste ihn am Arm. Dass sie völlig anders aussah, war ihr in dem Moment scheinbar nicht bewusst.

Der Mann, der einen langen, weißen Kittel trug, schaute erst auf ihre rechte Hand, die seinen linken Arm umschlang, dann drehte er sich um. „Ich arbeite hier. Aber ich fürchte, Sie verwechseln mich“, antwortete er und nahm ihre Hand behutsam von seinem Arm.

Den letzten Satz hätte er nicht sagen müssen, denn sie hatte ihren Irrtum bereits bemerkt und lief vor Scham rot an. In diesem Moment wurde ihr auch bewusst, dass, selbst, wenn er es gewesen wäre, er sie nicht erkannt hätte.

„Verzeihung“, murmelte sie und schaute auf den Boden.

„Kennen wir uns?“, fragte er und betrachtete sie noch einmal etwas eingängiger, blieb aber misstrauisch.

„Ich fürchte, nein. Aber Sie sehen ihm wirklich sehr ähnlich“, sagte sie leise und ließ ihren Blick noch einmal kurz und scheu zu ihm hinaufgleiten.

„Ich bin aber der Meinung, dass wir uns schon mal irgendwo begegnet sind“, meinte er nachdenklich.

„Ganz bestimmt nicht. Wissen Sie, Herr Zahnmeister ist der Leibwächter der“

„Ja, ich weiß schon, wer das ist“, unterbrach er sie abwinkend, „ich werde oft mit ihm verwechselt, was für ihn allerdings ein wesentlich größeres Kompliment ist als für mich. Woher kennen Sie ihn?“

„Ich – ja – also – äh – er – also die Königin hat uns mal besucht. Das ist schon etwas länger her. Es war natürlich eine große Ehre, sie bei uns zu haben und“

„Haben die Beiden sich wenigstens benommen?“, unterbrach er sie wieder.

„Was? Was meint Ihr damit? Sagt bloß, Ihr kennt die Beiden?“, fragte sie erschrocken, aber dankbar, dass sie nicht weiterreden musste.

„Ja, natürlich kenne ich die Beiden! Etwas zu gut, wenn du mich fragst“, meinte er abwinkend.

„Ihr kennt sie also persönlich?“, hakte sie nach.

Er lachte. „Ja, das kann man so sagen. Wir sind uns einige Male begegnet. Wieso ihrzt du mich eigentlich die ganze Zeit? Ich mag das nicht“, sagte er und sah sie nachdenklich an.

„Ich – wieso ich – ich weiß nicht – ich – tut mir leid. Das bin ich noch so von Zuhause gewohnt. Kommt nicht wieder vor. Aber – was soll ich denn stattdessen sagen?“, fragte sie verwirrt.

„Na – du?“, schlug er vor.

„Du? Aber – ist das nicht etwas zu persönlich?“, fragte sie ängstlich.

Wieder lachte er. „Du hast wohl hinterm Mond gelebt, was?“, fragte er.

„Dasselbe hat Greta auch gesagt“, sagte sie, verlegen schmunzelnd.

„Greta? Woher kennst du denn jetzt schon wieder Greta?“, fragte er verwirrt.

„Ich – sie hat mich heute Morgen im Wald geweckt. Ich habe dort heute Nacht geschlafen“, antwortete sie.

„Du weißt aber schon, dass es gefährlich ist, nachts im Wald zu schlafen? Noch dazu noch allein? War das wieder so eine dumme Wette unter euch Studenten?“, wollte er von ihr wissen.

„Ähm. Nein? Ich konnte nur den Weg zur Universität nicht finden. Ich habe mich vorhin eingeschrieben oder wie das heißt“, sagte sie stirnrunzelnd.

„Ah, ja. Du weißt aber schon, dass sich hier in letzter Zeit äußerst gefährliche Wölfe rumtreiben? Die schrecken vor nichts zurück! Beißen alles tot, was ihnen in die Quere kommt! Nimm dich also in Acht vor denen“, meinte er ernst. „Wie heißt du überhaupt?“, fragte er dann.

„Luise“, sagte sie leise.

„Luise? Und wie weiter?“, fragte er.

„Miller“, antwortete sie. Das wurde ihr langsam etwas unheimlich.

„Luise Miller? Wie in Kabale und Liebe?“, hakte er nach.

„Ähm – ja? Meine Eltern hatten halt einen seltsamen Humor – du, das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich hatte exakt dasselbe Gespräch heute Morgen mit Greta“, sagte sie und sah ihn ängstlich an.

