Читать книгу Tante Daffis Haus - Hannah Opitz - Страница 8

In Tante Daffis Haus

Оглавление

Jolie hatte noch einige Stunden einfach nur dagesessen und darüber nachgedacht, was er gesagt hatte. Hexen und Werwölfe waren Verbündete? Seit wann das? Ihre Mutter hatte doch immer gesagt, dass sie verfeindet wären. Und dann diese Frechheit, den Altkönig zu duzen! Aber der Königin gegenüber schien er ja auch nicht viel respektvoller zu sein, überlegte sie.

„Luise?“, wurde sie plötzlich angesprochen.

Erstaunt sah sie auf. Eben jener Altkönig stand nun direkt vor ihr.

„Ist alles in Ordnung? Du siehst irgendwie betrübt aus“, stellte er fest.

„Ach, es ist wegen Felix“, sagte sie leise.

Er lachte. „Was hat er denn dieses Mal wieder angestellt?“, fragte er schmunzelnd und setzte sich zu ihr.

„Ich verstehe nicht, wie er so respektlos sein kann!“, erklärte sie und sah ihn ernst an.

„Respektlos? Wie meinst du das?“, fragte er verwundert.

„Findet Ihr es etwa in Ordnung, dass er Euch duzt, Hoheit? Oder Andeutungen hinter dem Rücken der Königin, die ja Eure Tochter ist, macht?“, erwiderte sie.

„Du scheinst dich bei uns Werwölfen ja bestens auszukennen“, meinte er erstaunt und musterte sie.

Jolie wurde rot. „Ja, schon. Ich habe lange im Reiche der Descartes gelebt“, erklärte sie vorsichtig.

Er lachte wieder. „Das wundert mich jetzt aber“, meinte er und sah sie ungläubig an.

„Wieso?“, fragte sie.

„Naja – den Gerüchten zufolge sollen die Descartes nicht besonders nett zu euch Hexen sein. Die Königin ist sehr bekannt dafür, dass sie sie verfolgen lässt. Ob das stimmt, oder nur Gerüchte sind, das weiß ich nicht. Zumindest macht ihre Tochter nicht gerade den Eindruck auf mich, dass sie etwas gegen Hexen hätte“, erklärte er. „Du wirst sie dann wahrscheinlich schon erkannt haben, nicht wahr?“

„Ja, in der Tat. Deswegen wusste ich dann ja auch, wer Ihr seid, Hoheit. Aber dennoch verstehe ich nicht, dass Ihr zulasst, dass Felix so respektlos über Euch redet“, sagte sie.

Der Altkönig lächelte. „Ich denke, du missverstehst ihn. Er ist nicht respektlos. Wir kennen uns nur zu gut“, erklärte er.

„Dass Ihr so intim mit einem Hexer sein könnt“, meinte sie nur kopfschüttelnd.

Er brach in lautes Gelächter aus. „Oh, glaube mir, ich bin noch viel intimer mit einer anderen Hexe!“, meinte er und warf dem Springbrunnen einen kurzen Blick zu.

„Weiß denn Eure Frau davon?“, fragte Jolie schockiert.

Er grinste. „Sie ist meine Frau“, erklärte er und stand auf, „und sie wird ziemlich wütend sein, wenn ich nicht pünktlich wieder da bin. Möchtest du vielleicht mit uns essen?“

„Ich? Mit Euch?“, fragte Jolie. Ihr wurde ganz schwindelig bei dem Gedanken.

„Ja, warum denn nicht? Meine Frau wirst du ja sowieso noch irgendwann kennenlernen. Also was ist? Hast du Hunger?“, fragte er.

„Ich habe seit gestern nichts gegessen“, sagte Jolie abwägend.

„Nun komm schon, ich bin mir sicher, ihr werdet euch gut verstehen“, meinte er lächelnd.

„Wird denn die Königin auch da sein? Und der Kronprinz?“, fragte sie, sie war ein wenig ängstlich.

„Luna wird bestimmt da sein. Bei ihm bin ich mir da nicht so sicher“, meinte er und reichte ihr die Hand.

Jolie war nervös. Sie waren inzwischen vor einem recht alten Haus angekommen, das auf sie ein wenig bedrohlich wirkte.

Der Altkönig lächelte sie an, als er die Tür aufschloss. „Clema! Liebling, ich bin wieder da!“, rief er laut ins Haus hinein.