„Ach, echt? Naja, das kommt vor“, meinte er nur achselzuckend. Sein Bauch knurrte. „Wenn du mich jetzt entschuldigst, Luise Miller, ich muss meinen Bauch füllen, sonst komme ich noch auf die dumme Idee, dich anzuknabbern!“, meinte er grinsend und biss scherzhaft in ihre Richtung.

Sie lachte. „Ja, alles klar. Wie heißt du eigentlich?“, wollte sie noch wissen, doch da war er schon außer Hörweite.

Jolie stand noch eine Weile wie benebelt da, dann wurde ihr schlagartig etwas bewusst. Sie hatte all die Nächte lang nicht von Elias Zahnmeister, dem Leibwächter der Königin, geträumt, sondern von diesem Mann hier, der ihr noch nicht gesagt hatte, wer er war. Aber sie war gewillt, es herauszufinden. Wie war es überhaupt möglich, dass sie von ihm geträumt haben konnte, ohne ihn je zuvor gesehen zu haben? Das musste etwas bedeuten, da war sie sich sicher.

Was wollte sie eigentlich noch einmal hier? Ach ja, sie wollte ja auch etwas essen. Bei dem Gedanken, ihm vielleicht gleich wieder zu begegnen, wurde ihr ganz schlecht. Zumal sie ja so hässlich war. Da begegnete sie schon einmal der Liebe ihres Lebens, dem Mann, der sie in fast all ihren Träumen begleitet hatte, und dann sah sie aus wie ein Schreckgespenst! Aber vielleicht konnte sie das auch für sich nutzen, überlegte sie sich auf dem Weg zur Mensa, so konnte sie eventuell herausfinden, ob er sie auch so mochte, ohne, dass sie hübsch war. Ja, das war eine gute Idee!

Sie war heiterer Stimmung, als sie die Mensa betrat.

Doch ihre Stimmung verflog sogleich, als sie die vielen Studenten bemerkte, die hier waren. Wie sollte sie ihn denn da wiederfinden? Doch sie fand ihn kurz darauf, sie hatte erst beobachtet, wie die anderen sich etwas zu essen besorgten, und machte es dann nach. Er war gerade im Begriff, sich zu einem Mann zu setzen, der ihm ziemlich ähnlich sah und zu einer Frau, die – Jolies Atem stockte.

Erschrocken hob sie das Tablett vor ihr Gesicht und suchte sich einen Tisch, dem die Frau den Rücken zukehrte, von dem aus sie die drei aber gut beobachten konnte. Der Mann, mit dem sie sich unterhalten hatte, setzte sich den anderen beiden gegenüber, sodass sie freie Sicht auf ihn hatte.

Er sah sehr gut aus. Er hatte dunkelbraune Haare, dunkelgrüne Augen, das schönste Grün, das sie je gesehen hatte, fiel ihr auf, und ein hinreißendes Lachen. Verträumt beobachtete sie ihn.

„Da ist nichts zu machen“, wurde sie angesprochen.

Jolie zuckte zusammen. „Wo ist nichts zu machen?“, fragte sie. Es war Safira, die sich nun mit ein paar Freundinnen zu ihr setzte.

„Felix. Der ist verlobt. Keine Seele hat je seine Verlobte zu Gesicht bekommen, aber er nimmt das, glaube ich, recht ernst“, meinte Safira nachdenklich.

„Felix? Ist das sein Name?“, fragte Jolie aufgeregt.

Safira schmunzelte. „Ja. Und so ziemlich jedes Mädchen auf dem Campus ist in ihn verknallt. Zumindest ein bisschen. Manche auch etwas mehr. Er unterrichtet irgendwas mit Genetik, glaube ich. Hat eigentlich nur Arbeit im Kopf. Er und sein Kumpel Markus, das ist der Kerl, der neben dem Mädel da sitzt, versuchen ständig, dass der Präsident ihnen mehr Kohle für ihre Forschung gibt. Ist aber nicht drin“, erzählte Safira.

Jolie runzelte die Stirn. Sie hatte höchstens die Hälfte von dem, was Safira ihr erzählt hatte, verstanden. „Und wer ist das Mädel, wie du sie bezeichnest?“, fragte sie. Sie tat so, als wüsste sie es nicht.

„Keine Ahnung. Ich glaube aber, ihr seid Namensvettern. Soweit ich weiß, heißt sie Louise oder so. Wird vom Präsidenten persönlich unterrichtet, heißt es“, antwortete Safira und ließ ihren Blick kurz auf Louise ruhen.

„Also – ist der Präsident der Altkönig?“, fragte Jolie erschrocken.

„Hä? Was? Keine Ahnung, wovon du redest“, erwiderte Safira und sah sie verwirrt an.

„Oh. Ja. Entschuldige. Werwolfkram interessiert dich wohl nicht so“, meinte sie verlegen.

„Doch, schon. Ein wenig zumindest. Ich habe Werwolfkunde in meinem Nebenfach“, antwortete Safira überrascht. Dann runzelte sie die Stirn. „Ach, das meintest du! Ja, klar. Der Präsident ist der Altkönig. Aber woher weißt du das?“, wollte sie wissen.

„Dieses Mädchen da. Lousie. Weißt du denn gar nicht, wer das ist?“, erwiderte Jolie und sah Safira herausfordernd an.

„Ähm – nein – müsste ich das wissen?“, fragte sie.

Auch ihre drei Freundinnen wurden nun neugierig und rückten etwas näher.

„Ihr vollständiger Name lautet Jeanne-Lousie Descartes. Sie ist eine zukünftige Königin und wird deshalb vom Altkönig persönlich unterrichtet“, flüsterte Jolie.

„Woher weißt du das? Kennen wir uns?“, fragte plötzlich eine Stimme hinter ihr.

Jolie zuckte erschrocken zusammen. Sie zitterte. Ihr wurde schlecht. Würde ihre Schwester sie erkennen? Vor Angst starr drehte sie sich langsam um.

„Sag – du es mir doch, ob wir uns kennen“, sagte sie leise. Sie wagte es nicht, ihr in die Augen zu sehen.

„Ich bin mir nicht sicher“, meinte Louise. „Irgendwoher kenne ich dich. Du kommst mir wirklich sehr vertraut vor. Aber woher?“

„Alles in Ordnung, Lou?“, wurde sie von Felix angesprochen, der sie behutsam am Arm fasste.

„Was? Ja, ja. Hast du ne Ahnung, woher ich sie hier kenne? Weißt du, wer das ist?“, fragte Louise verwirrt.

Felix musterte Jolie. „Sie meinte, ihr Name sei Luise. Miller, nicht wahr?“, antwortete er und sah Jolie fragend an.

Jolies Knie wurden weich. „J-ja“, stotterte sie nickend.

„Hey, was treibt ihr denn hier?“, fragte der junge Mann, der bei ihnen gesessen hatte, Markus war sein Name.

„Das ist Luise. Lustiger Zufall, nicht?“, meinte Felix grinsend und deutete auf Louise.

„Wenn du meinst“, meinte Markus achselzuckend. Er und Felix sahen sich erstaunlich ähnlich. Nur hatte Markus ein wenig dunklere Haare und seine Augenfarbe war schwer zu definieren. Irgendetwas zwischen grün und braun.

„Es würde mich dennoch interessieren, woher sie das über mich wusste. Ich dachte, das wäre nur eine Sache zwischen mir und dem Präsidenten“, meinte Louise nachdenklich.

„Was für eine Sache?“, fragte Markus verwirrt.

„Ach, nicht so wichtig“, meinte Louise und strahlte ihn an.

Jolies Augen weiteten sich. Ihre Schwester war doch nicht etwa in diesen Markus verliebt? Ihre Schwester, die sich keinem Manne beugen wollte? Konnte das sein?

„Hi Leute, was macht ihr denn hier? Ah, wie ich sehe, habt ihr die Neue schon kennengelernt“, stellte Greta fest, die sich bei Felix einhakte.

Jolie spürte in sich einen Anflug von Eifersucht hochkommen. Greta war doch nicht etwa seine Verlobte?

„Ja, in der Tat. Du hast sie im Wald gefunden, meinte sie“, wandte sich Felix an sie.

Greta lachte. „Ja, in der Tat. Die Gute hat ja keine Ahnung, in was für einer großen Gefahr sie sich da gestern Nacht befand! Von wo kommst du eigentlich?“, fragte sie Jolie.

„Ich? Äh – von daheim natürlich!“, antwortete Jolie. Sie schwitzte ein wenig. Dass das eine dumme Antwort war, wusste sie natürlich, aber sie konnte ja schlecht die Wahrheit zugeben.

„Und wo ist das?“, ließ Greta nicht locker.

„Na, bei meinen Eltern natürlich! Herrn und Frau Miller. Wo denn sonst?“, erwiderte Jolie nervös. Ihr Blick huschte immer wieder zu ihrer Schwester, die noch immer zu grübeln schien, woher sie sie kannte.

Louise sah auf. In ihrem Blick lag ein großes Unverständnis und ein noch größeres Entsetzen, als sie Jolie ansah. „Du bist ja verrückt!“, murmelte sie.

„Das ist doch offensichtlich!“, schaltete Safira sich ein.

Ihre Freundinnen kicherten.

„Entschuldigt uns bitte, ich muss mal mit Luise alleine reden. Ich weiß jetzt, woher ich sie kenne“, sagte Louise. Ihr Gesicht war steinern wie sonst auch.