„Papa!“, rief sofort jemand und stürzte auf ihn zu, „Papa, hast du Rex gesehen?“ Es war die Königin. Jolie wurde blass. Sie sah völlig anders aus, als sie sie das letzte Mal gesehen hatte. Die Königin trug eine Jeans und ein T-Shirt, Jolies Ansicht nach war diese Kleidung ihrem Stand nicht direkt angemessen.

„Nein, habe ich nicht. Aber wo wird er schon sein?“, erwiderte er.

„Ach, du hast ja recht! Kann der Junge nicht einmal seine Arbeit aus dem Kopf bekommen und zum Essen nach Hause kommen?“, schimpfte sie. „Wer ist das?“, fragte sie, als sie Jolie bemerkte.

„Das ist Luise Miller. Sie ist im ersten Semester. Ich dachte, ihr würdet euch vielleicht gerne kennenlernen“, meinte der Altkönig. „Greta hat sie gestern Morgen im Wald gefunden.“

„Was hat Greta da eigentlich gemacht?“, fragte Jolie. Es war das erste Mal, dass sie sich darüber wunderte.

„Das ist eine gute Frage. Vor allem, da sie ungerne früh aufsteht. Normalerweise sind die Kinder ja immer am See. War da ein See in der Nähe?“, hakte Dellis nach.

„Hm. Ja, schon. Ich habe nur eine Frage: Wieso haben mich bisher alle immer vor den Verstoßenen gewarnt und niemand vor dem Wolf, der sie getötet hat?“, wollte Jolie neugierig wissen.

Dellis und Luna wechselten ernste Blicke.

„Woher weißt du das?“, fragte Dellis sie eindringlich.

„Naja – wie gesagt, ich komme aus dem Reiche der Descartes und – naja, die haben mich verfolgt, vielleicht war es meine Schuld, dass sie in Euer Revier kamen. Und dann tauchte dieser Wolf auf, hat alle getötet, mich ja fast auch, und“, weiter kam sie nicht.

„Was meinst du damit, er hätte dich fast getötet?“, fuhr ihr die Königin panisch dazwischen.

„Naja, er hatte schon zum Biss angesetzt, als er dann doch von mir ließ“, erklärte Jolie ruhig.

„Dieses Mal ist er zu weit gegangen“, meinte Luna fassungslos, „dieses Mal ist er eindeutig zu weit gegangen! Eine Unschuldige – fast totgebissen? Und – ich verstehe nicht, wie du da so ruhig bleiben kannst!“

„Naja – er hat mich ja nicht getötet. Sagt – kennt Ihr ihn etwa? Ich verdanke ihm immerhin mein Leben!“, sagte Jolie aufrichtig.

„Kennen ist noch untertrieben! Der wird was erleben, wenn er wiederkommt! Also, wenn er kommt. Ich sollte vielleicht erst mal was essen, bevor ich mich noch weiter aufrege“, überlegte die Königin und verschwand hinter einer der Türen.

„Die anderen sitzen bestimmt auch schon am Tisch“, mutmaßte der Altkönig und begleitete Jolie durch die Tür.

Der Raum, der sich hinter der Tür verbarg, glich einem Ballsaal, nur, dass hier zwei große Tische mit Stühlen aufgestellt waren, an denen viele verschiedene Wesen saßen. An dem einen Tisch saßen wohl die Jüngeren und an dem anderen Tisch die Älteren, wie Jolie feststellte.

Der Altkönig führte sie zu dem Tisch, an dem die Erwachsenen saßen und stellte sie vor: „Hallo zusammen! Darf ich vorstellen? Das ist Luise Miller, sie fängt dieses Semester an, bei uns zu studieren. Luise, das ist meine Frau Clema, unsere Tochter Luna kennst du ja schon, das ist Elias, das ist unser Sohn Fritz, unsere Töchter Ella und Elisa und unser Sohn Kasimir. Der Rest der Bande ist entweder schon flügge oder sitzt noch am Kindertisch. Das ist Clemas Großtante Daphne, ihre Tochter Gerda, ihr Mann Franklin, unser Zimmermädchen Manissara und da kommt gerade unsere Köchin Kaljena mit dem Essen.“

„Freut mich“, sagte Jolie ein wenig unsicher.

Sie wurde freundlich und interessiert gemustert. Dellis hatte sie neben sich, direkt Elias gegenüber platziert. Ihm gegenüber saß Luna und am Kopfende seine Frau.

Das Essen war köstlich.

„Sag mal, Luise, wo genau kommst du eigentlich her?“, fragte Clema irgendwann während des Essens.

„Ich? Also – äh“, stotterte Jolie.

„Sie kommt aus dem Reich der Descartes“, antwortete Dellis für sie.

„Ach echt?“, fragte Luna.

Ihr Vater nickte.

„Wo genau von dort? Das Reich ist schließlich nicht sehr klein“, hakte Elias genauer nach und musterte Jolie eindringlich, was ihr eine Gänsehaut verschaffte.

„Ich – äh – also – aus der Nähe des Schlosses“, sagte Jolie schließlich.

„Die haben da ein Schloss?“, fragte Ella interessiert.

„Ja, ein sehr schönes und sehr großes und sehr altes Schloss“, antwortete Jolie stolz.

„Das heißt, du bist ein Werwolf, oder?“, hakte Clema nach.

„Hm. Nein, ich bin eine Hexe“, meinte Jolie vorsichtig.

Luna runzelte die Stirn. „Aber – verfolgt die Königin Descartes nicht alle Hexen in ihrem Land?“, fragte sie.

„Was?“, fragte Clema schockiert.

„Ja, das schon. Aber sie ist und bleibt unsere Königin. Und wir lieben sie“, erwiderte Jolie stolz.

„Und du bist ganz sicher kein Werwolf?“, hakte Luna nach.

„Naja – vielleicht war einer meiner Vorfahren ein Werwolf. Was denkt ihr, warum ich geflohen bin? Also, ich meine, warum ich hierher zum Studieren wollte. Noch länger hätten meine Eltern mich nämlich nicht verstecken können“, erzählte Jolie.

Elias, der sie die gesamte Zeit über nicht aus den Augen gelassen hatte, schien ihr kein Wort zu glauben. Er flüsterte Luna irgendetwas zu, sie erwiderte auch etwas. Nur leider waren sie tatsächlich so leise, dass selbst Dellis kaum etwas verstand, und dessen Gehörsinn war schließlich nicht von einem Hexentrank beeinflusst.

Doch, bevor sie Jolie weiter mit Fragen löchern konnten, riss jemand nach Luft schnappend die Türen auf, schloss sie wieder und lief dann eilig an ihren Tisch. Sie setzte sich links neben Jolie. Es war Greta.

„Na, wo warst du denn so lange?“, fragte Elias sie ein wenig neckisch.

„Spazieren. Es tut mir wirklich leid, ich habe total die Zeit vergessen. Entschuldigt bitte“, schnaufte Greta, bevor sie mit dem Essen begann.

„Wo warst du denn spazieren? Doch nicht etwa wieder im Wald?“, hakte Luna nach.

„Doch, schon“, sagte Greta.

„Liebes, du weißt, dass das momentan echt gefährlich ist? Wer weiß, ob da nicht doch noch ein paar Wölfe kommen?“, warf Elias ihr vor.

„Tz, als ob die ne Chance gegen mich hätten!“, erwiderte Greta schnaubend.

Luna und Elias sahen sie beide entsetzt an. Dellis blieb ganz cool.

„Da hat sie in der Tat recht“, meinte er nur.

„Papa! Wie kannst du uns nur so in den Rücken fallen! Du willst doch nicht etwa, dass sie sich in Gefahr bringt!“, fuhr Luna ihren Vater an. „Du gehst da nicht noch mal alleine hin!“, sagte sie zu Greta.

„Ich war ja nicht alleine dort“, murmelte Greta leise.

„Also triffst du dich dort mit jemandem? Mit wem?“, fragte Luna, plötzlich nicht mehr besorgt, sondern entsetzlich neugierig.

Greta wurde rot. „Mit niemandem“, log sie.

Luna lachte. „Das habe ich damals auch gesagt! Und dann habe ich meinen Herrn Niemand geheiratet! Also sag schon, wer ist es? Kennen wir ihn? Es ist doch ein Er, oder? Sieht er gut aus? Was für ein Wesen ist er? Komm schon, Gretchen, erzähl uns mal was!“, forderte sie Greta auf.

Jolie bekam langsam den Verdacht, dass Greta irgendwie mit der Königin verwandt sein musste. Aber wie? Greta war schließlich kein Werwolf, so viel wusste sie.

„Mama, bitte! Das ist echt so was von peinlich. Ich geh hoch und esse in meinem Zimmer“, beschloss Greta und stand auf.

„Och, Schätzchen, das war doch nicht so gemeint! Greta! Komm zurück! Greta!“, rief Luna ihr nach. Doch da war Greta schon gegangen.