„Halt, mein Essen!“, rief Jolie, als sie sie nach draußen zerren wollte und schnappte nach ihrem Tablett. Doch ihre Schwester war zu stark.

Prompt erhob sich das Tablett wie von selbst in die Luft und folgte ihr nach. Jolie und Louise sahen es irritiert an, wie es zu Jolie flog und sie es schließlich in die Hände nahm.

„Damit du nicht verhungerst!“, sagte Felix grinsend.

Jolie sah ihn strahlend an. Er war also ein Hexer!

Doch schon griff ihre Schwester sie erneut am Arm und zerrte sie nach draußen.

„Was fällt dir eigentlich ein?!“, schrie sie sie an, als sie draußen waren, „Weißt du eigentlich, wie besorgt unsere Eltern sind? Und dann – warst du bei der alten Hexe im Wald? Wage es ja nicht, mich anzulügen, ich kann ja sehen, dass du dort warst!“

Jolie biss schnell etwas von ihrem Brötchen ab, welches übrigens köstlich war, schluckte den Bissen hinunter und sagte ruhig: „Nein, ich bin nicht verrückt. Und ich habe nicht vor, so bald heim zu kommen. Es gefällt mir hier.“

„Es gefällt dir hier?“, fuhr ihre Schwester sie nun etwas leiser an, „Jolie, du weißt, dass unser Schicksal allein in deinen Händen liegt? Wenn du den König nicht heiratest, dann könnte er uns alle vernichten!“

„Und? Nur, weil er es könnte, heißt das ja nicht, dass er es macht. Vielleicht möchte er mich auch gar nicht heiraten, sondern eine Andere? Aber wir werden ja gar nicht erst gefragt. Es wird einfach über unsere Köpfe hinweg entschieden!“, erwiderte Jolie bissig.

„Über – Jolie, was ist denn mit dir los? Ich dachte bisher immer, dass du ihn heiraten willst – ja, sogar, dass es das größte Glück auf dieser Erde für dich wäre, ihn zu heiraten!“, sagte Louise fassungslos.

Jolie sah zum Boden. Dann meinte sie: „Was ist das eigentlich mit dir und Markus?“

„Was?“, fragte ihre Schwester irritiert.

„Du siehst ihn an, wie du bisher noch niemanden angesehen hast. Liebst du ihn?“, wollte Jolie wissen.

„Ich – äh – nun ja. Kann sein“, sagte ihre Schwester und errötete.

„Was ist an ihm denn anders als an den Anderen?“, hakte Jolie neugierig nach.

„Er – hat mich besiegt. Im Fechten. Er unterrichtet das hier. Ich wollte ins Team aufgenommen werden, da musste ich gegen ihn kämpfen und habe verloren. Das erste Mal in meinem Leben. Da wusste ich – der oder keiner“, erzählte Louise leise.

„Aber er weiß nicht, wer du bist?“, fragte Jolie.

Louise errötete noch mehr. „Nein, ich habe es ihm noch nicht gesagt“, meinte sie, „ich habe auch keine Ahnung, was er davon halten würde. Oder Mutter. Du musst wissen, er ist ein Hexer. Genau wie Felix. Woher kennst du den eigentlich?“

„Ich bin ihm auf dem Weg hierher zur Mensa begegnet. Ich habe ihn erst mit dem Leibwächter der Königin verwechselt. Das war vielleicht peinlich“, sagte Jolie. Nun wurde auch sie knallrot.

Louise lachte. „Ja, das ist mir auch passiert, als ich ihn das erste Mal gesehen habe. Irrwitziger Weise sieht Markus ihm auch sehr ähnlich, sie sind aber keine Geschwister, denn er ist nur wenige Monate jünger, aber dafür sieht er Elias überhaupt nicht ähnlich“, meinte sie kopfschüttelnd.

„Stimmt, das dachte ich mir auch!“, sagte Jolie grinsend.

„Aber – Jolie, was hast du nur getan? Also wirklich – wieso – du siehst grässlich aus. Überhaupt nicht so, wie du“, sagte Louise verzweifelt.

„Das ist ja auch der Sinn der Sache“, erklärte Jolie.

„Aber – wieso das Ganze?“, wollte Louise wissen.

„Ich wollte auch mal ein kleines Abenteuer erleben, weißt du. Und es war schon immer mein Traum gewesen, an eine Universität zu gehen. Seit Papa mir davon erzählt hat“, antwortete Jolie lächelnd.

„Aber den König wirst du doch wohl noch heiraten, oder?“, fragte ihre Schwester misstrauisch.

Jolie zuckte mit den Achseln. „Ich weiß es nicht. Es ist so viel passiert, seither“, meinte sie.

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