Jolie bemerkte, wie ihr heiß und kalt wurde. Sie schwindelte etwas. Hatte Greta die Königin gerade „Mama“ genannt? Hieß das, die Königin hatte ein Kind, das kein Werwolf war? Wie war das möglich? Und dann – wenn Greta Lunas Tochter war, dann war sie ja auch – die Schwester ihres Verlobten und somit ihre künftige Schwägerin! Jolie spürte, wie sie langsam, aber sicher, immer nervöser wurde. Da floh sie vor ihrem zukünftigen Verlobten und dann – landete sie ausgerechnet hier, in diesem Haus, wo seine Familie wohnte! Es tat ihr fast schon leid, dass sie fest entschlossen war, ihn nicht zu heiraten. Vielleicht war er auch gar nicht so übel, überlegte sie, immerhin schien seine Familie ganz nett zu sein. Und wer weiß? Vielleicht war er das tatsächlich im Wald gewesen? Wäre die Königin sonst so schockiert gewesen?

„Luise? Alles in Ordnung?“, fragte Clema besorgt.

„Hm? Ja, alles bestens“, sagte Jolie. Sie war noch immer ein wenig abwesend.

Nach dem Essen erwischte sie eine günstige Gelegenheit, um Elias einmal alleine zu sprechen.

„Hi, Elias, nicht wahr?“, sprach sie ihn an. Sie waren alleine in der Empfangshalle.

„Ja?“, sagte er, erstaunt, dass sie ihn wohl sprechen wollte.

„Sag mal, kennst du eigentlich einen Felix? Ihr seht euch nämlich wirklich unglaublich ähnlich!“, kam sie gleich auf den Punkt.

„Ähm – ja, wieso?“, wollte er wissen. Er schien etwas verwirrt zu sein.

„Seid ihr irgendwie verwandt oder so? Ich kann mir das sonst nämlich nicht wirklich erklären“, meinte sie ernst.

Elias überlegte etwas. „Woher kennst du Felix?“, fragte er dann.

„Ich bin ihm – unter anderem heute Morgen – über den Weg gelaufen. Er hat mir erzählt, dass ihr sogar ziemlich häufig verwechselt werdet“, erklärte sie vorsichtig.

Er musterte sie. „Ja, das passiert. Allerdings wird er manchmal auch so mit „Herr Zahnmeister“ angeredet, auch, wenn die Person ihn nicht verwechselt. Manche scheinen wohl nicht zu verstehen, dass wir einfach nicht denselben Nachnamen tragen“, meinte er dann.

Jolie war nun selbst etwas verwirrt. Das schien dann ja wohl eine Familienkrankheit zu sein, nicht immer klar und eindeutig zu formulieren, was Sache war. „Und in welchem Verwandtschaftsverhältnis genau steht ihr zueinander? Ist er sowas wie dein Neffe?“, hakte sie nach.

Elias musste schmunzeln. „Du weißt schon, dass es uns normalen Werwölfen strengstens untersagt ist, mehr als ein Kind zu haben? Demnach würde die Option Neffe schon einmal wegfallen“, erklärte er ernst.

Jolie verdrehte die Augen. „Warum sagt Ihr denn dann nicht einfach, dass er Euer Sohn ist?“, fuhr sie ihn genervt an.

Er wich etwas zurück. Dann sagte er leise und eindringlich: „Weil er in erster Linie der Sohn meiner Frau ist. Ich bin da gänzlich unnötig zu erwähnen!“

Jolie sah ihn perplex an. Sie hatte nicht daran gedacht, dass er, sollte Felix wirklich sein Sohn sein, wahrscheinlich auch verheiratet war.

„Was sagt denn deine Frau dazu, dass du ständig bei der Königin sein musst?“, fragte sie.

„Ach, die findet es gut, wenn ich mal nicht bei ihr bin, dann hat sie ihre Ruhe“, meinte er abwinkend.

„Aha“, machte Jolie. Sie war nicht wirklich aus seiner Aussage schlau geworden. Dann fragte sie: „Was hat Felix eigentlich damit gemeint, als er zu mir meinte, er hoffe, dass Ihr und die Königin Euch benommen habt, als ihr mal bei den Descartes zu Besuch wart?“

Elias sah sie entsetzt an. „Das hat er gesagt?“, fragte er. Er wurde auf einmal rot.

„Ihr habt doch nicht etwa ein Verhältnis mit der Königin?“, fragte sie ihn, nicht minder entsetzt.

„Tja – naja – Verhältnis würde ich das jetzt nicht gerade nennen“, meinte er abwägend.

„Ich werde jetzt gehen, bevor ich noch irgendwelche schockierenden Geheimnisse erfahre!“, beschloss Jolie und sah zu, dass sie aus diesem Haus rauskam.

Tante Daffis Haus

Подняться наверх